Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 27.04.2021, Az. 1 ABR 21/20

1. Senat | REWIS RS 2021, 6465

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Gegenstand

Betriebliche Entgeltgrundsätze und Mindestlohn


Leitsatz

Allein die Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns bedingt keine Änderung mitbestimmter Entlohnungsgrundsätze.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des [X.] vom 18. Februar 2020 - 8 [X.] 1919/19 - wird zurückgewiesen.

Gründe

1

A. Die Beteiligten streiten über die Auswirkungen des gesetzlichen Mindestlohns auf betriebliche Entlohnungsgrundsätze.

2

Die nicht tarifgebundene Arbeitgeberin betreibt Einrichtungen für psychisch erkrankte Menschen. Sie beschäftigt zu diesem Zweck überwiegend Sozialarbeiter. In ihrem Betrieb ist der antragstellende Betriebsrat gewählt. Mit ihm vereinbarte sie am 22. Februar 2018 eine „[X.]/Betriebsvereinbarung zur Entgeltordnung und zu sonstigen Arbeitsbedingungen 2018“ ([X.]). Diese enthält ua. in ihrem Teil A „Regelungen zum Entgelt für Neueinstellungen“. § 2 [X.] legt die „Eingruppierung in [X.]n ([X.])“ fest, welche in der Anlage 1 zur [X.] als „[X.]nschema“ näher geregelt ist. § 3 [X.] bestimmt tätigkeitsdauerabhängige Stufen innerhalb der einzelnen [X.]n. § 4 Abs. 1 [X.] sieht vor, dass sich die „Höhe des [X.] der Arbeitnehmer*innen (Grundvergütung) einschließlich der prozentualen Abstände der einzelnen Beträge … aus der Anlage 2“ zur [X.] ergibt. In der Anlage 2a zur [X.] ([X.] 2018) sind für alle 13 [X.]n und den jeweils für diese geltenden sechs Stufen Prozentzahlen angegeben. Für die Stufe 1 in der [X.] 9 - der die Sozialarbeiter zugeordnet sind - ist der Wert „100,00“ ausgewiesen. In den weiteren Stufen dieser, den letzten beiden Stufen der [X.] 8 und in allen Stufen der höheren [X.]n steigen die Prozentzahlen über „100,00“ sukzessive an; in den (anderen) Stufen der [X.]n 1 bis 8 sind niedrigere Werte ausgewiesen. Die Prozentzahl für die Stufen 1 und 2 der [X.] 2 und für alle Stufen der [X.] 1 beläuft sich auf 54,48. Die Anlage 2b zur [X.] (Vergütungstabelle 2018) weist in zahlenmäßiger Höhe die Monats- und Stundenvergütungen der jeweiligen [X.] und Stufe aus. Bei [X.] 9 Stufe 1 ist eine Stundenvergütung [X.]. 16,33 [X.] angeführt. Bei [X.] 1 Stufe 1 bis 6 sowie bei [X.] 2 Stufe 1 und 2 ist jeweils eine Stundenvergütung [X.]. 8,90 [X.] - was 54,48 % von 16,33 [X.] entspricht - angegeben; bei der [X.] 2 beträgt sie 9,04 [X.] in Stufe 3, 9,25 [X.] in Stufe 4 und 9,45 [X.] in Stufe 5. Daneben regelt § 5 [X.] ua. prozentbezogene Zeitzuschläge für Arbeit an Samstagen, Sonn- und Feiertagen sowie bestimmten Vorfesttagen.

3

Ab dem 1. Januar 2019 zahlte die Arbeitgeberin den in [X.] 1 und [X.] 2 Stufe 1 bis 3 eingruppierten Beschäftigten den ab diesem Zeitpunkt von 8,84 [X.] auf 9,19 [X.] erhöhten gesetzlichen Mindestlohn je Zeitstunde.

