Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26.09.2012, Az. 4 AZR 782/10

4. Senat | REWIS RS 2012, 2887

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Gegenstand

Geltungsbereich eines Tarifvertrages - Durchführung von Werttransporten


Tenor

1. Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 16. November 2010 - 1 [X.] - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über tarifliche Entgeltansprüche für die Monate Mai und Juni 2009.

2

Der Kläger ist Mitglied der [X.] ([X.]) und seit 2006 bei der [X.], einem Unternehmen des [X.] mit Sitz in [X.], in deren dortiger Niederlassung, in der auch die Personalverwaltung angesiedelt ist, als Geld- und Werttransporteur tätig. Die Beklagte ist Mitglied des [X.] ([X.], nunmehr: [X.] ([X.]) Wirtschafts- und Arbeitgeberverband e. V.), Landesgruppe [X.], und der [X.], Wirtschafts- und Arbeitgeberverband (BDGW).

3

Zu den Aufgaben des [X.] gehört die Durchführung von Geld- und sonstigen Werttransporten als Fahrer und Transportleiter. Die Werttransportdienste sind in verschiedene Touren eingeteilt. Sie beginnen und enden in der [X.] Niederlassung, in der dem Kläger auch die Arbeitsanweisungen erteilt werden. Die Touren des [X.] führen ua. zu verschiedenen Kunden in [X.], teilweise auch in andere Bundesländer. Vor der jeweiligen Tour werden das Fahrzeug in der Niederlassung in [X.] beladen und die Tourenpläne, die Fahrzeugschlüssel sowie Waffen und Munition ausgegeben. Nach Beendigung der Tour werden Fahrzeugschlüssel, Waffen, Munition sowie die Geld- und Wertbehältnisse in der Niederlassung [X.] abgegeben. Die Fahrzeuge sind mit GPS (Global Positioning System) und GPRS (General Packet Radio Service) ausgestattet, so dass die Beklagte jederzeit Kenntnis von dem Standort des Fahrzeugs hat.

4

Mit seiner Klage macht der Kläger der Höhe und der zugrunde gelegten Stundenanzahl nach unstreitige Stundenlohndifferenzbeträge für 188 Stunden einer Tätigkeit in [X.] im Mai 2009 und für 138 Stunden im Juni 2009 geltend. Er hat die Auffassung vertreten, dass ihm für diese Stunden der in [X.] geltende höhere tarifvertragliche Stundensatz von 12,34 Euro anstelle des von der [X.] gezahlten, für [X.] geltenden tarifvertraglichen Stundensatzes von 11,45 Euro brutto zustehe. Dies ergebe sich aus dem „[X.]“ des § 13 des [X.] für das Wach- und Sicherheitsgewerbe für die [X.] vom 1. Dezember 2006 ([X.] 2006). Seine Tätigkeit erschöpfe sich nicht darin, das Fahrzeug in [X.] mit Geld zu befüllen. Die Dienstleistung, die die Beklagte durch ihn erbringe - und damit zugleich die Arbeitsleistung des [X.] - verwirkliche sich vor Ort beim Kunden, wenn das Geld dort hingebracht oder abgeholt sowie auf den Fahrten zu oder von diesen Orten bewacht werde. Aufgrund des Einsatzes von GPS und GPRS sowie mit Hilfe einer entsprechenden Software sei die Ermittlung der Tätigkeitszeiten in [X.] problemlos möglich.

5

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 290,14 Euro brutto nebst fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz liegenden Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

6

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Der Vergütungsanspruch des [X.] ergebe sich allein aus dem Entgelttarifvertrag für [X.]. Der Erfüllungsort des Arbeitsverhältnisses der Parteien sei der Standort der [X.] in der Niederlassung in [X.].

7

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das [X.] hat die Berufung des [X.] zurückgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision des [X.] ist unbegründet. Das [X.] hat die Berufung im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen.

9

I. Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Vergütung der Arbeitsstunden, in denen seine Fahrroute durch das [X.] führte, nach dem dort tarifvertraglich geltenden Stundensatz.

