Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.10.2015, Az. 1 StR 373/15

1. Strafsenat | REWIS RS 2015, 3308

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[X.]:[X.]:[X.]:2015:271015U1STR373.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
1
[X.]
vom
27. Oktober 2015
[X.]St:
ja
[X.]R:
ja
Nachschlagewerk:
ja
Veröffentlichung:
ja
________________________

[X.] § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1

Ein großes Ausmaß im Sinne von § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 [X.] liegt bei jeder Steu-erhinterziehung über 50.000 Euro vor (Fortentwicklung von [X.], 71).

[X.], Urteil vom 27. Oktober 2015 -
1 [X.] -
LG Mannheim

in der Strafsache
gegen

-
2
-

wegen Steuerhinterziehung

-
3
-
Der 1.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom
27. Oktober 2015, an der teilgenommen haben:
[X.] am Bundesgerichtshof
Dr. Raum,

[X.] am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Jäger,
Prof. Dr. [X.],
Prof. Dr. Mosbacher
und [X.]in am Bundesgerichtshof
Dr. [X.],

Staatsanwalt

als Vertreter der [X.],

Rechtsanwalt

als Verteidiger,

Justizobersekretärin

als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
-
4
-
Die Revision
des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 16. April 2015 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer
hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in 19 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verur-teilt, von denen zwei Monate als Kompensation für eine rechtswidrige [X.] als vollstreckt gelten. Die Vollstreckung der Gesamtfreiheits-strafe hat das [X.] zur Bewährung ausgesetzt.
Gegen das Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
1
2
-
5
-

I.
1. Nach den Feststellungen des [X.]s war der Angeklagte in den Jahren 2000 bis 2004 in der Pizzeria seines Onkels

F.

angestellt, die dieser als Einzelunternehmer betrieb. Um gegenüber der Finanzverwaltung niedrige Umsätze bzw. Gewinne zu dokumentieren, ließ

F.

durch den Angeklagten oder einen seiner anderen Angestellten einen Teil
seiner [X.] in den Registrierkassen vor Ausdruck des [X.] löschen. Darüber hinaus rechnete er mit dem Lieferanten Teile seines Einkaufs bar ab, über den ande-ren Teil ließ er Rechnungen ausfertigen, die für die Buchhaltungsunterlagen bestimmt waren. Zumindest für die Veranlagungszeiträume 2000 bis 2003 und die Voranmeldungszeiträume April 2004 und Mai 2004 gab

F.

so-dann Erklärungen zur gesonderten Feststellung von Besteuerungsgrundlagen sowie Gewerbesteuer-, Umsatzsteuer-
und Einkommensteuerklärungen ab, in denen er Teile seiner Umsätze verschwieg bzw. zu niedrige Gewinne aus [X.] angab.
Nachdem diese Manipulationen durch die Steuerfahndung bei einer Be-triebsprüfung entdeckt worden waren, ergingen geänderte Steuerbescheide mit hohen Steuernachforderungen.

F.

veräußerte den Betrieb nun an den Angeklagten, wobei sie vereinbarten, das bisherige System der [X.] unverändert fortzuführen.
Der Angeklagte übernahm die Pizzeria als Betriebsinhaber und
wesentli-che Geschäftsführeraufgaben, trat gegenüber dem Finanzamt, den Lieferanten und den Kunden als leistender Unternehmer auf, war Ansprechpartner für das Personal, entnahm wesentliche Teile der Gewinne für eigene Zwecke und ma-nipulierte die Registrierkassen. In Absprache mit

F.

