Bundespatentgericht, Beschluss vom 18.04.2012, Az. 26 W (pat) 26/12

26. Senat | REWIS RS 2012, 7216

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren - "California" – geographische Herkunftsangabe - Freihaltungsbedürfnis


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2009 031 541.8

hat der 26. Senat ([X.]) des [X.] in der Sitzung vom 18. April 2012 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] [X.] und [X.] und Hermann

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die Wortmarke

2

[X.]

3

ist angemeldet zur Eintragung in das Register für die Waren der Klasse 34

4

„Tabak, verarbeitet oder unverarbeitet; Zigaretten; Zigarren; Rauchtabak; Tabakprodukte; Tabakersatzstoffe, nicht für medizinische Zwecke oder Heilzwecke; Streichhölzer und Raucherartikel; Zigarettenpapier; Zigarettenhülsen; Zigarettenfilter; Taschenapparate zum Drehen von Zigaretten“.

5

Die Markenstelle für Klasse 34 des [X.] hat diese Anmeldung mit zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, mit der Begründung zurückgewiesen, dass das Markenwort „[X.]" freihaltungsbedürftig i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] und nicht unterscheidungskräftig i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] sei.

6

Bei einer Zurückweisung einer Anmeldung gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] seien nicht nur die aktuellen Gegebenheiten zu berücksichtigen, sondern es sei auch zu prüfen, ob eine beschreibende Verwendbarkeit der fraglichen Ortsangabe vernünftigerweise in Zukunft zu erwarten ist, so dass die Angabe dann zur Bezeichnung der geografischen Herkunft dienen kann ([X.] GRUR 1999, 723, 725 f. - Nr. 35-37 – [X.]). Im Rahmen einer realitätsbezogenen Prognose sei daher nicht nur auf die gegenwärtigen Verhältnisse abzustellen, sondern es seien auch mögliche, nicht außerhalb der Wahrscheinlichkeit liegende zukünftige wirtschaftliche Entwicklungen zu berücksichtigen, die eine beschreibende Verwendung der betreffenden Ortsangabe vernünftigerweise erwarten lassen ([X.] a. a. [X.], S. 726, Nr. 31 und 37; [X.], 1050, 1051 - [X.]; GRUR 2001, 741, 742 f. – [X.]). Bei Namen von Ländern, Regionen, Großstädten oder sonst wirtschaftlich bedeutenden Örtlichkeiten bestehe eine grundsätzliche Vermutung dafür, dass sie als geografische Herkunftsangaben zur freien Verwendung benötigt werden können, denn eine Eignung, als geografische Herkunftsangabe zu dienen, komme insbesondere den Namen bekannter Orte zu, bei denen nicht unwahrscheinlich ist, dass die beteiligten Verkehrskreise eine Verbindung zu den beanspruchten Waren und Dienstleistungen herstellen können ([X.] a. a. [X.] Rn. 32 – [X.]; [X.], 905, 907 – [X.]; [X.] GRUR 2002, 351, 352 f. – OLDENBURGER).

7

[X.], dessen bekannte [X.] Bezeichnung „[X.]“ laute, sei mit mehr als 37 Mio. Einwohnern der bevölkerungsreichste Bundesstaat der [X.], durch seine Lage am [X.] sei [X.] ein wichtiges Handelszentrum und ein Umschlagplatz für zahlreiche Waren, darunter Tabak und Raucherartikel. Auch der Anbau von Tabak sei klimatisch in [X.] ohne weiteres möglich.

8

Gegen diese Beschlüsse richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Es liege weder ein aktueller geographischer Bezug zwischen Tabakerzeugnissen und [X.] vor noch sei dieser zukünftig – besonders vor dem Hintergrund der Strenge der dortigen [X.] - realistisch zu erwarten. Auch belegten zahlreiche Voreintragungen und die Kennzeichnungsgewohnheiten im Rauchermarkt, dass das Anmeldezeichen unterscheidungskräftig sei.

9

Die Anmelderin stellt den Antrag,

die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 34 des [X.] vom 17. August 2010 und vom 12. Dezember 2011 aufzuheben und die Marke Nr. 302009031541 „[X.]“ (Wort) einzutragen.

Hilfsweise regt sie an, die Rechtsbeschwerde zuzulassen.

Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Anmelderin ist zulässig, aber nicht begründet. Das Markenwort „[X.]" stellt eine freihaltungsbedürftige geographische Herkunftsangabe i. S. v § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] dar. Angesichts der herausragenden wirtschaftlichen Bedeutung des U.S.-[X.] Staates [X.] besteht ein erhebliches Interesse der Allgemeinheit an der ungestörten Verwendung der Bezeichnung „[X.]" für die mit der Anmeldung beanspruchten Waren.

