Bundessozialgericht, Urteil vom 22.02.2012, Az. B 11 AL 26/10 R

11. Senat | REWIS RS 2012, 8929

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

(Arbeitslosengeldanspruch - Verfügbarkeit bei ärztlichem Beschäftigungsverbot nach § 3 Abs 1 MuSchG für nicht erwerbstätige Schwangere - fehlende Feststellungen zu Leistungseinschränkungen und zumutbaren Beschäftigungen - Verfügbarkeit während der Mutterschutzfrist gem § 3 Abs 2 MuSchG bei Erklärung der Bereitschaft zur Arbeitsleistung)


Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 22. Juni 2010 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt Arbeitslosengeld [X.]) ab 1.6. bis 30.7.2008.

2

Die 1976 geborene Klägerin war ab 15.9.2004 jeweils befristet, zuletzt vom [X.] bis [X.] als Altenpflegerin (in Vollzeit) beschäftigt. Anlässlich einer Untersuchung am [X.] wurde bei der Klägerin eine Schwangerschaft in der zehnten Schwangerschaftswoche festgestellt. Der mutmaßliche Tag der Entbindung wurde auf den [X.] festgesetzt und der letzte Arbeitstag vor Mutterschutzbeginn auf den 8.7.2008 (ärztliche Schwangerschaftsbescheinigung vom [X.]). Am 13.3.2008 stellte die behandelnde Frauenärztin Dr. H. der Klägerin eine "Bescheinigung zur Vorlage beim Arbeitgeber" aus, wonach gemäß § 3 Abs 1 Mutterschutzgesetz (MuSchG) mit sofortiger Wirkung ein Beschäftigungsverbot bestehe, das voraussichtlich bis zum Geburtstermin gelte und sich auf "jede Tätigkeit" beziehe.

3

Am 8.5.2008 meldete sich die Klägerin mit Wirkung vom 1.6.2008 arbeitslos und beantragte die Gewährung von [X.]. Die Beklagte lehnte den Antrag mit der Begründung ab, die Klägerin sei nicht arbeitslos, denn sie könne wegen des [X.] keine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung aufnehmen (Bescheid vom [X.], Widerspruchsbescheid vom 2.7.2008).

4

Im Klageverfahren hat das Sozialgericht (SG) die zuständige Krankenkasse zu dem Verfahren beigeladen und - nach Beweiserhebung (Einholung einer Stellungnahme von [X.]) - die Beklagte unter Aufhebung des angefochtenen Bescheids verurteilt, "der Klägerin ab 01.06.2008 Arbeitslosengeld in gesetzlichem Umfang zu gewähren".

5

Mit Urteil vom [X.] hat das [X.] ([X.]) die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin erfülle die Voraussetzungen für einen Anspruch auf [X.] ab 1.6.2008. Sie sei entgegen der Auffassung der Beklagten auch arbeitslos. Zwar schließe ein Beschäftigungsverbot gemäß § 3 Abs 1 MuSchG die objektive Verfügbarkeit aus, da hiernach werdende Mütter nicht beschäftigt werden dürften, soweit nach ärztlichem Zeugnis Leben oder Gesundheit von Mutter oder Kind bei Fortdauer der Beschäftigung gefährdet sei. Doch sei die Verfügbarkeit zu fingieren, da ansonsten eine verfassungswidrige Lücke entstünde. Die Klägerin habe mangels Arbeitsunfähigkeit ([X.]) keinen Anspruch auf Krankengeld. Die behandelnde Frauenärztin habe überzeugend dargelegt, dass das bei der Klägerin wiederholt aufkommende Ziehen im Bauch Anzeichen für eine Frühgeburt gewesen sein könne, aber nicht zur krankheitsbedingten [X.] geführt habe. Ein Ziehen im Bauch sei kein anormaler Verlauf der Schwangerschaft, sondern zähle zu den üblichen Beschwerden einer Schwangerschaft; die Arbeitsfähigkeit werde dadurch nicht eingeschränkt. Es habe allein aufgrund der durchgeführten künstlichen Befruchtung und der Zwillingsschwangerschaft bei der Klägerin die Gefahr einer Frühgeburt bestanden. Auf eine solche Sachverhaltsgestaltung sei die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom [X.] ([X.] [X.] 77/98 R), wonach ein generelles Beschäftigungsverbot ohne die Verfügbarkeit ausschließende Arbeitsunfähigkeit regelmäßig nicht denkbar sein dürfte, nicht übertragbar.

