Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.07.2015, Az. IV ZR 257/13

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 7779

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
IV ZR 257/13
Verkündet am:

22. Juli 2015

Heinekamp

Amtsinspektor

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

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-

Der IV.
Zivilsenat des [X.] hat durch die Vorsitzende
Richterin [X.], die Richterin [X.], die Richter Dr.
Karczewski, [X.] und die Richterin [X.] im schriftli-chen Verfahren, bei dem Schriftsätze bis zum 24.
Juni 2015 eingereicht werden konnten,

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Klägerseite wird das Urteil des 8.
Zivilsenats des [X.] vom 27.
Juni 2013 aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der
Streitwert wird auf 6.137,16

festgesetzt.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerseite (Versicherungsnehmerin: im Folgenden d. [X.]) be-gehrt von dem beklagten Versicherer (im Folgenden Versicherer) Rück-zahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einer fondsgebundenen Le-bensversicherung.

Diese wurde aufgrund eines Antrags d. [X.] mit [X.] zum 1.
Dezember 1994 nach dem so genannten Policenmodell des §
5a [X.] in der seinerzeit gültigen Fassung (im Folgenden §
5a [X.] 1
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a.[X.]) abgeschlossen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts erhielt d. [X.] den Versicherungsschein, der die Versicherungsbedingun-gen und eine Verbraucherinformation nach §
10a des [X.] ([X.]) enthielt. Im März 2012
kündigte d. [X.] den Vertrag und der Versicherer zahlte den Rückkaufswert aus. Mit Schreiben vom 12.
Oktober 2012
erklärte d. [X.] schließlich "den Widerspruch gegen das Zustandekommen des Versicherungsvertrages nach §§
5a, 8
[X.] a.[X.], weiter den Widerruf gemäß §
7 VerbrKrG bzw. 495, 355 BGB".

Mit der Klage verlangt d. [X.] -
soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung
-
Rückzahlung aller auf den Vertrag geleisteten [X.] nebst Zinsen abzüglich des bereits gezahlten [X.], ins-gesamt 6.137,16

.

Nach Auffassung d. [X.] ist der Versicherungsvertrag nicht wirksam zustande gekommen. Auch nach Ablauf der Frist des -
gegen Gemein-schaftsrecht verstoßenden
-
§
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] a.[X.] habe der [X.] noch erklärt werden können.

Der Versicherer hat die Einrede der Verjährung erhoben.

Das [X.] hat die Klage abgewiesen, das [X.] die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision ver-folgt d. [X.] das Klagebegehren weiter.

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Entscheidungsgründe:

Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur [X.] an das Berufungsgericht.

I. Dieses hat einen Prämienrückerstattungsanspruch aus unge-rechtfertigter Bereicherung verneint. Dem wirksamen Zustandekommen des Versicherungsvertrages stehe nicht entgegen, dass d. [X.] nicht ord-nungsgemäß über das Widerspruchsrecht belehrt
worden sei. In der [X.] finde sich keine Widerspruchsbelehrung. Das Fehlen einer Belehrung werde nicht durch das von dem Versicherer vorgelegte Musteranschreiben kompensiert. Insoweit bedürfe es keiner Beweisauf-nahme über die Behauptung des Versicherers, dass dieses Schreiben tatsächlich auch an d. [X.] versandt worden sei. Selbst wenn das der Fall gewesen wäre, wäre d. [X.] nicht ordnungsgemäß belehrt worden. Dem [X.] könne nicht entnommen werden, welche Unterla-gen erforderlich seien, um die Widerspruchsfrist in Gang zu setzen. Gleichwohl sei d. [X.] an der Ausübung des Widerspruchsrechts gehin-dert. Dabei könne offen bleiben, ob dem bereits der Ablauf der [X.] gemäß § 5a Abs.
2 Satz 4 [X.] a.[X.]
entgegenstehe. Jedenfalls scheitere die Ausübung des Widerspruchsrechts daran, dass der Vertrag zum Zeitpunkt des Widerspruchs bereits infolge der Kündigung einver-nehmlich beendet und abgewickelt worden sei.

[X.] Die Revision ist begründet.
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1. Der -
mit der Revision allein weiterverfolgte
-
Anspruch auf Prä-mienrückzahlung folgt dem Grunde nach aus §
812 Abs.
1 Satz
1 Alt.
1 BGB.

a) Der zwischen den Parteien geschlossene Versicherungsvertrag schafft keinen Rechtsgrund für die Prämienzahlung. Er ist infolge des Widerspruchs d. [X.] nicht wirksam zustande gekommen. Der [X.] war -
ungeachtet des Ablaufs der in §
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] a.[X.] normierten Jahresfrist
-
rechtzeitig.

aa) Nach den revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden [X.] belehrte der Versicherer d. [X.] nicht ord-nungsgemäß i.S. von §
5a Abs.
2 Satz
1 [X.] a.[X.] über das [X.]srecht. Falls d. [X.] -
was das Berufungsgericht offengelassen hat
-
mit dem Versicherungsschein ein Begleitschreiben nach dem von dem Versicherer vorgelegten Muster erhalten hätte, wäre die darin enthaltene Belehrung nicht ordnungsgemäß, weil sie nicht erkennen lässt, welche Unterlagen d. [X.] erhalten muss,
damit die Widerspruchsfrist in Gang gesetzt wird.

