Bundesgerichtshof, Beschluss vom 26.02.2014, Az. I ZR 121/13

1. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 7503

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Gegenstand

Verletzung urheberrechtlicher Verwertungsrechte an einem Online-Stadtplan: Urheberschaft an einem Stadtplan; Merkmale einer schöpferischen Eigentümlichkeit eines Stadtplans


Tenor

Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass der [X.] beabsichtigt, die Revision des Beklagten gegen das Urteil der Zivilkammer 16 des [X.] vom 30. April 2013 durch Beschluss gemäß § 552a ZPO zurückzuweisen.

Streitwert: 2.020 €

Gründe

1

I. Die Klägerin verlangt vom [X.]n Schadensersatz wegen einer behaupteten Verletzung urheberrechtlicher Verwertungsrechte an einer Landkarte.

2

Die Klägerin bietet das Recht zur Nutzung von Landkarten im [X.] gegen die Zahlung von Lizenzgebühren an. Die Karten werden auf der Grundlage eines Werkvertrages von der in [X.] ansässigen [X.]. hergestellt, die der Klägerin das ausschließliche Recht zur unbeschränkten Nutzung der Karten in gedruckter und elektronischer Form eingeräumt hat. Die Mitarbeiter der [X.]. stellen die Karten nach genauen Vorgaben der Klägerin her, die in einem [X.] der Klägerin festgelegt sind. Dabei haben die Mitarbeiter der [X.]. keinen Spielraum bei der Umsetzung der Vorgaben.

3

Der [X.] betreibt eine [X.]seite, auf der im August 2009 ein Kartenausschnitt abrufbar war, der nach dem Vortrag der Klägerin einer Karte entsprach, die in ihrem Auftrag von der [X.]. hergestellt worden ist. Nachdem die Klägerin den [X.]n erfolglos abgemahnt und zur Zahlung von Schadensersatz aufgefordert hatte, erwirkte sie eine einstweilige Unterlassungsverfügung. Der [X.] gab insoweit eine Abschlusserklärung ab, verweigerte aber die Zahlung von Schadensersatz und die Erstattung von Abmahnkosten.

4

Die Klägerin hat den [X.]n auf Zahlung einer fiktiven Lizenzgebühr in Höhe von 2.020 €, Abmahnkosten in Höhe von 287,80 €, 95 € Kosten für die Dokumentation des behaupteten Verstoßes sowie 408,80 € Rechtsanwaltskosten für das [X.] in Anspruch genommen.

5

Das Amtsgericht hat den [X.]n zur Zahlung von 2.716,60 € nebst Zinsen verurteilt und die Klage im Hinblick auf die [X.] abgewiesen. Die Berufung des [X.]n ist ohne Erfolg geblieben. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Klägerin stehe gegen den [X.]n gemäß §§ 97, 16, 19a [X.] ein Schadensersatzanspruch in der vom Amtsgericht zugesprochenen Höhe zu. Der [X.] habe den streitgegenständlichen Kartenausschnitt, an dem der Klägerin die ausschließlichen Nutzungsrechte zustünden, unberechtigt vervielfältigt und auf seiner [X.]seite öffentlich zugänglich gemacht. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt der [X.] weiter die Klageabweisung.

6

II. Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor; die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg.

7

1. Der vom Berufungsgericht formulierte [X.] der

Urheberschaft der Kartenwerke desjenigen, der Urheber des den Kartenwerken zugrunde liegenden [X.] ist

kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu.

