Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.02.2006, Az. XI ZR 255/04

XI. Zivilsenat | REWIS RS 2006, 5017

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.] ZR 255/04 Verkündet am: 14. Februar 2006 [X.], Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]Z: nein [X.]R: ja _____________________ HWiG § 1 Nach richtlinienkonformer und vom Wortlaut des § 1 HWiG gedeckter Ausle-gung muss sich ein Vertragspartner, der nicht selbst die Vertragsverhandlungen führt, die in der Person des [X.] objektiv bestehende Haustür-situation ohne weiteres zurechnen lassen. Auf die Frage, ob sich eine Zure-chenbarkeit der Haustürsituation aus einer entsprechenden Anwendung des § 123 Abs. 2 BGB ergibt, kommt es nicht an (Änderung der bisherigen Recht-sprechung im [X.] an [X.], Urteil vom 25. Oktober 2005 - [X.]/04, [X.], 2086, [X.]). [X.], Urteil vom 14. Februar 2006 - [X.] OLG Frankfurt am Main

LG Darmstadt - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.] vom 14. Februar 2006 durch [X.], [X.] [X.], [X.], die Richterin [X.] und [X.] Ellenberger für Recht erkannt: Auf die Revision der Kläger und die [X.]revision der [X.]n wird das Urteil des 9. Zivilsenats des [X.] vom 23. Juni 2004 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entschei-dung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:

Die Kläger nehmen die beklagte Bank auf Rückzahlung von [X.] in Anspruch, die sie aufgrund eines Darlehens zur Finanzie-rung einer Fondsbeteiligung erbracht haben. Die [X.] verlangt [X.] im Wege der Widerklage die Zahlung des offenen Darlehensbetra-ges. 1 - 3 - Am 1. Dezember 1989 erklärten die Kläger, ein kaufmännischer Angestellter und seine Ehefrau, über einen von den Initiatoren des [X.] ausgewählten Treuhänder ihren Beitritt in die Grundstücksge-sellschaft bürgerlichen Rechts [X.]

