Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 14.09.2011, Az. 10 AZR 358/10

10. Senat | REWIS RS 2011, 3365

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Gegenstand

Tariflicher Mehrarbeitszuschlag - Geld- und Werttransport Niedersachsen


Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 13. April 2010 - 13 [X.] 1297/09 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über einen Anspruch auf tarifliche [X.] im Zeitraum von Juli 2008 bis Januar 2009.

2

Die Beklagte ist ein Unternehmen des [X.]. Der Kläger ist seit 2003 bei ihr bzw. ihren Rechtsvorgängern im Geldtransportdienst beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fanden im streitgegenständlichen Zeitraum kraft arbeitsvertraglicher Regelung der Mantelrahmentarifvertrag für das Wach- und Sicherheitsgewerbe für die [X.] vom 1. Dezember 2006, gültig ab 1. Januar 2007 ([X.]), der Manteltarifvertrag für das Wach- und Sicherheitsgewerbe im Lande [X.] vom 10. Oktober 2005, gültig ab 1. Januar 2006 (MTV [X.] 2005), und der [X.] für die Geld- und Wertdienste im Lande [X.] vom 9. Januar 2008, gültig ab 1. November 2007, Anwendung. Die beiden letztgenannten Tarifverträge waren darüber hinaus allgemeinverbindlich. Der tarifliche Stundenlohn des Klägers betrug 12,00 Euro.

3

§ 6 [X.] lautet auszugsweise:

        

„§ 6   

Arbeitszeit

        

1.1.   

Die regelmäßige tägliche Arbeitszeit soll 8 Stunden nicht überschreiten. Sie kann ohne Vorliegen von Arbeitsbereitschaft auf bis zu 10 Stunden verlängert werden, wenn innerhalb von 12 Kalendermonaten im Durchschnitt 8 Stunden werktäglich nicht überschritten werden. Darüber hinaus kann die Arbeitszeit auch ohne Ausgleich über 10 Stunden täglich verlängert werden, wenn in die Arbeitszeit regelmäßig und in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft fällt.

        

1.2.   

Die tägliche Ruhezeit beträgt 11 Stunden, mindestens jedoch 9 Stunden. Eine Verkürzung der 11-stündigen Ruhezeit ist nur dann zulässig, wenn ein Ausgleich innerhalb von 3 Monaten vorgenommen wird.

        

1.3.   

Bei Kurzeinsätzen besteht ein Vergütungsanspruch von mindestens 4 Stunden. Diese Regelung gilt nicht für Beschäftigte mit Arbeitsverträgen, in denen eine kapazitätsorientierte und/oder variable Arbeitszeit vereinbart ist.

        

1.4.   

Die monatliche Regelarbeitszeit kann auf bis zu 264 Stunden ausgedehnt werden, ab dem 1. Oktober 2010 jedoch nur noch auf 248 Stunden.

        

1.5.   

Für kerntechnische Anlagen gelten die Arbeitszeitregelungen der länderspezifischen Tarifverträge unter Berücksichtigung der Ziffern 1.1 und 3 dieses Paragrafen.

                 

Die monatliche Regelarbeitszeit im Geld- und Werttransport und für Angestellte beträgt 173 Stunden im Durchschnitt des Kalenderjahres.

        

2.1.   

Abweichend von Ziffer 1 kann im Werkfeuerwehrdienst und im [X.] bei der Bewachung militärischer Anlagen …

        

3.    

Länderspezifisch können jedoch zu den Ziffern 1 und 2 abweichende monatliche [X.] vereinbart werden. Die in Ziffern 1.4 und 1.5 sowie Ziffer 2 festgelegten monatlichen [X.] sollen dabei nicht überschritten werden. Mehrarbeitszuschläge können länderspezifisch unabhängig von den vorstehenden [X.] vereinbart werden.

