Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21.09.2011, Az. 5 AZR 629/10

5. Senat | REWIS RS 2011, 3157

ARBEITSRECHT BUNDESARBEITSGERICHT (BAG) ARBEITSZEIT INDIVIDUAL-ARBEITSRECHT GEHALT

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Gegenstand

Vergütungserwartung - Überstunden


Leitsatz

Bei zeitlicher Verschränkung arbeitszeitbezogen und arbeitszeit-unabhängig vergüteter Arbeitsleistungen lässt sich das Bestehen einer objektiven Vergütungserwartung für Überstunden (§ 612 Abs. 1 BGB) im arbeitszeitbezogen vergüteten Arbeitsbereich nicht ohne Hinzutreten besonderer Umstände oder einer entsprechenden Verkehrssitte begründen.

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 19. März 2010 - 9 [X.] 2161/08 -, - 9 [X.] 2266/08 - und - 9 [X.] 2316/08 - teilweise aufgehoben.

2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 17. September 2008 - 30 Ca 18451/07 - und - 30 Ca 14891/08 ([X.]) - in seinen Ziff. [X.] 1. bis 3. teilweise abgeändert und insoweit zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 9.000,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. September 2008 zu zahlen.

3. Die Berufung des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 17. September 2008 - 30 Ca 18451/07 - und - 30 Ca 14891/08 ([X.]) - wird mit der vom [X.] in Ziff. [X.] seines Urteils vom 19. März 2010 - 9 [X.] 2161/08 -, - 9 [X.] 2266/08 - und - 9 [X.] 2316/08 - ausgesprochenen Maßgabe insgesamt zurückgewiesen.

4. Die Kosten der Revision hat der Kläger zu tragen. Von den Kosten der Berufung haben der Kläger 19/20 und die Beklagte 1/20 sowie von den erstinstanzlichen Kosten der Kläger 9/10 und die Beklagte 1/10 zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz noch darüber, ob für die Monate Oktober bis Dezember 2007 eine Brutto- oder Nettovergütung geschuldet ist, und über die Abgeltung von Überstunden.

2

Der 1965 geborene Kläger war bei der [X.], einer Versicherungsmaklerin, seit dem 1. April 2005 als Büroleiter tätig. Grundlage seiner Tätigkeit war die am 22. März 2005 handschriftlich festgehaltene Vereinbarung, in der es heißt:

        

„1.     

Beide Parteien beschließen ab 1.4.05 eine Zusammenarbeit. [X.] ist bereit ab 21.3.05 in der [X.] zeitweise tätig zu sein. Diese [X.] wird separat vergütet oder verrechnet.

        

2.    

Die Tätigkeit von [X.] ist die eines Büroleiters gemäß den ausgehändigten Beschreibungen.

        

3.    

Die wöchentliche Arbeitszeit beträgt 40 Stunden (Mo - Freitag).

        

4.    

Das Arbeitsentgelt beträgt € 3.000 per Monat.

        

5.    

Es wird eine Probezeit von 3 Monaten vereinbart. Die Kündigungsfrist beträgt in dieser [X.] 14 Tage.

        

6.    

(…)     

        

7.    

Nach Ablauf der Probezeit wird über die Vertragsmodalitäten neu verhandelt.

        

8.    

Geplant ist ab 1.1.2006 die Tätigkeit als stellvertr. GF.

        

9.    

Ab 1.1.2007 ist die Tätigkeit als GF geplant mit Unternehmensbeteiligung in [X.]öhe von 10 % (i.W. zehn).

