Bundesgerichtshof, Beschluss vom 28.07.2010, Az. 1 StR 332/10

1. Strafsenat | REWIS RS 2010, 4389

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Steuerstrafverfahren: Eintritt der Regelwirkung für den Strafrahmen des besonders schweren Falls bei der versuchten Steuerhinterziehung in großem Ausmaß


Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 12. März 2010 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der [X.] keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Ergänzend bemerkt der Senat:

Im Fall II.2 der Urteilsgründe hat das [X.] den Angeklagten rechtsfehlerfrei wegen versuchter Steuerhinterziehung in Tateinheit mit Urkundenfälschung verurteilt. Auch die [X.] für diesen Fall, bei der das [X.] die Strafe dem gemäß § 23 Abs. 2 i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 370 Abs. 3 [X.] entnommen hat, hält rechtlicher Nachprüfung stand.

a) Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Der Angeklagte ließ beim Finanzamt [X.] für die [X.] betreffend den Monat Juni 2008 eine unrichtige Umsatzsteuervoranmeldung einreichen. Darin wurde zu Unrecht ein Vorsteuerbetrag in Höhe von mehr als 534.000 Euro aus gefälschten Rechnungen der Firma E., denen in Wirklichkeit keine Leistungen zugrunde lagen, geltend gemacht. Das Finanzamt, das Zweifel an der Richtigkeit der Umsatzsteuervoranmeldung hatte, zahlte die geltend gemachten Vorsteuern nicht als Erstattungsbetrag aus, sondern leitete eine Umsatzsteuersonderprüfung ein.

b) Auch wenn der Angeklagte hier nicht [X.]. § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 [X.] „in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt hat“, weil eine Auszahlung des geltend gemachten [X.] vom Finanzamt verweigert worden war (vgl. § 168 Satz 2 [X.]), durfte das [X.] die Strafe dennoch dem gemäß § 23 Abs. 2 i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 370 Abs. 3 [X.] entnehmen. Denn die Geltendmachung des unberechtigten [X.] von mehr als 534.000 Euro zielte auf einen nicht gerechtfertigten Steuervorteil in großem Ausmaß [X.]. § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 [X.] ab (vgl. [X.], Urteil vom 2. Dezember 2008 - 1 [X.], [X.]St 53, 71, 84 ff.). Der Umstand, dass ebenso wie das Grunddelikt des § 370 Abs. 1 Nr. 1 [X.] auch das Regelbeispiel des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 [X.] nur versucht worden ist, steht dem nicht entgegen (vgl. [X.], Beschluss vom 18. November 1985 - 3 [X.], [X.]St 33, 370; [X.] in [X.]/ Gast/[X.], Steuerstrafrecht 7. Aufl. § 370 Rn. 276; [X.], StGB 57. Aufl. § 46 Rn. 101). Für den Eintritt der Regelwirkung der Regelbeispiele besonders schwerer Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 3 Satz 2 [X.] kann es bei der versuchten Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 2 [X.]) nur darauf ankommen, ob der Täter nach seiner Vorstellung zur Verwirklichung des [X.] bereits unmittelbar angesetzt hat. Denn bei der versuchten Steuerhinterziehung ist auch für die Indizwirkung der Regelbeispiele auf die subjektive Tatseite abzustellen. Dabei sind bei der Bestimmung des für den strafbaren Deliktsversuch geltenden Strafrahmens die Regelbeispiele besonders schwerer Steuerhinterziehung im Ergebnis wie ein Tatbestandsmerkmal zu behandeln, weil sie einen gegenüber dem Tatbestand erhöhten Unrechts- und Schuldgehalt typisieren ([X.]St 33, 370, 374). Ist der Schuldgehalt der versuchten Tat geringer, kommt auch für den Strafrahmen des besonders schweren Falles der Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 3 Satz 1 [X.]) die Strafrahmenverschiebung des § 23 Abs. 2 i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB in Betracht.