        

…“    

        

4

Die 3. Protokollnotiz zum [X.] hat folgenden Wortlaut:

        

„Die Tarifvertragsparteien sind sich darüber einig, dass abweichende länderspezifische [X.], die nach dem 31. August 2005 auf der Grundlage von § 6 Ziffer 3 des [X.] vom 30. August 2005 für das Wach- und Sicherheitsgewerbe für die [X.] abgeschlossen wurden, auch nach dem Abschluss des [X.] vom 1. Dezember 2006 für das Wach- und Sicherheitsgewerbe für die [X.] gültig bleiben.“

5

§ 6 des [X.] für das Wach- und Sicherheitsgewerbe für die [X.] vom 30. August 2005 (MRTV 2005), der im Zeitraum vom 1. September 2005 bis 31. Dezember 2006 in [X.] war, lautete auszugsweise:

        

„§ 6   

Arbeitszeit

        

…       

        
        

1.5.   

Hinsichtlich der monatlichen Regelarbeitszeit gilt folgende abweichende Regelung:

                 

im Geld- und Werttransport 173 Stunden im Durchschnitt des Kalenderjahres.

                 

Hinsichtlich der monatlichen Regelarbeitszeit in kerntechnischen Anlagen gelten weiterhin die jeweiligen länderspezifischen Regelungen.

        

…       

        
        

3.    

Länderspezifisch können jedoch … abweichende monatliche [X.] vereinbart werden. …

        

…“    

        

6

§ 8 Ziffer 1 MTV [X.] 2005 bestimmt:

        

„1.     

Der Mehrarbeitszuschlag beträgt 25 %.“

7

Gleichzeitig mit der Unterzeichnung des [X.] 2005 am 10. Oktober 2005 vereinbarten die Tarifvertragsparteien folgende „1. Protokollnotiz“:

        

„Der Mehrarbeitszuschlag beträgt gemäß § 8 Ziffer 1 des Manteltarifvertrags 25 %.

        

Er wird grundsätzlich ab der 265. tatsächlich geleisteten [X.] fällig.

        

Für Sicherheitsmitarbeiter im [X.]/Separatwachdienst gilt folgende Abweichung:

        

Der Mehrarbeitszuschlag wird

        

bis zum 31.12.2007 ab der 289. tatsächlich geleisteten [X.],

        

ab dem 01.01.2008 ab der 265. tatsächlich geleisteten [X.]

        

fällig.

        

Für Mitarbeiter der Geld- und Wertdienste ist eine von § 6 Ziffer 1.5 MRTV abweichende Einteilung der monatlichen Regelarbeitszeit zulässig. Für diese Mitarbeiter werden Regelungen bezüglich eines Jahresarbeitszeitkontos getroffen.

        

Für Mitarbeiter in kerntechnischen Anlagen wird auf § 5 Ziffer 5 des Manteltarifvertrags verwiesen.“

8

Die Beklagte zahlte bis einschließlich Juni 2008 für Arbeit ab der 174. [X.] einen Mehrarbeitszuschlag von 25 %. Dies war in den vom Arbeitgeberverband [X.] bis Ende des Jahres 2007 herausgegebenen [X.] entsprechend vermerkt. In den [X.] herausgegebenen [X.] war eine Zuschlagspflicht erst ab der 265. Stunde angegeben.

9

Der Kläger leistete im Monat Juli 2008 218,6 Stunden, im August 2008 202,38 Stunden, im September 2008 196,39 Stunden, im Dezember 2008 198,32 Stunden und im Januar 2009 176,35 Stunden. Zuletzt mit Schreiben von Oktober 2008 verlangte er ergebnislos die Zahlung von [X.]n für die über 173 [X.]n hinaus geleistete Arbeit.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die 1. Protokollnotiz mit einer Festlegung der Zuschlagspflicht ab der 265. Stunde sei auf den Geld- und Werttransportdienst nicht anzuwenden. Die Regelung betreffe den Wachdienst mit erheblichen Zeiten der Arbeitsbereitschaft. Zu berücksichtigen sei auch, dass der Manteltarifvertrag für das Wach- und Sicherheitsgewerbe im Lande [X.] vom 6. März 1997 (MTV [X.] 1997) durch eine Protokollnotiz vom 10. Oktober 2005 wieder in [X.] gesetzt worden sei. Daraus sei zu entnehmen, dass dieser Tarifvertrag zur Schließung etwaiger Tariflücken weiter anwendbar sein sollte. Er sehe einen Mehrarbeitszuschlag bei Überschreitung der täglichen Regelarbeitszeit von 8 Stunden vor.

