Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.09.2015, Az. IV ZR 333/15

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 4954

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
IV ZR 333/15

Verkündet am:

23. September 2015

Heinekamp

Amtsinspektor

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

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Der IV.
Zivilsenat des [X.] hat durch die Vorsitzende Richterin [X.], die Richterin [X.], die Richter Dr.
Karczewski, [X.] und die Richterin [X.] im schriftli-chen Verfahren, bei dem Schriftsätze bis zum 2.
September
2015 einge-reicht werden konnten,

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Klägerseite wird das Urteil des [X.] -
9.
Zivilsenat
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vom 18.
November 2011 aufgehoben und die Sache zur [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zu-rückverwiesen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 14.274,29

festgesetzt.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerseite (Versicherungsnehmer: im Folgenden d. [X.]) be-gehrt von dem beklagten Versicherer (im Folgenden Versicherer) Rück-zahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einer Kapitallebensversiche-rung.

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-

Diese wurde aufgrund eines Antrags d. [X.] mit [X.] zum 1.
Oktober 1995 nach dem so genannten Policenmodell des §
5a [X.] in der seinerzeit gültigen Fassung (im Folgenden §
5a [X.] a.F.) abgeschlossen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts erhielt d. [X.] mit dem Versicherungsschein ein Begleitschreiben mit einer Belehrung über das Widerspruchsrecht nach §
5a [X.] a.F.

Mit Schreiben vom 26.
Juni 2009 erklärte die [X.] Gesell-schaft für Projektentwicklung-
und Durchführung AG
(im
Folgenden:
[X.]), an die d. [X.] die Rechte und Ansprüche aus dem Versiche-rungsvertrag abgetreten hatte,
für d. [X.] den Widerspruch nach §
5a Abs.
1 Satz
1 [X.] a.F., hilfsweise die Kündigung. Der Versicherer ak-zeptierte die Kündigung und zahlte den Rückkaufswert aus.

Mit der Klage verlangt d. [X.] -
soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung
-
Rückzahlung aller auf den Vertrag geleisteten [X.] nebst Zinsen abzüglich des bereits gezahlten [X.], ins-gesamt 14.274,29

.

Nach Auffassung d. [X.] ist der Versicherungsvertrag nicht wirksam zustande gekommen. Er sei nicht ordnungsgemäß über sein [X.]srecht belehrt worden, so dass die Widerspruchsfrist nicht in Gang gesetzt worden sei. Auch nach Ablauf der Frist des
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gegen Gemein-schaftsrecht verstoßenden
-
§
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] a.F. habe der [X.] noch erklärt werden können.

[X.] [X.] hat eine Erklärung der [X.] vorgelegt, nach der diese d. [X.] ermächtigt hat, die aus und in Zusammenhang mit dem Versiche-2
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rungsvertrag bestehenden Forderungen gegen den Versicherer im eige-nen Namen gerichtlich geltend zu machen.

Der Versicherer hat sich auf Entreicherung berufen und die [X.] der Verjährung erhoben.

Das [X.] hat die Klage abgewiesen, das [X.] die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision ver-folgt d. [X.] das Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur [X.] an das Berufungsgericht.

I. Dieses hat einen Prämienrückerstattungsanspruch aus unge-rechtfertigter Bereicherung verneint. Der Versicherer habe d. [X.] nicht ordnungsgemäß über das Widerspruchsrecht belehrt. In der Belehrung im [X.] sei das Schriftformerfordernis nicht erwähnt. Die Belehrung im Antragsformular weise zwar darauf hin, sei aber nicht maßgeblich. Der Vertrag sei gemäß § 5a Abs.
2 Satz 4 [X.] a.F. ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie rückwirkend endgültig wirksam gewor-den.

[X.] Die Revision ist zulässig. Die auch in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfende (vgl. [X.], Urteile vom 12.
April 2011 -
II ZR 197/09, NJW 2011, 2581 Rn.
10; vom 7.
Juli 2008 -
II ZR 26/07, [X.], 1615 Rn.
12; jeweils m.w.N.) Prozessführungsbefugnis d.
[X.] ist 7
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gegeben. Aus der vorgelegten Ermächtigung der [X.] ergibt sich, dass d. [X.] im Rahmen einer gewillkürten Prozessstandschaft ermächtigt ist, die abgetretenen Forderungen aus und im Zusammenhang mit dem Versicherungsvertrag -
somit auch einen Bereicherungsanspruch
-
im ei-genen Namen gerichtlich geltend zu machen.

I[X.] Die Revision ist auch begründet.