gab er für die 3
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-
Veranlagungszeiträume 2006 und 2007 falsche Einkommensteuer-, Gewerbe-steuer-
und Umsatzsteuerjahreserklärungen ab und für Januar 2008 bis Mai 2009 unrichtige
Umsatzsteuervoranmeldungen. Die Steuererklärungen für das [X.] gingen am 10.
Oktober 2007, die für das [X.] am 6.
November 2008 beim Finanzamt ein.
Bezogen auf den Veranlagungszeitraum
2006 verkürzte der Angeklagte Umsatzsteuer in Höhe von 25.151
Euro. Hiervon zog die [X.] für die Strafzumessung
Vorsteuern
in Höhe von 3.960
Euro
ab und legte insoweit
ei-nen Betrag von
21.191
Euro
zugrunde. Unter Hinzurechnung
hinterzogener
Gewerbesteuer von 17.446
Euro
ergab sich für die [X.]
für dieses Jahr insgesamt ein strafzumessungsrelevanter
Steuerschaden
von 38.637
Euro.
Die Verfolgung der Einkommensteuerhinterziehung für den Veranlagungszeitraum 2006 wurde nach § 154a Abs. 1 StPO behandelt.
Für den Veranlagungszeitraum
2007 verkürzte der Angeklagte Umsatz-steuer in Höhe von 53.830 Euro. Der Strafzumessung legte die [X.] unter Abzug von
Vorsteuern
in Höhe von 8.578 Euro
einen Betrag von

45.252 Euro
zugrunde. Unter Hinzurechnung hinterzogener Gewerbesteuer von 35.356 Euro
ergab sich für die [X.] für dieses Jahr
insgesamt
ein straf-zumessungsrelevanter Steuerschaden von
80.610 Euro.
Die Verfolgung der Einkommensteuerhinterziehung für den Veranlagungszeitraum 2007 wurde ebenfalls nach § 154a Abs. 1 StPO behandelt.
Mit den 17 unrichtigen Umsatzsteuervoranmeldungen bewirkte der An-geklagte insgesamt eine Verkürzung von Umsatzsteuer in Höhe von 60.858
Euro.
2. Die
unrichtigen
Gewerbe-
und Umsatzsteuererklärungen für den [X.] wie auch für den Veranlagungszeitraum 2007 hat die 6
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-
7
-
[X.] jeweils als tateinheitlich begangene (§
52 StGB) Steuerhinterzie-hung
jeweils
nach §
370 Abs.
1 [X.] gewertet.

3. Für den Veranlagungszeitraum 2007 hat die [X.] im Rahmen
der Strafzumessung ausgehend von der Annahme, dass das [X.] ei-ner Steuerverkürzung in großem Ausmaß (§
370 Abs.
3 Satz
2 Nr.
1 [X.]) ver-wirklicht sei, einen besonders schweren Fall der Steuerhinterziehung ange-nommen. Sie hat insoweit
eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Mona-ten verhängt, die zugleich die [X.] bildet.
Die Steuerhinterziehung betreffend den
Veranlagungszeitraum 2006 hat die [X.] mit einer Freiheitsstrafe von acht Monaten und die 17 Fälle der Jahre 2008 bis 2009 jeweils mit einer Freiheitsstrafe von drei Monaten geahn-det.

II.
Die Revision des Angeklagten ist unbegründet.
Die Verfahrensrüge bleibt aus den in der Antragsschrift des [X.] genannten Gründen erfolglos.
Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge hat keinen Rechts-fehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
1. Der Schuldspruch hält rechtlicher Nachprüfung stand.

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8
-
a) Im Rahmen der gewerbesteuerrechtlichen Prüfung ist die [X.] ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, dass der Angeklagte nach außen als Geschäftsinhaber (mit unbeschränkter Vertretungsmacht), also als Unterneh-mer im eigenen Namen, aufgetreten ist. Er
war zur Gewerbesteuer zu [X.], weil er das Gewerbe führte.
[X.] hat die [X.] den Angeklagten auch als zur Ab-gabe von Umsatzsteuererklärungen verpflichteten Unternehmer (§ 18 UStG) angesehen.
Zur Abgabe solcher Erklärungen ist in der Regel der Unternehmer [X.], der die Leistung erbracht hat. Dies ist regelmäßig
derjenige
Unter-nehmer, der die Lieferungen oder sonstigen Leistungen im eigenen Namen ge-genüber einem anderen selbst oder durch einen Beauftragten ausgeführt
hat. Auch ein [X.], der nach außen im eigenen Namen auftritt, im Verhältnis zum [X.] jedoch auf dessen Rechnung handelt, kann daher leistender Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuergesetzes sein. [X.] zwischen einem [X.] und dem Leistungsempfänger sind hingegen dann umsatzsteuerrechtlich unbeachtlich, wenn sie nur zum Schein (vgl. §
41 Abs.
2 [X.]) abgeschlossen sind, mithin die Vertragsparteien
-
der [X.] und der Leistungsempfänger
-
einverständlich oder stillschwei-gend davon ausgehen, dass die Rechtswirkungen des Geschäfts gerade nicht zwischen ihnen, sondern zwischen dem Leistungsempfänger und dem "[X.]" eintreten sollen (vgl. [X.], Beschlüsse vom 29.
Januar 2015 -
1
StR 216/14, NStZ
2015, 283, 285, vom 8.
Juli 2014 -
1 StR 29/14, [X.], 310, 312, vom 5.
Februar 2014 -
1 StR 422/13, [X.], 191 und vom 1.
Oktober 2013 -
1
StR 312/13, [X.], 331, 333, jeweils mwN).

