Bundesgerichtshof, Urteil vom 27.10.2015, Az. 1 StR 373/15

1. Strafsenat | REWIS RS 2015, 3336

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung: Großes Ausmaß der Steuerverkürzung


Leitsatz

Ein großes Ausmaß im Sinne von § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO liegt bei jeder Steuerhinterziehung über 50.000 Euro vor (Fortentwicklung von BGH, 2. Dezember 2008, 1 StR 416/08, BGHSt 53, 71).

Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 16. April 2015 wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in 19 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt, von denen zwei Monate als Kompensation für eine rechtswidrige Verfahrensverzögerung als vollstreckt gelten. Die Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe hat das [X.] zur Bewährung ausgesetzt.

2

Gegen das Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I.

3

1. Nach den Feststellungen des [X.]s war der Angeklagte in den Jahren 2000 bis 2004 in der Pizzeria seines Onkels        [X.]angestellt, die dieser als Einzelunternehmer betrieb. Um gegenüber der Finanzverwaltung niedrige Umsätze bzw. Gewinne zu dokumentieren, ließ       [X.] durch den Angeklagten oder einen seiner anderen Angestellten einen Teil seiner Umsätze in den Registrierkassen vor Ausdruck des [X.] löschen. Darüber hinaus rechnete er mit dem Lieferanten Teile seines Einkaufs bar ab, über den anderen Teil ließ er Rechnungen ausfertigen, die für die Buchhaltungsunterlagen bestimmt waren. Zumindest für die Veranlagungszeiträume 2000 bis 2003 und die Voranmeldungszeiträume April 2004 und Mai 2004 gab       [X.]sodann Erklärungen zur gesonderten Feststellung von Besteuerungsgrundlagen sowie Gewerbesteuer-, Umsatzsteuer- und [X.] ab, in denen er Teile seiner Umsätze verschwieg bzw. zu niedrige Gewinne aus Gewerbebetrieb angab.

4

Nachdem diese Manipulationen durch die Steuerfahndung bei einer Betriebsprüfung entdeckt worden waren, ergingen geänderte Steuerbescheide mit hohen Steuernachforderungen.       [X.]veräußerte den Betrieb nun an den Angeklagten, wobei sie vereinbarten, das bisherige System der Steuerhinterziehung unverändert fortzuführen.

5

Der Angeklagte übernahm die Pizzeria als Betriebsinhaber und wesentliche Geschäftsführeraufgaben, trat gegenüber dem Finanzamt, den Lieferanten und den Kunden als leistender Unternehmer auf, war Ansprechpartner für das Personal, entnahm wesentliche Teile der Gewinne für eigene Zwecke und manipulierte die Registrierkassen. In Absprache mit      [X.] gab er für die Veranlagungszeiträume 2006 und 2007 falsche Einkommensteuer-, Gewerbesteuer- und Umsatzsteuerjahreserklärungen ab und für Januar 2008 bis Mai 2009 unrichtige Umsatzsteuervoranmeldungen. Die Steuererklärungen für das [X.] gingen am 10. Oktober 2007, die für das [X.] am 6. November 2008 beim Finanzamt ein.

6

Bezogen auf den Veranlagungszeitraum 2006 verkürzte der Angeklagte Umsatzsteuer in Höhe von 25.151 Euro. Hiervon zog die [X.] für die Strafzumessung Vorsteuern in Höhe von 3.960 Euro ab und legte insoweit einen Betrag von 21.191 Euro zugrunde. Unter Hinzurechnung hinterzogener Gewerbesteuer von 17.446 Euro ergab sich für die [X.] für dieses Jahr insgesamt ein strafzumessungsrelevanter Steuerschaden von 38.637 Euro. Die Verfolgung der Einkommensteuerhinterziehung für den Veranlagungszeitraum 2006 wurde nach § 154a Abs. 1 StPO behandelt.

7

Für den Veranlagungszeitraum 2007 verkürzte der Angeklagte Umsatzsteuer in Höhe von 53.830 Euro. Der Strafzumessung legte die [X.] unter Abzug von Vorsteuern in Höhe von 8.578 Euro einen Betrag von 45.252 Euro zugrunde. Unter Hinzurechnung hinterzogener Gewerbesteuer von 35.356 Euro ergab sich für die [X.] für dieses Jahr insgesamt ein strafzumessungsrelevanter Steuerschaden von 80.610 Euro. Die Verfolgung der Einkommensteuerhinterziehung für den Veranlagungszeitraum 2007 wurde ebenfalls nach § 154a Abs. 1 StPO behandelt.

