Bundessozialgericht, Beschluss vom 23.08.2010, Az. B 11 AL 2/10 BH

11. Senat | REWIS RS 2010, 3880

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Gegenstand

Revisionszulassung - grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache - fehlende Klärungsbedürftigkeit - Arbeitslosengeldanspruch - Nahtlosigkeitsregelung - Ablehnung des Rentenantrages - fehlende Arbeitsbereitschaft - Feststellung des Leistungsvermögens


Tenor

Der Antrag des [X.], ihm für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 27. Oktober 2009 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.

Gründe

1

I. Der Kläger begehrt die Weiterbewilligung von Arbeitslosengeld [X.]) über den 10.9.2003 hinaus im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens.

2

Der Kläger bezog ab 2.3.2002 [X.]. Nachdem sein am 7.5.2001 beim Rentenversicherungsträger gestellter Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung mit Widerspruchsbescheid vom 14.5.2002 abgelehnt worden war und der Kläger bei einer persönlichen Vorsprache am 10.9.2003 erklärt hatte, dass er zu einer Tätigkeit auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr in der Lage sei, hob die Beklagte mit Bescheid vom 10.9.2003 die [X.]-Bewilligung ab 11.9.2003 auf. Der Widerspruch des [X.] wurde nach Einholung einer gutachtlichen Äußerung des ärztlichen Dienstes vom 9.12.2003 mit Widerspruchsbescheid vom 20.2.2004 mangels subjektiver Arbeitsbereitschaft des [X.] zurückgewiesen.

3

Mit Schreiben vom 19.5.2006 beantragte der Kläger die nochmalige Überprüfung der Leistungsaufhebung mit der Begründung, dass er auf Grund eines am 21.11.2005 vor dem [X.] ([X.]) [X.] abgeschlossenen Vergleichs derzeit (rückwirkend vom [X.] an) eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit beziehe und sich demzufolge die damalige Einschätzung seines Leistungsvermögens als falsch erwiesen habe. Die Beklagte lehnte den Überprüfungsantrag ab (Bescheid vom 7.8.2006; Widerspruchsbescheid vom 14.9.2006). Klage und Berufung blieben ebenfalls ohne Erfolg (Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 18.7.2008; Urteil des [X.] vom 27.10.2009). Das [X.] hat die Rechtmäßigkeit der Leistungsaufhebung wegen mangelnder Arbeitsbereitschaft des [X.] bestätigt, da dieser sich nicht im Rahmen des objektiv vorliegenden Leistungsvermögens zur Verfügung gestellt habe (subjektive Verfügbarkeit).

4

Der Kläger beantragt mit Schreiben vom [X.] die Gewährung von Prozesskostenhilfe ([X.]) für die beabsichtigte Durchführung des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens gegen das ihm am 7.1.2010 zugestellte Urteil des [X.].

5

II. Dem Kläger steht [X.] nicht zu. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 73a Sozialgerichtsgesetz iVm § 114 Zivilprozessordnung). Die Revision ist nur zuzulassen, wenn einer der in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe (grundsätzliche Bedeutung, Abweichung von höchstrichterlicher Rechtsprechung oder Verfahrensmangel) vorliegt. Ein solcher Grund ist unter Berücksichtigung der Ausführungen des [X.] und nach Lage der Akten nicht zu erkennen.

6

a) Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 [X.] SGG) zu. Der Rechtsstreit wirft keine Rechtsfrage auf, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist (vgl [X.] § 160a [X.] und 65; [X.]-1500 § 160a [X.]6 mwN; vgl auch [X.] [X.] 3-1500 § 160a [X.]). Insbesondere sind die im Zusammenhang mit dem Problem der so genannten Nahtlosigkeitsregelung des § [X.] ([X.]; früher § 105a Arbeitsförderungsgesetz) sich stellenden Rechtsfragen zwischenzeitlich durch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ([X.]) geklärt. Danach hat die [X.] ([X.]) bei der Prüfung der Nahtlosigkeitsregelung des § 125 Abs 1 Satz 1 [X.] zunächst das tatsächliche Leistungsvermögen des Arbeitslosen eigenständig zu ermitteln und festzustellen. Denn erst die konkrete Feststellung des vorhandenen Leistungsvermögens bildet die Grundlage für die Beurteilung, ob auch Arbeitsbereitschaft entsprechend der tatsächlichen Arbeitsfähigkeit des Arbeitslosen bestanden hat (§ 119 Abs 2 [X.]). An diesen von der Rechtsprechung des [X.] entwickelten Maßstäben (vgl ua [X.] Urteil vom [X.] [X.] 13/99 R, [X.]E 84, 262 = [X.] 3-4100 § 105a [X.], [X.]; [X.] Urteil vom 10.5.2007 - B 7a [X.] 30/06 R, [X.] 4-4300 § 125 [X.]) hat sich das Berufungsgericht auch orientiert.