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-
Ausgehend von diesem Maßstab
war der Angeklagte als leistender Un-ternehmer anzusehen;
denn die Rechtswirkungen der Geschäfte sollten zwi-schen ihm und den Gästen bzw. den
Lieferanten der Pizzeria eintreten.

b)
Die Annahme
der
[X.], die Hinterziehungen
von Gewerbe-
und Umsatzsteuer für die Veranlagungszeiträume
2006 und 2007 stünden
je-weils
zueinander in Tateinheit (§
52 StGB), ist aus Rechtsgründen nicht zu
be-anstanden.
Die Abgabe jeder einzelnen unrichtigen Steuererklärung ist zwar grund-sätzlich als selbständige Tat im Sinne von §
53 StGB
zu werten. Von
Tatmehr-heit ist also auszugehen, wenn die abgegebenen Steuererklärungen verschie-dene Steuerarten, verschiedene Besteuerungszeiträume oder verschiedene Steuerpflichtige betreffen. Jedoch liegt ausnahmsweise Tateinheit vor, wenn die Hinterziehungen durch dieselbe Erklärung bewirkt werden oder wenn mehrere Steuererklärungen durch eine körperliche Handlung gleichzeitig abgegeben werden. Entscheidend dabei ist, dass die Abgabe der Steuererklärungen im äußeren Vorgang zusammenfällt und überdies in den Erklärungen überein-stimmende unrichtige Angaben über die Besteuerungsgrundlagen enthalten sind ([X.], Beschlüsse vom 21.
Mai
1985 -
1
StR 583/84, [X.]St 33, 163, vom 5.
März 1996 -
5 StR 73/96, [X.], 231 und vom 2.
November 2010
-
1
StR 544/09, [X.], 294; Urteile vom 28.
Oktober 2004 -
5 [X.], NStZ-RR
2005, 53, 56 und vom 24.
November 2004 -
5
StR 220/04, [X.], 516).
[X.] unrichtige Angaben im Sinne dieser Rechtsprechung liegen häufig im Verhältnis von Einkommensteuer-, Gewerbesteuer-
und Um-satzsteuerhinterziehung vor (vgl. [X.], Beschluss vom 5.
März 1996 -
5
StR 19
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10
-
73/96, [X.], 231); denn hier werden übereinstimmende unrichtige Anga-ben regelmäßig
deshalb abgegeben, weil der Täter sich bei unterschiedlichen Angaben über die steuerlich erheblichen Tatsachen in den verschiedenen Steuererklärungen, die letztlich jeweils denselben Lebenssachverhalt betreffen, einem erhöhten Entdeckungsrisiko aussetzen würde ([X.], Beschluss vom 5.
März 1996 -
5
StR 73/96, [X.], 231).
Bei Einkünften aus Gewerbebetrieb (§ 15 EStG) unterliegt der
Gewinn
-
auch
Gewinnanteile
-
der Einkommensteuer (§ 2 Abs. 1 EStG). Die Höhe des Umsatzes, an den die Umsatzsteuer anknüpft
(§ 10 UStG), ist wiederum ein entscheidender Faktor für die Höhe des aus dem Gewerbebetrieb erzielten Gewinns. Der für die Gewerbesteuer maßgebliche Gewerbeertrag knüpft wiede-rum an die Vorschriften des Einkommensteuergesetzes über die Gewinnermitt-lung an (§ 7 GewStG).
2. [X.] lässt im Ergebnis keinen Rechtsfehler zum Nach-teil des Angeklagten erkennen.
a) [X.]
hat die [X.] im Rahmen der Strafzumessung zunächst die hinterzogenen Umsatz-
und Gewerbesteuern für das [X.] addiert. Bei mehrfacher tateinheitlicher Verwirklichung des Tatbestandes der Steuerhinterziehung ist das "Ausmaß" des jeweiligen [X.] zu addieren, da in solchen Fällen eine einheitliche Handlung im Sinne des §
52 StGB vor-liegt, die für die Strafzumessung einer einheitlichen Bewertung bedarf ([X.], Urteil vom 2.
Dezember 2008 -
1
[X.], [X.], 71, 85).
b) Die [X.] hat auch
das [X.] (§
370 Abs.
3 [X.]) rechtsfehlerfrei bestimmt.