in [X.](nachfol-gend: GbR) mit einer Einlage von 50.000 DM. Aufgrund einer mit der [X.] getroffenen generellen Absprache leitete die [X.] ei-nen am 1. Dezember 1989 von den Klägern unterzeichneten, notariell beglaubigten Kreditantrag über 58.988 DM der [X.]n zu. Diese [X.] den Antrag am 20. Dezember 1989 ab. Etwa sechs Wochen später reichten die Kläger über die [X.] unter dem 31. Januar 1990 einen neuen Antrag über 35.394 DM ein, den die [X.] am 6. Februar 1990 annahm. Eine Widerrufsbelehrung enthält auch dieser Antrag nicht. Die fristlose Kündigung des Darlehens ist nach Nr. 8 des formularmäßi-gen Darlehensvertrages zulässig, wenn der Darlehensnehmer mit der Zahlung von fälligen Leistungen länger als 14 Tage in Verzug ist und auch nach einer Nachfristsetzung von mindestens 14 Tagen nicht zahlt. 2 Nach vertragsgemäßer Valutierung des Darlehens auf ein Treu-handkonto leisteten die Kläger von 1990 bis September 2001 teilweise in Form von [X.] insgesamt 34.179,38 DM an die [X.]. Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 27. Juli 2001 ließen sie ihre auf [X.] des Kreditvertrages gerichteten Willenserklärungen nach dem [X.] widerrufen. 3 Die Kläger haben vorgetragen, sämtliche Gespräche mit den [X.] über die Fondsbeteiligung und die nach dem Anlagekonzept vor-gesehene Kreditaufnahme seien in ihrer damaligen Privatwohnung ge-führt worden. Es liege ein verbundenes Geschäft vor. Die [X.] hält 4 - 4 - dem vor allem entgegen, dass der Darlehensvertrag erst durch die mit der Widerklage erklärte Kündigung aus wichtigem Grund erloschen sei und dass ihr auch nach dem [X.] ein Anspruch auf 19.395,06 • zuzüglich marktüblicher Zinsen zustehe. 5 Das [X.] hat der Klage auf Zahlung von 17.837,45 • zuzüg-lich Zinsen stattgegeben und die Widerklage über 19.395,06 • nebst Zin-sen abgewiesen. Auf die Berufung der [X.]n hat das Oberlandesge-richt beide Klagen abgewiesen. Mit der von ihm zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihren Klageantrag und die [X.] im Wege der [X.]revision ihren Widerklageantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revisionen beider Parteien sind begründet. Sie führen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sa-che an das Berufungsgericht. 6 [X.] Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt: 7 Den Klägern stehe ein Anspruch auf Rückzahlung der auf das [X.] geleisteten Beträge nach dem [X.] nicht zu. Der Widerruf des Darlehensvertrages sei nicht wirksam. Selbst wenn un-8 - 5 - terstellt werde, dass es sich bei dem Kreditvertrag um ein Haustürge-schäft handele, müsse sich die [X.] dieses nicht zurechnen lassen. Die Zurechenbarkeit einer Haustürsituation sei in Anlehnung an die zu § 123 Abs. 2 BGB entwickelten Grundsätze zu entscheiden. Da der [X.] die angebliche Haustürsituation nicht als Mitarbeiter, [X.], Beauftragter oder als Vertrauensperson der [X.]n, son-dern als "Dritter" im Sinne des § 123 Abs. 2 BGB herbeigeführt habe, komme es darauf an, ob die [X.] die Haustürsituation damals ge-kannt habe oder habe kennen müssen. Hierfür sei nichts vorgetragen oder ersichtlich.
Die noch nicht veröffentlichte Entscheidung des I[X.] Zivilsenats des [X.] vom 14. Juni 2004 habe auf den [X.] keinen Einfluss. Zwar spreche vieles dafür, dass das Darlehensgeschäft und die Fondsbeteiligung ein verbundenes Geschäft im Sinne des § 9 VerbrKrG bildeten. Voraussetzung dafür, dass der Anleger die Rückzah-lung des Kredites verweigern dürfe, sei nach der Entscheidung aber, dass ihm Einwendungen gegen die [X.] zustünden. Dass ihre Anlageentscheidung auf einer arglistigen Täuschung beruhe und sie infolgedessen zur Kündigung ihrer Fondsbeteiligung berechtigt seien, hätten die Kläger nicht geltend gemacht. 9 Auch die Widerklage der [X.]n sei nicht begründet. Das [X.] sei mangels wirksamer Kündigung nicht fällig. Die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung richte sich nach Ziffer 8 der [X.]. Zwar möge in der Erhebung der Widerklage eine konkludente Kündigungserklärung liegen, es fehle aber die in der Vertragsklausel vorgeschriebene Nachfristsetzung. Überdies habe zum damaligen [X.] - 6 - punkt kein Zahlungsverzug der Kläger vorgelegen, weil die [X.] von der ihr erteilten Einziehungsermächtigung auch weiterhin habe Gebrauch machen können. I[X.] Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung in [X.] nicht stand. 11 A. Revision der Kläger