4

Der Betriebsrat hat hierin eine Verletzung der mit der [X.] vereinbarten betrieblichen Entgeltordnung bzw. seines Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 [X.] gesehen. Er hat die Auffassung vertreten, mit der Zahlung des je Zeitstunde den Betrag von 8,90 [X.] übersteigenden Mindestlohns an die Beschäftigten in [X.] 1 und [X.] 2 Stufe 1 bis 3 ohne gleichzeitige Anhebung der Entgelte der höheren Stufen und [X.]n habe die Arbeitgeberin die [X.] 2018 geändert. Indem sie die nominelle Vergütung höhergruppierter Mitarbeiter entsprechend den tabellarisch ausgewiesenen Abständen nicht angehoben habe, verletze sie das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 [X.]. Die Beibehaltung des entgeltbezogenen Dotierungsrahmens der Arbeitgeberin unter der Geltung der ab 1. Januar 2019 festgelegten Höhe des gesetzlichen Mindestlohns verkürze die prozentualen Abstände in der [X.] 2018, ohne dass der Betriebsrat dem zugestimmt habe.

5

Der Betriebsrat hat zuletzt beantragt,

        

der Arbeitgeberin aufzugeben, die [X.] der [X.]/Betriebsvereinbarung zur Entgeltordnung und zu sonstigen Arbeitsbedingungen 2018 sog. „[X.] 2018“ vom 22. Februar 2018 (Anlage 2a, ab 01/2018) anzuwenden durch Anhebung der Vergütungstabellen bzw. der Vergütung, der [X.] ([X.]) 2 Stufe 3 bis 6 sowie der [X.] 3 bis 13, zur Wahrung der prozentualen Abstände zwischen den [X.] 1 bis 13 entsprechend der [X.] (Anlage 2a, ab 01/2018);

        

hilfsweise

        

festzustellen, dass die Arbeitgeberin das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 [X.] verletzt, wenn sie die Arbeitnehmer in der Tätigkeit der [X.] 1 und der [X.] 2 Stufe 1 bis 3, entsprechend den gesetzlichen Vorgaben zum Mindestlohn, ab dem 1. Januar 2019 vergütet, ohne zugleich das Entgelt der [X.] 2 Stufe 3 bis 6 sowie die Entgelte der [X.] 3 bis 13, zur Wahrung des Vergütungs- und [X.], zwischen den Tätigkeitsgruppen gemäß der [X.] entsprechend anzuheben;

        

hilfsweise hierzu

        

festzustellen, dass die Arbeitgeberin das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 [X.] verletzt hat, indem sie ohne Zustimmung des Betriebsrats die [X.] (Anlage 2a, ab 01/2018 der sog. „[X.] 2018“ vom 22. Februar 2018) durch Veränderung der Prozentsätze der [X.] 1 Stufe 1 bis 6 und der [X.] 2 Stufe 1 bis 3, im Verhältnis zur [X.] 2 Stufe 3 bis 6 sowie der [X.] 3 bis 13 veränderte;

        

hilfsweise

        

der Arbeitgeberin aufzugeben, es zu unterlassen, die prozentualen Abstände der [X.]/Betriebsvereinbarung zur Entgeltordnung und zu sonstigen Arbeitsbedingungen 2018 sog. „[X.] 2018“ vom 22. Februar 2018 (Anlage 2a, ab 01/2018) abzuändern, ohne zuvor die Zustimmung des Betriebsrats eingeholt zu haben.

6

Die Arbeitgeberin hat Abweisung der Anträge beantragt.

7

Das Arbeitsgericht hat die Anträge abgewiesen. Das [X.] hat die Beschwerde zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats, mit welcher er seine Begehren weiterverfolgt.

8

B. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Das [X.] hat die Beschwerde des Betriebsrats gegen den die Anträge abweisenden arbeitsgerichtlichen Beschluss im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen. Der Hauptantrag ist unbegründet. Das gilt auch für den ersten Hilfsantrag. Die weiteren angebrachten Hilfsanträge fallen dem [X.] nicht zur Entscheidung an.