[X.] ist unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten der bedeutendste Bundesstaat der [X.]. „Als von [X.] losgelöster Einzelstaat wäre [X.] weltweit die achtgrößte Wirtschaftsmacht nach [X.] selbst, [X.], [X.], [X.], [X.], [X.] und [X.]. Das reale Bruttoinlandsprodukt pro Kopf ([X.] per capita real GDP) – der wichtigste Wohlstandsindikator – lag im Jahre 2010 bei [X.] 46.488 (nationaler Durchschnitt der 50 US-Bundesstaaten: [X.] $42.429; nationaler Rangplatz: 10). Nicht zuletzt der für die industrielle Landwirtschaft wetterbegünstigte Süden und das dortige Einzugsgebiet billiger [X.] Landarbeiter verhilft [X.] zu diesem Wohlstand. Große Anstrengungen erfordert jedoch die Wasserversorgung. … . Dennoch wird in [X.] eine intensive Landwirtschaft mit Anbau von Baumwolle, Gerste, Weizen, Mais, [X.], Hafer, Bohnen und Zuckerrüben betrieben. Von Bedeutung ist auch der Südfrucht- und Gemüsebau im [X.] [X.] mithilfe künstlicher Bewässerung sowie die Vieh- und Geflügelzucht und die Fischerei. Der Weinbau in [X.] ist ebenfalls bedeutend. Etwa 90% der gesamten Weinproduktion der [X.] stammen aus [X.]. [X.] hat reiche Vorkommen an Bodenschätzen (u. a. Erdöl, Erdgas, Borsalze, Quecksilber, Magnesit, Gold) und verfügt über eine hoch entwickelte Industrie: Luftfahrt-, Raumfahrt-, Elektronik- und Computerindustrie ([X.]), Fahrzeugbau, Nahrungsmittelindustrie, Hüttenwerke u. a. In [X.] befindet sich der Hauptsitz der [X.] Filmindustrie ([X.]).“ (Wikipedia).

Dahinstehen kann, ob -wie die Markenstelle nach Internetrecherche ausgeführt hat und die Anmelderin bezweifelt- bereits eine (ggf. namhafte) Tabakindustrie besteht. Denn wie der [X.] in Bezug auf geographische Herkunftsangaben ausdrücklich hervorgehoben hat, setzt die Anwendung des Schutzhindernisses nicht voraus, dass ein konkretes, aktuelles oder ernsthaftes Freihaltebedürfnis besteht ([X.] WRP 1999, 629, 633, [X.]. 35 „Windsurfing [X.]"). Insoweit ist nicht nur die Eintragung solcher geographischer Herkunftsangaben verboten, die Orte bezeichnen, welche von den beteiligten Verkehrskreisen aktuell mit der betreffenden Warengruppe in Verbindung gebracht werden. Vielmehr sind auch geographische Bezeichnungen vom Markenschutz ausgeschlossen, die zukünftig von Unternehmen als Herkunftsangaben verwendet werden können ([X.] a. a. [X.], 632 f., [X.]. 29 ff.). Diese Eignung als Herkunftsangabe kommt insbesondere den Namen bekannter Orte zu, bei denen nicht unwahrscheinlich ist, dass die beteiligten Verkehrskreise eine Verbindung zu der betreffenden Warengruppe herstellen können ([X.] a. a. [X.], 633, [X.]. 32 f.). Eine derartige Beziehung zwischen den beanspruchten Waren und dem fraglichen Ort muss nicht notwendigerweise auf der Herstellung der Waren in diesem Ort beruhen, sondern kann auch darin bestehen, dass die Verbraucher eine sonstige Verbindung zwischen den Waren und dem Ort herstellen, mit dem sie positiv besetzte Vorstellungen verknüpfen ([X.] a. a. [X.], 632 f., [X.]. 26, 36). In Berücksichtigung dieser maßgeblichen höchstrichterlichen Auslegungskriterien stellt die angemeldete Ortsbezeichnung eine freihaltungsbedürftige geographische Herkunftsangabe i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] dar.

Bei einem Wirtschaftsraum der westlichen Welt in der Größenordnung des Staates [X.] ist vernünftigerweise davon auszugehen, dass dort auch solche Unternehmen angesiedelt sind, die mit der Produktion von Tabakprodukten oder deren Vertrieb befasst sind. Insoweit gehört der Name dieses Bundesstaates zu den Angaben, die von Unternehmen als Herkunftsangaben i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] verwendet werden können. Den angesprochenen Verkehrskreisen in der Bundesrepublik [X.] ist jedenfalls bekannt, dass [X.] ein Staat mit einer hohen Wirtschaftskraft ist, zudem wird der Begriff [X.] in [X.] mit einem bestimmten Lebensstil verbunden, für den neben einem starken Individualismus (vgl. auch [X.] (pat) 120/98 [X.] PROMA – [X.]) auch Genussfragen wesentlich sind. So liegt gerade mit Blick auf den [X.] Weinmarkt ein enger Bezug zu weiteren Genussmitteln wie den beanspruchten Tabakwaren nahe.

Auf die von der Anmelderin erwähnten Voreintragungen kam es für die Entscheidung des Gerichts schon aus der grundsätzlichen Erwägung heraus nicht an, dass die Entscheidung über die Schutzfähigkeit einer Marke keine Ermessens-, sondern eine reine Rechtsfrage darstellt (vgl. BPatGE 13, 113, 116 ff. „men's club"; 32, 5, 9 f. „[X.]"; vgl. auch [X.], 420 „[X.]"; 1997, 527, 529 „[X.]"). Zahlreiche vorgetragene Voreintragungen waren ferner schon deswegen nicht zu berücksichtigen, weil auf den vorliegenden Fall die Auslegung des der [X.] entsprechenden Begriffs der geographischen Herkunftsangabe durch den [X.] zur Anwendung kommt, die im Zeitpunkt der genannten Voreintragungen noch nicht bekannt war ([X.], 723 – [X.]).

Für eine (von der Anmelderin angeregte) Zulassung der Rechtsbeschwerde gem. § 83 Abs. 1 und 2 [X.] besteht kein Anlass, weil die entscheidungserheblichen Rechtsfragen dieses Verfahrens bereits durch das Urteil des [X.]es [X.] und die Entscheidungen [X.] (pat) 16/00 bzw. [X.] „[X.]“ abschließend geklärt wurden.

Meta

26 W (pat) 26/12

18.04.2012

Bundespatentgericht 26. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 18.04.2012, Az. 26 W (pat) 26/12 (REWIS RS 2012, 7216)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 7216

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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