Bundessozialgericht, Urteil vom 30.11.2011, Az. B 11 AL 37/10 R

11. Senat | REWIS RS 2011, 958

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Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] Niedersachsen-Bremen vom 25. Oktober 2010 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe ([X.]) wegen eines [X.] nach § 3 Abs 1 Mutterschutzgesetz (MuSchG) noch für die [X.] ab [X.].

2

Die Klägerin bezog im [X.] an Arbeitslosengeld [X.]) vom 18.4. bis 31.12.2004 [X.] (Bewilligungsbescheid der Beklagten vom 31.3.2004). Am 18.8.2004 stellte die behandelnde Ärztin der Klägerin eine Bescheinigung folgenden Inhalts aus: "Hiermit erteile ich nach Paragraph 3 Absatz 1 Mutterschutzgesetz, ein Beschäftigungsverbot. Das Beschäftigungsverbot wird ab 18.08.04 ausgesprochen."

3

Mit Bescheid vom 25.8.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4.10.2004 hob die Beklagte die Bewilligung von [X.] ab 18.8.2004 auf, weil es sich bei dem der Klägerin ärztlich bescheinigten Beschäftigungsverbot nach § 3 Abs 1 MuSchG um ein gesetzliches (absolutes) Beschäftigungsverbot handele, das zum Wegfall der Anspruchsvoraussetzung der Verfügbarkeit führe.

4

Das Sozialgericht ([X.]) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 14.9.2007). Während des Berufungsverfahrens hat die Beklagte unter teilweiser Änderung der angefochtenen Bescheide einen Anspruch der Klägerin auf [X.] bis zum 6.9.2004 anerkannt. Das [X.] (L[X.]) hat von der Ärztin [X.] die Auskunft eingeholt, dass diese im Jahre 2005 aus der Praxis ausgeschieden sei und sich an die Klägerin nicht erinnern könne (Auskunft ohne Datum, eingegangen beim L[X.] am 7.5.2010). Der [X.] hat am [X.] angegeben, dass er - von der Tatsache der Ausstellung eines "Arbeitsverbots" abgesehen - keine Informationen bezüglich des [X.] der Klägerin besitze.

5

Mit Urteil vom 25.10.2010 hat das L[X.] das Urteil des [X.] sowie den Bescheid der Beklagten vom 25.8.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4.10.2004 und des angenommenen [X.] vom 25.10.2010 insoweit aufgehoben, als die Bewilligung von [X.] für die [X.] vom [X.] bis zum Beginn des [X.] gemäß § 3 Abs 2 MuSchG aufgehoben worden ist. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin habe trotz des ausgesprochenen absoluten [X.] Anspruch auf Gewährung von [X.] im streitigen [X.]raum. Bei verfassungskonformer Auslegung des § 119 Abs 3 [X.] Sozialgesetzbuch Drittes Buch idF des 3. Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003, [X.] 2848 ([X.]B III aF) seien die Voraussetzungen der Vorschrift bis zum Beginn des Mutterschutzes erfüllt; insbesondere habe bei der Klägerin Verfügbarkeit vorgelegen. Die beigezogenen Behandlungsunterlagen hätten ergeben, dass ab [X.] keinerlei krankhafte Befunde bei der Klägerin mehr vorgelegen hätten. Arbeitsunfähigkeit ([X.]) habe nicht bestanden. Eine Risikoschwangerschaft stelle nur dann zugleich eine krankheitsbedingte [X.] der Mutter dar, wenn das Risiko auf einer Erkrankung beruhe. Das reine Beschäftigungsverbot liefe leer, würden bereits die Gefährdung der Mutter oder der Leibesfrucht zu einer [X.] führen. Bei verfassungskonformer Auslegung des § 119 Abs 3 [X.] [X.]B III aF sei daher die Verfügbarkeit für den in Frage stehenden [X.]raum zu fingieren. Es bestehe eine einfachgesetzliche Regelungslücke, die zur Vermeidung einer Verletzung des sich aus Art 6 Abs 4 Grundgesetz (GG) ergebenden Schutzauftrags unter Heranziehung der Rechtsgedanken der § 120 Abs 1, §§ 125, 126 [X.]B III dahingehend geschlossen werden müsse, dass die Beklagte - vergleichbar dem nach § 11 Abs 1 MuSchG zur Entgeltfortzahlung verpflichteten Arbeitgeber - bis zum Beginn des Mutterschutzes gemäß § 3 Abs 2 MuSchG zur Zahlung der bisherigen Entgeltersatzleistung (hier: [X.]) verpflichtet bleibe.

