Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 20.12.2021, Az. 4 BN 36/21

4. Senat | REWIS RS 2021, 174

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Gegenstand

Grundsatzrüge nach ergänzendem Verfahren (hier: Heilung eines Bekanntmachungsfehlers)


Tenor

Das Beschwerdeverfahren der Beigeladenen wird eingestellt.

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 27. April 2021 ergangenen Urteil des [X.] wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin trägt die Gerichtskosten zu 2/3, die Beigeladene zu 1/3, die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller tragen die Antragsgegnerin und die Beigeladene je zur Hälfte.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 30 000 € festgesetzt.

Gründe

1

I. Die [X.]eigeladene hat ihre [X.]eschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 27. April 2021 ergangenen Urteil des [X.] mit Schriftsatz vom 24. November 2021 zurückgenommen. Das [X.]eschwerdeverfahren ist deshalb in entsprechender Anwendung von § 141 Satz 1, § 125 Abs. 1 Satz 1, § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.

2

II. Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte [X.]eschwerde der Antragsgegnerin bleibt erfolglos. Sie ist unbegründet.

3

1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher [X.]edeutung der Rechtssache nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen.

4

Grundsätzlich bedeutsam ist eine Rechtssache, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer [X.]edeutung über den der [X.]eschwerde zu Grunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der [X.]eschwerdebegründung muss dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO) werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des revisiblen Rechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr, vgl. [X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 2. Oktober 1961 - 8 [X.] 78.61 - [X.]VerwGE 13, 90 <91> und vom 14. Oktober 2019 - 4 [X.] - [X.] 2020, 173 Rn. 4).

5

a) Das Oberverwaltungsgericht hat sein Urteil allein tragend darauf gestützt, dass die [X.]ekanntmachung der Genehmigung des [X.]ebauungsplans im [X.] nicht den rechtsstaatlichen Mindestanforderungen an die Verkündung von Rechtsnormen genüge ([X.]). Insoweit macht die Antragsgegnerin keinen grundsätzlichen Klärungsbedarf geltend. Sie hat vielmehr nach Ergehen des [X.] ein ergänzendes Verfahren nach § 214 Abs. 4 [X.]auG[X.] durchgeführt und hält den [X.]ekanntmachungsfehler für geheilt. Sie meint, damit die Entscheidungserheblichkeit von Rechtsfragen zur Lärmemissionskontingentierung herbeigeführt zu haben. Dies führt nicht zur Zulassung der Revision.

6

aa) Mit dem - wirksamen - Abschluss des ergänzenden Verfahrens erlangt ein ursprünglicher [X.]ebauungsplan zusammen mit dem geänderten [X.]ebauungsplan insgesamt als ein [X.]ebauungsplan Wirksamkeit, der sich aus zwei [X.] zusammensetzt (stRspr, vgl. [X.]VerwG, Urteile vom 29. Januar 2009 - 4 C 16.07 - [X.]VerwGE 133, 98 Rn. 22 und vom 29. Juni 2021 - 4 CN 8.19 - [X.] 2021, 874 Rn. 7). Eine solche Änderung der Rechtslage wäre in einer Revisionsentscheidung zu beachten (vgl. [X.]VerwG, Urteile vom 14. September 2017 - 4 CN 6.16 - [X.] 406.11 § 9 [X.]auG[X.] Nr. 108 Rn. 10 und vom 29. Juni 2021 - 4 CN 8.19 - a.a.[X.]) und könnte auch im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde [X.]edeutung erlangen (vgl. [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 14. Juli 2016 - 4 [X.] 38.15 - [X.]auR 2016, 1769 Rn. 2).

7

Eine Rechtsänderung durch das ergänzende Verfahren kann jedoch nicht zur Zulassung wegen einer als rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig bezeichneten Frage führen, die das Oberverwaltungsgericht nicht beantwortet hat. Denn es ist grundsätzlich nicht Sinn der Revisionszulassung, die Anwendung neuen Rechts im Einzelfall ohne vorherige Prüfung durch die Instanzgerichte zu ermöglichen ([X.]VerwG, [X.]eschluss vom 30. März 2005 - 1 [X.] 11.05 - [X.] 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 32 S. 13 f.). Die Revisionszulassung setzt vielmehr eine Rechtsfrage voraus, die für das angegriffene Urteil entscheidungserheblich war ([X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 21. Dezember 2018 - 7 [X.] 3.18 - [X.] 406.27 § 32 [X.][X.]ergG [X.] Rn. 11 und vom 4. Oktober 2013 - 6 [X.] 13.13 - [X.] 421.2 Hochschulrecht Nr. 181 Rn. 19). Zwar hat sich das Oberverwaltungsgericht zu Mängeln der Kontingentierung geäußert. Diese Ausführungen tragen das Urteil aber nicht (vgl. [X.]). Insoweit weicht der Fall von der Konstellation ab, über die durch Senatsbeschluss vom 14. Juli 2016 - 4 [X.] 38.15 - ([X.]auR 2016, 1769) zu entscheiden war. Auf die - zwischen den [X.]eteiligten umstrittene - Frage, ob das ergänzende Verfahren mangelfrei durchgeführt worden ist, kommt es nicht an.

8

bb) Hiervon unabhängig sind die in der [X.]eschwerde aufgeworfenen Fragen in der Rechtsprechung beantwortet.