Für einen solchen Fall einer nicht ordnungsgemäßen [X.]sbelehrung bestimmte §
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] a.[X.] zwar, dass das Widerspruchsrecht ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie erlischt.
Das Widerspruchsrecht bestand hier aber nach Ablauf der Jahresfrist und noch im Zeitpunkt der Widerspruchserklärung fort.

Das ergibt die richtlinienkonforme Auslegung des §
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] a.[X.] auf der Grundlage der Vorabentscheidung des Ge-10
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richtshofs der [X.] vom 19.
Dezember 2013 ([X.], 225). Der Senat hat mit Urteil vom 7.
Mai 2014 ([X.], [X.], 101 Rn.
17-34) entschieden und im Einzelnen begründet, die Regelung müsse richtlinienkonform teleologisch dergestalt reduziert werden, dass sie im Anwendungsbereich der [X.] und der [X.] keine Anwendung findet und für davon er-fasste Lebens-
und Rentenversicherungen sowie Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung grundsätzlich ein Widerspruchsrecht fortbesteht, wenn d. [X.] -
wie hier
-
nicht ordnungsgemäß über das Recht zum [X.] belehrt worden ist und/oder die Verbraucherinformation oder die Versicherungsbedingungen nicht erhalten hat.

bb) Die Kündigung des Versicherungsvertrages steht entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts dem späteren Widerspruch nicht entge-gen (vgl. Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 aaO Rn.
36 m.w.N.). Ein [X.] nach beiderseits vollständiger Leistungs-erbringung kommt ebenfalls nicht in Betracht (vgl. Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 aaO Rn.
37 m.w.N.).

b) Die bereicherungsrechtlichen Rechtsfolgen der Europarechts-widrigkeit des §
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] a.[X.] sind nicht auf eine Wirkung ab Zugang des Widerspruchs (ex nunc) zu beschränken, sondern nur ei-ne Rückwirkung entspricht dem [X.] (dazu im Einzelnen Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 aaO Rn.
42-44).

2. Der [X.] war bei Erhebung der Klage im [X.] noch nicht verjährt. Zu diesem Zeitpunkt war die maßgebli-che regelmäßige dreijährige Verjährungsfrist des §
195 BGB nicht abge-laufen. Diese konnte erst mit Schluss des Jahres 2012 beginnen, da d. 15
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[X.] erst in diesem Jahr den Widerspruch erklärte. Der nach einem [X.] gemäß §
5a [X.] a.[X.] geltend gemachte Bereicherungsan-spruch entstand erst mit Ausübung des Widerspruchsrechts im Sinne von §
199 Abs.
1 Nr.
1 BGB; jedenfalls zu diesem Zeitpunkt hatte d. [X.] Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners im Sinne von §
199 Abs.
1 Nr.
2 BGB (vgl. Senatsurteil vom 8.
April 2015 -
IV ZR 103/15, [X.], 865 Rn.
19
ff.).

3. Der Höhe nach umfasst der [X.] nach §
812 Abs.
1 Satz
1 Alt.
1 BGB nicht uneingeschränkt alle gezahlten Prämien. Vielmehr muss sich d. [X.] bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwick-lung den jedenfalls bis zur Kündigung des Vertrages genossenen Versi-cherungsschutz anrechnen lassen. Der Wert des Versicherungsschutzes kann unter Berücksichtigung der Prämienkalkulation bemessen werden; bei Lebensversicherungen kann etwa dem Risikoanteil Bedeutung [X.] (Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 aaO Rn.
45 m.w.N.).

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Da es hierzu an Feststellungen fehlt, ist der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuver-weisen. Es wird den Parteien Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu geben haben (vgl. Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 aaO Rn.
46).

[X.]

[X.] Dr.
Karczewski

[X.] [X.]
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 19.02.2013 -
5 [X.]/12 -

OLG [X.], Entscheidung vom 27.06.2013 -
8 [X.]/13 -

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Meta

IV ZR 257/13

22.07.2015

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.07.2015, Az. IV ZR 257/13 (REWIS RS 2015, 7779)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 7779

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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IV ZR 76/11

IV ZR 103/15

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