Bundesgerichtshof, Urteil vom 24.06.2020, Az. IV ZR 275/19

4. Zivilsenat | REWIS RS 2020, 1254

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Verpflichtung des Versicherers zum gesonderten Ausweis der auf eine Zusatzversicherung entfallenden Prämie


Leitsatz

Zur Frage, ob § 10a Abs. 1 VAG a.F. i.V.m. Abschnitt I Nr. 1 Buchst. e) der Anlage Teil D zum VAG a.F. den Versicherer bei einer Zusatzversicherung zu einem gesonderten Ausweis der auf sie entfallenden Prämie verpflichtet.

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des 20. Zivilsenats des [X.] vom 27. September 2019 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 60.140,75 € festgesetzt.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt von dem beklagten Versicherer Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge und Herausgabe von Nutzungen aus einem kapitalbildenden Lebensversicherungsvertrag mit eingeschlossener Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung.

2

Dieser wurde mit Versicherungsbeginn zum 1. Juni 2002 und einer Laufzeit von zwölf Jahren nach dem sogenannten [X.] des § 5a [X.] in der seinerzeit gültigen Fassung (im Folgenden: § 5a [X.] a.F.) abgeschlossen. Zum Versicherungsende im Jahr 2014 kehrte die Beklagte eine Ablaufleistung in Höhe von 17.530,33 € aus. Mit Schreiben vom 22. Oktober 2015 erklärte der Kläger den Widerspruch gemäß § 5a [X.] a.F.

3

Mit der Klage verlangt er Rückzahlung aller auf den Vertrag geleisteten Beiträge nebst Zinsen abzüglich Risikokosten sowie ausgekehrter Ablaufleistung und zuzüglich gezogener Nutzungen, insgesamt 60.140,75 €.

4

Der Kläger meint, er sei im Jahr 2015 noch zum Widerspruch berechtigt gewesen, da die Widerspruchsbelehrung unzureichend und die ihm überlassenen Verbraucherinformationen unvollständig gewesen seien.

5

Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung des [X.] hat das [X.] zurückgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt er sein Begehren weiter.

Entscheidungsgründe

6

[X.]ie Revision hat keinen Erfolg.

7

I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts hat der Kläger dem Zustandekommen des [X.] nicht binnen der Frist von 14 Tagen nach Überlassung des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der Verbraucherinformationen widersprochen (§ 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F.). [X.]er mit Schreiben vom 22. Oktober 2015 erklärte Widerspruch sei verfristet gewesen.

8

Er sei ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht belehrt worden. Auch griffen die vom Kläger mit der Berufung noch erhobenen [X.], es hätten Angaben in der ihm überlassenen Verbraucherinformation gefehlt, die nach der Anlage Teil [X.] zum Versicherungsaufsichtsgesetz in der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses gültigen Fassung (im Folgenden: [X.]) erforderlich gewesen seien, nicht durch. [X.]ie erteilte Verbraucherinformation sei insbesondere nicht deswegen unvollständig, weil die Prämien für die [X.] nicht gesondert ausgewiesen worden seien. [X.]agegen stehe der klare Wortlaut der Regelung, die einen Einzelausweis nur fordere, wenn mehrere selbständige Versicherungsverträge vorlägen, was bei einer Zusatzversicherung nicht der Fall sei. Eine Pflicht zur gesonderten Ausweisung ergebe sich auch nicht mit Blick auf die europarechtlichen Vorgaben in der [X.]ritten Lebensversicherungsrichtlinie (92/96/[X.]).

9

II. [X.]ie hiergegen gerichtete Revision ist zulässig, insbesondere gemäß § 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO aufgrund der Zulassung durch das Berufungsgericht insgesamt statthaft. Eine Beschränkung der Revisionszulassung lässt sich dem Berufungsurteil entgegen der Revisionserwiderung nicht entnehmen. Soweit das Berufungsgericht in den Entscheidungsgründen ausgeführt hat, es sei von grundsätzlicher Bedeutung, ob ein Lebensversicherer gemäß Abschnitt [X.]. e) der Anlage Teil [X.] zum [X.] gehalten war, im Rahmen der zu erteilenden Verbraucherinformation die Prämie für eine in die Hauptversicherung eingeschlossene Zusatzversicherung gesondert auszuweisen, liegt darin lediglich eine Begründung für die Zulassung der Revision (vgl. Senatsurteil vom 26. September 2018 - [X.], [X.], 1367 [juris Rn. 16]).