Gegenteiliges ergibt sich nicht aus einem Vergleich mit dem Regelbeispiel des § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 [X.]. 1 StGB, für das der [X.] annimmt, dass ein bloßer Betrugsversuch die Voraussetzungen des [X.] des „Herbeiführens eines Vermögensverlustes großen Ausmaßes“ nicht erfüllen kann (vgl. [X.], Beschluss vom 17. November 2006 - 2 [X.], [X.]R § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Vermögensverlust 6; [X.], Beschluss vom 9. Januar 2007 - 4 [X.], [X.], 183; [X.], Beschluss vom 24. März 2009 - 3 StR 598/08, [X.], 206, 207). Denn der dort vom Gesetzgeber verwendete Begriff des Vermögensverlustes ist nach dem Wortsinn enger zu verstehen als die in anderem Zusammenhang verwendeten Begriffe des Vermögensschadens oder -nachteils und verbietet daher eine Ausdehnung auf bloße [X.] ([X.], Beschluss vom 7. Oktober 2003 - 1 [X.], [X.]St 48, 354, 358 f.). Dies rechtfertigt, die im bloßen Ansetzen, einen Vermögensverlust herbeizuführen, liegende Gefährdung auch bei Versuchstaten für die Regelwirkung nicht ausreichen zu lassen. Zutreffend hat der [X.] darauf hingewiesen, dass im Gegensatz hierzu § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 [X.] ausdrücklich Bezug nimmt auf den Begriff der Steuerverkürzung und damit auf die Legaldefinition in § 370 Abs. 4 Satz 1 [X.]. Von dieser Definition werden auch Vermögensgefährdungen bei verspäteter oder zu niedriger Festsetzung erfasst (vgl. [X.]St 53, 71, 85 Rn. 39; [X.] aaO § 370 [X.] Rn. 51).

Im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtwürdigung, ob ein besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung i.S.d. § 370 Abs. 3 [X.] gegeben ist, hat das [X.] ausdrücklich berücksichtigt, dass es letztlich nicht zu einer Tatvollendung gekommen ist. Dabei musste es hier nicht ausdrücklich erörtern, ob das Vorliegen des vertypten Milderungsgrundes des Versuchs (§ 23 Abs. 2 StGB) ausnahmsweise zum Entfallen der Regelwirkung führen konnte. Denn die vom [X.] erwogenen Strafzumessungsgründe legen eine solche Möglichkeit nicht nahe. Dies gilt insbesondere unter Berücksichtigung der Höhe des geltend gemachten [X.] und des Umstandes, dass die Auszahlung nur durch die besondere „Wachsamkeit“ des Finanzamtes verhindert wurde. Im Übrigen wäre - worauf der [X.] zutreffend hinweist - die verhängte Strafe auch angemessen (vgl. § 354 Abs. 1a Satz 1 StPO).

[X.]   

      

Wahl   

      

   Hebenstreit

      

      

      

Ri[X.] Prof. Dr. [X.] ist
in Urlaub und deshalb
verhindert zu unterschreiben.

        

      

Jäger   

      

[X.]

      

Meta

1 StR 332/10

28.07.2010

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Saarbrücken, 12. März 2010, Az: 2 KLs 28/09 - 5 Js 645/09, Urteil

§ 370 Abs 1 Nr 1 AO, § 370 Abs 3 S 1 AO, § 370 Abs 3 S 2 Nr 1 AO, § 22 StGB, § 23 Abs 2 StGB, § 49 Abs 1 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 28.07.2010, Az. 1 StR 332/10 (REWIS RS 2010, 4389)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 4389

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

1 StR 332/10 (Bundesgerichtshof)


1 StR 416/08 (Bundesgerichtshof)


1 StR 373/15 (Bundesgerichtshof)

Besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung: Großes Ausmaß der Steuerverkürzung


1 StR 73/13 (Bundesgerichtshof)

Steuerhinterziehung in großem Ausmaß: Verfolgungsverjährung in Übergangsfällen


1 StR 373/15 (Bundesgerichtshof)


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.