Bundessozialgericht, Beschluss vom 18.06.2014, Az. B 3 P 5/14 B

3. Senat | REWIS RS 2014, 4831

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Fehlen von Entscheidungsgründen - Überschreiten der Fünf-Monats-Frist zur Urteilsabsetzung - Verfahrensmangel - Zurückverweisung


Tenor

Auf die Beschwerde der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 27. November 2013 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

I. Die 1999 geborene Klägerin leidet an insulinpflichtigem Diabetes mellitus Typ I. Seit dem 1.7.2004 bezog sie Leistungen der [X.] Pflegeversicherung nach der [X.]. Mit Wirkung zum [X.] hob die beklagte Pflegekasse die Leistungsbewilligung nach § 48 [X.]B X auf, weil der [X.] der Klägerin entwicklungsbedingt nicht mehr den für die [X.] erforderlichen Mindestwert von "mehr als 45 Minuten" (§ 15 Abs 2 und [X.]) erreiche (Bescheid vom [X.], Widerspruchsbescheid vom [X.]). Sie berief sich dazu auf zwei Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung ([X.]) vom [X.] und 21.9.2009. Das [X.] hat die Klage nach Beweisaufnahme abgewiesen (Urteil vom 20.10.2011). Das L[X.] hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Urteil vom 27.11.2013). Das nach der mündlichen Verhandlung am 27.11.2013 ergangene Urteil ist nach Unterzeichnung durch [X.] am [X.] zur Geschäftsstelle des [X.] (L[X.]) gelangt und der Klägerin am 5.5.2014 zugestellt worden.

2

Die Klägerin wendet sich gegen die Nichtzulassung der Revision mit der Rüge eines Verfahrensfehlers (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]G). Das Berufungsurteil sei nicht innerhalb der am 27.4.2014 endenden Fünf-Monats-Frist in unterschriebener Form zur Geschäftsstelle gelangt und verfüge damit - fiktiv - nicht über die erforderlichen Entscheidungsgründe, was einen Verstoß gegen § 136 Abs 1 [X.] [X.]G sowie § 202 [X.]G iVm § 547 [X.] ZPO darstelle.

3

II. Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Der Zulässigkeit steht nicht entgegen, dass die Beschwerde schon am 28.4.2014, also eine Woche vor der Zustellung des Berufungsurteils, eingelegt worden ist, weil die Nichtzulassung der Revision als Bestandteil des am 27.11.2013 verkündeten [X.] seit diesem Zeitpunkt feststand (vgl [X.] in: [X.]/[X.]/[X.], [X.]G, 10. Aufl 2012, § 160a [X.]). Das angefochtene Urteil des L[X.] vom 27.11.2013 beruht auf einem Verfahrensmangel iS des § 160 Abs 2 [X.] [X.]G. Daher ist die Entscheidung aufzuheben und die Sache an das L[X.] zurückzuverweisen (§ 160a Abs 5 [X.]G).

4

Nach § 547 [X.] ZPO, der über § 202 [X.]G auch in sozialgerichtlichen Verfahren gilt, iVm § 136 Abs 1 [X.] [X.]G ist eine Entscheidung stets als auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen, wenn sie nicht mit Gründen versehen ist. Das Fehlen von Entscheidungsgründen liegt nach der Rechtsprechung vor, wenn ein Urteil nicht binnen fünf Monaten nach Verkündung schriftlich niedergelegt, von den beteiligten Berufsrichtern unterschrieben und der Geschäftsstelle übergeben worden ist ([X.] Beschluss vom 27.4.1993 - GmS-OGB 1/92 - [X.] 3-1750 § 551 [X.] 4; B[X.] [X.] 4-1500 § 120 [X.] 1 Rd[X.] 4 mwN).

5

Die Überschreitung der Fünf-Monats-Frist hat die Klägerin ordnungsgemäß gerügt. Ein solcher Verfahrensmangel ist dann hinreichend bezeichnet, wenn das Datum der Niederlegung konkret benannt und dargelegt wird, dass diese Datumsangabe sich auf eigene Nachforschungen stützt (B[X.], aaO, Rd[X.] mwN). Die Klägerin hat in ihrer Beschwerdebegründung ausgeführt, dass die Fünf-Monats-Frist am 27.4.2014 geendet habe und die Übergabe der angefochtenen Entscheidung zu einem späteren Zeitpunkt außerhalb der Frist liege. Eine telefonische Nachfrage bei der zuständigen Geschäftsstelle am 28.4.2014 habe ergeben, dass das Urteil noch nicht vorliege. Damit ist den [X.] Genüge getan.

6

Das L[X.] hat die Fünf-Monats-Frist nicht eingehalten. Das angefochtene Urteil ist am 27.11.2013 verkündet und erst am [X.] der Geschäftsstelle übergeben worden. Die Fünf-Monats-Frist endete hingegen am 27.4.2014. [X.] war ein Sonntag. Ob dies in Analogie zu § 64 Abs 3 [X.]G, § 222 Abs 2 ZPO oder § 222 Abs 1 ZPO iVm § 193 BGB zu einer Fristverlängerung bis zum 28.4.2014 (Montag) führt (ablehnend der 2. Senat des B[X.], Beschluss vom 17.2.2009 - B 2 U 189/08 B - [X.] 4-1750 § 547 [X.] 2, ebenso [X.], 360), kann im vorliegenden Fall offenbleiben, weil das Urteil ohnehin erst am [X.] (Dienstag) zur Geschäftsstelle gelangt ist.

7

Der Senat macht von der Möglichkeit des § 160a Abs 5 [X.]G Gebrauch, auf die Nichtzulassungsbeschwerde das angefochtene Urteil wegen des festgestellten Verfahrensfehlers aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das L[X.] zurückzuverweisen. Der Ausgang des Verfahrens hängt unter anderem von einer Beweiswürdigung ab, die dem L[X.] obliegt.

8

Über die Frage der Kostenentscheidung im Beschwerdeverfahren wird das L[X.] im Rahmen der erneuten Berufungsentscheidung zu befinden haben.

Meta

B 3 P 5/14 B

18.06.2014

Bundessozialgericht 3. Senat

Beschluss

Sachgebiet: P

vorgehend SG Osnabrück, 20. Oktober 2011, Az: S 14 P 30/10, Urteil

§ 136 Abs 1 Nr 6 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 5 SGG, § 202 SGG, § 547 Nr 6 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 18.06.2014, Az. B 3 P 5/14 B (REWIS RS 2014, 4831)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 4831

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