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts muss sich die [X.] die unterstellte und infolgedessen in der Revisionsinstanz als gegeben anzusehende Haustürsituation zurechnen lassen. 12 1. Allerdings hat der [X.] bisher in ständiger Recht-sprechung angenommen, dass ein Kreditvertrag nicht schon dann nach dem [X.] wirksam widerrufen werden kann, wenn der Vermittler einer kreditfinanzierten Anlage den Abschluss des [X.] in einer Haustürsituation angebahnt hat. Vielmehr wurde der kreditgebenden Bank die Haustürsituation - in Übereinstimmung mit den Gesetzesmaterialien (BT-Drucks. 10/2876, [X.]) und der ganz herr-schenden Ansicht in der Literatur (siehe z.B. [X.]/[X.], 4. Aufl. § 312 [X.]. 30 m.w.Nachw.) - außerhalb des [X.] des § 278 BGB nur dann zugerechnet, wenn die für die Zurech-nung der arglistigen Täuschung gemäß § 123 Abs. 2 BGB notwendigen 13 - 7 - Voraussetzungen erfüllt sind. War der Verhandlungsführer als "Dritter" im Sinne dieser Vorschrift anzusehen, so war sein auf die Haustürsituation bezogenes Handeln der Bank daher nur dann zuzurechnen, wenn sie dieses bei Vertragsschluss kannte oder hätte erkennen müssen. Für eine fahrlässige Unkenntnis in diesem Sinne genügte, dass die Umstände des Falles die Bank veranlassen mussten, sich zu erkundigen, wie es zur Abgabe der auf Abschluss des Darlehensvertrages gerichteten Willens-erklärung des Kreditsuchenden gekommen ist (siehe z.B. Senatsurteile vom 12. November 2002 - [X.] ZR 3/01, [X.], 61, 63, vom 15. Juli 2003 - [X.] ZR 162/00, [X.], 1741, 1743, vom 20. Januar 2004 - [X.] ZR 460/02, [X.], 521, 523; [X.]Z 159, 280, 285 f.; [X.], Urteile vom 15. November 2004 - [X.], [X.], 124, 125 und vom 30. Mai 2005 - [X.], [X.], 1408, 1409). 2. Wie schon der I[X.] Zivilsenat (Urteil vom 12. Dezember 2005 - II ZR 327/04, [X.], 220, 221 f.) hält auch der erkennende Senat an dieser Rechtsprechung nicht mehr fest. Mit dem [X.] hat der [X.] Gesetzgeber die Richtlinie 85/577 EWG des Rates vom 20. Dezember 1985 betreffend den [X.] im Falle von au-ßerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen ([X.] L 372, [X.]) in nationales Recht umgesetzt. Nach der bindenden Auslegung des [X.] Rechts durch den Gerichtshof der Europäischen Ge-meinschaften in seinem erst nach der angefochtenen Entscheidung er-gangenen Urteil vom 25. Oktober 2005 ([X.]. [X.]/04, [X.], 2086) muss sich die Bank die Haustürsituation bereits dann zurechnen lassen, wenn sie bei Abschluss des Darlehensvertrages objektiv vorgelegen hat. Eine solche richtlinienkonforme Auslegung lässt das nationale Recht zu. Zwar wollte der Gesetzgeber (vgl. BT-Drucks. aaO) den durch die Haus-14 - 8 - türsituation in seiner Willensbildung beeinträchtigten Verbraucher grund-sätzlich nicht weiter schützen als einen Vertragspartner, der durch eine arglistige Täuschung zum Vertragsschluss bewogen wurde. Diese [X.] hat aber im Wortlaut des § 1 HWiG keinen Niederschlag gefunden. Es handelt sich nicht einmal um eine Interpretation des Gesetzestextes, sondern um einen Diskussionsbeitrag zu einer Frage, die im Gesetz nicht beantwortet worden ist, sondern der Rechtsprechung und der Lehre überlassen bleiben sollte.
B. [X.]revision der [X.]n
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist die auf Zahlung des Restdarlehens gerichtete Widerklage der [X.]n begründet, so-fern der Widerruf der Kläger mangels Vorliegens einer Haustürsituation oder deren Ursächlichkeit für den Vertragsschluss nicht wirksam ist. 15 1. Die [X.] war unter diesen Umständen gemäß Ziffer 8 der Vertragsbedingungen zur fristlosen Kündigung des Darlehensvertrages berechtigt. Die Kläger waren bei Erhebung der Widerklage mit der Rück-zahlung des Kredits länger als 14 Tage in Verzug. Die in der Klausel vorgeschriebene Nachfristsetzung war wegen der ernsthaften und end-gültigen Leistungsverweigerung der [X.]n ausnahmsweise entbehr-lich. Dabei kann offen bleiben, ob in einem unberechtigten Widerruf oder vergleichbaren Erklärungen des Schuldners bereits eine endgültige Erfül-lungsverweigerung liegt (vgl. dazu [X.], Urteil vom 14. November 1980 - [X.], [X.], 312). Jedenfalls war im vorliegenden Streitfall nach der Klageerhebung aus der maßgebenden Sicht eines vernünftigen 16 - 9 - Darlehensgebers in der Position der [X.]n nicht mehr mit einer [X.] seitens der Kläger zu rechnen. Eine Nachfrist hätte sie daher - wie die [X.]revision zu Recht geltend macht - nicht mehr zur Zahlung bewegen und vor einer fristlosen Kündigung des Kreditver-trages bewahren können, sondern wäre letztlich nur eine sinnlose [X.] gewesen. Dass die [X.] zum damaligen Zeitpunkt eine noch nicht ausdrücklich widerrufene Einziehungsermächtigung in [X.] hielt, ändert nichts, weil für die [X.] jedenfalls ab Klageerhebung keine Aussicht mehr bestand, von der Ermächtigung erfolgreich Gebrauch ma-chen zu können. 2. Dass die Widerklage der [X.]n eine fristlose Kündigung enthält, ziehen auch die Kläger nicht in Zweifel. 17 II[X.] Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Entscheidung reif ist, war sie zur neuen 18 - 10 - Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuver-weisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
[X.] [X.] Joeres [X.]

[X.]: [X.], Entscheidung vom 21.10.2003 - 10 O 379/02 - [X.], Entscheidung vom [X.]/03 -

Meta

XI ZR 255/04

14.02.2006

Bundesgerichtshof XI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.02.2006, Az. XI ZR 255/04 (REWIS RS 2006, 5017)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 5017

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