Der Kläger hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 381,12 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 136,80 Euro seit dem 16. August 2008, aus 88,14 Euro seit dem 16. September 2008, aus 70,17 Euro seit dem 16. Oktober 2008, aus 75,96 Euro seit dem 16. Januar 2009 und aus 10,05 Euro seit dem 16. Januar 2009 zu zahlen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat die Auffassung vertreten, nach der 1. Protokollnotiz zum MTV [X.] 2005 bestehe eine Zuschlagspflicht erst ab der 265. Stunde. Auf den MTV [X.] 1997 könne sich der Kläger nicht berufen; dieser sei durch den MTV [X.] 2005 abgelöst worden. Der frühere Tarifvertrag sei nur wieder in [X.] gesetzt worden, um einen möglichst lückenfreien Bestand tariflicher Regelungen zu gewährleisten und dadurch leichter eine Allgemeinverbindlicherklärung zu erreichen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das [X.] hat ihr stattgegeben. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision ist unbegründet. Der Kläger hat Anspruch auf einen Zuschlag von 25 % seines [X.] für jede monatlich ab der 174. Stunde tatsächlich geleistete Arbeitsstunde nach § 6 Ziff. 1.5 [X.] iVm. § 8 Ziff. 1 [X.] 2005 und der 1. Protokollnotiz zum [X.] 2005. Dies ergibt eine Auslegung der tariflichen Vorschriften.

I. Der Wortlaut der einschlägigen tariflichen Regelungen, von dem bei der Tarifauslegung vorrangig auszugehen ist (st. Rspr., vgl. zB [X.] 23. Februar 2011 - 10 [X.] - Rn. 14, [X.], 491; 24. Februar 2010 - 10 [X.] 1035/08 - Rn. 15, [X.] § 1 Auslegung Nr. 220), führt zu keinem eindeutigen Auslegungsergebnis. § 8 Ziff. 1 [X.] 2005 bestimmt lediglich die Höhe des [X.], legt aber nicht selbst fest, ab welcher Arbeitsstunde dieser zu zahlen ist. § 6 Ziff. 1.5 [X.] bestimmt die monatliche Regelarbeitszeit im Geld- und Werttransport mit 173 Stunden im Durchschnitt des Kalenderjahres. Diese Regelung lässt sowohl die Deutung zu, dass ein Anspruch bei Überschreitung der monatlichen Regelarbeitszeit, nämlich ab der 174. [X.] besteht, als auch die Deutung, dass ein Zuschlag nur dann fällig wird, wenn bei einer kalenderjährlichen Betrachtung der monatliche Durchschnitt über 173 Stunden liegt. Die 1. Protokollnotiz zum [X.] 2005 legt wiederum fest, dass der [X.] „grundsätzlich“ ab der 265. tatsächlich geleisteten [X.] fällig wird. Damit sind Ausnahmen vorgesehen. Solche Ausnahmen werden ausdrücklich für Sicherheitsmitarbeiter im [X.]/Separatwachdienst und für Mitarbeiter in kerntechnischen Anlagen benannt. Für Mitarbeiter der Geld- und Wertdienste wird eine von § 6 Ziff. 1.5 des damals geltenden [X.] abweichende Einteilung der monatlichen Regelarbeitszeit erlaubt und auf noch zu treffende Regelungen über ein Jahresarbeitszeitkonto verwiesen.

II. Die Systematik der tariflichen Regelung macht damit deutlich, dass Anknüpfungspunkt die regelmäßige Monatsarbeitszeit der im Geld- und Werttransport Beschäftigten ist. Andernfalls wäre die diese Beschäftigten betreffende Regelung der Protokollnotiz überflüssig. Ein Anspruch auf [X.] bei Überschreitung der monatlichen Regelarbeitszeit von 173 Stunden besteht, solange keine abweichende monatliche Regelarbeitszeit nach der 1. Protokollnotiz zum [X.] 2005 iVm. § 6 Ziff. 3 [X.] und der 3. Protokollnotiz zum [X.] bestimmt ist.

