Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.11.2012, Az. VIII ZR 137/12

8. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 1219

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Gegenstand

Wohnraummiete: Inhaltskontrolle für salvatorische Klauseln in einem Formularmietvertrag; Gesamtunwirksamkeit von Schönheitsreparaturklauseln


Tenor

Der Senat beabsichtigt, die zugelassene Revision der Beklagten durch einstimmigen Beschluss nach § 552a ZPO zurückzuweisen.

Gründe

1

1. Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor (§ 552a Satz 1, § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen, da über die "Auswirkungen der salvatorischen Klauseln im hier verwendeten Vertragsformular" im Bereich der Wohnraummiete bislang, soweit ersichtlich, nicht entschieden worden sei.

2

Diese Begründung trägt die Zulassung der Revision nicht. Auch sonst liegt kein Revisionszulassungsgrund vor. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) noch ist eine Entscheidung des [X.] zur Fortbildung des Rechts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 1 ZPO) oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO) erforderlich. Die Maßstäbe für die Beantwortung der vom Berufungsgericht aufgeworfenen Frage lassen sich der Rechtsprechung des [X.] ohne weiteres entnehmen, so dass es keiner weiteren Entscheidung des [X.] bedarf.

3

Der [X.] hat bereits mehrfach - auch für das Wohnraummietrecht - entschieden, dass der Zusatz "soweit gesetzlich zulässig" die [X.] der gegen die gesetzlichen Regelungen über Allgemeine Geschäftsbedingungen verstoßenden Regelung nicht beseitigt (vgl. [X.]surteile vom 26. Juni 1991 - [X.], NJW 1991, 2630 unter [X.]; vom 20. Januar 1993 - [X.], NJW 1993, 1061 unter [X.]; vom 26. November 1984 - [X.], [X.], 29, 48, zur Klausel "soweit das Gesetz nicht etwas anderes zwingend vorschreibt"). Denn derartige salvatorische Klauseln sind ihrerseits unwirksam, weil sie gegen das [X.] verstoßen ([X.], Urteil vom 12. Oktober 1995 - [X.], NJW 1996, 1407 unter [X.] - zu § 2 Abs. 1 Nr. 2 [X.]). An dieser Beurteilung ändert auch der im Streitfall vorhandene Zusatz nichts, dass die Übertragung der Pflicht zur Parkettversiegelung auf den Mieter nach derzeitiger Rechtslage nicht erlaubt sei.

4

2. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg. Das Berufungsurteil hält rechtlicher Nachprüfung stand.

5

a) Ob das Berufungsgericht die Beklagte zu Recht als Unternehmerin im Sinne der §§ 14, 310 Abs. 3 [X.] angesehen hat, bedarf keiner Entscheidung. Denn das Berufungsgericht hat bei seiner Prüfung des Vorliegens Allgemeiner Geschäftsbedingungen keine Schlussfolgerungen aus dem von ihm nicht näher begründeten Vorliegen der Voraussetzungen des § 310 Abs. 3 [X.] gezogen. Es hat insbesondere die mit § 310 Abs. 3 [X.] verbundenen Modifikationen der §§ 305 ff. [X.] (vgl. hierzu [X.], [X.], 13. Aufl., § 310 Rn. 4) nicht angesprochen, sondern das Vorliegen Allgemeiner Geschäftsbedingungen unabhängig hiervon geprüft.