6

Mit der vom L[X.] zugelassenen Revision rügt die Beklagte das Vorliegen eines Verfahrensfehlers, auf dem die Entscheidung des L[X.] beruhe, sowie die Verletzung materiellen Rechts (§ 119 Abs 1 [X.] und Abs 5 [X.] [X.]B III). Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus: Das L[X.] habe die Krankenkasse ([X.]) der Klägerin zum Verfahren beiladen müssen, weil deren Verurteilung als leistungspflichtig in Betracht gekommen sei (§ 75 Abs 2 [X.]gesetz <[X.]G>). Denn bei dem der Klägerin gegenüber ausgesprochenen absoluten Beschäftigungsverbot bestehe keine Verfügbarkeit im Sinne des Leistungsrechts der Arbeitslosenversicherung; vielmehr sei das absolute Beschäftigungsverbot einer [X.] gleichzustellen mit der Folge, dass die zuständige [X.] mit Krankengeldleistungen einzustehen habe. Vermittlungsbemühungen der Arbeitsverwaltung kämen nur in Betracht, wenn die Versicherte Arbeiten auf dem Arbeitsmarkt aufnehmen und ausüben könne und dürfe. Bei der Klägerin sei zu Recht ab [X.] nicht [X.] attestiert, sondern ein Beschäftigungsverbot ausgesprochen worden. Insoweit bestehe eine planwidrige Unvollständigkeit im sozialrechtlichen Schutz schwangerer Arbeitsloser, die nicht durch analoge Anwendung der Regelungen des [X.]B III, sondern derjenigen des Sozialgesetzbuchs [X.] ([X.]B V) zur [X.] zu schließen sei. Hierfür spreche bereits die grammatische Auslegung der §§ 3 und 11 Abs 1 MuSchG iVm § 44 [X.]B V und § 119 Abs 5 [X.]B III; aber auch rechtssystematische und historische Überlegungen führten zur Zuständigkeit der beizuladenden [X.].

7

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des [X.]s vom 25.10.2010 aufzuheben, soweit damit das Urteil des [X.] vom 14.9.2007 und der Bescheid der Beklagten vom 25.8.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4.10.2004 und des angenommenen [X.] vom 25.10.2010 aufgehoben worden sind, und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des [X.] zurückzuweisen.

8

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt (§ 124 Abs 2 [X.]G).

Entscheidungsgründe

Die Revision der [X.] ist im Sinne der Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Die bisherigen tatsächlichen Feststellungen des [X.] reichen für eine Entscheidung über den streitigen Anspruch auf [X.] nicht aus. Insbesondere lässt sich nicht abschließend beurteilen, ob die Klägerin auch in der [X.] ab [X.] für Vermittlungsbemühungen der [X.] zur Verfügung stand (§ 119 Abs 1 [X.] iVm § 190 Abs 1 [X.] aF).

1. Die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Aufhebung der Bewilligung von [X.] ab [X.] richtet sich nach § 48 Abs 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch ([X.]). Nach dieser Vorschrift ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt.

Mit der Bewilligung von [X.] ab 18.4.2004 hat die [X.] einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung (Bescheid vom 31.3.2004) erlassen; denn seine Regelung erstreckt sich auf wiederkehrende monatliche Leistungen. Diesen Verwaltungsakt hat die [X.] zunächst durch den Bescheid vom 25.8.2004 rückwirkend zum 18.8.2004 geändert, weil nach dem Attest der behandelnden Ärztin ab diesem Tag ein Beschäftigungsverbot bestand. Im Verlauf des Klageverfahrens hat sie diese Entscheidung jedoch dahin korrigiert, dass die Leistungsaufhebung nur noch die [X.] ab [X.] betraf. Die Rechtsfrage einer rückwirkenden Aufhebung des Leistungsbescheids nach § 48 Abs 1 Satz 2 [X.] iVm § 330 Abs 3 Satz 1 [X.] stellt sich vorliegend mithin nicht, sondern nur noch die Frage der Rechtmäßigkeit einer Aufhebung der Leistung mit Wirkung für die Zukunft nach § 48 Abs 1 Satz 1 [X.].

