Bundessozialgericht, Beschluss vom 09.06.2010, Az. B 7 AL 202/09 B

7. Senat | REWIS RS 2010, 6040

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Gegenstand

sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - Prozesskostenhilfe - Ablehnung durch LSG - kein Revisionsgrund


Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde gegen ein Urteil des [X.] ([X.]) [X.] vom 13.8.2009, mit dem dieses seine Berufung gegen einen Gerichtsbescheid des Sozialgerichts ([X.]) [X.] zurückgewiesen hat. Außerdem hat der Kläger beantragt, die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage gegen die Entscheidung über die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) und über die Erstattung der gezahlten Alhi anzuordnen und insoweit Prozesskostenhilfe ([X.]) zu bewilligen.

2

Mit seiner Beschwerde rügt der Kläger Verfahrensfehler und macht eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend. Das [X.] habe - so sein Vortrag - sein rechtliches Gehör verletzt (§ 62 Sozialgerichtsgesetz <[X.]G>; Art 103 Abs 1 Grundgesetz), indem es ihm nicht rechtzeitig und vollständig Akteneinsicht gewährt, einen "Sammeltermin" (mit mehreren Verfahren) durchgeführt und einem Vertagungsantrag nicht stattgegeben habe. Außerdem habe das [X.] zu Unrecht die Gewährung von [X.] abgelehnt und die Pflicht zur Amtsermittlung (§ 103 [X.]G) verletzt, weil es einem beim [X.] gestellten Beweisantrag nicht nachgekommen sei. Von grundsätzlicher Bedeutung seien folgende Rechtsfragen:

        

"Kann eine persönliche Vorstellung bei der Bundesagentur für Arbeit, die nicht ausdrücklich als Arbeitslosmeldung bezeichnet wird, als diese bewertet werden?

        

Kann eine persönliche Meldung bei der Bundesagentur für Arbeit als Arbeitslosmeldung im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs bewertet werden?

        

Kann die persönliche Arbeitslosmeldung im Falle einer Wiederholungsmeldung über den [X.] des § 122 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung - ([X.]B III) erfolgen, wenn der Arbeitslose aufgrund seiner Erkrankung nicht in der Lage ist, innerhalb des [X.]s sich arbeitslos zu melden?"

Entscheidungsgründe

3

Die Beschwerde ist unzulässig, weil die vom Kläger geltend gemachten Zulassungsgründe des [X.] (§ 160 Abs 2 [X.] [X.][X.]) und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 [X.]) nicht in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 [X.][X.] gebotenen Weise bezeichnet bzw dargelegt sind. Der [X.] konnte deshalb über die Beschwerde ohne Zuziehung [X.] nach § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 [X.][X.] iVm § 169 Satz 3 [X.][X.] entscheiden.

4

Macht ein Beschwerdeführer das Vorliegen von [X.] geltend, auf denen die angefochtene Entscheidung beruhen kann, müssen bei der Bezeichnung des [X.] wie bei einer Verfahrensrüge innerhalb einer zugelassenen Revision zunächst die diesen Verfahrensmangel des [X.] (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden ([X.] § 160a [X.], 24, 34 und 36). Darüber hinaus ist die Darlegung zu verlangen, dass und warum die Entscheidung - ausgehend von der Rechtsansicht des [X.] - auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit der Beeinflussung des Urteils besteht ([X.] § 160a [X.] und 36), es sei denn, es würden absolute Revisionsgründe gerügt, bei denen gemäß § 202 [X.][X.] iVm § 547 Zivilprozessordnung (ZPO) der Einfluss auf die Entscheidung unwiderlegbar vermutet wird ([X.] § 136 [X.] 8). Um derartige absolute Revisionsgründe handelt es sich bei dem Vorbringen des Klägers nicht.

5

Soweit der Kläger eine Verletzung seines rechtlichen [X.]ehörs durch die unzureichende [X.]ewährung von Akteneinsicht, die Durchführung eines "[X.]" und die Ablehnung eines [X.] rügt, kann dahinstehen, ob er die diese begründenden Tatsachen überhaupt schlüssig (substantiiert) dargelegt hat. Jedenfalls genügt sein innerhalb der [X.] für die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 67 Abs 2 Satz 1 [X.][X.]), die nach der PKH-Bewilligung und Zustellung des [X.] wegen der Versäumung der Beschwerdefrist am [X.] abgelaufen ist (§ 64 [X.][X.]), eingegangener Vortrag den gesetzlichen Anforderungen an die Darlegung des Beruhens der Entscheidung auf dem Verfahrensmangel nicht. Erst mit dem am [X.] eingegangenen Schriftsatz zum Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung hat der Kläger den Streitstoff ansatzweise so geschildert, dass es dem [X.] möglich ist, überhaupt den Streitgegenstand zu erfassen. Dies ist andererseits Mindestvoraussetzung dafür, sich ein Bild darüber machen zu können, ob die Entscheidung des [X.] ohne die behaupteten Verfahrensfehler hätte anders ausfallen können.