1. Für das Arbeitsverhältnis gelten aufgrund beiderseitiger normativer [X.] gemäß § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 [X.] sowohl die zwischen dem [X.] ([X.]esgruppe [X.]) und der [X.] als auch die zwischen der [X.] und der [X.] geschlossenen Tarifverträge, soweit der jeweilige tarifvertragliche Geltungsbereich eröffnet ist.

2. Der Kläger kann seinen Anspruch nicht auf den zwischen der [X.] und der [X.], [X.]esbezirk [X.]-[X.], geschlossenen [X.] für die Geld- und Wertdienste im [X.]e [X.] vom 9. Jan[X.]r 2008, gültig mit Wirkung vom 1. November 2007 bis 31. März 2010 ([X.] Geld- und Wertdienste NI 2008) stützen. Das Arbeitsverhältnis der Parteien unterliegt nicht dessen Geltungsbereich.

a) Der [X.] Geld- und Wertdienste NI 2008 enthält folgende Geltungsbereichsbestimmungen:

        

„§ 1   

        

Geltungsbereich

        

Dieser Tarifvertrag gilt

        

räumlich:

für das [X.]

        

fachlich:

für alle Betriebe, die … Geldtransport-, … …dienste durchführen

        

persönlich:

für alle gewerblichen Arbeitnehmer/innen, die im räumlichen Geltungsbereich dieses Entgelttarifvertrages eingesetzt werden

        

…       

        
        

1. PROTOKOLLNOTIZ

        

(„Ergänzende Bestimmungen“)

        

…       

        

5.    

Die Tarifvertragsparteien sind sich dahingehend einig, dass der Geltungsbereich des [X.] sich nur auf Objekte und Dienststellen bezieht, die sich im [X.]e [X.] befinden. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, deren Arbeitsbeginn und Arbeitsende innerhalb des [X.]es [X.] stattfindet, werden nach dem für den Einsatzbeginn und das Einsatzende geltenden Tarifvertrag für das [X.] entlohnt.

                 

Dies gilt insbesondere für Tätigkeiten gemäß § 2 Ziffern 2.1, 2.2, 2.3, 2.4 und 2.5 des [X.]. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die nach diesen Lohngruppen Tätigkeiten während der Dienstzeit im [X.]e [X.] ausüben, werden nach dem niedersächsischen Tarifvertrag entlohnt.“

b) Danach gilt der [X.] Geld- und Wertdienste NI 2008 nicht für das Arbeitsverhältnis der Parteien. Es wird von der Geltungsbereichsbestimmung des [X.] nicht erfasst. Das ergibt sich aus der Auslegung der vorstehenden Tarifbestimmungen (zu den Kriterien der Auslegung des normativen Teils eines [X.] [X.]. [X.] 23. Febr[X.]r 2011 - 4 [X.]/09 - Rn. 21 mwN, [X.] § 1 Tarifverträge: Bewachungsgewerbe Nr. 22; 4. April 2001 - 4 [X.]/00 - zu I 2 a der Gründe, [X.]E 97, 271).

aa) Nach § 4 Abs. 1 [X.] hängt die Wirkung der Rechtsnormen des [X.] im Arbeitsverhältnis der beiderseits [X.] [X.]. davon ab, ob der Geltungsbereich des [X.] eröffnet ist. Die Tarifvertragsparteien haben in § 1 [X.] Geld- und Wertdienste NI 2008 den Geltungsbereich dieses [X.] in räumlicher, fachlicher und persönlicher Hinsicht geregelt. Die so bestimmten Voraussetzungen müssen kumulativ erfüllt sein.

bb) Die Geltungsbereichsbestimmungen des [X.] Geld- und Wertdienste NI 2008 erfassen nur Arbeitsverhältnisse gewerblicher Arbeitnehmer von Betrieben, die [X.] durchführen und im [X.] gelegen sind.

(1) Der räumliche Geltungsbereich des [X.] Geld- und Wertdienste NI 2008 umfasst das Gebiet des [X.]eslandes [X.].