8

Mit den 17 unrichtigen Umsatzsteuervoranmeldungen bewirkte der Angeklagte insgesamt eine Verkürzung von Umsatzsteuer in Höhe von 60.858 Euro.

9

2. Die unrichtigen Gewerbe- und Umsatzsteuererklärungen für den Veranlagungszeitraum 2006 wie auch für den Veranlagungszeitraum 2007 hat die [X.] jeweils als tateinheitlich begangene (§ 52 StGB) Steuerhinterziehung jeweils nach § 370 Abs. 1 [X.] gewertet.

3. Für den Veranlagungszeitraum 2007 hat die [X.] im Rahmen der Strafzumessung ausgehend von der Annahme, dass das [X.] einer Steuerverkürzung in großem Ausmaß (§ 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 [X.]) verwirklicht sei, einen besonders schweren Fall der Steuerhinterziehung angenommen. Sie hat insoweit eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verhängt, die zugleich die Einsatzstrafe bildet.

Die Steuerhinterziehung betreffend den Veranlagungszeitraum 2006 hat die [X.] mit einer Freiheitsstrafe von acht Monaten und die 17 Fälle der Jahre 2008 bis 2009 jeweils mit einer Freiheitsstrafe von drei Monaten geahndet.

II.

Die Revision des Angeklagten ist unbegründet.

Die Verfahrensrüge bleibt aus den in der Antragsschrift des [X.] genannten Gründen erfolglos.

Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

1. Der Schuldspruch hält rechtlicher Nachprüfung stand.

a) Im Rahmen der gewerbesteuerrechtlichen Prüfung ist die [X.] ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, dass der Angeklagte nach außen als Geschäftsinhaber (mit unbeschränkter Vertretungsmacht), also als Unternehmer im eigenen Namen, aufgetreten ist. Er war zur Gewerbesteuer zu veranlagen, weil er das Gewerbe führte.

Rechtsfehlerfrei hat die [X.] den Angeklagten auch als zur Abgabe von Umsatzsteuererklärungen verpflichteten Unternehmer (§ 18 UStG) angesehen.

Zur Abgabe solcher Erklärungen ist in der Regel der Unternehmer verpflichtet, der die Leistung erbracht hat. Dies ist regelmäßig derjenige Unternehmer, der die Lieferungen oder sonstigen Leistungen im eigenen Namen gegenüber einem anderen selbst oder durch einen Beauftragten ausgeführt hat. Auch ein [X.], der nach außen im eigenen Namen auftritt, im Verhältnis zum [X.] jedoch auf dessen Rechnung handelt, kann daher leistender Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuergesetzes sein. [X.] zwischen einem [X.] und dem Leistungsempfänger sind hingegen dann umsatzsteuerrechtlich unbeachtlich, wenn sie nur zum Schein (vgl. § 41 Abs. 2 [X.]) abgeschlossen sind, mithin die Vertragsparteien - der [X.] und der Leistungsempfänger - einverständlich oder stillschweigend davon ausgehen, dass die Rechtswirkungen des Geschäfts gerade nicht zwischen ihnen, sondern zwischen dem Leistungsempfänger und dem "[X.]" eintreten sollen (vgl. [X.], Beschlüsse vom 29. Januar 2015 - 1 [X.], [X.], 283, 285, vom 8. Juli 2014 - 1 StR 29/14, [X.], 310, 312, vom 5. Februar 2014 - 1 [X.], [X.], 191 und vom 1. Oktober 2013 - 1 [X.], [X.], 331, 333, jeweils mwN).

Ausgehend von diesem Maßstab war der Angeklagte als leistender Unternehmer anzusehen; denn die Rechtswirkungen der Geschäfte sollten zwischen ihm und den Gästen bzw. den Lieferanten der Pizzeria eintreten.

b) Die Annahme der [X.], die Hinterziehungen von Gewerbe- und Umsatzsteuer für die Veranlagungszeiträume 2006 und 2007 stünden jeweils zueinander in Tateinheit (§ 52 StGB), ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