6

Mit der vom [X.] zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung materiellen Rechts (§ 119 Abs 1 [X.] und Abs 5 [X.] <[X.]>). Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus: Das [X.] habe sich mit dem Inhalt des ärztlichen Attests auseinandersetzen und begründen müssen, weshalb im streitigen Zeitraum tatsächlich ein Beschäftigungsverbot gemäß § 3 Abs 1 MuSchG gerechtfertigt gewesen sei. So lege der Inhalt der ärztlichen Bescheinigung vom 13.3.2008 die Erwägung nahe, dass der behandelnde Hausarzt der Sache nach eine krankheitsbedingte [X.] bescheinigt habe. Bei einer "gesunden Schwangeren", wovon das [X.] bei der Klägerin ausgegangen sei, sei eine etwaige Regelungslücke nicht durch analoge Anwendung der Regelungen des [X.] zur Verfügbarkeit, sondern derjenigen des [X.] ([X.]) zur [X.] zu schließen. Für die Leistungspflicht der Krankenkassen ([X.]) spreche bereits die grammatikalische Auslegung der §§ 3 und 11 MuSchG iVm § 44 [X.] bzw § 119 Abs 5 [X.]; aber auch rechtssystematische und historische Überlegungen stützten dieses Ergebnis.

7

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des [X.]s vom 22. Juni 2010 sowie das Urteil des [X.] vom 27. August 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Ein Korrelat zur Leistungspflicht des Arbeitgebers nach § 11 MuSchG existiere nicht, sodass bei arbeitslosen Schwangeren die Voraussetzungen der Verfügbarkeit nach § 119 [X.] fingiert werden müssten, um eine "Lückenschließung" zu erreichen.

Auch die Beigeladene, die keinen eigenen Sachantrag stellt, schließt sich den Ausführungen des Berufungsurteils an.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist iS der Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 S 2 Sozialgerichtsgesetz <[X.]G>). Die bisherigen tatsächlichen Feststellungen des [X.] reichen für eine Entscheidung über den streitigen Anspruch auf [X.] nicht aus. Insbesondere lässt sich nicht abschließend beurteilen, ob die Klägerin ab 1.6. bis 30.7.2008 den Vermittlungsbemühungen der [X.] zur Verfügung stand (§ 119 Abs 1 [X.] idF des [X.] am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003, BGBl I 2848).

1. Nach § 117 Abs 1 [X.] in der hier maßgeblichen Fassung des [X.] (aaO) haben Arbeitnehmer Anspruch auf [X.] bei Arbeitslosigkeit. Der Anspruch setzt nach § 118 Abs 1 [X.] voraus, dass der Arbeitnehmer arbeitslos ist ([X.] 1), sich bei der [X.] arbeitslos gemeldet ([X.] 2) und die Anwartschaftszeit erfüllt hat ([X.] 3).

Nach den tatsächlichen Feststellungen des [X.] hat die Klägerin sich am [X.] (bei dem in den Entscheidungsgründen genannten Termin "10. Juni 2008" handelt es sich um einen offensichtlichen Schreibfehler) arbeitslos gemeldet (§ 118 Abs 1 [X.] 2, § 122 Abs 1 [X.]) und die Anwartschaftszeit erfüllt (§§ 123, 124, 125 [X.]). Hingegen kann anhand der bisherigen tatsächlichen Feststellungen des [X.] nicht abschließend beurteilt werden, ob die Klägerin auch arbeitslos war. Hierzu fehlt es an tatsächlichen Feststellungen, die das [X.] - von seiner Rechtsauffassung her konsequent - nicht getroffen hat.