8

Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] hat eine Rechtssache grundsätzliche Bedeutung gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deswegen das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt, das heißt allgemein von Bedeutung ist. [X.] ist eine Rechtsfrage dann, wenn die durch das Berufungsurteil aufgeworfene Rechtsfrage zweifelhaft ist, also über Umfang und Bedeutung einer Rechtsvorschrift Unklarheiten bestehen. Derartige Unklarheiten bestehen unter anderem dann, wenn die Rechtsfrage vom [X.] bisher nicht entschieden ist und von einigen Oberlandesgerichten unterschiedlich beantwortet wird, oder wenn in der Literatur unterschiedliche Meinungen vertreten werden. Unklarheiten bestehen dagegen nicht, wenn abweichende Ansichten in der Literatur vereinzelt geblieben und nicht oder nicht nachvollziehbar begründet sind ([X.], Beschluss vom 8. Februar 2010 - [X.], [X.], 985; vgl. auch [X.]/[X.], ZPO, 5. Aufl., § 543 Rn. 9). Im Streitfall fehlt es an der [X.]keit der vom Berufungsgericht aufgeworfenen Frage.

9

3. Gemäß § 7 [X.] ist Urheber der Schöpfer des Werkes. Sind mehrere Personen an der Entstehung des Werkes beteiligt, hängt die Schöpfereigenschaft davon ab, welche Person einen schöpferischen Beitrag gemäß § 2 Abs. 2 [X.] geleistet und welche Person lediglich einen nichtschöpferischen Gehilfenbeitrag geleistet hat (vgl. [X.] in [X.]/[X.], [X.], 3. Aufl., § 7 Rn. 12 ff.; [X.], [X.], 4. Aufl., § 7 Rn. 6 ff.). Solange Gehilfen sich lediglich auf die nichtschöpferische mechanische Durchführung oder Ausgestaltung der Vorgabe des Urhebers halten und kein Spielraum für eine eigene individuelle schöpferische Gestaltung bleibt, sind sie keine Urheber (vgl. [X.], Urteil vom 24. Mai 2007 - [X.], [X.]Z 172, 268 Rn. 23 - [X.]; [X.] aaO § 7 Rn. 8; [X.] in Dreier/[X.], [X.], 4. Aufl., § 7 Rn. 9; [X.] in [X.]/[X.] aaO § 7 Rn. 15). Der an vorgegebene [X.] und [X.] gebundene Hersteller von Karten kann deshalb nur dann Urheber sein, wenn ihm ein für die Erreichung des [X.]sschutzes genügend großer Spielraum für individuelle kartografische Leistungen bleibt ([X.], Urteil vom 23. Juni 2005 - I ZR 227/02, [X.], 854, 856 = [X.], 854 - Karten-Grundsubstanz). Die Frage, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, unterliegt der tatrichterlichen Beurteilung.

Von diesen Grundsätzen ist zutreffend auch das Berufungsgericht ausgegangen und hat festgestellt, dass die Mitarbeiter der [X.]. die Karten für die Klägerin ohne einen eigenen Gestaltungsspielraum nach den genauen Vorgaben erstellen, die in einem [X.] der Klägerin festgelegt sind. Das Berufungsgericht hat - von der Revision nicht beanstandet - zudem festgestellt, dass der Vorstand der Klägerin, [X.], allein die das Kartenbild prägenden Merkmale und Gestaltungselemente erdacht und im [X.] festgelegt hat.

2. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg.

a) Die Revision macht geltend, das Berufungsgericht habe es rechtsfehlerhaft versäumt, Feststellungen zum geistig-schöpferischen Gehalt des [X.] zu treffen. Dem kann nicht zugestimmt werden.

Das Berufungsgericht hat angenommen, der Klägerin stehe der geltend gemachte Zahlungsanspruch gemäß §§ 97, 16, 19a [X.] zu, weil der [X.] den streitgegenständlichen Kartenausschnitt, an dem der Klägerin die ausschließlichen Nutzungsrechte zustehen, unberechtigt vervielfältigt und auf seiner [X.]seite öffentlich zugänglich gemacht hat. Es hat dabei festgestellt, dass dem streitgegenständlichen [X.] im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 7 [X.] zukommt. Dies lässt keinen Rechtsfehler erkennen.

Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 7 [X.] gehören zu den geschützten Werken der Wissenschaft Darstellungen wissenschaftlicher oder technischer Art, wie Zeichnungen, Pläne, Karten, Skizzen, Tabellen und plastische Darstellungen. Zu den nach dieser Bestimmung geschützten Werken können auch Stadtpläne und Landkarten gehören, wenn es sich um persönliche geistige Schöpfungen handelt ([X.], Urteil vom 28. Mai 1998 - [X.], [X.]Z 139, 68, 71 - [X.]). Das Berufungsgericht ist mithin zutreffend davon ausgegangen, dass es im Streitfall auf den [X.] des vom [X.]n vervielfältigten Stadtplanausschnitts der Klägerin und nicht auf den [X.] des der Erstellung des Stadtplanausschnitts zugrundeliegenden [X.] ankommt.

b) Entgegen der Ansicht der Revision hat das Berufungsgericht auch den [X.] des Stadtplanausschnitts der Klägerin rechtsfehlerfrei festgestellt.

aa) Stadtpläne und Landkarten können als Darstellungen wissenschaftlich-technischer Art gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 7 [X.] [X.]sschutz genießen, wenn es sich um persönliche geistige Schöpfungen im Sinne von § 2 Abs. 2 [X.] handelt. Die schöpferische Eigentümlichkeit einer Karte kann sich bereits daraus ergeben, dass die Karte nach ihrer Konzeption von einer individuellen kartographischen Darstellungsweise geprägt ist, die sie zu einer in sich geschlossenen eigentümlichen Darstellung des betreffenden Gebiets macht. Die urheberrechtlich bedeutsamen schöpferischen Züge können insoweit in der Gesamtkonzeption liegen, mit der durch die individuelle Auswahl des Dargestellten und die Kombination von - meist bekannten - Methoden (z.B. bei der Generalisierung) und von [X.] (z.B. bei der Farbgebung, Beschriftung oder Symbolgebung) ein eigentümliches Kartenbild gestaltet worden ist ([X.]Z 139, 68, 72 - [X.]; [X.], [X.], 854, 856 - Karten-Grundsubstanz).

bb) Von diesen Maßstäben ist auch das Berufungsgericht ausgegangen und hat angenommen, die streitgegenständliche Karte weise eine hinreichende Schöpfungshöhe auf. Die Straßenzüge würden deutlich gegenüber sonstigen Flächen hervorgehoben, da sie im Verhältnis zu den dazwischen liegenden bebauten und unbebauten Flächen relativ breit dargestellt seien. Zudem hebe sich auch ihre farbliche Gestaltung ab. Die Auswahl der Pastellfarben für die Hintergrundgestaltung bewirke, dass sich die farblich nicht unterlegten Straßenzüge deutlich vom grauen Untergrund abheben würden, ohne dass der Plan insgesamt zu bunt erscheine und deshalb nicht mehr lesbar wäre. Die Karte weise zudem eine spezielle und prägende Auswahl von gekennzeichneten Gebäuden, Sehenswürdigkeiten und Buslinien nebst Haltestellen auf. Die Kombination dieser Elemente verleihe der Karte ihr individuelles Erscheinungsbild. Diese Beurteilung hält einer rechtlichen Nachprüfung stand.

Soweit die Revision geltend macht, die Klägerin greife schlicht auf vorbekanntes Formengut und vorbekannte Farbgebung sowie urheberrechtlich freie Daten zurück, ersetzt sie lediglich die tatrichterliche Würdigung durch ihre eigene, ohne einen Rechtsfehler darzutun.

Die Parteien erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von drei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

[X.]                     Pokrant                      Büscher

                     [X.]                       Löffler

Hinweis: Das Revisionsverfahren ist durch Revisionsrücknahme erledigt worden.

Meta

I ZR 121/13

26.02.2014

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Berlin, 30. April 2013, Az: 16 S 15/11, Urteil

§ 2 Abs 1 Nr 7 UrhG, § 2 Abs 2 UrhG, § 7 UrhG, § 16 UrhG, § 19a UrhG, § 97 UrhG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 26.02.2014, Az. I ZR 121/13 (REWIS RS 2014, 7503)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 7503

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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