(2) Der [X.] Geltungsbereich ist begrenzt auf diejenigen Betriebe, die Geld- und [X.] durchführen. Dabei sind nur solche Betriebe gemeint, die in [X.] gelegen sind. Dies ergibt sich aus der kumulierenden Wirkung der Bestimmungen.

(a) Die Tarifvertragsparteien sind im Rahmen ihrer Tarifzuständigkeit (vgl. nur [X.] 14. November 2001 - 10 [X.]/01 - mwN, [X.]E 99, 310) hinsichtlich des Anknüpfungspunktes des räumlichen Geltungsbereichs frei (vgl. [X.]/[X.]. 14. Aufl. § 204 Rn. 2; [X.]/[X.] [X.] 3. Aufl. § 4 Rn. 190; [X.]/Zachert/Stein [X.] 4. Aufl. § 4 Rn. 21). Sie können etwa auch den Unternehmenssitz als Anknüpfungspunkt wählen ([X.]/[X.] [X.] 7. Aufl. § 4 Rn. 144; [X.]/[X.] 3. Aufl. § 4 Rn. 161; [X.]/[X.] 12. Aufl. § 4 [X.] Rn. 11, jeweils mwN zur Rechtsprechung). Soweit die Tarifvertragsparteien an den Betriebssitz anknüpfen, gilt der Tarifvertrag dann regelmäßig nur für Betriebe, die in seinem räumlichen Geltungsbereich liegen (vgl. dazu [X.] 3. Dezember 1985 - 4 [X.] - [X.] § 1 Tarifverträge: Großhandel Nr. 5 = EzA BGB § 269 Nr. 1; 13. Mai 1987 - 4 [X.] - [X.] 1987, 213 ([X.])). Dies gilt selbst dann, wenn der Unternehmenssitz außerhalb des Geltungsbereichs liegt ([X.]/[X.] § 4 Rn. 211 mwN). Umgekehrt soll der Tarifvertrag im Zweifel nicht auf Betriebe angewandt werden, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs liegen, selbst wenn das Unternehmen dort seinen Sitz hat oder andere Betriebe dort gelegen sind ([X.]/[X.] § 4 Rn. 212; [X.] in [X.]/Krause/[X.] Tarifvertragsrecht § 5 Rn. 40, jeweils mwN). Auch muss für Betriebsnormen eines [X.] der räumliche Geltungsbereich regelmäßig an den Betriebssitz anknüpfen, da ansonsten die notwendig einheitliche Geltung im Betrieb verfehlt wird ([X.]/[X.] § 4 Rn. 166).

(b) Danach gilt der [X.] Geld- und Wertdienste NI 2008 nur für Betriebe dieser Branche, die innerhalb des räumlichen Geltungsbereichs des [X.]es [X.] gelegen sind. Bereits aus dem Wortlaut der fachlichen Geltungsbereichsbestimmung ergibt sich, dass die Tarifvertragsparteien grundsätzlich Betriebe in ihrer Gesamtheit erfassen wollten. Dies spricht gegen die von der Revision vertretene Auffassung, wonach der Tarifvertrag normativ einzelne Arbeitsverhältnisse unabhängig vom jeweiligen Betriebssitz erfassen könne. Deshalb geht der Einwand der Revision ins Leere, es seien alle Betriebe erfasst, die Mitglied im tarifschließenden Arbeitgeberverband sind. Verbandsmitglieder können nur Unternehmen sein. Insofern sind tatsächlich alle Unternehmen, die Mitglied des [X.]/[X.] sind, tarifgebunden. Der [X.] Geld- und Wertdienste NI 2008 findet jedoch nur auf die Unternehmen hinsichtlich derjenigen Betriebe Anwendung, die von ihnen im [X.] betrieben werden, und nicht für jedweden Betrieb, der den Mitgliedsunternehmen zuzuordnen ist.

(3) Die Geltung des [X.] Geld- und Wertdienste NI 2008 wird weiterhin durch die Bestimmung des persönlichen Geltungsbereichs eingeschränkt. Aus den sich aus den beiden bisher behandelten Geltungsbereichsbestimmungen ergebenden, potentiell vom Tarifvertrag erfassten Arbeitsverhältnissen werden diejenigen ausgegrenzt, die die nicht gewerblichen Arbeitnehmer der Branche betreffen und die nicht im räumlichen Geltungsbereich dieses [X.] eingesetzt werden.