        

...“   

        

3

Rückwirkend zum selben [X.]punkt schlossen die Parteien eine „Zusatzvereinbarung zum Mitarbeitervertrag“, in der sie ua. Folgendes vereinbarten:

        

„§ 1: [X.]err S erhält als Vergütung für von ihm allein und eigenständig vermitteltes Neugeschäft von den dem Arbeitgeber daran zufließenden Abschlussprovisionen in den Bereichen Kapitalanlagen (Fonds), Lebens-, Renten- und Krankenversicherung eine Beteiligung in [X.]öhe von [X.] Prozent. Ist das Neugeschäft nicht aus dem Umfeld von [X.] geworben, beträgt der Beteiligungssatz achtzig Prozent der [X.] zufließenden Provisionen.

                 
        

§ 2: [X.]err S erhält als Vergütung für von ihm allein und eigenständig vermitteltes Neugeschäft, von den dem Arbeitgeber daran zufließende Erstjahrescourtagen in den Bereichen der Sach-, [X.]aftpflicht-, Unfall- und Rechtsschutz-Versicherung eine Beteiligung in [X.]öhe von [X.] Prozent. Ist das Neugeschäft nicht aus dem Umfeld von [X.] geworben, beträgt der Beteiligungssatz achtzig Prozent der [X.] zufließenden Provisionen.

                 
        

§ 3: Für Verträge, die mit [X.]ilfe von weiteren Mitarbeitern des Arbeitgebers als Zuträger abgeschlossen werden, wird der Provisionsanspruch um fünfundzwanzig Prozent der vorgenannten Provisionen des Arbeitgebers gekürzt. (…)

        

...“   

4

In einem Nachtrag hierzu heißt es:

        

„a)     

Das vereinbarte Grundgehalt ist ausschließlich dem Arbeitsvertrag mit den dazu gehörigen Arbeitsplatzbeschreibungen zuzuordnen.

        

b)    

Außendiensttätigkeiten gemäß der Zusatzvereinbarung sind, sofern ein Grundgehalt bezahlt wird, nach Arbeitsschluss (reguläre Arbeitszeit) durchzuführen.

        

c)    

Sollte ein Termin während der Arbeitszeit anfallen, kann dieser durchgeführt werden und wird jedoch mit der Arbeitszeit verrechnet und abgezogen.

        

d)    

Angebote und Telefonate fallen in den Bereich der Arbeitszeit.

        

…“    

        

5

Vom Beginn der Zusammenarbeit an erhielt der Kläger von der [X.] monatlich 3.000,00 Euro. Die Beklagte führte hierfür weder Lohnsteuern ab, noch meldete sie den Kläger zur Sozialversicherung an. Auch der Kläger zahlte weder Steuern noch Sozialversicherungsbeiträge auf das Entgelt. Über den Betrag von 3.000,00 Euro existieren monatliche Rechnungen des [X.], deren Echtheit teilweise streitig ist.

6

Mit Schreiben vom 23. Oktober 2007 kündigte die Beklagte „die Zusammenarbeit aus wichtigem Grund mit sofortiger Wirkung“. Im Kündigungsschutzprozess stützte sie ihre Kündigung darauf, der Kläger habe sich in [X.] als „kommissarischer Reichspräsident“ dargestellt. Das [X.] hat im Berufungsurteil festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der [X.] vom 23. Oktober 2007 nicht fristlos aufgelöst wurde, sondern bis zum 31. Dezember 2007 fortbestand.

7

Ab Oktober 2007 zahlte die Beklagte keine Vergütung mehr. Auf ihre Aufforderung arbeitete der Kläger wieder vom 13. November 2007 bis zu seiner Freistellung ab dem 3. Dezember 2007.

8

Mit [X.] im Kündigungsschutzprozess hat der Kläger Vergütung für die Monate Oktober bis Dezember 2007 begehrt, die er ausgehend von 3.000,00 Euro netto unter Zugrundelegung der Steuerklasse V auf eine monatliche Bruttovergütung von 6.910,77 Euro hochrechnete. Er hat geltend gemacht, die Parteien hätten ein [X.] vereinbart, zumindest ergebe sich eine Nettolohnabrede aus § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV. Außerdem hat der Kläger die Abgeltung von während der gesamten Beschäftigungszeit geleisteter 1.448,5 Überstunden verlangt und vorgetragen, der Geschäftsführer der [X.] habe diese angeordnet und genehmigt. Wie alle anderen Arbeitnehmer habe der Kläger mittels einer Excel-Tabelle ein Arbeitszeitkonto führen müssen. Dieses habe er regelmäßig, letztmalig am 6. Juli 2007 dem Geschäftsführer vorgelegt.