9

I. Der zulässige Hauptantrag ist unbegründet.

1. Ihm begegnen - in seiner gebotenen Auslegung - keine Zulässigkeitsbedenken.

a) Der Betriebsrat erstrebt mit dem Hauptantrag die Verpflichtung der Arbeitgeberin, die [X.] 2018 und die Vergütungstabelle 2018, welche als Anlagen 2a und 2b Bestandteile der [X.] sind, in einer bestimmten Art und Weise anzuwenden. Die Arbeitgeberin soll die Stundenvergütungen der Arbeitnehmer in den [X.]n und Stufen, bei denen der in der Vergütungstabelle 2018 ausgewiesene Nominalbetrag über dem - mit Wirkung ab 1. Januar 2021 auf 9,50 [X.] je Zeitstunde erhöhten (vgl. § 9 [X.] iVm. der [X.] zur Anpassung der Höhe des Mindestlohns [[X.] - [X.]] vom 9. November 2020 [BGBl. I S. 2356]) - gesetzlichen Mindestlohn liegt, nominell so erhöhen, dass die in der [X.] 2018 jeweils festgelegten prozentualen Abstände dieser [X.]n und Stufen zu denjenigen, bei denen der in der Vergütungstabelle 2018 ausgewiesene Nominalbetrag unterhalb des gesetzlichen Mindestlohns liegt, entsprechend gewahrt sind. Zwar bezieht der Betriebsrat sein Anpassungsbegehren - ausgehend vom [X.] und damit nach seiner eigenen Argumentation nicht folgerichtig - auf alle [X.]n ab [X.] 2 „Stufe 3“, obwohl für Letztere nach der Vergütungstabelle 2018 eine bereits seit dem 1. Januar 2019 den Mindestlohn je Zeitstunde unterschreitende Stundenvergütung von 9,04 [X.] ausgewiesen ist. Allerdings bringt er ein entsprechendes, auf die Anlagen 2a und 2b zur [X.] bezogenes Durchführungsbegehren mit der im Antrag enthaltenen Formulierung „durch Anhebung“ hinreichend deutlich zum Ausdruck. Dem entsprechen seine schriftsätzlichen Ausführungen, wonach er in der Unterlassung einer mindestlohnausgelösten „Anpassung“ der Vergütungstabelle 2018 einen Verstoß der Arbeitgeberin gegen die in der [X.] 2018 ausgewiesenen prozentualen Abstände zum „[X.]“ der [X.] 9 Stufe 1 sieht. Danach ist die hauptsächlich geltend gemachte Verpflichtung unmittelbar auf die zwischen der Arbeitgeberin und dem Betriebsrat ua. zur Ausgestaltung der betrieblichen Entlohnungsgrundsätze geschlossene [X.] und ihre Anlagen 2a und 2b gestützt. Ein solcher zukunftsbezogener betriebsverfassungsrechtlicher Durchführungsanspruch (§ 77 Abs. 1 Satz 1 [X.]) kann im Wege des Leistungsantrags geltend gemacht werden (vgl. zB [X.] 24. Januar 2017 - 1 [X.] - Rn. 12).

b) In diesem Verständnis ist der Antrag im Übrigen hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die verwandten Formulierungen sind einer ausreichenden Konkretisierung zugänglich und die Reichweite des erstrebten Verpflichtungsausspruchs klar. Die im Antrag näher beschriebenen Maßgaben bedeuten im Ergebnis, dass die in der Vergütungstabelle 2018 ausgewiesene Stundenvergütung des „[X.]s“ der [X.] 9 Stufe 1 unter Heranziehung der in der [X.] 2018 ausgewiesenen relativen Entgeltabstände bei der vom 1. Januar 2019 bis 31. Dezember 2019 geltenden Höhe des gesetzlichen Mindestlohns (9,19 [X.] je Zeitstunde) nicht mehr 16,33 [X.], sondern (mindestens) 16,87 [X.] beträgt und mit jeder weiteren Mindestlohnerhöhung entsprechend steigt.

c) Dem Betriebsrat steht nach § 77 Abs. 1 Satz 1 [X.] die erforderliche Antragsbefugnis für sein Leistungsbegehren zu (vgl. [X.] 18. September 2002 - 1 [X.] - zu [X.] 2 der Gründe, [X.]E 102, 356).

2. Der Hauptantrag ist unbegründet. Die Arbeitgeberin ist nicht verpflichtet, die mit der [X.] - in ihrem Teil A normativ iSd. § 77 Abs. 4 Satz 1 [X.] - gestaltete betriebliche Vergütungsordnung nach den vom Betriebsrat mit seinem hauptsächlichen Begehren angebrachten Maßgaben durchzuführen. Das ergibt die Auslegung der getroffenen Festlegungen (vgl. allg. zur Auslegung von Betriebsvereinbarungen zB [X.] 13. Oktober 2015 - 1 [X.] - Rn. 22, [X.]E 153, 46).