2. Ob im Vergleich mit dem [X.]punkt der Leistungsbewilligung eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen eingetreten ist, lässt sich nicht abschließend beurteilen. Hierzu fehlt es an tatsächlichen Feststellungen, die das [X.] aufgrund des von ihm vertretenen [X.] nicht getroffen hat. Der Rechtsstandpunkt des [X.] ist indes unzutreffend. Denn das [X.] ist von der Notwendigkeit einer verfassungskonformen Auslegung der Anspruchsvoraussetzung der Verfügbarkeit (§ 119 Abs 1 [X.] iVm § 190 Abs 1 [X.] aF) ausgegangen, ohne deren Tatbestandsvoraussetzungen vollständig aufzuklären. Wie der [X.] bereits in seiner Entscheidung vom [X.] ([X.]-4100 § 103 [X.]) ausgeführt hat, kann eine Regelungslücke erst dann in Betracht gezogen werden, wenn die für die sozialrechtliche Lage erheblichen Tatsachen geklärt sind. Maßgebend ist aber, wie weit das am 18.8.2004 von der behandelnden Ärztin ausgesprochene Beschäftigungsverbot reichte, dh ob es sich nur auf die zuletzt von der Klägerin ausgeübte Tätigkeit als Floristin oder auf jegliche andere Art von Tätigkeit, die der Klägerin im Rahmen des § 121 [X.] zumutbar war, erstreckt hat (vgl auch [X.], 182 = [X.]-2500 § 44 [X.] - zu den [X.] in § 121 [X.]).

3. Der [X.] hat in seiner Entscheidung vom [X.] ([X.]-4100 § 103 [X.]) ferner ausgeführt, dass sich nach der Rechtsprechung des BSG und des [X.] jedenfalls bei der Anwendung des § 11 [X.] die Annahme eines mutterschutzrechtlichen [X.] nach § 3 Abs 1 [X.] und einer [X.] infolge Schwangerschaft gegenseitig ausschließen. Der gegen den Arbeitgeber gerichtete Anspruch auf [X.] nach § 11 [X.] setzt also voraus, dass allein das mutterschutzrechtliche Beschäftigungsverbot einer Beschäftigung der Schwangeren entgegensteht, was nur bei einem normalen Schwangerschaftsverlauf zutrifft und die gesunde Schwangere während der Unterbrechung der Beschäftigung aus Gründen der Gefahrenvorsorge sichert.

In der [X.]sentscheidung vom [X.] nicht erörtert worden ist aber die Frage, inwieweit das Beschäftigungsverbot nach § 3 Abs 1 [X.] überhaupt auf schwangere Arbeitslose anzuwenden ist. Auch der 7. [X.] des BSG hat in seiner Entscheidung vom 21.10.2003 ([X.] AL 28/03 R - [X.], 226 = [X.]-4300 § 147 [X.]), die den Ablauf der vierjährigen Verfallfrist nach § 147 Abs 2 [X.] während eines nachgeburtlichen [X.] nach § 6 Abs 1 [X.] zum Gegenstand hatte, diese Frage nicht problematisiert. Das Beschäftigungsverbot nach § 6 Abs 1 [X.], das als absolutes gesetzliches Verbot ausgestaltet ist (vgl [X.], Kommentar zum [X.], § 6 RdNr 14, Stand Juni 2009), unterscheidet sich aber in seinen tatbestandlichen Voraussetzungen deutlich von einem Beschäftigungsverbot nach § 3 Abs 1 [X.].

Nach § 3 Abs 1 [X.] dürfen werdende Mütter nicht beschäftigt werden, soweit nach ärztlichem Zeugnis Leben oder Gesundheit von Mutter oder Kind "bei Fortdauer der Beschäftigung" gefährdet sind. Mithin setzt das Beschäftigungsverbot - worauf die [X.] zu Recht hinweist - ein fortdauerndes Beschäftigungsverhältnis voraus. Dies wird auch durch § 1 Abs 1 [X.] verdeutlicht, wonach dieses Gesetz "für Frauen, die in einem Arbeitsverhältnis stehen" gilt. Als "[X.] der erwerbstätigen Mutter" erfasst das [X.] somit nicht die erwerbslosen Frauen (vgl Abschlussbericht zu [X.]/3652 [X.] - zum Gesetz vom [X.]; ebenso [X.], Kommentar zum [X.], § 1 RdNr 1, Stand Juli 2011; [X.] in [X.]/[X.], Kommentar zum [X.], § 1 RdNr 5, 28, Stand Mai 2006 bzw Dezember 2010 - jeweils unter Hinweis auf BSG Urteil vom 28.10.1965 - 3 RK 73/61 - [X.] Nr 6 zu § 13 [X.] = [X.] 1966, 192). Die im [X.]surteil vom [X.] zitierte krankenversicherungsrechtliche Rechtsprechung und die Rechtsprechung des [X.] beschäftigen sich demgemäß auch nur mit Ausgleichsansprüchen bei laufendem Beschäftigungsverhältnis, nicht jedoch mit den Auswirkungen eines [X.] für eine schwangere Arbeitslose.