1. Entgegen der Auffassung des [X.] sind nur die Vorschriften des [X.] (und ggf. des [X.]) sowie des [X.] 2005 heranzuziehen. Ein Rückgriff auf die Regelungen des [X.] 1997 ist nicht möglich, da dieser durch den [X.] iVm. dem [X.] 2005 als nachfolgende Tarifregelungen abgelöst worden ist. Im Verhältnis zweier zeitlich aufeinanderfolgender gleichrangiger Tarifnormen gilt das Ablösungsprinzip (st. Rspr., zB [X.] 15. April 2008 - 9 [X.] 159/07 - Rn. 50, [X.] § 1 Altersteilzeit Nr. 38 = EzA TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 21; 24. Oktober 2007 - 10 [X.] 878/06 - Rn. 18, [X.], 131; vgl. 23. Oktober 2001 - 3 [X.] 74/01 - zu I 1 a der Gründe, [X.]E 99, 183). Etwas anderes ergibt sich nicht aus der Protokollnotiz zum [X.] 1997 vom 10. Oktober 2005. Durch diese wurde der zum 31. Oktober 2003 gekündigte [X.] 1997 wieder in [X.] gesetzt. Der gleichzeitig abgeschlossene [X.] 2005 galt hingegen noch nicht. Mit dessen Inkrafttreten am 1. Januar 2006 erfolgte dann die Ablösung der wieder in [X.] gesetzten früheren tariflichen Regelung. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Tarifvertragsparteien eines Tarifgebiets zwei Manteltarifverträgen (teilweise) nebeneinander Geltung verschaffen wollten.

2. Die Tarifnormen des [X.] und [X.] unterscheiden zwischen verschiedenen Gruppen von Mitarbeitern, für die in Abhängigkeit von der jeweiligen Tätigkeit unterschiedliche tarifliche Regelungen gelten. Die Bestimmung der Mitarbeitergruppen findet sich in § 3 [X.], aber auch in den entsprechenden Vorgängerregelungen. Der Kläger gehört zur Gruppe der Sicherheitsmitarbeiter in Geld- und Wertdiensten (§ 3 Ziff. 6 [X.]).

Wegen der unterschiedlichen Tätigkeiten gelten für diese Mitarbeitergruppen differenzierte Arbeitszeitregelungen (§ 6 [X.]). Nach allgemeinen Regelungen zur täglichen Dauer der Arbeitszeit (Ziff. 1.1) sowie zu Ruhezeiten und Kurzeinsätzen bestimmt Ziff. 1.4, dass die monatliche Regelarbeitszeit auf bis zu 264 Stunden ausgedehnt werden kann. Ziff. 1.5 macht von dieser Grundregel Ausnahmen: Für kerntechnische Anlagen wird auf die Arbeitszeitregelungen der länderspezifischen Tarifverträge verwiesen, für Angestellte und Mitarbeiter im Geld- und Werttransport wird die monatliche Regelarbeitszeit - die im Durchschnitt des Kalenderjahres zu erreichen ist - mit 173 Stunden festgelegt. Weitere Sonderregeln sind in Ziff. 2.1 für den Werkfeuerwehrdienst und den [X.] bei der Bewachung militärischer Anlagen getroffen. Darüber hinaus lässt § 6 Ziff. 3 [X.] länderspezifisch die Festlegung abweichender monatlicher [X.] und eine Entkopplung der [X.] von den tariflich genannten [X.] zu. Ebenso können in [X.] Regelungen zur Einrichtung von Arbeitszeitkonten getroffen werden (§ 6 Ziff. 5 [X.]).

3. Was als zuschlagspflichtige Mehrarbeit iSv. § 8 Ziff. 1 [X.] 2005 iVm. der 1. Protokollnotiz anzusehen ist, muss daher nach der Tarifsystematik für die jeweilige [X.] spezifisch bestimmt werden.

a) Grundsätzlich knüpfen die Tarifverträge des [X.] und [X.] an die jeweils gruppenspezifisch definierte „regelmäßige Arbeitszeit“ an, nämlich die Arbeitszeiten, in denen der Arbeitnehmer bei normalem Lauf der Dinge nach den tariflichen Vorstellungen seine Hauptleistungspflicht erfüllt (vgl. dazu [X.] 11. Juni 2008 - 5 [X.] 389/07 - Rn. 14, [X.] § 1 Tarifverträge: Bewachungsgewerbe Nr. 19).

