Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.09.2005, Az. AK 8/05

3. Strafsenat | REWIS RS 2005, 1921

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[X.] BJs 57/04 - 8 AK 8/05 vom 8. September 2005 in dem Ermittlungsverfahren gegen

wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung u. a. - 2 - Der 3. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] sowie des Beschuldigten und seiner Verteidigerin am 8. September 2005 gemäß §§ 121, 122 [X.] beschlossen: Die Untersuchungshaft hat [X.]. Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den Bundesge-richtshof findet in drei Monaten statt. Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem nach den [X.] Vorschriften zuständigen Gericht übertragen.
Gründe: Der Beschuldigte wurde am 23. Januar 2005 vorläufig festgenommen und befindet sich seit dem 24. Januar 2005 aufgrund des Haftbefehls des Er-mittlungsrichters des [X.] von diesem Tag (2 [X.] 45/2005) ununterbrochen in Untersuchungshaft.
Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus liegen vor.
1. Der Beschuldigte ist dringend verdächtig, sich in [X.] als [X.] an einer ausländischen terroristischen Vereinigung beteiligt zu haben, deren Zwecke und deren Tätigkeit darauf gerichtet sind, Mord (§ 211 StGB) oder Totschlag (§ 212 StGB) sowie Straftaten gegen die persönliche Freiheit (§§ 239 a oder 239 b StGB) und Sprengstoffdelikte (§ 308 Abs. 1 bis 3 StGB) zu begehen, wobei letztere bestimmt sind, die Bevölkerung auf erhebliche Wei-- 3 - se einzuschüchtern, und durch die Art ihrer Begehung oder ihre Auswirkungen einen Staat erheblich schädigen können (§ 129 b Abs. 1 i. V. m. § 129 a Abs. 1 Nr. 1 und 2, Abs. 2 Nr. 2 StGB).
Der Beschuldigte ist weiterhin dringend verdächtig, in elf Fällen gemein-schaftlich mit den Mitbeschuldigten [X.]

und [X.]

in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermö-gensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt zu haben, dass er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregte oder unterhielt, sowie in weiteren 23 Fällen eine solche Tat versucht zu haben.
a) Nach dem derzeitigen Ermittlungsstand besteht der dringende Ver-dacht, dass

- die [X.] ihr Ziel, im Wege des gewaltsamen [X.] ([X.]) einen [X.] Gottesstaat zu errichten, durch die Begehung von Terrorakten - darunter auch Bombenanschläge - verfolgt, die von Mitgliedern der [X.] selbst begangen werden, oder deren Täter dabei von Mitgliedern dieser Vereinigung unterstützt werden;
- sich der Beschuldigte in [X.] an dieser Vereinigung als Mitglied be-teiligt hat, indem er nach Aufenthalten in den [X.] der [X.] in [X.] nach [X.] zurückkehrte, um von hier aus Freiwillige für den [X.] zu rekrutieren und für die finanzielle Unterstützung der [X.] zu sorgen; - 4 - - der Beschuldigte spätestens im [X.] 2004 mit dem Mitbeschuldigten Y.

A. übereinkam, durch die Begehung von [X.] zum Nachteil von Lebensversicherungsgesellschaften hohe Geldsummen zu er-langen; zu diesem Zweck sollte alsbald nach dem Abschluss von Verträgen auf den Mitbeschuldigten Y.

A. dessen tödlicher Verkehrs-unfall in [X.] vorgetäuscht werden; alsdann sollten von dem [X.] zusammen mit dem Mitbeschuldigten I.