9

Die Festsetzung von [X.] findet bei einer internen Gliederung eines [X.]augebiets ihre Rechtsgrundlage in § 1 Abs. 4 Satz 1 [X.] [X.]auNVO. Dem Tatbestandsmerkmal des Gliederns in dieser Vorschrift wird nur Rechnung getragen, wenn das [X.]augebiet in einzelne Teilgebiete mit verschieden hohen Emissionskontingenten zerlegt wird ([X.]VerwG, Urteil vom 7. Dezember 2017 - 4 CN 7.16 - [X.]VerwGE 161, 53 Rn. 15; vgl. [X.]). [X.]ei einer Gliederung nach § 1 Abs. 4 Satz 1 [X.] [X.]auNVO muss die Zweckbestimmung des jeweiligen [X.]augebiets gewahrt bleiben. Die Lärmemissionskontingentierung eines Industriegebiets ist dabei von § 1 Abs. 4 Satz 1 [X.] [X.]auNVO nur gedeckt, wenn ein Teilgebiet von einer Emissionsbeschränkung ausgenommen wird ([X.]VerwG, Urteil vom 18. Februar 2021 - 4 CN 5.19 - NVwZ 2021, 1141 Rn. 13, vgl. [X.] 16).

Weiteren Klärungsbedarf zeigt die [X.]eschwerde nicht auf: Unterschiedliche Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung lassen die Anforderungen des § 1 Abs. 4 Satz 1 [X.] [X.]auNVO an die Gliederung des [X.]augebiets unberührt. Diese Anforderungen verlangen auch für die Überplanung eines [X.]estandes [X.]eachtung, weil sie sich aus der Ermächtigungsgrundlage für die Festsetzung ergeben.

b) Die [X.]eschwerde formuliert ihre zum Rechtsschutzbedürfnis aufgeworfene Verfahrensrüge zugleich als Rüge einer grundsätzlichen [X.]edeutung der Rechtssache nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Diese Rüge verfehlt die Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Sie legt die fallübergreifende [X.]edeutung der Frage nicht dar, sondern beschränkt sich auf eine Kritik im Einzelfall.

2. Die Revision ist nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen eines [X.] zuzulassen, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

a) Das Oberverwaltungsgericht hat das Rechtsschutzbedürfnis zutreffend angenommen.

Ist ein Antragsteller antragsbefugt im Sinne von § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO, ist regelmäßig auch das Rechtsschutzbedürfnis gegeben ([X.]VerwG, Urteil vom 13. Dezember 2018 - 4 CN 3.18 - [X.]VerwGE 164, 74 Rn. 14). Das Erfordernis eines Rechtsschutzbedürfnisses soll nur verhindern, dass Gerichte in eine Normprüfung eintreten, deren Ergebnis für den Antragsteller wertlos ist, weil es seine Rechtsstellung nicht verbessern kann ([X.]VerwG, Urteil vom 27. August 2020 - 4 CN 4.19 - [X.]VerwGE 169, 219 Rn. 11 m.w.N.). Das Oberverwaltungsgericht hat das Rechtsschutzbedürfnis selbständig tragend mit dem Hinweis bejaht, dass die Antragsteller bei einem Erfolg ihres Antrags die aus ihrer Sicht fehlerhafte Einordnung ihres Grundstücks als Gewerbegebiet beseitigen können ([X.] 10). Insoweit zeigt die [X.]eschwerde keinen Verfahrensfehler auf. Hiervon unabhängig hat das Oberverwaltungsgericht das Rechtsschutzbedürfnis angenommen, weil eine erneute Planung zum Verzicht auf die Ausweisung bestimmter Flächen oder zu günstigeren Festsetzungen für die Antragsteller führen könnte. Eine solche Aussicht genügt ([X.]VerwG, Urteil vom 13. Dezember 2018 - 4 CN 3.18 - [X.]VerwGE 164, 74 Rn. 14).

b) Die [X.]eschwerde rügt, mit der Ablehnung eines [X.]eweisantrags habe das Oberverwaltungsgericht gegen die Pflicht zur Amtsaufklärung aus § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO und den Überzeugungsgrundsatz aus § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO verstoßen. Dies bleibt erfolglos. Nach der insoweit maßgeblichen materiell-rechtlichen Rechtsauffassung des [X.] (stRspr, vgl. [X.]VerwG, Urteil vom 14. Januar 1998 - 11 C 11.96 - [X.]VerwGE 106, 115 <119> und [X.]eschluss vom 13. Mai 2014 - 4 [X.] 38.13 - NVwZ 2014, 1246 Rn. 27) kam es auf die unter [X.]eweis gestellten baulichen Gegebenheiten im Plangebiet und damit das [X.]estehen eines faktischen Gewerbe- oder Industriegebiets nicht an ([X.]).

3. Zur Klarstellung weist der Senat auf Folgendes hin: Mit der Ablehnung der [X.]eschwerde durch das [X.]undesverwaltungsgericht wird das Urteil des [X.] nach § 133 Abs. 5 Satz 3 VwGO rechtskräftig. Dessen Gegenstand ist der [X.]ebauungsplan Gewerbe- und Industriegebiet "Ölmühle" in seiner ursprünglichen Fassung. Ob der [X.]ebauungsplan in der Fassung der [X.]ekanntmachung vom 4. August 2021 wirksam ist, ist damit nicht entschieden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 155 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.

Meta

4 BN 36/21

20.12.2021

Bundesverwaltungsgericht 4. Senat

Beschluss

Sachgebiet: BN

vorgehend Thüringer Oberverwaltungsgericht, 27. April 2021, Az: 1 N 352/17, Urteil

§ 214 Abs 4 BauGB

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 20.12.2021, Az. 4 BN 36/21 (REWIS RS 2021, 174)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 174

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