III. [X.]as Berufungsurteil hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand.

[X.]as Berufungsgericht hat dem Kläger die geltend gemachten Bereicherungsansprüche zu Recht versagt, weil er im Jahre 2015 den Widerspruch nach § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. nicht fristgerecht erklärt hat. Unstreitig wurden ihm mit Aushändigung des Versicherungsscheins, die Versicherungsbedingungen sowie die Verbraucherinformationen überlassen. Er wurde auch über sein Widerspruchsrecht, wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei und von der Revision nicht angegriffen festgestellt hat, inhaltlich wie formell ordnungsgemäß belehrt. [X.]ie damit in Gang gesetzte Widerspruchsfrist von 14 Tagen hat er nicht gewahrt.

1. [X.]er Beginn der in § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. bestimmten vierzehntätigen Widerspruchsfrist gemäß § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. setzt zwar unter anderem voraus, dass dem Versicherungsnehmer die Verbraucherinformation nach § 10a [X.] vollständig vorliegt. [X.]ie Revision rügt aber ohne Erfolg, dass das Berufungsgericht die dem Kläger erteilte Verbraucherinformation nicht etwa deshalb als unvollständig angesehen hat, weil im Versicherungsschein nur eine Gesamtprämie für die Lebensversicherung mit [X.] ausgewiesen wurde, ohne den auf die Zusatzversicherung entfallenden Teilbetrag zu benennen. Einen Einzelausweis der Prämien forderte Abschnitt [X.]. e) der Anlage Teil [X.] zum [X.] lediglich dann, wenn das "Versicherungsverhältnis mehrere selbständige Versicherungsverträge umfassen soll". Eine Lebensversicherung mit [X.] erfüllt diese Voraussetzung nicht.

a) [X.]ass nach § 10a Abs. 1 [X.] in Verbindung mit der Anlage Teil [X.] keine Verpflichtung zum gesonderten [X.] bestand, ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der vorgenannten Regelung. [X.]iese knüpft an die Vertragspraxis der Versicherer an, die häufig in einem einheitlichen Vertrag Versicherungsschutz gegen unterschiedliche Risiken gewähren und erst in den 1970er Jahren dazu übergegangen waren, eine ausdrücklich als "selbständig" bezeichnete Versicherung gegen Berufsunfähigkeit anzubieten (vgl. [X.] 1974, 345). Zuvor hatte nur die Möglichkeit bestanden, derartigen Versicherungsschutz gemeinsam mit dem Abschluss eines Lebensversicherungsvertrages zu erlangen (vgl. [X.] aaO).

Seither wird zwischen einer selbständigen Berufsunfähigkeitsversicherung einerseits und einer (unselbständigen) [X.] andererseits unterschieden (vgl. hierzu Senatsurteile vom 18. November 2009 - [X.], [X.], 375 Rn. 14; vom 28. März 2001 - [X.]/00, NJW-RR 2001, 1242 unter [X.] b [juris Rn. 25]; vom 5. [X.]ezember 1990 - [X.], [X.], 289 unter III [juris Rn. 19, 23]; vom 5. Oktober 1988 - [X.], [X.], 1233 unter 3 [juris Rn. 15 ff.]; [X.], [X.]. Rn. 1107 f.; [X.], Koppelung von Versicherungsanträgen, Bündelung und Kombination von Versicherungsverträgen 1993 S. 46 f.). [X.]ie [X.] zeichnet sich dadurch aus, dass sie mit der Lebensversicherung eine Einheit bildet (Senatsurteile vom 18. November 2009 - [X.] aaO Rn. 12; vom 28. März 2001 - [X.]/00 aaO).