Die 1. Protokollnotiz zum [X.] 2005, die nach ihrem Regelungsinhalt selbst Tarifcharakter besitzt (vgl. zu den Voraussetzungen: [X.] 18. April 2007 - 4 [X.] 661/05 - Rn. 18) und die Frage der [X.] näher regelt, folgt dabei der Systematik der unterschiedlichen [X.]n im [X.] und [X.] 2006. Nach der Wiederholung der Regelung des § 8 Ziff. 1 [X.] 2005 korrespondiert ihr zweiter Absatz mit der gemäß § 6 Ziff. 1.4 [X.]/[X.] möglichen Ausdehnung der monatlichen Regelarbeitszeit auf bis zu 264 Stunden und lässt insoweit eine Zuschlagspflicht erst ab der 265. Stunde entstehen. Dies gilt („grundsätzlich“) für alle Mitarbeiter, die nicht in den nachfolgenden Regelungen ausgenommen werden. Dies sind die Sicherheitsmitarbeiter im [X.]/Separatwachdienst (§ 3 Ziff. 2 [X.] 2005/[X.] 2006), bei denen ein Anspruch bis 31. Dezember 2007 erst ab der 289. [X.] bestand, und die Mitarbeiter in kerntechnischen Anlagen. Für Letztere wird auf § 5 Ziff. 5 [X.] 2005 verwiesen, der als Anknüpfungspunkt den jeweiligen Schichtplan bestimmt. Die Regelung in der 1. Protokollnotiz zum [X.] 2005 stimmt insoweit mit § 6 Ziff. 1.5 Abs. 3 [X.] bzw. § 6 Ziff. 1.5 Abs. 1 [X.] überein, die für diese Beschäftigtengruppe ebenfalls auf die länderspezifischen Regelungen verweisen.

Auch für Mitarbeiter der Geld- und Wertdienste normiert Abs. 5 der 1. Protokollnotiz zum [X.] 2005 eine Ausnahme zu der Regelung in Abs. 2. Abs. 5 der 1. Protokollnotiz zum [X.] 2005 lässt eine abweichende Einteilung der monatlichen Regelarbeitszeit gegenüber § 6 Ziff. 1.5 [X.]/[X.] zu. Damit wird die grundsätzliche Anknüpfung an diese Regelarbeitszeit zum Ausdruck gebracht; andernfalls bedürfte es nicht der Öffnung für eine Abweichung. Eine solche abweichende Einteilung könnte beispielsweise darin liegen, in bestimmten Monaten des Jahres eine höhere und in anderen Monaten eine niedrigere Regelarbeitszeit festzulegen oder einen anderen Anknüpfungszeitpunkt als das Kalenderjahr zu wählen. Die nähere Ausgestaltung legt die Protokollnotiz, abgesehen von dem Hinweis auf zu treffende Regelungen über ein Jahresarbeitszeitkonto, nicht fest. Zwar flexibilisiert § 6 Ziff. 1.5 [X.] 2005/[X.] 2006 die Arbeitszeit bereits insofern, als die monatliche Regelarbeitszeit nur im Durchschnitt des Kalenderjahres erreicht werden muss. Dies erlaubt dem Arbeitgeber, in einzelnen Monaten auch eine geringere Anzahl von Arbeitsstunden abzurufen, ohne dass der Arbeitnehmer einen Anspruch auf die Leistung von 173 Stunden hätte, sofern nur im Durchschnitt eines Kalenderjahres diese Stundenzahl erreicht wird. Diese Flexibilisierungsregelung sagt aber noch nichts über die Frage aus, wann [X.] zu leisten sind, und schließt nicht aus, dass beim Abruf einer höheren Stundenzahl - und damit einer erhöhten tatsächlichen Belastung für den Arbeitnehmer (vgl. dazu [X.] 11. Juni 2008 - 5 [X.] 389/07 - Rn. 15, [X.] § 1 Tarifverträge: Bewachungsgewerbe Nr. 19) - ein Anspruch auf einen Zuschlag entsteht. Erst Abs. 5 der 1. Protokollnotiz zum [X.] 2005 lässt eine Veränderung der den [X.] auslösenden monatlichen Regelarbeitszeit zu und damit eine Abweichung von den Regelungen des [X.]. Nur bei dieser Auslegung kommt der Protokollnotiz Bedeutung zu. Die [X.] Tarifvertragsparteien haben damit im Grundsatz von der Öffnungsklausel des § 6 Ziff. 3 [X.] Gebrauch gemacht, ohne dass es allerdings im konkreten Fall zu einer solchen abweichenden Einteilung oder zu Regelungen über ein Jahresarbeitszeitkonto gekommen ist. Die nach § 6 Ziff. 3 [X.] zulässige Entkopplung der [X.] von den [X.] ist nicht erfolgt. Soweit von der Öffnungsklausel aber kein Gebrauch gemacht wurde, bleibt es für die Mitarbeiter der Geld- und Wertdienste beim Anknüpfungspunkt der monatlichen Regelarbeitszeit von 173 Stunden für die Bestimmung des Beginns der Mehrarbeit. Aus dem Hinweis auf zu treffende Regelungen über ein Jahresarbeitszeitkonto wird im Übrigen auch deutlich, dass die Zahlung des [X.] nach der bestehenden Regelung nicht [X.] bestimmt werden sollte. Eine solche Auslegung zieht auch keine der Parteien in Betracht.