Arbeitslosigkeit setzt gemäß § 119 Abs 1 [X.] nicht nur voraus, dass der Arbeitnehmer nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit), sondern erfordert auch, dass er den Vermittlungsbemühungen der [X.] zur Verfügung steht (Verfügbarkeit). Dies ist gemäß § 119 Abs 5 [X.] der Fall, wenn der Arbeitslose eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes ausüben kann und darf. [X.] sind ihm gemäß § 121 Abs 1 [X.] alle seiner Arbeitsfähigkeit entsprechenden Beschäftigungen, soweit allgemeine oder personenbezogene Gründe der [X.]keit nicht entgegenstehen. Mit dem Wort "darf" ist die rechtliche Zulässigkeit angesprochen, eine Beschäftigung überhaupt oder in dem gewünschten Umfang auszuüben. Es kommt deshalb darauf an, welche Beschäftigungen der Klägerin iS des § 121 Abs 1 [X.] objektiv zumutbar waren und welchen davon gesetzliche oder behördliche Verbote entgegenstanden. Denn ist ein Arbeitsloser durch ein solches Verbot rechtlich gehindert, eine bestimmte Beschäftigung auszuüben, ist er insoweit objektiv nicht verfügbar. Schließlich ist entscheidungserheblich, ob die Klägerin ab 1.6.2008 gesundheitlich in der Lage gewesen wäre, eine ihr objektiv zumutbare Beschäftigung auch tatsächlich auszuüben; insoweit kann dem ärztlich ausgesprochenen Beschäftigungsverbot allenfalls Indizwirkung zukommen. Dies hat der erkennende [X.] zuletzt in seiner Entscheidung vom 30.11.2011 ([X.] AL 7/11 R, Rd[X.] 19 - zur [X.] vorgesehen) klargestellt. An dieser Rechtsprechung hält er nach erneuter Überprüfung fest.

2. Der Rechtsstandpunkt des [X.], das wegen einer verfassungswidrigen Regelungslücke die Verfügbarkeit der Klägerin fingiert hat, ist unzutreffend. Wie der [X.] bereits in seiner Entscheidung vom [X.] ([X.]-4100 § 103 [X.] 19 S 74) ausgeführt und erneut in seiner Entscheidung vom 30.11.2011 ([X.] AL 7/11 R, Rd[X.] 13 - zur [X.] vorgesehen) betont hat, kann eine Regelungslücke vielmehr erst dann in Betracht gezogen werden, wenn die für die sozialrechtliche Lage erheblichen Tatsachen geklärt sind. Maßgebend ist also, wie weit das am [X.] von der behandelnden Ärztin angesprochene Beschäftigungsverbot reichte, dh ob es sich nur auf die zuletzt von der Klägerin ausgeübte Tätigkeit als Altenpflegerin erstreckte oder auf jegliche andere Art von Tätigkeit, die der Klägerin im Rahmen des § 121 [X.] zumutbar war (vgl auch [X.], 182 = [X.]-2500 § 44 [X.] 9 - zu den [X.]keitskriterien in § 121 [X.]).

3. Der [X.] hat in seinen Entscheidungen vom [X.] und 30.11.2011 bereits ausgeführt, dass sich nach der Rechtsprechung des B[X.] und des [X.] ([X.]) jedenfalls bei der Anwendung des § 11 [X.] die Annahme eines mutterschutzrechtlichen [X.] nach § 3 Abs 1 [X.] und die einer [X.] infolge Schwangerschaft gegenseitig ausschließen. Der gegen den Arbeitgeber gerichtete Anspruch auf [X.] nach § 11 [X.] setzt also voraus, dass allein das mutterschutzrechtliche Beschäftigungsverbot einer Beschäftigung der Schwangeren entgegensteht, was nur bei einem normalen Schwangerschaftsverlauf zutrifft und die gesunde Schwangere während der Unterbrechung der Beschäftigung aus Gründen der Gefahrenvorsorge sichert.