Der [X.] geht nach erneuter Prüfung davon aus, dass ein Beschäftigungsverbot nach § 3 Abs 1 [X.] nicht unmittelbar auf Arbeitslose übertragen werden kann. Denn § 3 Abs 1 [X.] stellt darauf ab, ob eine Gefährdung bei Fortdauer der Beschäftigung besteht. Es geht also um den Zusammenhang zwischen der Fortdauer der Beschäftigung und der Gefahr für Leben oder Gesundheit. Dabei kann die Gefahr von einer Beschäftigung ausgehen, die Beschäftigung kann aber auch an sich ungefährlich sein und die Gefahr von der individuellen gesundheitlichen Konstitution der Frau ausgehen (vgl [X.], aaO, § 3 RdNr 15 mwN). Ein Beschäftigungsverbot bewirkt lediglich, dass der Arbeitgeber die betreffende Arbeitnehmerin tatsächlich nicht beschäftigen darf. Nach Wortlaut und Systematik des [X.] hat der Arzt bei einem individuellen Beschäftigungsverbot nach § 3 Abs 1 [X.] nur die Gefährdungslage zu attestieren; das Beschäftigungsverbot tritt kraft Gesetzes ein, sobald das Attest über die Gefährdungslage beim Arbeitgeber eintrifft (vgl [X.] in [X.]/[X.], aaO, § 3 Rd[X.]1; ebenso [X.], aaO, § 3 RdNr 19, wonach das ärztliche Zeugnis konstitutive Wirkung hat - unter Hinweis auf [X.]-Rechtsprechung). Diese Grundsätze gelten aber jedenfalls nicht unmittelbar für Schwangere, die nicht in einem Beschäftigungsverhältnis stehen.

4. Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist zu beanstanden, das das [X.] aus dem ärztlichen Attest das Wort "Beschäftigungsverbot" übernommen hat, ohne sich mit Wortlaut und Sinn des § 3 Abs 1 [X.] auseinanderzusetzen. Da § 3 Abs 1 [X.] nicht für arbeitslose Frauen gilt, hätte Veranlassung bestanden, das Beschäftigungsverbot von dem Begriff der [X.] und dessen Anforderungen abzugrenzen. Das [X.] hätte mithin zunächst der Frage nachgehen müssen, ob und inwieweit ein Beschäftigungsverbot nach § 3 Abs 1 [X.] für die Beurteilung der Verfügbarkeit einer arbeitslosen Schwangeren von Bedeutung ist.

Nach § 119 Abs 5 [X.] steht den Vermittlungsbemühungen der [X.] zur Verfügung, wer eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarkts ausüben kann und darf. [X.] sind dem Arbeitslosen gemäß § 121 Abs 1 [X.] alle seiner Arbeitsfähigkeit entsprechenden Beschäftigungen, soweit allgemeine oder personenbezogene Gründe der [X.]keit nicht entgegenstehen. Das Dürfen im Rahmen der objektiven Verfügbarkeit betrifft die rechtliche Zulässigkeit, eine Beschäftigung überhaupt oder in dem gewünschten Umfang auszuüben. Es kommt deshalb darauf an, welche Beschäftigungen der Klägerin - außer der zuletzt ausgeübten einer Verwaltungsangestellten - iS des § 121 Abs 1 [X.] objektiv zumutbar sind. Sodann ist zu prüfen, ob gesetzliche oder behördliche Verbote der Aufnahme einer bestimmten Beschäftigung entgegenstehen. Denn ist ein Arbeitsloser durch ein solches Verbot rechtlich gehindert, eine bestimmte Beschäftigung auszuüben, ist er insoweit objektiv nicht verfügbar (vgl - allerdings ohne nähere Erläuterung - Durchführungsanweisung der [X.] zu § 119 [X.], [X.], Ordnungsnummer 3.1.4 Beschäftigungsverbote <119.143>; Stand 4/2011). Schließlich ist entscheidungserheblich, ob die Klägerin ab [X.] gesundheitlich (weiterhin) in der Lage gewesen wäre, eine ihr objektiv zumutbare Beschäftigung auch tatsächlich auszuüben; insoweit kann dem ärztlich ausgesprochenen Beschäftigungsverbot allenfalls Indizwirkung zukommen.