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11
-
Der Straftatbestand der Steuerhinterziehung stellt
in § 370 Abs. 3 Satz 1 [X.] für besonders schwere Fälle einen erhöhten Strafrahmen von sechs Mona-ten bis zu
zehn Jahren Freiheitsstrafe zur Verfügung. Ein besonders schwerer Fall liegt gemäß § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 [X.] in der Regel vor, wenn der Täter in großem Ausmaß
Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Vorteile erlangt.
Die [X.] hat für den Veranlagungszeitraum 2007
einen beson-ders schweren Fall nach §
370 Abs.
3 Satz
2 Nr.
1 [X.] angenommen. Sie ist
davon ausgegangen, dass die Schwelle zur Hinterziehung "in großem Ausmaß" bereits dann überschritten ist, wenn der Steuerpflichtige dem Finanzamt steuer-lich erhebliche Tatsachen verschweigt
und den Steueranspruch damit
in einer Höhe von mehr als 50.000 Euro
gefährdet. Nach der
bisher geltenden Recht-sprechung des [X.] liegt die Wertgrenze in Fällen dieser Art allerdings bei 100.000 Euro.
aa) Nach dieser Rechtsprechung, die der Senat seit der Grundsatzent-scheidung vom 2. Dezember 2008 ([X.], Urteil vom 2. Dezember
2008 -
1 [X.], [X.], 71, 84 ff.) mehrfach bestätigt und fortgeschrieben hat (vgl.
[X.], Beschlüsse
vom 28. Juli 2010 -
1 [X.], [X.], 449,
vom 5.
Mai 2011 -
1 [X.], [X.], 643, 644,
vom 5. Mai 2011
-
1 [X.]/11,
vom 12. Juli 2011 -
1 [X.], [X.], 396, vom
29. November 2011 -
1 [X.], [X.], 151,
vom 15.
Dezember 2011 -
1
StR 579/11, NStZ
2012, 331, vom
25. September 2012 -
1 [X.], [X.], 67,
vom 26. September 2012 -
1 [X.], [X.], 31
und vom
22. November 2012 -
1 StR 537/12, [X.], 1999
sowie
Urteile vom 21. August 2012
-
1 [X.], [X.], 28,
vom 7. Februar 2012 -
1 [X.], [X.], 236
und vom 22. Mai 2012 -
1 [X.], [X.], 350), ist das nach objektiven Maßstäben zu bestimmende Merkmal des [X.]s "in großem
Ausmaß"
dann erfüllt, wenn der [X.] 50.000 Euro
27
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-
12
-
übersteigt. Beschränkt sich das Verhalten des [X.] aber darauf, die Finanz-behörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis zu lassen und führt das lediglich zu einer Gefährdung des Steueranspruchs, soll
die Wertgrenze bei 100.000 Euro
liegen.
Mit
Beschluss vom 15.
Dezember 2011 -
1
StR 579/11, NStZ
2012, 331, 332,
hat
der Senat seine Rechtsprechung weiter
präzisiert:
Die Wertgrenze liegt
bei 100.000 Euro, "wenn der Steuerpflichtige zwar eine Steuerhinterziehung durch [X.] (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 [X.]) begeht, indem er eine unvollständige Steuererklärung abgibt, er dabei aber lediglich steuerpflichtige Einkünfte oder Umsätze verschweigt