Die dem entgegengesetzte Auffassung der Revision, es sei allein die persönliche Geltungsbereichsbestimmung von Bedeutung, berücksichtigt nicht die [X.] sowie die räumliche Eingrenzung. Dementsprechend bezieht sich der Begriff „eingesetzt“, an den der Wortlaut der persönlichen Geltungsbereichsbestimmung anknüpft, iVm. den übrigen Geltungsbereichsbestimmungen allein auf die in [X.] gelegenen Betriebe der im fachlichen Geltungsbereich bezeichneten Branche.

cc) Dieser Zusammenhang der Geltungsbereichsbestimmungen wird durch die 1. Protokollnotiz zum [X.] Geld- und Wertdienste NI 2008 bestätigt. Darin wird klargestellt, dass lediglich Objekte und Dienststellen im [X.]e [X.] Bezugspunkt der tariflichen Geltung sind. Der Begriff „eingesetzt“ in der persönlichen Geltungsbereichsbestimmung wird ferner dahingehend konkretisiert, dass von einem solchen „Einsatz“ im tariflichen Sinne dann ausgegangen werden kann, wenn Arbeitsbeginn und Arbeitsende im [X.] liegen. Damit knüpft der Tarifvertrag an die regelmäßig von dem Betrieb aus erfolgenden Einsätze der Geld- und Transportdienstmitarbeiter an.

Auch auf Ziff. 5 Abs. 2 der 1. Protokollnotiz zum [X.] Geld- und Wertdienste NI 2008 kann sich der Kläger für seine Auffassung, nach der auch bei einem nur stundenweisen Personaleinsatz in [X.] der jeweilige Geltungsbereich des [X.] Geld- und Wertdienste NI 2008 eröffnet sei, nicht stützen. Bereits aus der Eingangsformulierung („Dies gilt insbesondere für …“) wird deutlich, dass sich dieser Absatz auf den vorherigen (Ziff. 5 Abs. 1 der 1. Protokollnotiz) bezieht und ihn weiter präzisiert. Dabei zeigt das Wort „insbesondere“ im Zusammenhang mit „dies gilt“, dass mit diesem zweiten Absatz nicht „etwas anderes“ geregelt werden soll, sondern das nach dem ersten Absatz geltende verstärkend erläutert wird. Die Bezugnahme auf die „Tätigkeiten gemäß § 2 Ziffern 2.1, 2.2, 2.3, 2.4 und 2.5 des [X.]“ erfasst ausnahmslos alle im [X.] Geld- und Wertdienste NI 2008 geregelten Lohngruppen. Die in Ziff. 5 Abs. 1 der 1. Protokollnotiz zum [X.] Geld- und Wertdienste NI 2008 festgehaltene übereinstimmende Auffassung der Tarifvertragsparteien zu dessen Geltungsbereich wird mit Ziff. 5 Abs. 2 dahingehend präzisiert, dass alle von den in diesem Tarifvertrag geregelten Lohngruppen erfassten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach dem [X.] Tarifvertrag entlohnt werden, wenn sie „Tätigkeiten während der Dienstzeit im [X.]e [X.] ausüben“. Damit wird klargestellt, dass auch der zwischen Einsatzbeginn und Einsatzende (vgl. Ziff. 5 Abs. 1 der 1. Protokollnotiz zum [X.] Geld- und Wertdienste NI 2008) liegende Zwischenzeitraum zu der „Dienstzeit im [X.]e [X.]“ gehört und die gesamte Tätigkeit einheitlich nach dem [X.] Tarif zu entlohnen ist.

dd) Für dieses Ergebnis spricht weiterhin die systematische Auslegung des [X.] Geld- und Wertdienste NI 2008. Dieser fügt sich erkennbar in das System der Tarifverträge für die [X.] insgesamt ein, indem er Sonderregelungen für die Vergütung von Mitarbeitern im Sicherheitstransportgewerbe des [X.]es [X.] trifft, aber ansonsten ausdrücklich die Weitergeltung der bisherigen Regelungen bestimmt.