4. Wie der [X.] in seiner Entscheidung vom 30.11.2011 ([X.] AL 7/11 R, Rd[X.] 17 - zur [X.] vorgesehen) ausgeführt hat, kann das Beschäftigungsverbot nach § 3 Abs 1 [X.] nicht unmittelbar auf Arbeitslose übertragen werden. Denn § 3 Abs 1 [X.] stellt darauf ab, dass die Gefährdung bei Fortdauer der Beschäftigung besteht. Es muss also ein Zusammenhang zwischen der Fortdauer der Beschäftigung und der Gefahr für Leib oder Leben von Mutter oder Kind bestehen. Dabei kann die Gefahr von einer Beschäftigung ausgehen, die Beschäftigung kann aber auch an sich ungefährlich sein und die Gefahr von der individuellen gesundheitlichen Konstitution der Frau ausgehen (vgl [X.], [X.], § 3 Rd[X.] 15, Stand Juni 2009 mwN). Ein Beschäftigungsverbot bewirkt lediglich, dass der Arbeitgeber die betreffende Arbeitnehmerin tatsächlich nicht beschäftigen darf. Nach Wortlaut und Systematik des [X.] hat der Arzt bei einem individuellen Beschäftigungsverbot nach § 3 Abs 1 [X.] nur die Gefährdungslage zu attestieren; das Beschäftigungsverbot tritt kraft Gesetzes ein, sobald das Attest über die Gefährdungslage beim Arbeitgeber eintrifft (vgl [X.] in [X.]/[X.], [X.], § 3 Rd[X.] 31, Stand April 2011; ebenso [X.], aaO, Rd[X.] 19, wonach das ärztliche Zeugnis konstitutive Wirkung hat - unter Hinweis auf [X.]-Rechtsprechung).

5. Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist zu beanstanden, dass das [X.] nicht der Frage nachgegangen ist, ob und inwieweit das zum Zeitpunkt des noch laufenden Arbeitsverhältnisses ausgesprochene Beschäftigungsverbot nach § 3 Abs 1 [X.] für die Beurteilung der Verfügbarkeit einer arbeitslosen Schwangeren von Bedeutung ist. Es hat aus der ärztlichen Bescheinigung nur das Wort "Beschäftigungsverbot" übernommen, ohne sich mit Wortlaut und Sinn der einschlägigen Rechtsgrundlage nach § 3 Abs 1 [X.] auseinanderzusetzen. Denn § 3 Abs 1 [X.] gilt nicht für arbeitslose Frauen; deshalb hätte Veranlassung bestanden, das Beschäftigungsverbot von dem Begriff der [X.] und dessen Anforderungen abzugrenzen. Insofern sind auch die Ausführungen des [X.] unzureichend, die bei der Klägerin bestehenden Beschwerden und Gefährdungen hätten ab 1.6.2008 nicht zu einer krankheitsbedingten [X.], sondern ausschließlich zu einem Beschäftigungsverbot aufgrund der Gefahr einer Frühgeburt geführt.

6. Selbst wenn das individuelle Beschäftigungsverbot nach § 3 Abs 1 [X.] als ein im Rahmen des § 119 Abs 5 [X.] zu beachtendes gesetzliches Beschäftigungsverbot anzusehen wäre - wie dies die Beklagte (vgl deren Durchführungsanweisungen zu § 119 [X.], [X.] f, Ziff 3.1.4 Beschäftigungsverbote <119.143 und 119.144>, Stand 4/2011) und teilweise auch die Literatur vertritt (so [X.] in [X.]/[X.], [X.], § 119 Rd[X.] 121, 123, Stand Einzelkommentierung 2006; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 3. Aufl 2001, § 118 Rd[X.] 127) - könnte daraus nur gefolgert werden, dass arbeitslose Schwangere nicht beschäftigt werden dürfen, soweit nach ärztlichem Attest mit einer Beschäftigung Gesundheitsgefahren verbunden sind, wobei es näherer Prüfung der qualitativen und quantitativen Leistungseinschränkungen sowie des [X.] der nicht zulässigen Tätigkeiten bedarf (vgl [X.], aaO, § 3 Rd[X.] 22). Dazu enthält die ärztliche Bescheinigung vom 13.3.2008 nur eine an den Arbeitgeber gerichtete Aussage, wonach sich das Beschäftigungsverbot auf jede Tätigkeit aus dem damals noch bestehenden Beschäftigungsverhältnis beziehe. Die Erklärung des [X.] beschränkt sich auf die Wiedergabe des in § 3 Abs 1 [X.] enthaltenen Gesetzeswortlauts. Auch die Nachfrage des [X.] und die Auskunft der behandelnden Ärztin Dr. H. vom 18.11.2008 haben nicht der Tatsache Rechnung getragen, dass die Klägerin seit 1.6.2008 nicht mehr in einem Beschäftigungsverhältnis stand, sondern arbeitslos war. [X.] ist zwar weiterhin verneint worden, weil es bei der Klägerin abgesehen von ihrer Risikoschwangerschaft keine weiteren Beschwerden oder Erkrankungen gegeben habe. Die behandelnde Ärztin ist jedoch nicht danach gefragt worden, ob und ggf weshalb die Risikoschwangerschaft jede Art von Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt - bezogen auf die Zeit bis zum Mutterschutzbeginn - ausgeschlossen hat.