und allein dadurch eine Gefährdung des Steueranspruchs herbeiführt".
bb) An dieser
Rechtsprechung hält
der Senat nicht
fest.
Aus folgenden Erwägungen
ist eine einheitliche
Wertgrenze von 50.000 Euro angemessen.
(1) Eine einheitliche Wertgrenze von 50.000 Euro gilt entsprechend bei den [X.]en des Herbeiführens eines Vermögensverlusts großen Aus-maßes der §§ 263 Abs. 3 Satz
2 Nr.
2 1. Var., 263a Abs. 2, 264 Abs. 2 Satz
2 Nr. 1, 266 Abs. 2, 300 Satz
2 Nr. 1 StGB.
Zwar
hatte der Senat in
seiner Grundsatzentscheidung
([X.], Urteil vom 2. Dezember 2008 -
1 [X.],
wistra 2009, 107)
ausgeführt,
der Umstand, dass sich die Betragsgrenze von 50.000 Euro bei § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 [X.]
an derjenigen des [X.] großen Ausmaßes im Sinne von §
263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Alt. 1 StGB
orientiere, bedeute
zugleich, dass -
ähnlich wie beim Betrug -
zwischen schon eingetretenem Vermögensverlust und einem [X.] zu differenzieren sei.

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-
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-
Diese Erwägung berücksichtigt aber nicht hinreichend, dass
ein
vollende-ter Betrug
bereits dem Wortlaut nach den Eintritt eines Vermögensschadens voraussetzt; dies gilt auch für die Fälle der "schadensgleichen Vermögensge-fährdung"
(vgl. auch [X.], StGB 62. Aufl.,
§ 263 Rn. 159
mwN,
[X.]/[X.],
StGB 2. Aufl.,
§ 263 Rn. 588 ff.). Für den Tatbestand der Steuerhinterziehung genügt dagegen eine tatbestandliche Gefährdung des Steueraufkommens.
Steuerhinterziehung und Betrug sind nicht uneingeschränkt vergleichbar
(dazu näher [X.], Beschluss vom 22. November 2012 -
1 StR 537/12, [X.]St 58, 50, 54 ff. Rn. 12-18),
weil die Steuerhinterziehung
gegenüber dem Betrugs-tatbestand
"strukturelle Unterschiede"
aufweist ([X.]/[X.]/[X.]
[X.] 2.
Aufl.,
§ 370 Rn.
479).

§ 370 Abs.
4
Satz
1 [X.] fordert für eine Steuerverkürzung lediglich eine nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig erfolgte Steuerfestsetzung, nicht aber den Eintritt eines
Vermögensverlusts
beim
Fiskus
([X.] aaO [X.]St 58, 50, 56 f. Rn. 15 f. mit zahlr. Nachw.). Die Gefährdung des durch die [X.] des materiellen Besteuerungstatbestands entstandenen Steueran-spruchs
durch die infolge einer Tathandlung im Sinne von § 370
Abs.
1 [X.] un-terbliebene, zu niedrige oder nicht rechtzeitig erfolgte Steuerfestsetzung genügt
für die Erfüllung des Straftatbestands
unabhängig davon, ob das "staatliche
Vermögen"
dadurch gemindert worden ist oder letztlich gar keine Zahllast
des Steuerpflichtigen
festzusetzen ist
([X.] aaO [X.]St 58, 50, 56 Rn. 16,
vgl. auch [X.]/[X.]/[X.] [X.] 2. Aufl.,
§
370 Rn. 11, 81).
Darin liegt der Unterschied zum [X.], dessen Vollendung u.a. eine Vermögens-verfügung und spiegelbildlich hierzu einen eingetretenen Vermögensschaden
voraussetzt.
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37
-
14
-
(2) Das Gesetz unterscheidet damit in §
370 [X.] nicht zwischen der Ge-fährdung des Steueranspruchs und dem Eintritt des Vermögensschadens
beim Staat.
Diese Gleichsetzung findet ihre Rechtfertigung darin, dass die falsche Steuerfestsetzung nahezu immer
zu einem
Schaden führen wird
(vgl. [X.]/[X.]/[X.] [X.] 2. Aufl.,
§ 370 Rn. 12), weil eine nicht festgesetzte Steuer auch nicht beigetrieben werden kann und darf.
Vor diesem Hintergrund zwischen [X.] und eingetrete-nem Schaden zu differenzieren, ist deshalb nicht gerechtfertigt
(vgl.