A. , dem [X.] der Verträge, die Versicherungssummen geltend gemacht werden; von dem Erlös sollte [X.] ein Fünftel bis ein Drittel zukommen; in Verfol-gung dieses Plans gelang den Beschuldigten der Abschluss von elf Lebens-versicherungsverträgen mit einer Gesamtversicherungssumme von über 1,3 Millionen Euro. Mit Eingehung des Vertrages waren die [X.] geschädigt, weil sie dem Risiko ausgesetzt waren, innerhalb kurzer Zeit hohe Versicherungsleistungen auszahlen zu müssen, ohne dass dem ei-ne adäquate Gegenleistung gegenüberstand (vgl. [X.], 368). In 23 weiteren Fällen stellten die Beschuldigten Anträge auf Lebensversicherungen mit einer Gesamtversicherungssumme von mehr als 3 Millionen Euro, ohne dass es zu Vertragsabschlüssen kam. Wegen der weiteren Einzelheiten der Tatvorwürfe, insbesondere zu Ent-stehung, Struktur und Zielen der Vereinigung [X.], ihrer terroristischen Ausrichtung und der mitgliedschaftlichen Betätigung des Beschuldigten wird im Übrigen auf die Gründe des Haftbefehls vom 24. Januar 2005 Bezug genom-men. Wegen der Einzelheiten der Versicherungsverträge wird auf die Zulei-tungsschrift des [X.] im Haftprüfungsverfahren vom 20. Juli 2005 Bezug genommen.
- 5 - b) Der dringende Verdacht, dass es sich bei [X.] nach ihrer Struk-tur um eine Vereinigung im Sinne der §§ 129, 129 a StGB handelt, sowie ihre terroristischen Zwecke und Tätigkeiten sind durch einen [X.] und Er-kenntnisbericht des [X.] vom 13. Oktober 2004 sowie durch die Ergänzung zu diesem Bericht vom 4. Mai 2005 belegt.
Der dringende Verdacht hinsichtlich der Mitgliedschaft des [X.] und seiner Aktivitäten für [X.] ergibt sich aus den Ergebnissen der durchgeführten Telekommunikations- und Wohnraumüberwachungen sowie aus den Bekundungen von Vertretern der Versicherungen und der Auswertung der Vertragsunterlagen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Haftbefehl des Ermittlungsrichters des [X.] vom 24. Januar 2005 sowie auf die Zuleitungsschrift des [X.] im Haftprüfungsverfahren vom 20. Juli 2005 Bezug genommen.
c) Die Ergebnisse der Überwachungsmaßnahmen sind auch insoweit verwertbar, als diese aufgrund des Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes Rheinland-Pfalz ([X.]) durchgeführt worden sind. Die Erkenntnisse [X.] hier nach § 100 d Abs. 6 Nr. 3 [X.] (§ 100 f Abs. 2 [X.] aF) zu Beweis-zwecken im Strafverfahren verwendet werden.
Der Erlangung der Erkenntnisse nach § 29 Abs. 1 [X.] stehen durchgreifende Bedenken nicht entgegen. Die Vorschrift erlaubt die Datener-hebung nur zur Abwehr einer dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit und nicht zur "Vorsorge für die Verfolgung" (vgl. insoweit [X.], [X.]. vom 27. Juli 2005 - 1 BvR 668/04 - zu § 33 a Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 SOG Nds). Die Anforderungen, die das [X.] für die gesetzliche [X.] 6 - tigung zur Überwachung von Wohnraum zum Zweck der Strafverfolgung [X.] hat ([X.] NJW 2004, 999 = NStZ 2004, 270), führen - übertragen auf die landesgesetzliche Regelung zur präventiven Wohnraumüberwachung - entgegen der Ansicht der Verteidigung nicht zur Unverwertbarkeit der [X.]. Das [X.] hat §§ 100 c ff. [X.] aF zwar als teil-weise mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärt und den Gesetzgeber ver-pflichtet, bis zum 30. Juni 2005 einen verfassungsgemäßen Rechtszustand herzustellen, jedoch die weitere Anwendung der beanstandeten Normen unter Berücksichtigung des Schutzes der Menschenwürde und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit bis zu diesem Zeitpunkt erlaubt ([X.] NStZ 2004, 270, 273). Es ist nicht ersichtlich, dass die hier durchgeführten Überwachungsmaß-nahmen gegen diese einschränkenden Voraussetzungen verstoßen hätten. Der Senat muss nicht abschließend entscheiden, ob die genannten [X.] durch die landesgesetzliche Ermächtigungsgrundlage in jeder Beziehung gedeckt waren, denn sie waren jedenfalls vertretbar (vgl. BGHSt 47, 362; BGHR [X.]-[X.] § 25 b Lausch-Eingriff 1). Insbesondere ist nicht zu besorgen, dass die Polizeibehörden in einer Situation, in der [X.] den Verdacht einer Straftat nach § 129 b StGB begründet haben, und in der Ziel der Maßnahmen die weitere Aufklärung des Sachverhalts zum Zweck der Strafverfolgung war, die polizeirechtlichen Anordnungen herbeigeführt ha-ben, um so die engeren Voraussetzungen zu unterlaufen, die die Strafprozess-ordnung an die Durchführung repressiver Maßnahmen stellt. Soweit die Verteidigung Bedenken gegen den Beschluss des Landge-richts daraus ableitet, dass dieser Beschluss entgegen § 29 Abs. 4 Satz 2 [X.] nicht befristet war, ist diese Frist jedenfalls dadurch eingehalten worden, - 7 - dass rechtzeitig vor ihrem Ablauf der erforderliche gerichtliche Verlängerungs-beschluss erwirkt worden ist. d) Die Ermächtigung des [X.] zur strafrechtli-chen Verfolgung gemäß § 129 b Abs. 1 Satz 3 StGB ist erteilt worden. 2. Aus den im Haftbefehl vom 24. Januar 2005 genannten Gründen, auf die Bezug genommen wird, besteht weiterhin der Haftgrund der Fluchtgefahr gemäß § 112 Abs. 2 Nr. 2 [X.] sowie der besondere Haftgrund des § 112 Abs. 3 [X.]. Der Zweck der Untersuchungshaft kann nicht durch weniger ein-schneidende Maßnahmen als deren Vollzug erreicht werden (§ 116 [X.]). 3. Die besonderen Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersu-chungshaft über sechs Monate hinaus (§ 121 Abs. 1 [X.]) liegen vor. Im [X.] auf den besonderen Umfang und die besonderen Schwierigkeiten der [X.] ist das Verfahren noch mit der in Haftsachen gebotenen Beschleu-nigung geführt worden. Die Ermittlungen zu den [X.] erst im Juni 2005 zum Abschluss gebracht werden. Die umfangreichen [X.] aus der Wohnraum- und Telekommunikationsüberwachung muss-ten übersetzt und ausgewertet werden. Diese Umstände haben den Abschluss der Ermittlungen, der jetzt aber zeitnah zu erwarten ist, noch nicht zugelassen und rechtfertigen noch die Fortdauer der Untersuchungshaft. - 8 - 4. Der weitere Vollzug der Untersuchungshaft steht zur Bedeutung der Sache und der für den Beschuldigten im Falle seiner Verurteilung zu erwarten-den Strafe nicht außer Verhältnis (§ 120 Abs. 1 Satz 1 [X.]). [X.] Hubert

Meta

AK 8/05

08.09.2005

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.09.2005, Az. AK 8/05 (REWIS RS 2005, 1921)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 1921

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