1. Der Anspruch auf Prämienrückzahlung folgt dem Grunde nach aus §
812 Abs.
1 Satz
1 Alt.
1 BGB.

a) Der zwischen den Parteien geschlossene Versicherungsvertrag schafft keinen Rechtsgrund für die Prämienzahlung. Er ist infolge des Widerspruchs d. [X.] nicht wirksam zustande gekommen. Der [X.] war -
ungeachtet des Ablaufs der in §
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] a.F. normierten Jahresfrist
-
rechtzeitig.

aa) Nach den revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden [X.] belehrte der Versicherer d. [X.] nicht ord-nungsgemäß i.S. von §
5a Abs.
2 Satz
1 [X.] a.F. über das [X.]srecht. Die allein maßgebliche Widerspruchsbelehrung in dem [X.] ist bereits insofern inhaltlich fehlerhaft, als sie kei-nen Hinweis darauf enthält, dass der Widerspruch schriftlich zu erheben war (vgl. Senatsurteil vom 28.
Januar 2004
IV ZR 58/03, [X.], 497 unter 3b). Zudem werden die Unterlagen, von deren Erhalt der Be-ginn der Widerspruchsfrist nach §
5a Abs.
2 Satz
1 [X.] a.F. den Beginn der Widerspruchsfrist abhängig machte, nicht genannt.
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Für einen solchen Fall einer nicht ordnungsgemäßen [X.]sbelehrung bestimmte §
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] a.F. zwar, dass das Widerspruchsrecht ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie erlischt.
Das Widerspruchsrecht bestand hier aber nach Ablauf der Jahresfrist und noch im Zeitpunkt der Widerspruchserklärung fort.

Das ergibt die richtlinienkonforme Auslegung des §
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] a.F. auf der Grundlage der Vorabentscheidung des [X.] der [X.] vom 19.
Dezember 2013 ([X.], 225). Der Senat hat mit Urteil vom 7.
Mai 2014 ([X.], [X.]Z 201, 101 Rn.
17-34) entschieden und im Einzelnen begründet, die Regelung müsse richtlinienkonform teleologisch dergestalt reduziert werden, dass sie im Anwendungsbereich der [X.] und der [X.] keine Anwendung findet und für
davon er-fasste Lebens-
und Rentenversicherungen sowie Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung grundsätzlich ein Widerspruchsrecht fortbesteht, wenn d. [X.]

wie hier

nicht ordnungsgemäß über das Recht zum [X.] belehrt worden ist und/oder die Verbraucherinformation oder die Versicherungsbedingungen nicht erhalten hat.

bb) Die (hilfsweise) Kündigung des Versicherungsvertrages steht dem späteren Widerspruch nicht entgegen (vgl. Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 aaO Rn.
36 m.w.N.). Ein Erlöschen des Widerspruchsrechts nach beiderseits vollständiger Leistungserbringung kommt ebenfalls nicht in Betracht (vgl. Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 aaO Rn.
37 m.w.N.).

b) Die bereicherungsrechtlichen Rechtsfolgen der Europarechts-widrigkeit des §
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] a.F. sind nicht auf eine Wirkung ab Zugang des Widerspruchs (ex nunc) zu beschränken, sondern nur ei-16
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ne Rückwirkung entspricht dem [X.] (dazu im Einzelnen Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 aaO Rn.
42-44).

2. Aus der wirksamen Widerspruchserklärung folgende bereiche-rungsrechtliche Ansprüche waren bei Erhebung der Klage im Januar 2011
noch nicht verjährt. Zu diesem Zeitpunkt war die maßgebliche re-gelmäßige dreijährige Verjährungsfrist des §
195 BGB nicht abgelaufen. Diese konnte erst mit Schluss des Jahres 2009 beginnen, da d. [X.] erst in diesem Jahr den Widerspruch erklärte. Der nach einem Widerspruch gemäß §
5a [X.] a.F. geltend gemachte Bereicherungsanspruch ent-stand erst mit Ausübung des Widerspruchsrechts im Sinne von §
199 Abs.
1 Nr.
1 BGB; jedenfalls zu diesem Zeitpunkt hatte der Versiche-rungsnehmer Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners im Sinne von §
199 Abs.
1 Nr.
2 BGB (vgl. Senatsurteil vom 8.
April 2015 -
IV ZR 103/15, [X.], 700 Rn.
19
ff.).

3. Der Höhe nach umfasst der [X.] nach §
812 Abs.
1 Satz
1 Alt.
1 BGB nicht uneingeschränkt alle gezahlten Prämien. Vielmehr muss sich d. [X.] bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwick-lung den jedenfalls bis zur Kündigung des Vertrages genossenen Versi-cherungsschutz anrechnen lassen. Der Wert des Versicherungsschutzes kann unter Berücksichtigung der Prämienkalkulation bemessen werden; bei Lebensversicherungen kann etwa dem Risikoanteil Bedeutung [X.] (Senatsurteil vom 7.
Mai
2014 aaO Rn.
45 m.w.N.; Senatsurtei-le vom 29.
Juli 2015 -
[X.]/14, [X.], 1101 Rn.
35
ff., IV
ZR 448/14, [X.], 1104 Rn.
33
ff.).

Da es hierzu an Feststellungen fehlt, ist der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuver-20
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weisen. Es wird den Parteien Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag

auch zur Frage der Entreicherung (vgl. hierzu Senatsurteile vom 29.
Juli 2015

[X.]/14
aaO
Rn.
41
ff.; [X.], aaO Rn.
46
ff.)
-
zu geben haben (vgl. Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 aaO Rn.
46).

[X.] [X.] Dr.
Karczewski

[X.] [X.]
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 16.06.2011 -
332 O 318/10 -

O[X.], Entscheidung vom 18.11.2011 -
9 [X.] -

Meta

IV ZR 333/15

23.09.2015

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.09.2015, Az. IV ZR 333/15 (REWIS RS 2015, 4954)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 4954

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Zitiert

II ZR 197/09

IV ZR 76/11

IV ZR 103/15

IV ZR 384/14

IV ZR 448/14

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