Vor diesem Hintergrund geht die ganz herrschende Auffassung in Rechtsprechung und Literatur (vgl. [X.], Beschluss vom 7. Oktober 2019 - 3 U 128/19, n.v.; [X.], Urteil vom 27. September 2019 - 20 U 129/18, n.v.; [X.], [X.], 90, 94; [X.]/[X.], [X.], 429, 431; [X.], [X.] 1994 [X.], 54; [X.], Informationspflichten des Versicherers und Abschluß des Versicherungsvertrages 1996, [X.] f.; [X.], [X.]er Informationsschutz des Versicherungsnehmers 2006 S. 125; anders wohl [X.] 1995, 283, 284; zur Nachfolgeregelung in § 1 Abs. 1 Nr. 7 [X.] vgl. [X.], [X.]er Abschluss von Versicherungsverträgen und die vorvertraglichen Pflichten des Versicherers gemäß §§ 6 und 7 [X.] f.; [X.] in [X.]/[X.], [X.]. § 1 [X.] Rn. 9; [X.]/[X.], 3. Aufl. § 1 [X.] Rn. 19; BeckOK-VVG/[X.], § 1 [X.] Rn. 15 [Stand: 28. Februar 2019]) zu Recht davon aus, dass bei einer Lebensversicherung mit eingeschlossener [X.] im Ausgangspunkt - das heißt vorbehaltlich einer richtlinienkonformen Interpretation des nationalen Rechts - die Voraussetzungen zweier selbständiger Versicherungsverträge nicht erfüllt sind.

[X.]ass der Gesetzgeber Lebensversicherungen mit eingeschlossenen [X.]en von der Pflicht zum Einzelausweis der Prämien in der Verbraucherinformation ausnehmen wollte, wird bestätigt durch einen Vergleich des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung vom 4. März 1994 (BT-[X.]rucks. 12/6959 [X.]) mit dem ihm vorausgegangenen Referentenentwurf des [X.]. [X.]er - öffentlich diskutierte (vgl. [X.], [X.]er Referentenentwurf eines [X.]ritten [X.]urchführungsgesetzes/[X.] zum [X.] auf dem Prüfstand 1993 S. 12; [X.], [X.] 1994 [X.], 54) und als Auslegungsgesichtspunkt zu berücksichtigende (vgl. hierzu insbesondere BVerwG NVwZ 2016, 1010 Rn. 13; NVwZ 2013, 431 Rn. 35) - Referentenentwurf enthielt nicht nur eine den [X.] bei rechtlich selbständigen Versicherungsverträgen betreffende Regelung (§ 10a Abs. 5 Satz 3 [X.]-RefE), sondern sah ausdrücklich auch vor, dass über "die Prämien für eingeschlossene Zusatzversicherungen" zu informieren ist (§ 10a Abs. 1 Nr. 6 [X.]-RefE). Letzteres ist nicht in die endgültige Fassung zum [X.] übernommen worden.

b) Ob der Entschluss des Gesetzgebers, in Abschnitt [X.]. e) der Anlage Teil [X.] zum [X.] von einer Pflicht zum Einzelausweis der auf eine Lebens- und [X.] zu leistenden Prämien abzusehen und gemäß § 5a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. einen von dieser Prämienaufschlüsselung unabhängigen Beginn der Widerspruchsfrist zu bestimmen, im Einklang mit Art. 31 Abs. 1 der [X.]/[X.] des Rates vom 10. November 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die [X.]irektversicherung (Lebensversicherung) sowie zur Änderung der Richtlinie 79/267/[X.] und 90/619/[X.] ([X.]ritte Richtlinie Lebensversicherung, ABl. [X.]) steht, ist entgegen der Auffassung der Revision nicht entscheidungserheblich. [X.]enn § 10a [X.] i.V.m. Abschnitt [X.]. e) der Anlage Teil [X.] ist - worauf die Revisionserwiderung zu Recht hinweist - einer von seinem eindeutigen Regelungsgehalt abweichenden richtlinienkonformen Auslegung nicht zugänglich (anders [X.] in [X.]/[X.], [X.]. § 5a Rn. 32; [X.] in [X.], [X.] 12. Aufl. § 10a Rn. 14; [X.], [X.]er Informationsschutz des Versicherungsnehmers 2006 S. 125; zweifelnd [X.]/[X.], [X.], 429, 431; zur Nachfolgeregelung in § 1 Abs. 1 Nr. 7 [X.] vgl. [X.]/[X.], 2. Aufl. § 1 [X.] Rn. 23 f.).

