Bundesfinanzhof, Beschluss vom 25.08.2010, Az. X S 20/10 (PKH)

10. Senat | REWIS RS 2010, 3827

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Gegenstand

Kein Vertretungszwang im Prozesskostenhilfeverfahren - Verfahrensmangel bei Prozessurteil statt Sachurteil - Fehlende Beschwer bei begehrter Verlustfeststellung


Leitsatz

NV: Auch nach der Neuregelung des Vertretungszwangs in § 62 Abs. 4 FGO müssen sich die Beteiligten bei Stellung eines Antrags auf Prozesskostenhilfe nicht durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen .

Tatbestand

1

I. Das Finanzgericht ([X.]) wies die Klage des Antragstellers wegen Einkommensteuer 2003 wegen Versäumung der Klagefrist und mangels Klagebefugnis als unzulässig ab.

2

Innerhalb der Beschwerdefrist beantragte der nicht vertretene Antragsteller Prozesskostenhilfe (PKH) für eine noch einzulegende Beschwerde wegen der Nichtzulassung der Revision im [X.]. Er macht geltend, das [X.] habe zu Unrecht die Klage als unzulässig abgewiesen. Entgegen der Auffassung des [X.] sei er durch den Einkommensteuerbescheid 2003 beschwert, weil ihm die Feststellung eines Verlustes für 2003 durch das Finanzamt ([X.]) verweigert werde. Auch habe er die Klagefrist nicht versäumt, weil ihm die Einspruchsentscheidung verspätet zugegangen sei. [X.] für den Zugang der Einspruchsentscheidung sei das [X.]; das [X.] habe die gesetzliche Beweislast umgekehrt. Schließlich habe das [X.] seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt.

3

Eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (§ 142 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O-- [X.]. § 117 Abs. 2 der Zivilprozessordnung --ZPO--) hat der Antragsteller innerhalb der Beschwerdefrist vorgelegt.

Entscheidungsgründe

4

II. Der Antrag auf [X.] wird abgelehnt.

5

1. Der Antrag auf Gewährung von [X.] ist zulässig. Dem steht nicht entgegen, dass der Antragsteller vorliegend nicht durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten wird.

6

a) Zwar müssen sich die Beteiligten nach § 62 Abs. 4 [X.]O vor dem [X.] ([X.]) grundsätzlich durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder einen anderen Bevollmächtigten i.S. des § 62 Abs. 2 Satz 1 [X.]O vertreten lassen. Das gilt nach Abs. 4 Satz 2 der Regelung auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem [X.] eingeleitet wird. Darunter fällt aber nicht die Stellung des Antrags auf Bewilligung von [X.] ([X.]-Beschlüsse vom 26. Januar 2009 [X.] ([X.]), nicht veröffentlicht --n.v.--; vom 20. Februar 2009 [X.] ([X.]), n.v.; vom 8. Mai 2009 IV S 3/09 ([X.]), Zeitschrift für Steuern und Recht (ZSteu) 2009, [X.]; vom 27. Juli 2010 III S 28/09 ([X.]), n.v.; im Ergebnis gl.[X.] in [X.]/[X.]/[X.] --[X.]--, § 62 [X.]O [X.]; ebenso ständige Rechtsprechung zu der bis zum 30. Juni 2008 anzuwendenden Regelung in § 62a [X.]O, vgl. z.B. [X.]-Beschluss vom 30. Oktober 2003 [X.] ([X.]), [X.]/NV 2004, 356; Gräber/ Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 142 Rz 63, m.w.N.).

7

b) Soweit für § 62 Abs. 4 [X.]O eine andere Auffassung vertreten wird ([X.] in Tipke/[X.], Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 62 [X.]O Rz 44; vgl. auch [X.], Der Betrieb 2008, 1283, 1286 f.) folgt dem der Senat nicht. Wie der [X.] [X.] im Beschluss in ZSteu 2009, [X.] zutreffend ausführt, erfordert der Wortlaut von § 62 Abs. 4 [X.]O wegen der Besonderheiten des Verfahrens zur Bewilligung von [X.] eine solche Auslegung nicht. Sie wird auch dem Zweck der Regelung des [X.]-Verfahrens nicht gerecht, dem Unbemittelten einen Rechtsschutz zu sichern, der demjenigen eines Bemittelten wenigstens annähernd entspricht ([X.]/[X.]/[X.]/[X.], Zivilprozessordnung, 68. Aufl., [X.] § 114 Rz 3, m.w.N.). Die [X.] ist deshalb verfassungsrechtlich bedenklich ([X.] in [X.], § 62 [X.]O [X.]). Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber die bisherige Rechtslage ausdrücklich nicht ändern wollte (BTDrucks 16/3655, S. 99 f.).

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2. Der Antrag ist jedoch nicht begründet.

9

a) Gemäß § 142 Abs. 1 [X.]O i.V.m. § 114 ZPO wird einem Beteiligten, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag [X.] gewährt, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. In dem Antrag ist das Streitverhältnis unter Angabe der Beweismittel darzustellen (§ 117 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Dazu muss in einem Rechtsmittelverfahren ein nicht rechtskundig vertretener Antragsteller zumindest erkennen lassen, in welchen Punkten und in welchem Umfang das angefochtene Urteil angegriffen werden soll (Gräber/Stapperfend, a.a.[X.], § 142 Rz 69, m.w.N.).

b) Die vom Antragsteller mit der Nichtzulassungsbeschwerde beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine Aussicht auf Erfolg. Zwar ist nach ständiger Rechtsprechung des [X.] ein Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 [X.]O gegeben, wenn das [X.] zu Unrecht durch Prozess- anstatt durch Sachurteil entschieden und dadurch auch den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt hat (vgl. [X.]-Beschlüsse vom 17. Januar 2002 [X.], [X.]E 198, 1, [X.], 306, und vom 16. April 2007 [X.]/04, [X.]/NV 2007, 1345). Ein solcher Verfahrensmangel ist im Streitfall jedoch nicht festzustellen.

Nach § 40 Abs. 2 [X.]O ist eine Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend machen kann, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsaktes oder einer anderen Leistung in seinen Rechten verletzt zu sein. Hieran mangelt es dem Antragsteller. Durch den auf Null Euro lautenden Einkommensteuerbescheid 2003 ist der Antragsteller nicht beschwert. Über einen Verlustvortrag ist nicht im Rahmen eines Einkommensteuerbescheids, sondern (seit 1990) in einem gesonderten Feststellungsverfahren zu befinden ([X.]/[X.], EStG, 29. Aufl., § 10d Rz 40).

Auf die Frage, ob der Antragsteller tatsächlich die Klagefrist versäumt hat, kommt es deshalb im Streitfall nicht an.

3. Der Beschluss ergeht gerichtsgebührenfrei.

Meta

X S 20/10 (PKH)

25.08.2010

Bundesfinanzhof 10. Senat

Beschluss

§ 40 Abs 2 FGO, § 62 Abs 4 FGO vom 12.12.2007, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO, § 114 ZPO, § 10d Abs 4 S 1 EStG 2002, Art 103 Abs 1 GG, § 142 Abs 1 FGO, § 179 Abs 1 AO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 25.08.2010, Az. X S 20/10 (PKH) (REWIS RS 2010, 3827)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 3827

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