b) Einer solchen Auslegung steht die Rechtsprechung des [X.] (10. März 2004 - 4 [X.] 126/03 -) zur Auslegung der Zuschlagsregelung des [X.] 1997 für die Mitarbeiter in kerntechnischen Anlagen nicht entgegen. Der Fall betraf eine andere Beschäftigtengruppe und unterschied sich im Übrigen dadurch, dass § 6 Ziff. 3 Buchst. d [X.] 1997 lediglich von einer „monatlichen Arbeitszeit“ sprach. Gerade aus dem Fehlen des Wortes „regelmäßig“ schloss der [X.], dass ein Anknüpfungspunkt für die Bestimmung der Mehrarbeit fehlte. Hinzu kam, dass die Tarifnormen für Mitarbeiter in kerntechnischen Anlagen - wie auch heute - einen Anspruch an die Überschreitung des Schichtplans geknüpft hatten.

c) Das gefundene Auslegungsergebnis wird durch die [X.] gestützt. Bereits der [X.] 1997 sah unterschiedliche Anknüpfungspunkte für verschiedene [X.]n vor, allerdings weitgehend bezogen auf die tägliche Arbeitszeit (vgl. zB § 6 Ziff. 2 und Ziff. 4 [X.] 1997). Die tarifliche Neuregelung lässt insofern einen deutlich flexibleren Einsatz der Mitarbeiter zu und löst Zuschläge grundsätzlich erst dann aus, wenn auf den Monat bezogen eine Überschreitung der regelmäßigen Arbeitszeit vorliegt. Dass die Tarifvertragsparteien über diese Flexibilisierung hinaus für Mitarbeiter im Geld- und Werttransportdienst jeglichen [X.] beseitigen wollten, liegt nicht nahe. Eine solche faktische Beseitigung läge aber vor, folgte man der Interpretation der Beklagten. Eine Arbeitszeit von 265 Stunden pro Monat kann ein Mitarbeiter im Geld- und Werttransportdienst ohne Verstoß gegen die Regelungen des Arbeitszeitgesetzes nicht erreichen, da Arbeitsbereitschaft bei dieser Tätigkeit - anders als bei anderen Beschäftigtengruppen - nicht anfällt.

d) Die Auslegung entspricht auch Sinn und Zweck der Gewährung eines [X.]. [X.] sollen in der Regel besondere Belastungen ausgleichen. Eine tarifvertragliche Bestimmung, die den Anspruch auf [X.] allein davon abhängig macht, dass über ein bestimmtes Monatssoll hinaus gearbeitet wird, bezweckt regelmäßig, eine grundsätzlich zu vermeidende besondere Arbeitsbelastung durch ein zusätzliches Entgelt auszugleichen (vgl. [X.] 11. Juni 2008 - 5 [X.] 389/07 - Rn. 15, [X.] § 1 Tarifverträge: Bewachungsgewerbe Nr. 19). Dieser Sinn wäre nicht erreicht, wenn für die Mitarbeiter im Geld- und Werttransportdienst ein Ausgleich von Mehrarbeit faktisch nicht gegeben wäre, obwohl sie über die tariflich bestimmte monatliche regelmäßige Arbeitszeit hinaus Arbeitsleistungen erbringen.