9

Der Kläger hat - soweit für die Revision von Belang - nach vorläufiger Vollstreckung des erstinstanzlichen Urteils zuletzt beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn zu zahlen

        

a)    

6.910,77 Euro brutto (Gehalt Oktober 2007) abzüglich gezahlter 3.000,00 Euro netto nebst Zinsen in [X.]öhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. September 2008,

        

b)    

6.910,77 Euro brutto (Gehalt November 2007) abzüglich gezahlter 3.000,00 Euro netto nebst Zinsen in [X.]öhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. September 2008,

        

c)    

6.910,77 Euro brutto (Gehalt Dezember 2007) abzüglich gezahlter 3.000,00 Euro netto nebst Zinsen in [X.]öhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. September 2008,

        

d)    

weitere 55.000,66 Euro brutto zuzüglich Zinsen in [X.]öhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. September 2008.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, eine Nettovergütung sei weder vereinbart gewesen, noch ergebe sich eine solche aus § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV. Die Parteien hätten keine Schwarzgeldabrede getroffen, sondern sich über eine freie Mitarbeit geeinigt, weil der Erwerb von Gesellschaftsanteilen beabsichtigt war. Ein Arbeitszeitkonto habe der Kläger nicht führen müssen. Seine Aufzeichnungen über angeblich geleistete Arbeitszeit hätten nachträglich manipuliert werden können. Überstunden habe sie weder angeordnet noch genehmigt.

Das Arbeitsgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 9.000,00 Euro netto nebst Zinsen verurteilt und im Übrigen die Klage abgewiesen. Nach vier Terminen zur mündlichen Verhandlung hat das [X.] die Berufung der [X.] zurückgewiesen und sie auf die Berufung des [X.] verurteilt, an diesen weitere [X.] Euro netto nebst Zinsen zur Abgeltung von Überstunden zu zahlen. Mit der vom Senat für die Beklagte zugelassenen Revision wendet sich diese gegen die Zahlung einer Nettovergütung für die Monate Oktober bis Dezember 2007 und verfolgt hinsichtlich der Abgeltung von Überstunden ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist begründet.

Streitgegenständlich sind in der Revisionsinstanz nach der Erklärung der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] zu ihrem Revisionsantrag und mangels Anschlussrevision des [X.] nur die Fragen, ob für die Monate Oktober bis Dezember 2007 eine Brutto- oder Nettovergütung geschuldet ist und der Kläger die Abgeltung von Überstunden beanspruchen kann. Damit steht insbesondere rechtskräftig fest, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis bestand, das durch die Kündigung der Beklagten vom 23. Oktober 2007 zum 31. Dezember 2007 aufgelöst wurde.

Zu Unrecht hat das [X.] die Berufung der Beklagten gegen die erstinstanzliche Verurteilung zu einer Nettovergütung für die Monate Oktober bis Dezember 2007 zurückgewiesen und der Berufung des [X.] gegen das die Klage auf Abgeltung von Überstunden abweisende Urteil des Arbeitsgerichts stattgegeben.

I. Die Revision der Beklagten ist allerdings nicht bereits deshalb begründet, weil der von ihr geltend gemachte absolute Revisionsgrund der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des Berufungsgerichts nach § 547 Nr. 1 ZPO iVm. § 72 Abs. 5 ArbGG vorläge. [X.] der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des Gerichts ist unbegründet.