Die Abgabe jeder einzelnen unrichtigen Steuererklärung ist zwar grundsätzlich als selbständige Tat im Sinne von § 53 StGB zu werten. Von [X.] ist also auszugehen, wenn die abgegebenen Steuererklärungen verschiedene Steuerarten, verschiedene Besteuerungszeiträume oder verschiedene Steuerpflichtige betreffen. Jedoch liegt ausnahmsweise Tateinheit vor, wenn die Hinterziehungen durch dieselbe Erklärung bewirkt werden oder wenn mehrere Steuererklärungen durch eine körperliche Handlung gleichzeitig abgegeben werden. Entscheidend dabei ist, dass die Abgabe der Steuererklärungen im äußeren Vorgang zusammenfällt und überdies in den Erklärungen übereinstimmende unrichtige Angaben über die Besteuerungsgrundlagen enthalten sind ([X.], Beschlüsse vom 21. Mai 1985 - 1 StR 583/84, [X.]St 33, 163, vom 5. März 1996 - 5 StR 73/96, [X.], 231 und vom 2. November 2010 - 1 [X.], [X.], 294; Urteile vom 28. Oktober 2004 - 5 [X.], [X.], 53, 56 und vom 24. November 2004 - 5 [X.], [X.], 516).

[X.] unrichtige Angaben im Sinne dieser Rechtsprechung liegen häufig im Verhältnis von Einkommensteuer-, Gewerbesteuer- und Umsatzsteuerhinterziehung vor (vgl. [X.], Beschluss vom 5. März 1996 - 5 StR 73/96, [X.], 231); denn hier werden übereinstimmende unrichtige Angaben regelmäßig deshalb abgegeben, weil der Täter sich bei unterschiedlichen Angaben über die steuerlich erheblichen Tatsachen in den verschiedenen Steuererklärungen, die letztlich jeweils denselben Lebenssachverhalt betreffen, einem erhöhten Entdeckungsrisiko aussetzen würde ([X.], Beschluss vom 5. März 1996 - 5 StR 73/96, [X.], 231).

Bei Einkünften aus Gewerbebetrieb (§ 15 EStG) unterliegt der Gewinn - auch Gewinnanteile - der Einkommensteuer (§ 2 Abs. 1 EStG). Die Höhe des Umsatzes, an den die Umsatzsteuer anknüpft (§ 10 UStG), ist wiederum ein entscheidender Faktor für die Höhe des aus dem Gewerbebetrieb erzielten Gewinns. Der für die Gewerbesteuer maßgebliche Gewerbeertrag knüpft wiederum an die Vorschriften des Einkommensteuergesetzes über die Gewinnermittlung an (§ 7 GewStG).

2. Der Strafausspruch lässt im Ergebnis keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erkennen.

a) Rechtsfehlerfrei hat die [X.] im Rahmen der Strafzumessung zunächst die hinterzogenen Umsatz- und Gewerbesteuern für das [X.] addiert. Bei mehrfacher tateinheitlicher Verwirklichung des Tatbestandes der Steuerhinterziehung ist das "Ausmaß" des jeweiligen [X.] zu addieren, da in solchen Fällen eine einheitliche Handlung im Sinne des § 52 StGB vorliegt, die für die Strafzumessung einer einheitlichen Bewertung bedarf ([X.], Urteil vom 2. Dezember 2008 - 1 [X.], [X.]St 53, 71, 85).

b) Die [X.] hat auch das [X.] (§ 370 Abs. 3 [X.]) rechtsfehlerfrei bestimmt.

Der Straftatbestand der Steuerhinterziehung stellt in § 370 Abs. 3 Satz 1 [X.] für besonders schwere Fälle einen erhöhten Strafrahmen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe zur Verfügung. Ein besonders schwerer Fall liegt gemäß § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 [X.] in der Regel vor, wenn der Täter in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Vorteile erlangt.

Die [X.] hat für den Veranlagungszeitraum 2007 einen besonders schweren Fall nach § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 [X.] angenommen. Sie ist davon ausgegangen, dass die Schwelle zur Hinterziehung "in großem Ausmaß" bereits dann überschritten ist, wenn der Steuerpflichtige dem Finanzamt steuerlich erhebliche Tatsachen verschweigt und den Steueranspruch damit in einer Höhe von mehr als 50.000 Euro gefährdet. Nach der bisher geltenden Rechtsprechung des [X.] liegt die Wertgrenze in Fällen dieser Art allerdings bei 100.000 Euro.