aa) [X.]ie Regelung in Abschnitt [X.]. e) der Anlage Teil [X.] zu § 10a [X.] ist im Zuge der Umsetzung der vorgenannten Richtlinie erlassen worden (vgl. BT-[X.]rucks. 12/6959 [X.]). [X.]iese sah in Art. 31 Abs. 1 i.V.m. [X.] Buchst. A a.10 vor, dass dem Versicherungsnehmer vor Abschluss des Versicherungsvertrages Informationen über die "Prämien für jede Leistung, und zwar sowohl Haupt- als auch Nebenleistungen", zu erteilen sind. Sie stellte dies allerdings unter den Vorbehalt, dass sich derartige Informationen als "sinnvoll" erweisen.

bb) In Rechtsprechung und Literatur ist es umstritten, ob Art. 31 Abs. 1 i.V.m. [X.] Buchst. A a.10 [X.]ritte Richtlinie Lebensversicherung den Einzelausweis der Prämienteile fordert, die auf eine Lebensversicherung einerseits und auf eine eingeschlossene [X.] andererseits entfallen (bejahend: [X.] in [X.]/[X.], [X.]. § 5a Rn. 32; [X.] in [X.], [X.] 12. Aufl. § 10a Rn. 14; [X.]/[X.], 2. Aufl. § 1 [X.] Rn. 23 f.; [X.], [X.]er Abschluss von Versicherungsverträgen und die vorvertraglichen Pflichten des Versicherers gemäß §§ 6 und 7 [X.]; [X.], [X.]er Informationsschutz des Versicherungsnehmers 2006 S. 125; siehe auch Schlussantrag der Generalanwältin [X.] vom 12. Juni 2014 in der Rechtssache [X.]/13, BeckRS 2014, 80995 Rn. 35; [X.], [X.], 181, 183; im Ergebnis wohl auch [X.], Vertragsschluss nach der VVG-Reform 2008 [X.] f.; [X.], [X.] 1995 S. 303; ablehnend: [X.], Beschluss vom 7. Oktober 2019 - 3 U 128/19, n.v.; [X.], Urteil vom 27. September 2019 - 20 U 129/18, n.v.).

cc) [X.]ie Frage nach der Auslegung des [X.] kann hier dahinstehen, weil sie nicht entscheidungserheblich ist. Es wäre - worauf die Revisionserwiderung zu Recht hinweist - nach [X.] Recht nicht möglich, eine eventuell abweichende Ansicht des [X.], nach der die [X.]ritte Richtlinie Lebensversicherung einen Einzelausweis der auf die [X.] entfallenden [X.] verlangt, im Wege richtlinienkonformer Auslegung oder Rechtsfortbildung von § 10a [X.] in nationales Recht umzusetzen (zu dieser Grenze auch Senatsurteil vom 28. Juni 2017 - [X.], [X.], 126 Rn. 23).

(1) Allerdings besteht die Verpflichtung, innerstaatliches Recht, insbesondere wenn es der Umsetzung einer Richtlinie dient, so weit wie möglich anhand des Wortlauts und des Zwecks der Richtlinie auszulegen, um das in ihr festgelegte Ziel zu erreichen (vgl. [X.] GRUR 2016, 1307 Rn. 32 m.w.N.). [X.]as nationale Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten innerstaatlichen Rechts und unter Anwendung der dort anerkannten Auslegungsmethoden alles zu tun, was in seiner Zuständigkeit liegt, um die volle Wirksamkeit der fraglichen Richtlinie zu gewährleisten und zu einem Ergebnis zu gelangen, das mit dem von der Richtlinie verfolgten Ziel im Einklang steht (vgl. [X.] [X.] 2019, 356 Rn. 67 m.w.N.). [X.]er Grundsatz der richtlinienkonformen Auslegung verlangt von den nationalen Gerichten mehr als bloße Auslegung im engeren Sinne entsprechend dem Verständnis in der nationalen Methodenlehre. Er erfordert auch, das nationale Recht, wo dies nötig und nach nationaler Methodenlehre möglich ist, richtlinienkonform fortzubilden (Senatsurteil vom 7. Mai 2014 - [X.], [X.], 101 Rn. 20 m.w.N.).