1. [X.] der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des erkennenden Gerichts ist unverzichtbar, so dass entgegen der Auffassung des [X.] ein mögliches Einverständnis der Beklagten mit der Besetzung der [X.]bank in der letzten Berufungsverhandlung am 19. März 2010 unerheblich ist.

2. Nach § 547 Nr. 1 ZPO ist eine Entscheidung stets als auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen, wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war. Die Norm umfasst auch diejenigen Fälle, in denen über die [X.] andere [X.] entscheiden als die gesetzlich Berufenen ([X.] 9. Juni 2011 - 2 [X.] - Rn. 16, NJ[X.] 2011, 3053; 26. September 2007 - 10 [X.] - Rn. 11, [X.] ZPO § 547 Nr. 7; 16. Mai 2002 - 8 [X.] - zu [X.] der Gründe, [X.]E 101, 145 - jeweils mwN). Aus dem verfassungsrechtlichen Verbot, einem Verfahrensbeteiligten den gesetzlichen [X.] zu entziehen (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) folgt, dass die [X.] nicht anders besetzt werden dürfen als es in den allgemeinen Normen der Gesetze und der Geschäftsverteilungspläne vorgesehen ist. „Gesetzlicher [X.]“ bedeutet, dass sich der für die einzelne Sache zuständige [X.] im Voraus eindeutig aus einer allgemeinen Regelung ergeben muss. Kennzeichnung der Gewährleistung des gesetzlichen [X.]s ist die normative, abstrakt-generelle Vorherbestimmung des jeweils für die Entscheidung zuständigen [X.]s ([X.] 20. Juni 2007 - 10 [X.] - Rn. 16, [X.] ZPO § 547 Nr. 6 = EzA GG Art. 101 Nr. 8; 26. September 1996 - 8 [X.] - zu [X.] der Gründe, [X.]E 84, 189).

3. Diese Voraussetzungen sind gegeben. Die von der Beklagten gerügte Mitwirkung des ehrenamtlichen [X.]s R an der angefochtenen Entscheidung entspricht dem Geschäftsverteilungsplan des [X.]s Berlin-Brandenburg für das Geschäftsjahr 2010 (im Folgenden: [X.]). Nach dessen Ziff. 7.1 Satz 3 war zwar zunächst aufgrund der in der Berufungsverhandlung vom 31. Juli 2009 erfolgten Beweisaufnahme die ehrenamtliche [X.]in [X.] zu den [X.] heranzuziehen. Dementsprechend nahm Frau [X.] an der Berufungsverhandlung am 20. November 2009 teil, die mit dem Beschluss endete, Termin zur Verkündung einer Entscheidung werde auf den 18. Dezember 2009 bestimmt. Diesen Verkündungstermin hob die Kammervorsitzende mit Beschluss vom 14. Dezember 2009 auf. Am 5. März 2010 erließ die vollbesetzte Kammer unter Mitwirkung der ehrenamtlichen [X.]in [X.] den am selben Tag verkündeten Beschluss, die mündliche Verhandlung am 19. März 2009 fortzusetzen. Nachdem die ehrenamtliche [X.]in [X.] sich für diesen Termin für verhindert erklärte, wurde statt ihrer der ehrenamtliche [X.] R herangezogen.

Diese Verfahrensweise steht im Einklang mit Ziff. 7.2 [X.] Danach sind bei Verhinderung ehrenamtlicher [X.] und [X.]innen an der [X.]ahrnehmung einer Sitzung, eines Fortsetzungstermins oder eines für diesen anberaumten [X.] der festgelegten Reihenfolge nach noch nicht zu nachfolgenden Sitzungen eingeteilte ehrenamtliche [X.] und [X.]innen heranzuziehen. Für die Anzeige einer Verhinderung durch den ehrenamtlichen [X.] oder die ehrenamtliche [X.]in ist deren förmliche Ladung nicht erforderlich. Das gilt umso mehr, als im Streitfall der ehrenamtlichen [X.]in [X.] durch ihre Mitwirkung an dem Beschluss vom 5. März 2010 der anberaumte Fortsetzungstermin schon vor einer förmlichen Ladung hierzu bekannt war.