aa) Nach dieser Rechtsprechung, die der [X.] seit der Grundsatzentscheidung vom 2. Dezember 2008 ([X.], Urteil vom 2. Dezember 2008 - 1 [X.], [X.]St 53, 71, 84 ff.) mehrfach bestätigt und fortgeschrieben hat (vgl. [X.], Beschlüsse vom 28. Juli 2010 - 1 StR 332/10, [X.], 449, vom 5. Mai 2011 - 1 [X.], [X.], 643, 644, vom 5. Mai 2011 - 1 [X.], vom 12. Juli 2011 - 1 StR 81/11, [X.], 396, vom 29. November 2011 - 1 [X.], [X.], 151, vom 15. Dezember 2011 - 1 [X.], [X.], 331, vom 25. September 2012 - 1 [X.], [X.], 67, vom 26. September 2012 - 1 [X.], [X.], 31und vom 22. November 2012 - 1 StR 537/12, [X.], 1999 sowie Urteile vom 21. August 2012 - 1 [X.], [X.], 28, vom 7. Februar 2012 - 1 [X.], [X.], 236 und vom 22. Mai 2012 - 1 StR 103/12, [X.], 350), ist das nach objektiven Maßstäben zu bestimmende Merkmal des [X.]s "in großem Ausmaß" dann erfüllt, wenn der [X.] 50.000 Euro übersteigt. Beschränkt sich das Verhalten des [X.] aber darauf, die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis zu lassen und führt das lediglich zu einer Gefährdung des Steueranspruchs, soll die Wertgrenze bei 100.000 Euro liegen.

Mit Beschluss vom 15. Dezember 2011 - 1 [X.], [X.], 331, 332, hat der [X.] seine Rechtsprechung weiter präzisiert:

Die Wertgrenze liegt bei 100.000 Euro, "wenn der Steuerpflichtige zwar eine Steuerhinterziehung durch [X.] (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 [X.]) begeht, indem er eine unvollständige Steuererklärung abgibt, er dabei aber lediglich steuerpflichtige Einkünfte oder Umsätze verschweigt … und allein dadurch eine Gefährdung des Steueranspruchs herbeiführt".

bb) An dieser Rechtsprechung hält der [X.] nicht fest. Aus folgenden Erwägungen ist eine einheitliche Wertgrenze von 50.000 Euro angemessen.

(1) Eine einheitliche Wertgrenze von 50.000 Euro gilt entsprechend bei den [X.]en des Herbeiführens eines Vermögensverlusts großen Ausmaßes der §§ 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 1. [X.]., 263a Abs. 2, 264 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1, 266 Abs. 2, 300 Satz 2 Nr. 1 StGB.

Zwar hatte der [X.] in seiner Grundsatzentscheidung ([X.], Urteil vom 2. Dezember 2008 - 1 [X.], [X.], 107) ausgeführt, der Umstand, dass sich die Betragsgrenze von 50.000 Euro bei § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 [X.] an derjenigen des [X.] großen Ausmaßes im Sinne von § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Alt. 1 StGB orientiere, bedeute zugleich, dass - ähnlich wie beim Betrug - zwischen schon eingetretenem Vermögensverlust und einem [X.] zu differenzieren sei.

Diese Erwägung berücksichtigt aber nicht hinreichend, dass ein vollendeter Betrug bereits dem Wortlaut nach den Eintritt eines Vermögensschadens voraussetzt; dies gilt auch für die Fälle der "schadensgleichen Vermögensgefährdung" (vgl. auch [X.], StGB 62. Aufl., § 263 Rn. 159 mwN, MüKoStGB/[X.], StGB 2. Aufl., § 263 Rn. 588 ff.). Für den Tatbestand der Steuerhinterziehung genügt dagegen eine tatbestandliche Gefährdung des Steueraufkommens.

Steuerhinterziehung und Betrug sind nicht uneingeschränkt vergleichbar (dazu näher [X.], Beschluss vom 22. November 2012 - 1 StR 537/12, [X.]St 58, 50, 54 ff. Rn. 12-18), weil die Steuerhinterziehung gegenüber dem [X.] "strukturelle Unterschiede" aufweist (MüKoStGB/[X.]/Wulf [X.] 2. Aufl., § 370 Rn. 479).

§ 370 Abs. 4 Satz 1 [X.] fordert für eine Steuerverkürzung lediglich eine nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig erfolgte Steuerfestsetzung, nicht aber den Eintritt eines Vermögensverlusts beim Fiskus ([X.] aaO [X.]St 58, 50, 56 f. Rn. 15 f. mit zahlr. Nachw.). Die Gefährdung des durch die Verwirklichung des materiellen Besteuerungstatbestands entstandenen Steueranspruchs durch die infolge einer Tathandlung im Sinne von § 370 Abs. 1 [X.] unterbliebene, zu niedrige oder nicht rechtzeitig erfolgte Steuerfestsetzung genügt für die Erfüllung des Straftatbestands unabhängig davon, ob das "staatliche Vermögen" dadurch gemindert worden ist oder letztlich gar keine Zahllast des Steuerpflichtigen festzusetzen ist ([X.] aaO [X.]St 58, 50, 56 Rn. 16, vgl. auch MüKoStGB/[X.]/Wulf [X.] 2. Aufl., § 370 Rn. 11, 81). Darin liegt der Unterschied zum [X.], dessen Vollendung u.a. eine Vermögensverfügung und spiegelbildlich hierzu einen eingetretenen Vermögensschaden voraussetzt.