(1) Bis zum Abschluss des [X.] Geld- und Wertdienste NI 2008 waren die tariflichen Arbeitsbedingungen der [X.] Sicherheitstransportmitarbeiter in landesweiten Tarifverträgen für den gesamten Bereich der Sicherheitswirtschaft geregelt, [X.]. dem Manteltarifvertrag für das Wach- und Sicherheitsgewerbe im [X.]e [X.] vom 10. Oktober 2005 ([X.] 2005) und dem am selben Tag hierzu vereinbarten [X.] mit demselben Geltungsbereich. Diese Tarifverträge waren für die Arbeitgeberseite von der [X.]esgruppe [X.] des [X.] geschlossen worden. Die [X.] war auf die örtlich ansässigen Mitgliedsunternehmen beschränkt. An diese Tarifverträge für [X.] war demgemäß die Beklagte nicht gebunden, da sie nicht Mitglied der [X.]esgruppe [X.], sondern der [X.]esgruppe [X.] des [X.] (jetzt [X.]) ist, die - weitgehend entsprechend - eigene Tarifverträge für das [X.] [X.] geschlossen hatte. Der [X.] 2005 gilt nach wie vor räumlich für das [X.], betrieblich-fachlich für die Betriebe des [X.] sowie des [X.] und persönlich für die in diesen Betrieben beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer. Wegen insoweit fehlender [X.] ist die Beklagte auch nach wie vor nicht an den [X.] 2005 gebunden, sondern an den entsprechenden Manteltarifvertrag für das Wach- und Sicherheitsgewerbe im [X.]e [X.] vom 13. Dezember 2006, gültig mit Wirkung vom 1. März 2007 ([X.] [X.]).

(2) Der im Jan[X.]r 2008 vereinbarte [X.] Geld- und Wertdienste NI 2008 sollte erkennbar lediglich die speziellen Entgeltregelungen für [X.] an die Stelle der bisherigen allgemeinen Entgeltregelungen für das gesamte Wach- und Sicherheitsgewerbe setzen, aber nicht das Tarifgefüge im Übrigen ändern. So bestimmt § 5 Abs. 4 [X.] Geld- und Wertdienste NI 2008 ausdrücklich:

        

„Alle anderen bisherigen tarifvertraglichen Bestimmungen einschließlich Protokollnotizen, die auch für Geld- und Wertdienstunternehmen maßgeblich waren, finden weiterhin auf diese Unternehmen Anwendung. Dies gilt insbesondere für den Manteltarifvertrag für das Wach- und Sicherheitsgewerbe im [X.]e [X.] vom 10. Oktober 2005 …“

Die ausdrückliche Bestimmung der Weitergeltung eines „verbandsfremden“ Manteltarifvertrages, der auf Arbeitgeberseite von der [X.]esgruppe [X.] des [X.]/[X.] vereinbart worden war, verdeutlicht die Absicht der Tarifvertragsparteien des [X.] Geld- und Wertdienste NI 2008, mit ihrer neuen Vereinbarung in die Kontinuität dieser Regelungen einzutreten. Dies schließt aus, dass der betriebliche Geltungsbereich der tariflichen Entgeltregelungen von - bisher - dem [X.] mit dem Abschluss des [X.] Geld- und Wertdienste NI 2008 auf - allein hinsichtlich der Neuregelung - das gesamte [X.] ausgedehnt werden sollte. Denn sowohl der [X.] an einen bzw. die Ersetzung eines bisherigen [X.] als auch die Zuordnung eines Entgelttarifvertrages zu einem Manteltarifvertrag sprechen für die Identität der jeweils in Bezug genommenen Geltungsbereichsbestimmungen ([X.]/[X.] § 4 Rn. 121; [X.]/[X.] § 4 Rn. 207).