Den bisherigen tatsächlichen Feststellungen des [X.] kann nicht entnommen werden, die Klägerin sei aufgrund des ärztlich attestieren [X.] rechtlich gehindert gewesen, eine ihr nach den Maßstäben der Arbeitslosenversicherung zumutbare Tätigkeit aufzunehmen. Denn selbst wenn ein Beschäftigungsverbot nach § 3 Abs 1 [X.] als ein im Rahmen des § 119 Abs 5 [X.] zu beachtendes gesetzliches Beschäftigungsverbot anzusehen wäre - wie dies in der Literatur teilweise vertreten wird - (so ohne nähere Begründung [X.] in [X.]/[X.], [X.], Stand 2006, § 119 RdNr 121, 123; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], 3. Aufl 2008, § 119 RdNr 127), könnte daraus nur gefolgert werden, dass arbeitslose Schwangere nicht beschäftigt werden dürfen, soweit mit einer Beschäftigung Gesundheitsgefahren verbunden sind, wobei es näherer Prüfung der qualitativen und quantitativen Leistungseinschränkungen sowie des [X.] der nicht zulässigen Tätigkeiten bedarf (vgl [X.], aaO, § 3 Rd[X.]2). Hierzu ergeben sich weder aus der ärztlichen Bescheinigung vom 18.8.2004, die sich auf die Erklärung eines [X.] ohne Angabe von Gründen beschränkt, noch aus den Angaben des [X.] klare Aussagen.

Das [X.] wird deshalb im [X.] an die Bestimmung einer der Klägerin objektiv zumutbaren Beschäftigung zu prüfen und insoweit eindeutige Feststellungen zu treffen haben, welche Beschäftigungsmöglichkeiten für die schwangere Klägerin in der fraglichen [X.] tatsächlich noch in Betracht kamen und inwieweit ihre Leistungsfähigkeit durch das ärztlicherseits festgestellte gesundheitliche Risikopotenzial beeinträchtigt war. Sollten die weiteren Ermittlungen - etwa durch weitere Nachfrage oder durch Beauftragung eines ärztlichen Sachverständigen mit der Erstellung eines Gutachtens nach Aktenlage, Einschaltung des Medizinischen Dienstes der [X.] oder durch Einvernahme von Zeugen - zu dem Ergebnis führen, dass bei der Klägerin selbst leichte Arbeiten im zeitlichen Umfang von 20 Stunden wöchentlich in der fraglichen [X.] mit Gesundheitsgefahren verbunden waren, fehlt es bereits an einer Verfügbarkeit im Sinn des "Könnens" einer Beschäftigung und ist - wie der [X.] bereits in seiner Entscheidung vom [X.] ausgeführt hat - vom Vorliegen einer [X.] auszugehen. Insoweit besteht keine Bindung an eine etwaige ärztliche Aussage, [X.] sei zu verneinen (vgl zur Definition der [X.] bei Arbeitslosen auch § 2 Abs 3 der [X.]). Dagegen wären bei nur auf bestimmte Beschäftigungen bezogene Einschränkungen - wie der [X.] in der genannten Entscheidung ebenfalls ausgeführt hat - [X.] und Verfügbarkeit für die Arbeitsvermittlung miteinander vereinbar mit der Folge, dass die Klägerin - bezogen auf den für sie möglichen und zumutbaren Kreis in Betracht kommender Beschäftigungen - weiterhin verfügbar wäre und die Voraussetzungen eines Anspruchs auf [X.] gegeben wären. Die Aufhebung des [X.] für die [X.] ab [X.] erwiese sich dann als rechtswidrig mit der Folge, dass die Berufung der [X.] gegen das erstinstanzliche Urteil - wenn auch mit anderer Begründung - zurückzuweisen wäre.

5. Sollte sich nach Ausschöpfung aller Ermittlungsmöglichkeiten, insbesondere im Hinblick auf die inzwischen verstrichene [X.], nicht aufklären lassen, ob die Klägerin im streitigen [X.]raum ab [X.] verfügbar iS der §§ 119, 121 [X.] war, träfe die [X.] die objektive Beweislast für die Rechtmäßigkeit der Leistungsaufhebung nach § 48 Abs 1[X.]. Denn wenn sich eine Änderung der Verhältnisse nicht jenseits vernünftiger Zweifel feststellen lässt, geht dies zu Lasten desjenigen, der hieraus Rechte herleiten will (vgl [X.] in [X.] Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Stand 2005, § 48 [X.] Rd[X.]2).

6. Da entgegen der Auffassung des [X.] in Betracht kommt, dass auch die zuständige Krankenkasse leistungspflichtig sein könnte, wird das [X.] sie beizuladen haben (§ 75 Abs 2 SGG).

7. Das [X.] wird auch über die Kosten einschließlich der Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.

Meta

B 11 AL 37/10 R

30.11.2011

Bundessozialgericht 11. Senat

Urteil

Sachgebiet: AL

vorgehend SG Lüneburg, 14. September 2007, Az: S 7 AL 472/04, Urteil

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 30.11.2011, Az. B 11 AL 37/10 R (REWIS RS 2011, 958)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 958

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