(2) Das Gesetz unterscheidet damit in § 370 [X.] nicht zwischen der Gefährdung des Steueranspruchs und dem Eintritt des Vermögensschadens beim Staat. Diese Gleichsetzung findet ihre Rechtfertigung darin, dass die falsche Steuerfestsetzung nahezu immer zu einem Schaden führen wird (vgl. MüKoStGB/[X.]/Wulf [X.] 2. Aufl., § 370 Rn. 12), weil eine nicht festgesetzte Steuer auch nicht beigetrieben werden kann und darf.

Vor diesem Hintergrund zwischen [X.] und eingetretenem Schaden zu differenzieren, ist deshalb nicht gerechtfertigt (vgl. [X.]/[X.] [X.], 216, 217; [X.] NStZ 2013,144, 146; [X.] StGB 62. Aufl., § 263 Rn. 263).

Steht aber die Gefährdung des Steueranspruchs dem beim Fiskus eingetretenen Schaden bei der Tatbestandserfüllung qualitativ gleich, ist die Verdoppelung des Schwellenwerts bei dem sog. [X.] nicht zu begründen (so auch [X.] aaO, [X.]; [X.] aaO § 263 Rn. 265).

(3) Eine einheitliche Wertgrenze von 50.000 Euro gewährleistet zudem mehr Rechtssicherheit, weil sich die Differenzierung zwischen nicht erklärten Steuererhöhungsbeträgen und zu Unrecht geltend gemachten Steuerminderungsbeträgen und die auf Elemente des Erfolgsunrechts (Höhe des [X.]) und auf Elemente des Handlungsunrechts (unterschiedlicher Gehalt des Handlungsunrechts) gestützte und deshalb schwierige Abgrenzung erübrigt, in welchen Fällen der niedrigere und in welchen Fällen der höhere Grenzwert gilt (vgl. MüKoStGB/[X.]/Wulf [X.] 2. Aufl., § 370 [X.] Rn. 479, Grießhammer, [X.] 2012, 155 ff., [X.]/[X.], [X.] 2012, 369, 370).

Das Merkmal "in großem Ausmaß" ist in diesem Sinne erfolgsbezogen, weil es an der Höhe der verkürzten Steuer betragsmäßig anknüpft. Aus dem erfolgsbezogenen würde andernfalls ein handlungsbezogenes Merkmal, wenn der das [X.] begründende, typischerweise erhöhte Unrechts- und Schuldgehalt nicht mehr aus dem Umfang des [X.]s, sondern aus der Art seiner Herbeiführung hergeleitet wird. Die Unterscheidung nach der Art und Weise der Hinterziehung von Steuern ist mit dem auf den [X.] abstellenden [X.] schon von seinem Wortlaut her nicht ohne Weiteres vereinbar. Es ist für den [X.] ohne Relevanz, ob der Täter dem Finanzamt Umsätze verschweigt, seine Buchhaltung entsprechend abstimmt und dadurch eine Steuerentlastung generiert oder ob er dieses Ziel durch Vortäuschen von Betriebsausgaben erreicht. Die Art seines manipulativen Verhaltens - zum Beispiel die Vorlage falscher Belege beim Finanzamt oder das teilweise Löschen von Umsätzen vor Ausdruck der [X.] durch die Registrierkassen oder der Einkauf ohne Rechnung gegen Barzahlung - findet ihren Platz bei der Gesamtwürdigung im Rahmen der Prüfung, ob die "Indizwirkung" des [X.]s entkräftet wird oder umgekehrt bei Nichterreichen der Wertgrenze ein unbenannter besonders schwerer Fall anzunehmen ist.