Weder Wortsinn noch Systematik oder Sinn und Zweck der einschlägigen Regelungen von § 4 Abs. 1 [X.] und ihrer Anlagen 2a und 2b deuten darauf hin, dass die Betriebsparteien einen dynamisierten Mechanismus der „Vergütungsabstandsanpassung“ in Abhängigkeit von der gesetzlichen [X.] vereinbart haben. Mit der [X.] 2018 haben sie - in Umsetzung der Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 [X.] - ausgehend von der [X.] 9 Stufe 1 („100,00“) bestimmte Prozentzahlen entgeltgruppenbezogen (vertikal) und stufenbezogen (horizontal) ausgewiesen. Damit sind, wie bei einer Gestaltung von betrieblichen Entlohnungsgrundsätzen nicht untypisch, prozentuale Abstände zu einem sog. [X.] festgelegt. In der Vergütungstabelle 2018 sind demgegenüber - entsprechend den festgelegten [X.] - entgeltgruppen- und stufenbezogene (Grund-)Stundenentgelte in einer bestimmten Höhe angegeben. Ob die Betriebsparteien - wofür § 4 Abs. 1 [X.] sprechen könnte - damit auch die nicht der zwingenden Mitbestimmung des § 87 Abs. 1 Nr. 10 [X.] unterliegende [X.] geregelt haben, kann ebenso dahinstehen wie die Frage, ob eine solche Festlegung der [X.] des § 77 Abs. 3 Satz 1 [X.] unterläge. Selbst wenn die Vergütungstabelle 2018 nur zu Klarstellungszwecken formuliert wurde, ergäbe sich kein dem Verständnis des Betriebsrats entsprechender Regelungsinhalt der [X.].

a) Die Betriebsparteien haben für den Fall einer Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns keine - wie auch immer geartete - nominelle, den prozentualen Vorgaben in der [X.] 2018 entsprechende Anpassung der diesen übersteigenden Tabellenentgelte vereinbart. Ein den streitbefangenen Maßgaben entsprechender Regelungsinhalt von § 4 Abs. 1 [X.] und den Anlagen 2a und 2b zur [X.] könnte in Betracht zu ziehen sein, sofern die konkrete Festlegung der niedrigsten Stundenvergütung in der Vergütungstabelle 2018 dem im Zeitpunkt des Abschlusses der [X.] geltenden Mindeststundenlohn entspräche und zudem ausgehend vom jeweiligen Mindestlohn in der [X.] 2018 die prozentualen Abstände lediglich umrechnend-deklaratorisch ausgewiesen worden wären. Gegen ein solches Regelungsverständnis spricht aber zum einen, dass am 22. Februar 2018 der Mindestlohn je Zeitstunde 8,84 [X.] betrug, während das Tabellenentgelt der Anlage 2b zur [X.] bereits eine Stundenvergütung [X.]. mindestens 8,90 [X.] ausweist. Zum anderen sind alle prozentualen Werte in der [X.] 2018 an der Höhe des „[X.]s“ und damit der Stufe 1 der [X.] 9 ausgerichtet. Das zeigt, dass die Betriebsparteien die Vergütung weder mit den prozentualen Abständen in der [X.] 2018 noch mit den nominell verfassten Angaben in der Vergütungstabelle 2018 in eine - wie auch immer geartete - Abhängigkeit von der [X.] gestellt haben.

b) Das Gebot der gesetzeskonformen Auslegung zwingt nicht zu einem gegenteiligen Verständnis. Die Regelungen des Mindestlohngesetzes ([X.]) tangieren die [X.] der Betriebsparteien nicht. Der Mindestlohnanspruch aus § 1 Abs. 1 [X.] ist ein gesetzlicher Anspruch, der eigenständig neben den arbeits- oder tarifvertraglichen Entgeltanspruch tritt. § 3 [X.] führt bei Unterschreiten des gesetzlichen Mindestlohns zu einem Differenzanspruch (grds. [X.] 25. Mai 2016 - 5 [X.] - Rn. 22, [X.]E 155, 202; seither [X.]Rspr., [X.]. etwa [X.] 17. Januar 2018 - 5 [X.] - Rn. 12). Das gilt auch bei einem in einer Betriebsvereinbarung festgelegten Entgelt, das den gesetzlichen Mindestlohn unterschreitet. Eine entsprechende Regelung ist nicht im Hinblick auf das [X.] unwirksam (vgl. zum Tarifvertrag [X.] 26. Juni 2018 - 1 [X.] - Rn. 65, [X.]E 163, 108).