Das [X.] wird deshalb zu prüfen und insoweit eindeutige Feststellungen zu treffen haben, welche Beschäftigungsmöglichkeiten für die schwangere Klägerin in der [X.] tatsächlich noch in Betracht kamen und inwieweit ihre Leistungsfähigkeit durch das ärztlicherseits festgestellte Risikopotenzial beeinträchtigt war. Dabei wird das [X.] auch zu berücksichtigen haben, dass die Klägerin - ausweislich der vom [X.] in Bezug genommenen Verwaltungsakten der Beklagten - in ihrem [X.]-Antrag entsprechende (formularmäßige) Fragen zu Inhalt und Umfang ihrer Leistungsbereitschaft unter Hinweis auf das Beschäftigungsverbot ab 13.3.2008 jeweils verneint hat. Sollten die weiteren Ermittlungen - etwa durch weitere Nachfrage bei der damals behandelnden Ärztin, durch Beauftragung eines ärztlichen Sachverständigen mit der Erstellung eines Gutachtens nach Aktenlage, Einschaltung des Medizinischen Dienstes der Beklagen oder durch Vernehmung von Zeugen - zu dem Ergebnis führen, dass bei der Klägerin selbst leichte Arbeiten im zeitlichen Umfang von mindestens 15 Wochenstunden (vgl § 119 Abs 5 [X.]) mit Gesundheitsgefahren verbunden waren, fehlt es bereits an einer Verfügbarkeit im Sinne des "Könnens" einer Beschäftigung und ist - wie der [X.] bereits in seinen Entscheidungen vom [X.] und 30.11.2011 ausgeführt hat - vom Vorliegen von [X.] auszugehen. Insoweit besteht keine Bindung an die Aussage in der fachärztlichen Stellungnahme vom 18.11.2008, [X.] sei zu verneinen (vgl zur Definition der [X.] bei Arbeitslosen - § 2 Abs 3 der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses idF vom 19.9.2006, BAnz 2006; [X.] 241, [X.]). Dagegen wären bei nur auf bestimmte Beschäftigungen bezogenen Einschränkungen - wie der [X.] ebenfalls in den genannten Entscheidungen vom [X.] und 30.11.2011 ausgeführt hat - [X.] und Verfügbarkeit für die Arbeitsvermittlung miteinander vereinbar mit der Folge, dass die Klägerin - bezogen auf den für sie möglichen und zumutbaren Kreis in Betracht kommender Beschäftigungen - ab 1.6.2008 verfügbar iS der §§ 119, 121 [X.] wäre. In diesem Fall müssten vom [X.] auch noch Feststellungen zu den weiteren Voraussetzungen der Arbeitslosigkeit iS des § 119 [X.], insbesondere zur Arbeitsbereitschaft der Klägerin iS des § 119 Abs 5 [X.], getroffen werden.