Die ausschließliche Ausrichtung am Ausmaß des [X.]s vermeidet beliebige Ergebnisse, weil es eine Frage des Einzelfalls ist, ob das Vortäuschen von Betriebsausgaben oder Vorsteuerbeträgen zu ungerechtfertigten Steuererstattungen oder dem scheinbaren Erlöschen bestehender Steuerforderungen führt. So kann eine Zahllast des Finanzamts, also der sogenannte "Griff in die Kasse des Staates", nicht nur durch das Vortäuschen von Betriebsausgaben oder einer Vorsteuerabzugsberechtigung entstehen, sondern ebenso durch Verschweigen von Betriebseinnahmen oder Umsätzen.

Der Steuerpflichtige erreicht eine zu niedrige Zahllast gleichermaßen durch Manipulationen bei den Betriebsausgaben, der Vorsteuerabzugsberechtigung, den Betriebseinnahmen oder Umsätzen. Bei unterschiedlichen Schwellenwerten würde, anders als im Falle einer Zahllast des Finanzamts, nach der Art der Manipulation differenziert, obwohl nicht sie, sondern ihr Umfang darüber entscheidet, ob es zu einer zu geringen Zahllast des Steuerpflichtigen und damit zu einem [X.] oder zu einer Zahllast des Finanzamts mit einem damit verbundenem Vermögensschaden kommt.

cc) Für den Tatrichter verbleibt auch bei einer einheitlichen Wertgrenze von 50.000 Euro ausreichend Spielraum, um den Besonderheiten des Einzelfalls Rechnung zu tragen ([X.]/[X.], [X.], 216, 218).

Hierzu hat der [X.] in seiner Grundsatzentscheidung bereits angemerkt ([X.]St 53, 71, 88), dass die Bejahung bzw. Verneinung des [X.]s in einem ersten Prüfungsschritt bei der [X.] bedeutet, dass - wie bei sonstigen [X.]en auch - in einem zweiten Schritt zu prüfen ist, ob die Besonderheiten des Einzelfalls die Indizwirkung des [X.]s entkräften. In diesem Zusammenhang spielen die vorgenannten handlungsbezogenen Gesichtspunkte eine entscheidende Rolle. In ihrem Licht hat der Tatrichter zu beurteilen, ob die Indizwirkung des [X.]s durchgreifen kann.

Bei Bejahung eines [X.]s verbleibt die Möglichkeit, innerhalb des Strafrahmens die konkrete Einzelstrafe wegen des Eintritts eines bloßen [X.]s niedriger oder wegen eines [X.] höher anzusetzen ([X.]/[X.], aaO, [X.]); auch Geständnis, lange Verfahrensdauer, Nachzahlung der verkürzten Steuern, Steuerhinterziehungen, die sich erst nach Anwendung des [X.] ergeben (Pflaum, [X.], 376, 377), der Aufbau besonderer unternehmerischer Strukturen, um den steuerunehrlichen Handel zu betreiben, raffinierte Manipulationen und Relation von Geschäftsvolumen und Steuerschaden ([X.], [X.] 12. Aufl., § 370 Rn. 282), können als Strafzumessungsfaktoren berücksichtigt werden.

Im vorliegenden Fall hat die [X.] bei der Prüfung der Frage, ob die "Indizwirkung" des [X.]s entkräftet wird, rechtsfehlerfrei ein Absehen von der Anwendung des Regelstrafrahmens deshalb verneint, weil die Taten [X.] aufweisen und weil der Verurteilte die Kasse des Betriebs bereits seit dem [X.] regelmäßig manipulierte und "mit besonderer Dreistigkeit" das System der Steuerhinterziehung trotz Aufdeckung durch die Steuerfahndung unverändert weitergeführt hat.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.

Raum                          Jäger                          Radtke

             Mosbacher                     [X.]

Meta

1 StR 373/15

27.10.2015

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Mannheim, 16. April 2015, Az: 23 KLs 31 Js 26038/06

§ 370 Abs 3 S 2 Nr 1 AO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 27.10.2015, Az. 1 StR 373/15 (REWIS RS 2015, 3336)

Papier­fundstellen: NJW 2016, 965 REWIS RS 2015, 3336

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

1 StR 373/15 (Bundesgerichtshof)


1 StR 579/11 (Bundesgerichtshof)

(Besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung: Wertgrenze des Merkmals "in großem Ausmaß")


1 StR 172/16 (Bundesgerichtshof)

Steuerstrafsache: Verjährungsfrist bei Hinterziehung von Veranlagungssteuern; Mitteilungspflicht über Verständigungsgespräche; Transparenzverstoß als Revisionsgrund


1 StR 172/16 (Bundesgerichtshof)


1 StR 416/08 (Bundesgerichtshof)


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.