II. Die Revision der Beklagten ist begründet, soweit das [X.] die Berufung der Beklagten gegen ihre erstinstanzliche Verurteilung zu einer Nettovergütung für die Monate Oktober bis Dezember 2007 zurückgewiesen hat. Der Kläger kann eine Nettovergütung für diesen Zeitraum nicht beanspruchen.

1. Zwischen den Parteien steht in der Revisionsinstanz außer Streit, dass dem Kläger für die Monate Oktober bis Dezember 2007 Vergütung nach § 611 Abs. 1 BGB für geleistete Arbeit und im Übrigen unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs (§ 615 Satz 1 BGB) zusteht. Eine Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger die vereinbarte Vergütung in Höhe von 3.000,00 Euro monatlich als Nettovergütung zu zahlen, besteht jedoch nicht.

a) Eine solche ergibt sich nicht aus den Vereinbarungen der Parteien. Eine ausdrückliche Nettolohnvereinbarung wurde von ihnen nach den Feststellungen des [X.]s nicht getroffen.

b) Eine Nettolohnabrede folgt auch nicht aus § 14 Abs. 2 Satz 2 [X.] Danach gilt ein Nettoarbeitsentgelt als vereinbart, wenn bei illegalen Beschäftigungsverhältnissen Steuern und Sozialversicherungsbeiträge nicht gezahlt worden sind. Unbeschadet der - vom [X.] bejahten - Frage, ob die Parteien eine Schwarzgeldabrede getroffen haben, beschränkt sich der Anwendungsbereich dieser Vorschrift auf das Sozialversicherungsrecht und erstreckt sich nicht auf das bürgerlichrechtliche Rechtsverhältnis der Arbeitsvertragsparteien ([X.] 17. März 2010 - 5 [X.] - Rn. 13 ff., [X.]E 133, 332; [X.]/Preis 11. Aufl. § 611 BGB Rn. 475; [X.]/Kamanabrou 4. Aufl. § 611 BGB Rn. 228; [X.]/[X.]eidenkaff 70. Aufl. § 611 BGB Rn. 51; [X.] Aktuell 2010, 322; Steenfatt BB 2010, 1992). Das ergibt eine systematische Auslegung der Norm, deren Ergebnis durch den Zweck und die Entstehungsgeschichte des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV bestätigt wird (s. dazu im Einzelnen [X.] 17. März 2010 - 5 [X.] - aaO).

Die Befürchtung des [X.], ein solches Verständnis des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV schaffe für Arbeitgeber Anreize zur Schwarzarbeit, ist unberechtigt. Neben seiner Strafbarkeit wegen des Vorenthaltens und der Veruntreuung von Arbeitsentgelt nach § 266a StGB muss der Arbeitgeber die Nachentrichtung des [X.] gegenwärtigen, in der Regel ohne (volle) Rückgriffsmöglichkeit auf den Arbeitnehmer, § 28e Abs. 1 Satz 1, § 28g Satz 3 [X.]

Die Rechtsprechung des [X.] steht auch nicht in [X.]iderspruch zu der des [X.]. Dieser versteht § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV ebenfalls (nur) als sozialversicherungsrechtliche Berechnungsgrundlage des Arbeitsentgelts in einem illegalen Beschäftigungsverhältnis, die er im Rahmen der Strafnorm des § 266a StGB bei der Berechnung der vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträge anwendet ([X.] Dezember 2008 - 1 [X.] - Rn. 12 ff., BGHSt. 53, 71). Der vom Kläger angeregten Vorlage an die [X.] beim [X.] (§ 132 Abs. 1 Satz 2 GVG) bedurfte es schon deshalb nicht, weil das [X.] - anders als das Reichsarbeitsgericht, das als besonders besetzter [X.] des [X.] konzipiert war (vgl. GMP/Prütting 7. Aufl. [X.]. Rn. 14) - ein eigenständiger oberster Gerichtshof des Bundes (Art. 95 Abs. 1 GG) ist.