Bei seinen Ermittlungen wird das [X.] außerdem zu berücksichtigen haben, dass die Klägerin - wie ihre Prozessbevollmächtigte im Termin am [X.] klargestellt hat - [X.] bis 30.7.2008 ([X.]) begehrt, da sie (bisher) kein Mutterschaftsgeld nach § 13 Abs 1 [X.] für die [X.] des § 3 Abs 2 [X.] erhalten hat. Damit könnte sich die bislang nicht erörterte Frage stellen, ob die Klägerin auch in der Zeit des [X.] nach § 3 Abs 2 [X.] verfügbar war. Nach § 3 Abs 2 [X.] dürfen werdende Mütter in den letzten sechs Wochen vor der Entbindung nicht beschäftigt werden, es sei denn, dass sie sich zur Arbeitsleistung ausdrücklich bereit erklären; die Erklärung kann jederzeit widerrufen werden. Es handelt sich also im Unterschied zu dem Beschäftigungsverbot nach § 3 Abs 1 [X.] um ein - von gesundheitlichen Gefährdungsaspekten unabhängiges - generelles (allgemeines) Beschäftigungsverbot (vgl [X.] in [X.]/[X.], [X.], § 3 Rd[X.] 21, 146 ff, 153, Stand April 2011). Auch wenn dieses vorgeburtliche Beschäftigungsverbot, das ausdrücklich nur schwangere Arbeitnehmerinnen und schwangere Heimarbeiterinnen betrifft (vgl § 1 [X.]), als generelles Beschäftigungsverbot auch bei arbeitslosen Schwangeren zu beachten wäre, bleibt es ein relatives Verbot bei Bereiterklärung zur Weiterarbeit (vgl [X.], aaO, § 3 Rd[X.] 152). Es kann deshalb bei einem Beschäftigungsverbot nach § 3 Abs 2 [X.] - auch wenn dies naheliegend ist - nicht stets vom Wegfall des [X.]-Anspruchs ausgegangen werden. In diesem Zusammenhang ist bei der Klägerin zusätzlich zu beachten, dass ihre tatsächliche Entbindung (am 31.7.2008) zeitlich weit vor dem mutmaßlichen Termin ([X.]) stattgefunden hat. Insoweit ist für die Beurteilung ihrer Verfügbarkeit ab 1.6.2008 von einer vorausschauenden Betrachtungsweise auszugehen, wie sich auch aus § 5 Abs 2 [X.] ergibt, der das ärztliche Zeugnis für die Berechnung der in § 3 Abs 2 bezeichneten Zeiträume vor der Entbindung als maßgebend erklärt (vgl [X.], [X.], § 3 Rd[X.] 30, 31; Stand Juni 2009). Dementsprechend verkürzt sich die Schutzfrist (vgl [X.], aaO, § 3 Rd[X.] 150; [X.], aaO, § 3 Rd[X.] 31).

Sollte das [X.] aufgrund seiner Ermittlungen zu dem Ergebnis kommen, dass die Klägerin im streitigen Zeitraum ab 1.6.2008 die Voraussetzungen für einen Anspruch auf [X.] erfüllt hat, wäre vom [X.] außerdem zu prüfen, ob der Anspruch wegen Eintritts einer Sperrzeit nach § 144 Abs 1 Satz 2 [X.] 7 [X.] iVm § 37b [X.] in der hier maßgeblichen, bis 31.12.2008 gültigen Fassung (aF) geruht hat. Nach § 37b [X.] aF ist der Arbeitnehmer zu einer frühzeitigen Arbeitsuche verpflichtet. Wie vom [X.] festgestellt, hat sich die Klägerin bei befristetem Arbeitsverhältnis erst am 8.5.2008 mit Wirkung zum 1.6.2008 arbeitslos gemeldet.

7. Sollte bei der Klägerin ein Anspruch auf [X.] ganz oder zeitweise zu verneinen sein, kommt eine Leistungspflicht der Beigeladenen - ggf aus fortbestehender Mitgliedschaft (vgl § 192 Abs 1 [X.] 2 bzw Abs [X.]) - in Betracht. Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten ist die Beigeladene nicht gehalten, bereits im laufenden Verfahren einen Bescheid über die Ablehnung eines Mutterschaftsgeld- bzw Krankengeldanspruchs der Klägerin zu erlassen. Denn nach § 75 Abs 5 [X.]G kann ein Versicherungsträger nach Beiladung verurteilt werden, wobei ein Vorverfahren nicht vorausgesetzt wird (vgl [X.] in [X.], [X.]G, 9. Aufl 2008, § 75 Rd[X.] 18b mwN).

8. Das [X.] wird auch über die Kosten einschließlich der Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.

Meta

B 11 AL 26/10 R

22.02.2012

Bundessozialgericht 11. Senat

Urteil

Sachgebiet: AL

vorgehend SG Stuttgart, 27. August 2009, Az: S 20 AL 4837/08, Urteil

§ 118 Abs 1 Nr 1 SGB 3 vom 23.12.2003, § 119 Abs 1 Nr 3 SGB 3 vom 23.12.2003, § 119 Abs 5 Nr 1 SGB 3 vom 23.12.2003, § 121 Abs 1 SGB 3 vom 23.12.2003, § 3 Abs 1 MuSchG, § 3 Abs 2 MuSchG, § 11 Abs 1 MuSchG, § 103 SGG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 22.02.2012, Az. B 11 AL 26/10 R (REWIS RS 2012, 8929)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 8929

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