Die Auffassung der Revision, § 8 Ziff. 2 [X.] 2005 gewähre bereits einen Zuschlag von 35 % für nicht gewährte [X.] und kombiniert mit dem [X.] würde sich ein ungewöhnlich hoher Zuschlag von 60 % ergeben, überzeugt nicht. Die beiden Zuschläge betreffen unterschiedliche Fallkonstellationen und unterschiedliche Erschwernisse. Da die [X.] gemäß § 8 [X.] bzw. § 7 [X.] pro Woche zu gewähren sind, führt der Ausfall einer [X.] wegen der monatlichen Betrachtung der Regelarbeitszeit keineswegs zwingend zum Anspruch auf [X.]. Im Übrigen ist in § 8 Ziff. 8 [X.] 2005 ausdrücklich festgelegt, in welchen Fällen keine Zusammenrechnung von Zuschlägen vorzunehmen ist; die Zuschläge nach Ziff. 1 und Ziff. 2 gehören nicht dazu. Letztlich ist darauf hinzuweisen, dass der [X.] 1997 für den Fall der nicht gewährten [X.] einen Zuschlag von 50 % vorsah. Beim Zusammentreffen mit Mehrarbeit ergab sich damals sogar ein Zuschlag in Höhe von 75 %.

e) Da Wortlaut, systematischer Zusammenhang und sonstige Auslegungsgesichtspunkte zu einem zweifelsfreien Ergebnis führen, bedurfte es keiner Einholung einer Tarifauskunft (vgl. [X.] 22. April 2010 - 6 [X.] 962/08 - Rn. 32, [X.] 2010, 417; 4. Dezember 2002 - 10 [X.] 138/02 - zu II 2 b cc der Gründe, [X.] BGB § 611 Gratifikation Nr. 245 = EzA BGB 2002 § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 3). Eine Tarifauskunft darf zudem nicht auf die Beantwortung der prozessentscheidenden Rechtsfrage gerichtet sein ([X.] 24. Februar 2010 - 10 [X.] 40/09 - Rn. 23; 18. August 1999 - 4 [X.] 247/98 - zu I 2.3.1 der Gründe, [X.]E 92, 229).

III. [X.], das [X.] habe seine Hinweispflicht nach § 139 ZPO verletzt, ist unzulässig. Die Beklagte trägt nicht vor, was sie im Fall der Erteilung eines Hinweises noch vorgetragen hätte. Fehlt solcher Vortrag, so lässt sich nicht absehen, ob die Erfüllung der (vermeintlichen) Hinweispflicht zu einem anderen Ergebnis hätte führen können (vgl. [X.] 19. Januar 2006 - 6 [X.] 600/04 - Rn. 22 mwN, [X.]E 117, 14).

IV. Die Anzahl der im Streitzeitraum tatsächlich geleisteten Stunden und die Höhe des dem Kläger daraus zustehenden [X.] ist zwischen den Parteien unstreitig. Der Zinsanspruch folgt aus § 286 Abs. 2 Nr. 1, § 288 Abs. 1 BGB.

V. Die Beklagte hat die Kosten ihrer erfolglosen Revision gemäß § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

        

    Mikosch    

        

    [X.]    

        

    Mestwerdt    

        

        

        

    Thiel    

        

    A. Effenberger    

                 

Meta

10 AZR 358/10

14.09.2011

Bundesarbeitsgericht 10. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Hannover, 12. Mai 2009, Az: 13 Ca 42/09, Urteil

§ 1 TVG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 14.09.2011, Az. 10 AZR 358/10 (REWIS RS 2011, 3365)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 3365

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