(3) Diese Einbindung des [X.] Geld- und Wertdienste NI 2008 ergibt sich auch aus dessen „2. Protokollnotiz“. Diese ist nicht zwischen den Tarifvertragsparteien des [X.] Geld- und Wertdienste NI 2008 selbst vereinbart worden, sondern auf Arbeitgeberseite von der [X.]esgruppe [X.] des Arbeitgeberverbandes [X.], die den [X.] 2005 und den bis dahin geltenden entsprechenden [X.] für [X.] geschlossen hat. Diese Protokollnotiz hat folgenden Wortlaut:

        

2. PROTOKOLLNOTIZ

        

(„Außer-[X.]-Treten von tariflichen Bestimmungen“)

        

zum [X.]

        

für die Geld- und Wertdienste

        

im [X.]e [X.] vom 09. Jan[X.]r 2008

        

Der [X.] [X.] ([X.]), [X.]esgruppe [X.], und [X.] Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft, [X.]esbezirk [X.]-[X.], erklären übereinstimmend,

                 

1.    

den [X.] für das Wach- und Sicherheitsgewerbe im [X.]e [X.] vom 10. Oktober 2005, gültig vom 01. November 2005 bis 31. Oktober 2007 und

                 

2.    

die 1. Protokollnotiz zu dem unter Ziffer 1. aufgeführten Tarifvertrag vom 10. Oktober 2005, gültig vom 01. November 2005 bis 31. Oktober 2007,

        

jeweils durch die o. g. Tarifvertragsparteien geschlossen, zum 01. November 2007 für Geld- und Wertdiensteunternehmen der [X.]esvereinigung Deutscher Geld- und Wertdienste [X.] ([X.]) und deren Beschäftigte, die Mitglied der tarifschließenden Parteien sind, außer [X.] zu setzen. Eine Nachwirkung ist für [X.]-Unternehmen damit ausgeschlossen.

        

Hannover, 09. Jan[X.]r 2008“

Da wegen der unterschiedlichen Tarifvertragsparteien des bisherigen [X.] für den allgemeinen Wach- und Sicherheitsdienst in [X.] von 2005 und des neuen [X.] Geld- und Wertdienste NI 2008 die Regelungen des [X.] von 2005 durch den neuen Tarifvertrag nicht ohne weiteres abgelöst werden konnten, bedurfte es zur Vermeidung der normativen Weitergeltung einer ausdrücklichen, bereichsbezogenen Aufhebung des bisherigen [X.] von 2005 durch diejenigen Tarifvertragsparteien, die diesen Tarifvertrag abgeschlossen hatten. Diese Aufhebung ist Inhalt der 2. Protokollnotiz, die wegen der abweichenden Tarifvertragsparteien in der Sache ein eigenständiger Tarifvertrag ist. Dies verdeutlicht erneut, dass mit dem [X.] Geld- und Wertdienste NI 2008 lediglich Sonderregelungen für die bisher dem - allgemeinen - [X.] des [X.] in [X.] von 2005 und nach wie vor dem [X.] 2005 unterfallenden Arbeitsverhältnisse im Geld- und Werttransportdienst aufgestellt worden sind.

3. Der Kläger kann seinen Anspruch auch nicht auf die §§ 8, 13 des zwischen dem [X.] und der [X.] geschlossenen [X.] stützen.

a) Der [X.] enthält [X.]. folgende Regelungen:

        

„§ 1   

Geltungsbereich

        

Dieser Tarifvertrag gilt

        

räumlich:

für die [X.],

        

fachlich:

für alle Betriebe des [X.], sowie für alle Betriebe, die Kontroll- und Ordnungsdienste betreiben, für alle Bewachungsobjekte und Dienststellen, sowie für Geld- und Wertdienste,

        

persönlich:

für alle in diesen Bereichen beschäftigten Arbeitnehmer mit Ausnahme der Angestellten in den [X.]esländern [X.], [X.], [X.], [X.] und [X.].

        

…       

        
        

§ 8     

Entgelt

        

1.    