(2) Jedoch findet die Verpflichtung des nationalen Richters, bei der Auslegung und Anwendung der einschlägigen Vorschriften des innerstaatlichen Rechts den Inhalt einer Richtlinie heranzuziehen, in den allgemeinen Rechtsgrundsätzen ihre Schranken und darf nicht als Grundlage für eine Auslegung des nationalen Rechts contra legem dienen ([X.] ZIP 2019, 1802 Rn. 38; [X.] 2019, 356 Rn. 26; [X.], 139 Rn. 25). Eine richtlinienkonforme Auslegung darf nicht dazu führen, dass das Regelungsziel des Gesetzgebers in einem wesentlichen Punkt verfehlt oder verfälscht wird oder dazu, dass einer nach Wortlaut und Sinn eindeutigen Norm ein entgegengesetzter Sinn gegeben oder der normative Gehalt der Norm grundlegend neu bestimmt wird (Senatsurteil vom 28. Juni 2017 - [X.], [X.], 126 Rn. 24; [X.], Urteil vom 5. Oktober 2017 - I ZR 232/16, [X.], 169 Rn. 19). Ob und inwieweit das innerstaatliche Recht eine entsprechende richtlinienkonforme Auslegung zulässt, beurteilen die innerstaatlichen Gerichte ([X.] NVwZ-RR 2018, 169 Rn. 37; NJW-RR 2016, 1366 Rn. 41; jeweils m.w.N.; siehe auch [X.] [X.] 2019, 242 Rn. 75; [X.], 193 Rn. 40; [X.] 2010, 177 Rn. 49).

(3) [X.]ie Voraussetzungen einer vom Wortlaut des § 10a [X.] i.V.m. Abschnitt [X.]. e) der Anlage Teil [X.] abweichenden richtlinienkonformen Interpretation sind hiernach im Streitfall nicht erfüllt.

(a) [X.]er Wortlaut des Abschnitts [X.]. e) der Anlage Teil [X.] zu § 10a [X.] ist eindeutig. [X.]ass die von der Richtlinie abweichende Wortwahl des Gesetzgebers Ausdruck eines eindeutigen Regelungswillens ist, bestätigt der Vergleich mit § 10a Abs. 1 Nr. 6 [X.]-RefE unter Berücksichtigung der das Gesetzgebungsverfahren seinerzeit begleitenden [X.]iskussion über die entsprechenden Vorgaben der Richtlinie (siehe hierzu [X.], [X.] 1994, [X.], 54; [X.], [X.]er Referentenentwurf eines [X.]ritten [X.]urchführungsgesetzes/[X.] zum [X.] auf dem Prüfstand 1993 S. 12). Wie oben ausgeführt ist die ursprünglich vorgesehene Informationspflicht über die Prämien für eingeschlossene Zusatzversicherungen vom Gesetzgeber nicht in das Gesetz übernommen worden. [X.]ie damit klar zum Ausdruck gebrachte Entscheidung des Gesetzgebers ist bindend und kann auch nicht im Wege richtlinienkonformer Auslegung oder Rechtsfortbildung geändert werden (vgl. zur Grenze auch Senatsurteil vom 28. Juni 2017 - [X.], [X.], 126 Rn. 24 f. m.w.N.).

(b) Sollte der Gesetzgeber mit seiner in Abschnitt [X.]. e) der Anlage Teil [X.] zu § 10a [X.] getroffenen Entscheidung hinter den [X.] zurückgeblieben sein und damit das generelle Ziel (vgl. hierzu BT-[X.]rucks. 12/6959 [X.]) einer korrekten Richtlinienumsetzung verfehlt haben, wäre die Regelung angesichts dieses eindeutigen Regelungswillens - anders als bei § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. (vgl. Senatsurteil vom 8. Mai 2014 - [X.], [X.], 101 Rn. 21 ff.; zur Fristenregelung des § 8 Abs. 5 Satz 4 VVG a.F. Senatsurteil vom 17. [X.]ezember 2014 - [X.], [X.], 224 Rn. 20 ff.) - nicht planwidrig unvollständig (vgl. zu diesem Kriterium Senatsurteil vom 28. Juni 2017 - [X.], aaO Rn. 25 f.).