2. Der Kläger kann die vereinbarte Vergütung von 3.000,00 Euro monatlich, die auch dann wirksam vereinbart ist, wenn die Parteien - wie das [X.] festgestellt hat - eine Schwarzgeldabrede getroffen haben (vgl. [X.] 26. Februar 2003 - 5 [X.] - zu [X.] der Gründe, [X.]E 105, 187), nur als Bruttovergütung beanspruchen ([X.] 16. Juni 2004 - 5 [X.] - zu [X.] und 2 der Gründe, [X.]E 111, 131; [X.]/Preis § 611 BGB Rn. 474 mwN). Denn der Arbeitnehmer ist gemäß § 38 Abs. 2 EStG Schuldner der Lohnsteuer und muss im Innenverhältnis zum Arbeitgeber den ihn treffenden Teil des [X.] tragen, § 28g [X.] Dass das Vertragsverhältnis der Parteien als Arbeitsverhältnis einzuordnen ist, steht aufgrund der nicht angegriffenen Entscheidung des Berufungsgerichts im Kündigungsschutzprozess rechtskräftig fest.

3. Die Beklagte hat den Vergütungsanspruch nach ihrem eigenen Vorbringen nicht erfüllt (§ 362 Abs. 1 BGB). Die vorläufige Vollstreckung des erstinstanzlichen Urteils durch den Kläger bewirkt nicht die materiell-rechtliche Erfüllung des Vergütungsanspruchs und führt bis zur Rechtskraft der Entscheidung nicht zur endgültigen Tilgung nach § 815 Abs. 3, § 819 ZPO (vgl. [X.]/[X.] § 362 BGB Rn. 15 mwN).

4. Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 288 Abs. 1 BGB iVm. § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB.

III. Die Revision der Beklagten ist auch begründet, soweit das [X.] der Berufung des [X.] gegen das die Klage auf Abgeltung von Überstunden abweisende Urteil des Arbeitsgerichts stattgegeben hat. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Überstundenvergütung.

1. Der Arbeitsvertrag der Parteien enthält weder eine positive noch eine negative Regelung zur Vergütung von Überstunden. Anspruchsgrundlage für das Begehren des [X.] kann deshalb nur § 612 Abs. 1 BGB sein. Nach dieser Vorschrift gilt eine Vergütung als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist.

Die nach § 612 Abs. 1 BGB erforderliche - objektive - Vergütungserwartung wird zwar in weiten Teilen des Arbeitslebens gegeben sein. Einen allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass jede Mehrarbeitszeit oder jede dienstliche Anwesenheit über die vereinbarte Arbeitszeit hinaus zu vergüten ist, gibt es jedoch nicht (vgl. [X.] 17. August 2011 - 5 [X.] - Rn. 21, [X.], 2204; [X.]/Preis § 612 BGB Rn. 18; H[X.]K/Thüsing 4. Aufl. § 612 BGB Rn. 23 - jeweils mwN). Die Vergütungserwartung ist deshalb stets anhand eines objektiven Maßstabs unter Berücksichtigung der Verkehrssitte, der Art, des Umfangs und der Dauer der Dienstleistung sowie der Stellung der Beteiligten zueinander festzustellen, ohne dass es auf deren persönliche Meinung ankäme ([X.] 11. Oktober 2000 - 5 [X.] -- zu [X.] a der Gründe, [X.]E 96, 45). Darlegungs- und beweispflichtig für das Bestehen einer Vergütungserwartung ist nach allgemeinen Grundsätzen derjenige, der eine Vergütung begehrt.