7

b) Der Zulassungsgrund der Abweichung (§ 160 Abs 2 [X.] SGG) greift ebenfalls nicht ein, sodass auch eine [X.] keine Aussicht auf Erfolg hat.

8

Soweit sich der Kläger in seinem Schreiben vom [X.] auf die Entscheidung des [X.] vom 9.9.1999 (aaO [X.] f) bezieht und meint, das [X.] weiche von dieser Entscheidung ab, hat er dieses Urteil offensichtlich missverstanden. Denn dort ist zwar ausgeführt, dass der Arbeitslose nur zur Aufnahme von zumutbaren Beschäftigungen bereit sein muss und ein fiktives Leistungsvermögen kein geeigneter Beurteilungsmaßstab sein kann. Damit ist aber - wie auch die zeitlich spätere Entscheidung des [X.] vom 10.5.2007 (aaO S 8) deutlich macht - nur gemeint, dass bei der Prüfung des Anspruchs auf [X.] zunächst geklärt werden muss, ob der Arbeitslose zur Aufnahme einer versicherungspflichtigen, mindestens 15 Wochenstunden umfassenden Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes fähig war. Ist dies der Fall, ist weiter zu klären, ob auch Arbeitsbereitschaft entsprechend dem tatsächlichen Leistungsvermögen bestanden hat. Von diesen Prüfungskriterien ausgehend fehlte es bei dem Kläger nach den Feststellungen des [X.] an der Arbeitsbereitschaft. Daran vermag - wie das [X.] zutreffend ausgeführt hat - die (spätere) Zuerkennung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nichts zu ändern. Entgegen der Rechtsansicht des [X.] ist die Beklagte selbst bei Bejahung der Teil- oder Voll-Erwerbsminderung durch den Rentenversicherungsträger nicht gehindert, abweichend von den Feststellungen des Rentenversicherungsträgers zu entscheiden, dass Erwerbsminderung nicht vorliegt und objektive Verfügbarkeit des Arbeitslosen gegeben ist (vgl [X.]E 71, 12 = [X.] 3-4100 § 105a [X.] und [X.]E 84, 262 = [X.] 3-4100 § 105a [X.]).

9

c) Anhaltspunkte für Verfahrensfehler, auf denen das Urteil der Vorinstanz beruhen könnte (§ 160 Abs 2 [X.] SGG), sind nicht vorhanden. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Ausführungen des [X.] im Schreiben vom [X.].

Sofern sein Vorbringen, das [X.] habe zu Unrecht die Vorschrift des § 121 Abs 3 Satz 3 [X.] nicht berücksichtigt und sei von einer zumutbaren Beschäftigung ausgegangen, sinngemäß als eine Rüge fehlerhafter Beweiswürdigung zu verstehen sein sollte, ist darauf hinzuweisen, dass die Nichtzulassungsbeschwerde hierauf kraft ausdrücklicher gesetzlicher Regelung nicht gestützt werden kann (§ 160 Abs 2 [X.] Halbs 2 SGG iVm § 128 Abs 1 Satz 1 SGG). Soweit der Kläger ferner die Richtigkeit der Entscheidung des [X.] in Zweifel zieht, ist dieses Vorbringen nicht geeignet, einen Verfahrensmangel zu begründen. Denn bei einem Verfahrensmangel geht es nicht um die Richtigkeit der Entscheidung, sondern um das prozessuale Vorgehen des Gerichts auf dem Weg zum Urteil. Im Übrigen ist in einem Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren nicht über die Richtigkeit der Entscheidung der Vorinstanz zu befinden (vgl [X.] § 160a [X.]; stRspr).

Der Antrag auf Bewilligung von [X.] und Beiordnung eines Rechtsanwalts ist deshalb abzulehnen.

Meta

B 11 AL 2/10 BH

23.08.2010

Bundessozialgericht 11. Senat

Beschluss

Sachgebiet: AL

vorgehend SG Mainz, 18. Juli 2008, Az: S 4 AL 316/06, Urteil

§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 119 Abs 2 SGB 3 vom 16.12.1997, § 125 Abs 1 S 1 SGB 3, § 125 Abs 1 S 2 SGB 3

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 23.08.2010, Az. B 11 AL 2/10 BH (REWIS RS 2010, 3880)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 3880

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