[X.]/[X.]
[X.], 216, 217; [X.] NStZ 2013,144, 146;
[X.]
StGB 62. Aufl.,
§ 263 Rn. 263).

Steht aber die Gefährdung des Steueranspruchs dem beim Fiskus einge-tretenen
Schaden bei der Tatbestandserfüllung qualitativ gleich, ist die Verdop-pelung des Schwellenwerts bei
dem
sog.
[X.] nicht zu be-gründen (so auch [X.] aaO, S. 146;
[X.]
aaO § 263 Rn.
265).
(3) Eine
einheitliche
Wertgrenze von 50.000 Euro gewährleistet zudem
mehr Rechtssicherheit, weil sich die Differenzierung zwischen nicht erklärten Steuererhöhungsbeträgen und zu Unrecht geltend gemachten Steuerminde-rungsbeträgen und die auf Elemente
des Erfolgsunrechts (Höhe des [X.]) und auf Elemente des Handlungsunrechts (unterschiedlicher
Gehalt des Handlungsunrechts) gestützte und deshalb schwierige Abgrenzung
erüb-rigt, in welchen Fällen der niedrigere und in welchen Fällen der höhere Grenz-wert gilt
(vgl.
[X.]/[X.]/[X.] [X.] 2. Aufl.,
§ 370 [X.] Rn.
479, [X.], [X.] 2012, 155 ff., [X.]/[X.], [X.] 2012, 369,
370).
Das Merkmal "in großem Ausmaß"
ist
in diesem Sinne
erfolgsbezogen, weil es an der Höhe der verkürzten Steuer betragsmäßig anknüpft. Aus dem 38
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-
15
-
erfolgsbezogenen würde andernfalls
ein [X.] Merkmal,
wenn
der das [X.] begründende, typischerweise erhöhte Unrechts-
und Schuldgehalt nicht mehr aus dem Umfang des [X.]s, sondern aus der Art seiner Herbeiführung hergeleitet wird. Die
Unterscheidung nach der Art und Weise der Hinterziehung von Steuern
ist mit dem auf den [X.] abstellen-den [X.] schon von seinem Wortlaut her nicht ohne Weiteres verein-bar. Es ist für den [X.] ohne Relevanz, ob der Täter dem Finanzamt [X.] verschweigt, seine Buchhaltung entsprechend abstimmt
und dadurch eine Steuerentlastung generiert oder ob er dieses Ziel durch Vortäuschen von
Be-triebsausgaben erreicht. Die Art seines manipulativen Verhaltens
-
zum Beispiel
die Vorlage falscher Belege beim Finanzamt oder das
teilweise Löschen von Umsätzen vor Ausdruck der [X.]
durch die
Registrierkassen
oder der Einkauf ohne Rechnung gegen Barzahlung
-
findet ihren Platz
bei der Gesamtwürdi-gung im Rahmen der Prüfung, ob die "Indizwirkung"
des [X.]s entkräf-tet wird
oder umgekehrt
bei Nichterreichen der Wertgrenze ein unbenannter besonders schwerer Fall anzunehmen ist.
Die ausschließliche Ausrichtung am Ausmaß des [X.]s
vermeidet beliebige Ergebnisse, weil es eine Frage des Einzelfalls
ist, ob das Vortäuschen von Betriebsausgaben oder Vorsteuerbeträgen zu
ungerechtfertigten
Steuerer-stattungen oder dem
scheinbaren
Erlöschen bestehender Steuerforderungen
führt. So
kann eine Zahllast des Finanzamts, also der sogenannte "Griff in die Kasse des Staates", nicht nur durch das Vortäuschen von Betriebsausgaben oder einer Vorsteuerabzugsberechtigung entstehen, sondern ebenso durch Verschweigen von Betriebseinnahmen oder Umsätzen.
Der Steuerpflichtige
erreicht
eine
zu niedrige Zahllast gleichermaßen durch Manipulationen bei den
Betriebsausgaben, der Vorsteuerabzugsberechti-gung, den