II. Der erste hilfsweise angebrachte Antrag ist gleichfalls unbegründet.

1. Er ist bei gebotener Auslegung zulässig.

a) Anders als der Hauptantrag, mit dem der Betriebsrat ein - nach seiner Vorstellung - betriebsvereinbarungsgemäßes Verhalten der Arbeitgeberin begehrt, richtet sich dieser Antrag auf die Feststellung eines betriebsverfassungswidrigen Handelns der Arbeitgeberin. Schon aus diesem Grund bildet er, ungeachtet seiner Verfasstheit als Feststellungsantrag, einen eigenständigen Verfahrensgegenstand (vgl. [X.] 22. Oktober 2019 - 1 [X.] - Rn. 17; 20. März 2018 - 1 [X.] - Rn. 13, [X.]E 162, 98). Mit ihm beschreibt der Betriebsrat hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO eine Maßnahme der Arbeitgeberin, der er als Rechtsfolge die Verletzung seines Mitbestimmungsrechts beimisst und worauf er (nach dem [X.]) die erstrebte Feststellung bezieht. Da nur das Bestehen eines betriebsverfassungsrechtlichen Mitbestimmungsrechts bei einer bestimmten Maßnahme oder Angelegenheit - nicht aber der Umstand, dass es verletzt worden ist - nach der ständigen Rechtsprechung des [X.]s ein der gerichtlichen Feststellung zugängliches Rechtsverhältnis iSv. § 256 Abs. 1 ZPO darstellt (zB [X.] 19. Februar 2002 - 1 [X.] - zu [X.]I 2 b der Gründe mwN, [X.]E 100, 281), ist dem Antrag abweichend von seiner sprachlichen Fassung im Sinn eines rechtsschutzgewährenden Verständnisses ein entsprechender Inhalt beizumessen.

b) Damit genügt er den Voraussetzungen des § 256 Abs. 1 ZPO. Der Betriebsrat verfügt auch über das notwendige Feststellungsinteresse. Dieses ist regelmäßig gegeben, wenn - wie im vorliegenden Fall - der Arbeitgeber ein Mitbestimmungsrecht in einer bestimmten Angelegenheit in Abrede stellt oder sich der Betriebsrat eines solchen berühmt.

2. In der Sache hat das Begehren keinen Erfolg. Bei der im Antrag als mitbestimmungspflichtig umschriebenen Angelegenheit - die Vergütung der Arbeitnehmer „in der Tätigkeit der [X.] 1 und der [X.] 2 Stufe 1 bis 3, entsprechend den gesetzlichen Vorgaben zum Mindestlohn, … ohne zugleich das Entgelt der [X.] 2 Stufe 3 bis 6 sowie die Entgelte der [X.] 3 bis 13, zur Wahrung des Vergütungs- und [X.], zwischen den Tätigkeitsgruppen gemäß der [X.] entsprechend anzuheben“ - hat der Betriebsrat nicht mitzubestimmen. Insbesondere ist der von ihm angenommene Mitbestimmungstatbestand des § 87 Abs. 1 Nr. 10 [X.] nicht einschlägig.

a) Nach dieser Vorschrift hat der Betriebsrat bei Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere bei der Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und der Einführung und Anwendung von neuen [X.] sowie deren Änderung mitzubestimmen. Dieses Mitbestimmungsrecht hat der Betriebsrat mit Abschluss der [X.] ausgeübt.