Die Entlohnung / Vergütung richtet sich nach dem jeweils gültigen Entgelt-, Lohn- oder Gehaltstarifvertrag der Länder. …

        

…       

        
        

§ 13   

Erfüllungsortprinzip

        

Für die länderspezifischen Mantel-, Entgelt-, Lohn- und Gehaltstarifverträge gilt der Anspruch aus den tariflichen Bestimmungen gemäß dem Ort der Erbringung der Arbeitsleistung.“

b) Dabei kann dahinstehen, ob § 13 MRTV Wach- und Sicherheitsgewerbe [X.] 2006 nicht bereits durch § 4 des zwischen dem [X.] und der [X.] geschlossenen [X.] über die Geltung tariflicher Vorschriften gemäß dem Erfüllungsort für das Wach- und Sicherheitsgewerbe für die [X.] vom 9. Juli 2007 ([X.]) aufgehoben worden ist. § 2 [X.] beinhaltet zwar materiell dieselbe Regelung wie § 13 [X.]. In seinen ansonsten übereinstimmenden Geltungsbereichsbestimmungen sind jedoch die „Geld- und Wertdienste“ anders als in der fachlichen Geltungsbereichsregelung jenes [X.] nicht mehr aufgeführt. Deshalb ist fraglich, ob für diese Branche § 13 [X.] überhaupt noch in [X.] ist.

c) Selbst wenn man zugunsten des [X.] die Geltung von § 13 [X.] oder von § 2 [X.] für das Arbeitsverhältnis unterstellt, ist die tarifliche Regelung zum „[X.]“ gemäß dem Ort der Erbringung der Arbeitsleistung keine eigenständige Anspruchsgrundlage für die Forderung des [X.]. Es handelt sich dabei vielmehr um eine tarifvertraglich festgelegte Kollisionsregel, die dazu dient, eine eventuell bestehende Tarifkonkurrenz aufzulösen. Vorausgesetzt sind dabei jeweils geltende Ansprüche nach länderspezifischen Mantel-, Entgelt-, Lohn- und Gehaltstarifverträgen. Die Regelung schafft keinen eigenständigen Anspruch unabhängig von der Geltung von (ggf. konkurrierenden) [X.] und dem Vorliegen von deren Anspruchsvoraussetzungen. Im Streitfall liegt keine auflösungsbedürftige Tarifkonkurrenz vor. Das Arbeitsverhältnis des [X.] wird nicht von dem Geltungsbereich des [X.] Geld- und Wertdienste NI 2008 erfasst.

d) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus einer Zusammenschau von § 8 iVm. § 13 [X.]. Nach § 8 Abs. 1 [X.] richtet sich die Entlohnung/Vergütung nach dem jeweils gültigen Entgelt-, Lohn- und Gehaltstarifvertrag der Länder. Daraus geht nichts darüber hervor, unter welchen der [X.] ein Arbeitsverhältnis fällt und welcher danach als „gültig“ im Sinne der Tarifvorschrift anzusehen ist.

4. Die Klageforderung ergibt sich schließlich nicht aus dem [X.] [X.] oder aus dem Entgelttarifvertrag für die Geld- und Wertdienste in [X.] vom 20. März 2009, gültig ab 1. März 2009 ([X.] Geld- und Wertdienste HB 2009). Insoweit ist zwischen den Parteien zwar unstreitig und aus rechtlicher Hinsicht nicht zweifelhaft, dass diese für das Arbeitsverhältnis der Parteien unmittelbar und zwingend gelten, weil beide Parteien an diese Tarifverträge gemäß § 3 Abs. 1 [X.] tarifgebunden sind und ihrem Geltungsbereich unterfallen (§ 4 Abs. 1 [X.]). Keiner der Tarifverträge enthält jedoch eine Bezugnahme auf Lohnregelungen des [X.] Geld- und Wertdienste NI 2008.

II. Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels zu tragen.

        

    Creutzfeldt    

        

    Rachor    

        

    Winter    

        

        

        

    Pieper    

        

    Hess    

                 

Meta

4 AZR 782/10

26.09.2012

Bundesarbeitsgericht 4. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven, 11. Februar 2010, Az: 5 Ca 5323/09, Urteil

§ 1 TVG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26.09.2012, Az. 4 AZR 782/10 (REWIS RS 2012, 2887)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 2887

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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11 Sa 636/10 (Landesarbeitsgericht Düsseldorf)


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