2. Aus dem Sachvortrag des [X.] lässt sich das Bestehen einer Vergütungserwartung nicht begründen. Anders als im „Normalarbeitsverhältnis“ sind die Vertragsbeziehungen der Parteien im Streitfall dadurch gekennzeichnet, dass der Kläger neben dem Arbeitsverhältnis als Büroleiter, in dem er für eine bestimmte [X.]ochenarbeitszeit eine gleichbleibende monatliche Vergütung erhalten sollte, damit betraut war, Versicherungsverträge für die Beklagte unabhängig von dem dafür benötigten Zeitaufwand auf Provisionsbasis zu vermitteln. Dabei waren die unterschiedlichen Vergütungsregelungen folgenden Tätigkeiten arbeitszeitlich nicht strikt getrennt, sondern ineinander verschränkt. Der Kläger durfte nach [X.]. d des Nachtrags zur Zusatzvereinbarung (im Folgenden: Nachtrag) während der Arbeitszeit als Büroleiter Angebote für seine Tätigkeit als Versicherungsvertreter ausarbeiten und entsprechende Telefonate führen. [X.] sollten zwar nach der Arbeitszeit als Büroleiter erfolgen, konnten aber unter Verrechnung auf diese während der „regulären Arbeitszeit“ durchgeführt werden, [X.]. b und [X.]. c des Nachtrags. Damit wird deutlich, dass es den Parteien nicht auf eine strikte Trennung der unterschiedlich vergüteten Arbeitsbereiche ankam. Der Kläger durfte ohne zeitliche Begrenzung während der Arbeitszeit als Büroleiter Angebote für seine Tätigkeit als Versicherungsvertreter ausarbeiten und entsprechende Telefonate führen. Bei einer derartigen Verschränkung arbeitszeitbezogen und arbeitszeitunabhängig vergüteter Arbeits- bzw. Dienstleistungen lässt sich das Bestehen einer objektiven Vergütungserwartung für Überstunden im arbeitszeitbezogen vergüteten Arbeitsbereich nicht ohne Hinzutreten besonderer Umstände oder einer entsprechenden Verkehrssitte begründen. Fehlt es daran, kann eine Überstundenvergütung nur verlangt werden, wenn sie arbeitsvertraglich vereinbart ist.

3. Besondere Umstände für eine Ausnahme von dieser Regel hat der Kläger nicht vorgebracht. Die geplante Tätigkeit als Geschäftsführer unter Beteiligung als Minderheitsgesellschafter an der beklagten GmbH spricht eher gegen eine Vergütungserwartung iSv. § 612 Abs. 1 BGB. Anhaltspunkte für eine die Auffassung des [X.] stützende entsprechende Verkehrssitte hat der [X.] nicht. Dieses Ergebnis bestätigt das Verhalten des [X.], der der Beklagten bis zur Beendigung des Vertragsverhältnisses Überstunden aus seiner [X.] weder in Rechnung gestellt noch sonst geltend gemacht hat.

IV. Der Kläger hat gemäß § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen. Nach § 92 Abs. 1 ZPO haben der Kläger von den Kosten der Berufung 19/20 und die Beklagte 1/20 sowie von den erstinstanzlichen Kosten der Kläger 9/10 und die Beklagte 1/10 zu tragen.

        

    Müller-Glöge    

        

    Laux    

        

    [X.]    

        

        

        

    Zorn    

        

    Bürger    

                 

Meta

5 AZR 629/10

21.09.2011

Bundesarbeitsgericht 5. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Berlin, 17. September 2008, Az: 30 Ca 18451/07, Urteil

§ 612 Abs 1 BGB, § 14 Abs 2 S 2 SGB 4, § 547 Nr 1 ZPO, § 815 Abs 3 ZPO, § 819 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21.09.2011, Az. 5 AZR 629/10 (REWIS RS 2011, 3157)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 3157

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2 Sa 201/16

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