6

b) Unbegründet ist die weitere Rüge der Revision, es handele sich bei den in § 11 des Mietvertrags enthaltenen Regelungen entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht um Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne der §§ 305 ff. [X.]. Das Berufungsgericht hat in tatrichterlicher Würdigung ohne Rechtsfehler angenommen, dass sich im vorliegenden Fall sowohl aus der Erscheinungsform des Textes des streitgegenständlichen Mietvertrags (vgl. hierzu [X.]surteil vom 3. November 1999 - [X.], [X.]Z 143, 103, 109; [X.], Urteil vom 27. November 2003 - [X.], [X.]Z 157, 102, 106; [X.], aaO, § 305 Rn. 58) als auch aus dessen Inhalt (vgl. hierzu [X.], Urteile vom 14. Mai 1992 - [X.], [X.]Z 118, 229, 238; vom 27. November 2003 - [X.], aaO; [X.], aaO) ein erster Anschein für das Vorliegen Allgemeiner Geschäftsbedingungen ergibt. Mit Recht ist das Berufungsgericht auch davon ausgegangen, dass der Verwender diesen ersten Anschein zu widerlegen hat und ihn die Darlegungs- und Beweislast trifft, dass der Vertrag oder eine einzelne Vertragsbedingung entgegen dem ersten Anschein individuell ausgehandelt worden ist (vgl. hierzu die vorgenannte Rechtsprechung sowie [X.], Urteile vom 15. Dezember 1976 - [X.], NJW 1977, 624 unter [X.]; vom 3. April 1998 - [X.], NJW 1998, 2600 unter [X.]). Entgegen der Auffassung der Revision ist auch die Beurteilung des Berufungsgerichts, das Vorbringen der Beklagten sei nicht geeignet, diesen ersten Anschein zu widerlegen, aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

7

An die substantiierte Darlegung der ernsthaften Verhandlungsbereitschaft des Verwenders und der weiteren Merkmale für ein Aushandeln sind strenge Anforderungen zu stellen (vgl. [X.], Urteile vom 30. Oktober 1987 - [X.], [X.]Z 102, 152, 158; vom 3. April 1998 - [X.], aaO; [X.], aaO). Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] - schon zum [X.] - bedeutet ein solches Aushandeln mehr als verhandeln. Es genügt nicht, dass das gestellte Formular dem Verhandlungspartner bekannt ist und nicht auf Bedenken stößt, dass der Inhalt lediglich erläutert oder erörtert wird und den Vorstellungen des Partners entspricht. Von einem Aushandeln in diesem Sinne kann vielmehr nur dann gesprochen werden, wenn der Verwender zunächst den in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltenen "gesetzesfremden Kerngehalt", also die den wesentlichen Inhalt der gesetzlichen Regelung ändernden oder ergänzenden Bestimmungen, inhaltlich ernsthaft zur Disposition stellt und dem Verhandlungspartner Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interessen einräumt mit zumindest der realen Möglichkeit, die inhaltliche Ausgestaltung der Vertragsbedingungen zu beeinflussen. Er muss sich also deutlich und ernsthaft zur gewünschten Änderung einzelner Klauseln bereit erklären (siehe nur [X.]surteil vom 3. November 1999 - [X.], aaO [X.] f.; [X.], Urteile vom 5. Dezember 1995 - [X.], NJW-RR 1996, 783 unter [X.] a; vom 14. April 2005 - [X.], NJW-RR 2005, 1040 unter [X.]; vom 18. März 2009 - [X.], NJW-RR 2009, 947 Rn. 15; jeweils mwN).

8

Diese Maßstäbe hat das Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt und ist zu der [X.] Beurteilung gelangt, dass nach dem Vortrag der Beklagten weder von einem Aushandeln des gesamten Mietvertrags noch von einem Aushandeln der hier einschlägigen Bestimmungen in § 11 des Mietvertrags ausgegangen werden kann.