6

Soweit der Kläger dem [X.] vorwirft, beantragte Beweise nicht erhoben zu haben, verkennt er, dass dafür ein Beweisantrag beim [X.] nicht genügt. Er hätte also dartun müssen, dass er beim [X.] den erstinstanzlichen Beweisantrag wiederholt oder ihn ausdrücklich aufrechterhalten hat. Auf eine angeblich fehlerhafte [X.] durch das [X.] als Vorentscheidung zu seinem Urteil kann die Nichtzulassungsbeschwerde nicht gestützt werden (vgl dazu nur [X.] in [X.] ua, [X.][X.], 9. Aufl 2008, § 160 Rd[X.] 17 mwN), weil eine solche Rechtsverletzung auch im Revisionsverfahren nicht geprüft werden dürfte (§ 202 [X.][X.] iVm § 557 Abs 2 ZPO). Die Entscheidung des [X.] ist nämlich unanfechtbar (§ 177 [X.][X.]).

7

Auch den Anforderungen an die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. [X.]rundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus [X.]ründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung - ggf sogar des Schrifttums - aufzeigen, welche Fragen sich stellen, dass diese Rechtsfragen noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus [X.]ründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung dieser Fragen erwarten lässt. Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss ein Beschwerdeführer mithin eine Rechtsfrage aufzeigen, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) [X.]keit (= Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sogenannte Breitenwirkung) darlegen (zum [X.]anzen B[X.] SozR 3-1500 § 160a [X.]4 S 70 mwN).

8

Zwar formuliert der Kläger Rechtsfragen; jedoch ist die [X.]keit nicht in der erforderlichen Weise dargetan. [X.] ist eine Rechtsfrage nämlich nur dann, wenn sie für den zu entscheidenden Fall rechtserheblich ist ([X.] § 160a [X.]1). Über die aufgeworfene Rechtsfrage müsste das Revisionsgericht also - in Ergänzung zur abstrakten Klärungsbedürftigkeit - konkret-individuell sachlich entscheiden können ([X.] § 160 [X.]9). Dies erfordert, dass der Beschwerdeführer den nach seiner Auffassung vom Revisionsgericht einzuschlagenden Weg der Nachprüfung des angefochtenen Urteils darlegt, der die Entscheidung der als grundsätzlich bezeichneten Rechtsfrage notwendig macht ([X.] § 160a [X.]1). Der Kläger hätte daher den Sachverhalt schildern müssen, woran es - wie oben dargelegt - mangelt. Er teilt noch nicht einmal den [X.]egenstand des Verfahrens mit. Zudem hätte er erläutern müssen, dass und an welcher Stelle die aufgeworfenen Rechtsfragen im angestrebten Revisionsverfahren hätten beantwortet werden müssen. Dass der Kläger die Klärungsbedürftigkeit nicht ausreichend dargelegt hat, ist nicht von Bedeutung.

9

Für eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 86b Abs 1 Satz 1 [X.] 2 [X.][X.] iVm § 336a Satz 2 [X.]B III bestand und besteht damit keine Veranlassung. Mangels Erfolgsaussicht war auch der Antrag auf PKH-Bewilligung und Beiordnung von Rechtsanwältin [X.] abzulehnen (§ 73a [X.][X.] iVm §§ 114, 121 ZPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 [X.][X.].

Meta

B 7 AL 202/09 B

09.06.2010

Bundessozialgericht 7. Senat

Beschluss

Sachgebiet: AL

vorgehend SG Karlsruhe, 26. Januar 2009, Az: S 11 AL 4343/05, Gerichtsbescheid

§ 73a SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 202 SGG, § 114 ZPO, § 557 Abs 2 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 09.06.2010, Az. B 7 AL 202/09 B (REWIS RS 2010, 6040)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 6040

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III R 1/08

1 BvL 4/97

1 BvR 2515/95

2 BvL 64/93

2 BvL 7/98

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