Betriebseinnahmen oder Umsätzen. Bei unterschiedlichen Schwel-43
44
-
16
-
lenwerten würde,
anders als im Falle einer Zahllast des Finanzamts, nach der Art der Manipulation differenziert, obwohl nicht sie, sondern ihr Umfang
darüber
entscheidet, ob es zu einer zu geringen Zahllast des Steuerpflichtigen
und da-mit zu einem [X.]
oder
zu einer Zahllast des Finanzamts mit
einem
damit verbundenem Vermögensschaden
kommt.
cc) Für den Tatrichter verbleibt auch bei einer
einheitlichen
Wertgrenze von 50.000 Euro ausreichend
Spielraum, um den Besonderheiten des Einzel-falls
Rechnung zu tragen ([X.]/[X.],
[X.], 216, 218).
Hierzu hat
der Senat in seiner Grundsatzentscheidung bereits angemerkt
([X.], 71, 88), dass die Bejahung bzw. Verneinung des [X.]s in einem ersten Prüfungsschritt bei der [X.] bedeutet, dass -
wie bei sonstigen [X.]en auch -
in einem zweiten Schritt zu prüfen ist, ob die Besonderheiten des Einzelfalls die Indizwirkung des [X.]s entkräften. In diesem Zusammenhang spielen die vorgenannten handlungsbezogenen Ge-sichtspunkte eine entscheidende Rolle. In ihrem Licht hat der Tatrichter zu [X.], ob die Indizwirkung des [X.]s durchgreifen kann.
Bei
Bejahung eines [X.]s verbleibt die Möglichkeit,
innerhalb des Strafrahmens die konkrete Einzelstrafe wegen des Eintritts eines
bloßen [X.]s niedriger oder wegen eines [X.] höher anzu-setzen ([X.]/[X.], aaO, [X.]); auch
Geständnis, lange Verfahrens-dauer,
Nachzahlung der verkürzten Steuern, Steuerhinterziehungen, die sich erst nach Anwendung des [X.] ergeben (Pflaum, [X.], 376, 377), der Aufbau besonderer
unternehmerischer
Strukturen, um den
steuerunehrlichen Handel zu betreiben,
raffinierte Manipulationen
und
Relation von Geschäftsvolumen und Steuerschaden (Jäger
in [X.],
[X.] 12. Aufl.,
§
370 Rn.
282),
können als Strafzumessungsfaktoren berücksichtigt werden.
45
46
47
-
17
-
Im vorliegenden Fall hat die [X.] bei
der Prüfung der Frage, ob die "Indizwirkung"
des [X.]s entkräftet wird,
rechtsfehlerfrei ein Abse-hen von der Anwendung des Regelstrafrahmens deshalb verneint, weil die Ta-ten
Seriencharakter aufweisen
und weil der Verurteilte die Kasse des Betriebs bereits seit dem [X.] regelmäßig manipulierte
und "mit besonderer Dreis-tigkeit"
das System der Steuerhinterziehung trotz Aufdeckung durch die Steuer-fahndung unverändert weitergeführt hat.

III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.
Raum Jäger [X.]

Mosbacher [X.]
48
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Meta

1 StR 373/15

27.10.2015

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.10.2015, Az. 1 StR 373/15 (REWIS RS 2015, 3308)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 3308

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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(Besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung: Wertgrenze des Merkmals "in großem Ausmaß")


1 StR 172/16 (Bundesgerichtshof)


1 StR 579/11 (Bundesgerichtshof)


1 StR 535/17 (Bundesgerichtshof)


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