b) In der Vergütung bestimmter Arbeitnehmer(-gruppen) „entsprechend den gesetzlichen Vorgaben zum Mindestlohn“ ohne gleichzeitige [X.] anderen [X.]n zugewiesener Arbeitnehmer liegt keine mitbestimmungspflichtige Änderung der mit der [X.] mitbestimmt aufgestellten Entlohnungsgrundsätze iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 10 [X.]. Die Arbeitgeberin stellt mit der Zahlung des Mindestlohns keine von den Vorgaben der [X.] abweichenden Entlohnungsgrundsätze auf, sondern erfüllt nur den - materiell-rechtlich eigenständig neben den arbeitsvertraglichen Entgeltanspruch tretenden - gesetzlichen Anspruch der Arbeitnehmer auf Gewährung eines Mindestlohns je Zeitstunde. Soweit der Betriebsrat auf die durch die [X.] faktisch ausgelösten anderen Entgeltabstände als die in der [X.] 2018 ausgewiesenen verweist, übersieht er bereits, dass diese Folge nicht zwingend - und vor allem nicht jeden Monat zwangsläufig gleichmäßig - sein dürfte. Denn in der Referenz- und Vergütungstabelle 2018 ist lediglich das Grundentgelt geregelt; bei der Erfüllung des Mindestlohnanspruchs sind jedoch alle im arbeitsvertraglichen Austauschverhältnis erbrachten Entgeltzahlungen mit Ausnahme derjenigen, die der Arbeitgeber ohne Rücksicht auf eine tatsächliche Arbeitsleistung des Arbeitnehmers erbringt oder die auf einer besonderen gesetzlichen Zweckbestimmung (zB § 6 Abs. 5 [X.]) beruhen, zu berücksichtigen ([X.]Rspr. seit [X.] 25. Mai 2016 - 5 [X.] - Rn. 32, [X.]E 155, 202). Damit wäre auch eine Gewährung der in § 5 [X.] festgelegten Zeitzuschläge - jedenfalls was die dort angeführte Vorfest-, Samstags-, Sonntags- und Feiertagsarbeit betrifft - mindestlohnwirksam (vgl. auch [X.] 17. Januar 2018 - 5 [X.] - Rn. 17; 22. März 2017 - 5 [X.] - Rn. 38 ff.).

Ungeachtet dessen bedingt die bloße Erfüllung des gesetzlichen Mindestlohnanspruchs keine Änderung eines mitbestimmt aufgestellten Vergütungssystems. § 87 Abs. 1 Nr. 10 [X.] bezweckt eine gleichberechtigte Teilhabe der Arbeitnehmer an Entscheidungen des Arbeitgebers, die ihre Arbeitsvergütung betreffen. Fehlt es - wie bei der Erfüllung des gesetzlichen Mindestlohnanspruchs - an einer solchen Entscheidung, besteht kein Raum für eine Mitbestimmung des Betriebsrats.

III. Über die weiteren Hilfsanträge hatte der [X.] nicht zu befinden. Der Betriebsrat hat im zweiten Hilfsantrag das seiner Ansicht nach gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 [X.] mitbestimmungspflichtige Verhalten der Arbeitgeberin lediglich sprachlich anders - und vergangenheitsbezogen - gefasst. Damit ist der Antrag erkennbar nur für den Fall gestellt, dass der erste Hilfsantrag prozessualen Anforderungen nicht genügt. Der hilfsweise Leistungsantrag ist offensichtlich nur für den Fall angebracht, dass die mit dem Hauptantrag und dem ersten Hilfsantrag näher beschriebenen Maßnahmen zwar ein betriebsvereinbarungswidriges oder (hilfsweise) betriebsverfassungswidriges Verhalten der Arbeitgeberin darstellen, das darauf bezogene Leistungs- und Feststellungsbegehren aber aus anderen Gründen erfolglos bleibt. Die so verstandenen innerprozessualen Bedingungen sind nicht eingetreten.

        

    Schmidt    

        

    Ahrendt    

        

    K. Schmidt    

        

        

        

    H. Schwitzer    

        

    [X.]    

                 

Meta

1 ABR 21/20

27.04.2021

Bundesarbeitsgericht 1. Senat

Beschluss

Sachgebiet: ABR

vorgehend ArbG Berlin, 12. September 2019, Az: 18 BV 2727/19, Beschluss

§ 1 MiLoG, § 77 Abs 1 S 1 BetrVG, § 77 Abs 4 S 1 BetrVG, § 87 Abs 1 Nr 10 BetrVG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 27.04.2021, Az. 1 ABR 21/20 (REWIS RS 2021, 6465)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 6465

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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