Es bedürfte hier zudem nicht nur einer teleologischen Reduktion der Norm wie bei § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F., sondern es müsste auch eine sprachliche Neufassung der für den Fristbeginn im Sinne von § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. maßgeblichen Informationspflicht selbst erfolgen, und dies obwohl die entsprechende Bestimmung nicht allein die gebotene Information des Versicherungsnehmers sicherstellen, sondern zugleich den Versicherern ein ausreichendes Maß an Rechtssicherheit gewährleisten soll. Genau dieser Gedanke liegt im Übrigen auch der [X.]ritten Richtlinie Lebensversicherung selbst zugrunde (vgl. zu Art. 31 Abs. 3 [X.]ritte Richtlinie Lebensversicherung [X.] [X.], 702 Rn. 22, 29; [X.], 1011 Rn. 20 f.). [X.]eshalb erlaubt ein Informationsbedürfnis des Versicherungsnehmers für sich genommen nicht eine richtlinienkonforme Ausdehnung der Pflicht gemäß Abschnitt [X.]. e) der Anlage Teil [X.] zu § 10a [X.], mit deren Erfüllung nach der eindeutigen gesetzgeberischen Entscheidung der Beginn der Widerspruchsfrist verbunden sein sollte (vgl. hierzu auch [X.], Urteile vom 3. Juli 2018 - [X.], NJW-RR 2018, 1204 Rn. 14; vom 5. Oktober 2017 - I ZR 232/16, [X.], 169 Rn. 20). Ohne Bedeutung für das Lösungsrecht ist es daher auch, ob sich aus § 1 [X.] - der ohnehin in erster Linie die Angabe des Gesamt- bzw. Endpreises gewährleisten soll - eine Pflicht zur Prämienaufschlüsselung ergeben könnte (so S. 39 der Begründung zu § 10a [X.]-RefE; [X.], [X.], 90, 94; [X.], Informationspflichten des Versicherers und Abschluß des Versicherungsvertrages 1996 [X.] f.).

2. [X.]ie Frage, ob das Policenmodell mit den [X.] unvereinbar ist, ist hier ebenfalls nicht entscheidungserheblich. Auch im Falle einer unterstellten Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des [X.] ist es dem ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht belehrten und informierten Kläger nach [X.] und Glauben wegen widersprüchlicher Rechtsausübung verwehrt, sich nach jahrelanger [X.]urchführung des Vertrages - über zwölf Jahre - auf dessen angebliche Unwirksamkeit zu berufen und daraus Bereicherungsansprüche herzuleiten. [X.]ie jahrelangen Prämienzahlungen haben für den Kläger erkennbar bei der Beklagten ein schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand des Vertrages begründet (vgl. im Einzelnen zu den Maßstäben Senatsurteil vom 16. Juli 2014 - [X.], [X.]Z 202, 102 Rn. 32 ff.).

[X.]     

      

[X.]     

      

Lehmann

      

[X.]r. Brockmöller     

      

[X.]r. Bußmann     

      

Meta

IV ZR 275/19

24.06.2020

Bundesgerichtshof 4. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Köln, 27. September 2019, Az: 20 U 137/18

§ 5a VVG vom 13.07.2001, § 10a Abs 1 VAG vom 26.06.2001, Anlage D Abschn 1 Nr 1 Buchst e VAG vom 26.06.2001, BUZBB, EWGRL 96/92

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 24.06.2020, Az. IV ZR 275/19 (REWIS RS 2020, 1254)

Papier­fundstellen: MDR 2020, 992-993 WM2020,1362 REWIS RS 2020, 1254


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. IV ZR 275/19

Bundesgerichtshof, IV ZR 275/19, 24.06.2020.


Az. 20 U 137/18

Oberlandesgericht Köln, 20 U 137/18, 27.09.2019.


Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

IV ZR 275/19 (Bundesgerichtshof)


20 U 79/18 (Oberlandesgericht Köln)


20 U 129/18 (Oberlandesgericht Köln)


20 U 137/18 (Oberlandesgericht Köln)


IV ZR 243/19 (Bundesgerichtshof)

Kapitallebensversicherung und Berufsunfähigkeitszusatzversicherung nach dem sog. Policenmodell: Wirksamkeit des Widerspruchs wegen unvollständiger Verbraucherinformation zu Rückkaufswerten; …


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.