9

Ebenso steht der Annahme einer Allgemeinen Geschäftsbedingung nicht entgegen, dass auch in § 11 des Mietvertrags Änderungen gegenüber der Entwurfsfassung vorgenommen worden sind. Das Berufungsgericht ist insoweit durch einen Vergleich der von der Beklagten vorgelegten Entwurfsfassung des § 11 mit der im unterzeichneten Mietvertrag enthaltenen Fassung dieser Bestimmung rechtsfehlerfrei zu der Beurteilung gelangt, dass sich letztere von ersterer lediglich hinsichtlich des - zuvor bereits vorhandenen - Rechenbeispiels in § 11 Nr. 4 des Mietvertrags unterscheide. Hierin ist unter Zugrundelegung der oben aufgezeigten Maßstäbe der Rechtsprechung des [X.] keine Änderung des wesentlichen Inhalts der Klausel, sondern lediglich eine unselbständige Ergänzung in Gestalt einer Änderung der Formulierung zu sehen, die den Charakter der Klausel als Allgemeine Geschäftsbedingung nicht in Frage stellt (vgl. [X.], Urteile vom 30. Oktober 1987 - [X.], aaO; vom 18. Mai 1995 - [X.], [X.], 1455 unter 1 b).

c) Vergeblich bleibt auch die Rüge der Revision, § 11 des Mietvertrags sei, selbst wenn diese Regelung als Allgemeine Geschäftsbedingung zu qualifizieren wäre, jedenfalls nicht nach § 307 [X.] unwirksam. Das Berufungsgericht habe insoweit verkannt, dass diese Verpflichtung hier ausdrücklich unter den Vorbehalt der Gesetzeslage oder der obergerichtlichen Rechtsprechung gestellt sei und zudem deutlich darauf hingewiesen werde, dass zur [X.] weder das Gesetz noch die Rechtsprechung eine solche Verpflichtung erlaubten, so dass der Mieter die Versiegelung momentan auch nicht schulde. Damit sei für den Mieter eindeutig klargestellt, dass er gerade keine Wiederherstellung der Versiegelung der [X.] schulde. Insofern habe das Berufungsgericht § 11 Nr. 3 des Mietvertrags nicht vollständig gewürdigt. Die in dieser Bestimmung verwendete Formulierung "sofern dies die Gesetzeslage bzw. die Rechtsprechung erlauben" sei von einer salvatorischen Klausel, über die in den vom Berufungsgericht zitierten Entscheidungen des [X.] zu befinden gewesen sei, zu unterscheiden.

Dies trifft aus den oben (unter 1) genannten Gründen nicht zu, so dass auch dieser Angriff der Revision nicht durchgreift.

d) Ohne Aussicht auf Erfolg vertritt die Revision schließlich die Auffassung, selbst eine Unwirksamkeit des auf die Versiegelung des Parketts und des Holzfußbodens bezogenen Teils der Klausel lasse die Wirksamkeit der [X.] im Übrigen unberührt, da der entsprechende Absatz sprachlich und inhaltlich selbständig sei und ohne weiteres gestrichen werden könne, ohne dass der weitere Sinngehalt der Klausel - namentlich die Übertragung der Schönheitsreparaturen auf den Mieter - dadurch entfiele. Der [X.] hat bereits im Urteil vom 13. Januar 2010 ([X.], NJW 2010, 674 Rn. 13 f.) entschieden, dass die Unwirksamkeit der [X.] selbst dann zur Unwirksamkeit der Überbürdung der Schönheitsreparaturen insgesamt führt, wenn die Pflicht zur Versiegelung des Parketts in einer eigenen Klausel geregelt ist.

3. Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

[X.]                                Dr. Hessel                                [X.]

           Dr. Schneider                              [X.]

Hinweis:

Das Revisionsverfahren ist durch Zurückweisungsbeschluss erledigt worden.

Meta

VIII ZR 137/12

20.11.2012

Bundesgerichtshof 8. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Berlin, 23. März 2012, Az: 63 S 375/11

§ 305 BGB, §§ 305ff BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.11.2012, Az. VIII ZR 137/12 (REWIS RS 2012, 1219)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 1219


Verfahrensgang

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Az. VIII ZR 137/12

Bundesgerichtshof, VIII ZR 137/12, 05.03.2013.

Bundesgerichtshof, VIII ZR 137/12, 20.11.2012.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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