Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.09.2010, Az. I ZR 157/08

I. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 3513

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL I ZR 157/08 Verkündet am: 9. September 2010 [X.] Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja [X.] § 3 Abs. 1 Ein Verhalten, das gegen einen Verhaltenskodex eines [X.] verstößt, stellt nicht bereits deshalb eine unlautere geschäftliche Handlung im Sinne von § 3 Abs. 1 UWG dar. [X.], Urteil vom 9. September 2010 - I ZR 157/08 - [X.] - 2 - Der [X.] Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 9. September 2010 durch [X.] [X.] und [X.], [X.], [X.] und [X.] für Recht erkannt: Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 29. Zivilsenats des [X.] vom 7. August 2008 aufgeho-ben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht [X.]. Von Rechts wegen

Tatbestand: Die Klägerin, die Freiwillige Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie, ist ein von den Mitgliedern des [X.] eingetragener Verein. Zu ihren Aufgaben gehören insbesondere die Förderung der gewerblichen Interessen ihrer Mitglieder sowie die Überwachung und Durchsetzung lauteren Geschäftsgebarens in Bezug auf die Kooperation der pharmazeutischen Industrie mit Angehörigen der Fachkreise. 1 - 3 - Die Beklagte, die nicht Mitglied der Klägerin ist, stellt her und vertreibt generische Arzneimittel. Sie bot im Zeitraum vom 1. Januar 2007 bis zum 24. November 2007 unter dem Titel "[X.] 2007" jeweils etwa drei-stündige, für die Teilnehmer kostenlose Veranstaltungen zu gebührenrechtli-chen Fragen an, die sich an Ärzte und deren mit der Gebührenabrechnung [X.] Mitarbeiter richteten. 2 Die Klägerin hat dieses Verhalten der Beklagten als wettbewerbswidrig beanstandet. Es stehe insbesondere in Widerspruch zu dem von ihr beschlos-senen "[X.]" (im Folgenden: [X.]). Dieser Kodex sehe in § 21 Abs. 2 unter der Überschrift "Geschenke" vor, dass im Rahmen einer nicht produktbezogenen Werbung Geschenke nur zu besonde-ren Anlässen (z.B. Praxiseröffnung, Jubiläen) gewährt werden dürften, wenn sie sich in einem sozialadäquaten Rahmen hielten und zur Verwendung in der be-ruflichen Praxis bestimmt seien. 3 Die Klägerin hat die Beklagte deshalb auf Unterlassung in Anspruch ge-nommen. Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat ihr stattgegeben. Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer vom Senat zuge-lassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin begehrt. 4 Entscheidungsgründe: [X.] Nach Ansicht des Berufungsgerichts hat die Beklagte das von der Klä-gerin beanstandete Verhalten zu unterlassen, weil sie gegen § 21 des [X.]es der Klägerin verstoßen habe. Zur näheren Begründung hat es ausge-führt: 5 - 4 - 6 Die Klägerin sei nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG klagebefugt. Sie verfüge über eine erhebliche Zahl von Mitgliedern, die Waren gleicher oder verwandter Art auf dem Markt anböten, und sei aufgrund ihrer personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung auch in der Lage, ihre satzungsgemäßen Aufgaben zu erfüllen. Die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs, den die Klägerin aus § 8 Abs. 1 Satz 1 i.V. mit §§ 3, 4 Nr. 1 und 11 UWG herleite, gehöre zu ih-rem satzungsgemäßen Aufgabenbereich. Die Beklagte habe gegen § 21 des [X.]es verstoßen, weil keiner der Ausnahmefälle des § 21 Abs. 2 des [X.]es vorliege, in denen unent-geltliche Zuwendungen der Pharmaindustrie im Rahmen ihrer Imagewerbung gegenüber den Fachkreisen als zulässig anzusehen seien. Die Zulässigkeit der Bewerbung der Fortbildungsseminare folge auch nicht aus § 20 Abs. 1 des [X.]es. Danach dürften Mitgliedsunternehmen Angehörige der Fachkrei-se zu eigenen berufsbezogenen Fortbildungsveranstaltungen einladen, die sich insbesondere mit ihren Forschungsgebieten, Arzneien und deren Indikationen befassten. Einen solchen pharmakologischen Bezug weise ein Seminar nicht auf, das sich mit der [X.] im Rahmen des [X.] befasse. 7 Die beanstandete Bewerbung unentgeltlicher Fortbildungsveranstaltun-gen zum Gebührenrecht sei auch unlauter im Sinne von § 3 UWG. Bei der Würdigung des angegriffenen Verhaltens der Beklagten sei dem festgestellten Kodexverstoß eine indizielle Bedeutung für die Frage beizumessen, was in den einschlägigen Verkehrskreisen als lauter oder unlauter angesehen werde. Auf die Frage, ob sich das Verhalten der Beklagten darüber hinaus als unangemes-sene unsachliche Einflussnahme im Sinne von § 4 Nr. 1 UWG darstelle und 8 - 5 - auch aus diesem Grund unlauter im Sinne von § 3 UWG sei, komme es somit nicht an. 9 I[X.] Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg. Die bislang getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts tragen seine Annahme nicht, der Klägerin stehe der geltend gemachte [X.] gegen die Beklagte zu. 1. Das Berufungsgericht hat es dahinstehen lassen, ob das Verhalten der Beklagten, wie die Klägerin geltend gemacht hat, nach § 4 Nr. 1 UWG als un-lauter anzusehen ist. Es hat sich auch nicht ausdrücklich auf § 4 Nr. 11 UWG bezogen, sondern sein Unlauterkeitsurteil unmittelbar auf § 3 UWG 2004 ge-stützt. Das ist schon deshalb rechtlich bedenklich, weil sich die Generalklausel des § 3 UWG 2004 bzw. des § 3 Abs. 1 UWG 2008 nicht ohne weiteres als [X.] für von den [X.] der §§ 4 bis 6 UWG nicht erfasste Verhaltensweisen heranziehen lässt. 10 Eine Anwendung des § 4 Nr. 11 UWG scheidet offensichtlich aus, weil es sich bei der vom Berufungsgericht zugrunde gelegten Bestimmung des § 21 des [X.]es der Klägerin nicht um eine gesetzliche Vorschrift im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG handelt. Nach dem mit der Vorschrift des § 4 Nr. 11 UWG verfolgten Gesetzeszweck kann ein Verstoß gegen eine Bestimmung, die nicht die besonderen Voraussetzungen einer gesetzlichen Marktverhaltensregelung im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG erfüllt, nicht ohne weiteres nach § 3 UWG 2004 bzw. § 3 Abs. 1 UWG 2008 als unlauter angesehen werden (vgl. [X.], Urteil vom 2. Dezember 2009 - [X.], [X.], 654 Rn. 25 = [X.], 876 - Zweckbetrieb). Auch im Übrigen kommt ein Rückgriff auf die Generalklau-sel des § 3 UWG nur in Betracht, wenn das betreffende Verhalten von seinem Unlauterkeitsgehalt her den in den [X.] ff. UWG geregelten 11 - 6 - Verhaltensweisen entspricht ([X.], Urteil vom 22. April 2009 - [X.], [X.], 1080 Rn. 12 = [X.], 1369 - Auskunft der [X.]). 12 2. Diesen rechtlichen Anforderungen an eine unmittelbare Anwendung der Generalklausel des § 3 UWG 2004 bzw. des § 3 Abs. 1 UWG 2008 genügt die vom Berufungsgericht vorgenommene Beurteilung nicht. Sie stellt lediglich darauf ab, dass dem festgestellten Verstoß gegen § 21 des [X.]es der Klägerin eine indizielle Bedeutung für die Frage beizumessen sei, welche Ver-haltensweisen in der betreffenden Branche bzw. von den einschlägigen [X.] als lauter oder unlauter angesehen werde. Damit kann eine Unlau-terkeit des Verhaltens der Beklagten im Sinne von § 3 UWG 2004 bzw. § 3 Abs. 1 UWG 2008 nicht begründet werden. a) Für die Frage, ob ein bestimmtes Verhalten als unlauter im Sinne von § 3 UWG 2004 bzw. § 3 Abs. 1 UWG 2008 zu beurteilen ist, haben Regeln, die sich ein Verband oder ein sonstiger Zusammenschluss von [X.] gegeben hat, nur eine begrenzte Bedeutung. Ihnen kann zwar unter Umständen entnommen werden, ob innerhalb der in Rede stehenden Verkehrskreise eine bestimmte tatsächliche Übung herrscht. Aus dem Bestehen einer tatsächlichen Übung folgt aber noch nicht, dass ein von dieser Übung abweichendes Verhal-ten ohne weiteres als unlauter anzusehen ist. Der Wettbewerb würde in [X.] Weise beschränkt, wenn das Übliche zur Norm erhoben würde. Re-gelwerken von ([X.] kann daher allenfalls eine indizielle Bedeutung für die Frage der Unlauterkeit zukommen, die aber eine abschlie-ßende Beurteilung anhand der sich aus den Bestimmungen des Gesetzes ge-gen den unlauteren Wettbewerb ergebenden Wertungen nicht ersetzen kann ([X.], Urteil vom 7. Februar 2006 - [X.], [X.] 166, 154 Rn. 19 - [X.]). 13 - 7 - Eine an den [X.] ausgerichtete Bestimmung der Unlauterkeit ist zudem deshalb geboten, weil es verfassungsrechtlichen Bedenken begegnen würde, wenn zur [X.] der wettbewerbsrechtlichen Generalklausel des § 3 UWG Wettbewerbsre-geln oder andere Regelwerke herangezogen würden, denen keine Gesetzes-qualität zukommt ([X.] 166, 154 Rn. 21 - Probeabonnement). Im Übrigen kommt auch die Annahme einer (lediglich) indiziellen Bedeutung eines [X.] gegen selbst gesetzte Regeln eines Verbands für die Frage der Unlauter-keit nur dann in Betracht, wenn sich die aus dem festgestellten Kodexverstoß abgeleitete Regelwidrigkeit des betreffenden Verhaltens gerade auch als eine wettbewerbsbezogene, d.h. von den Schutzzwecken des [X.] (vgl. § 1 UWG) erfasste Unzulässigkeit erweist. Denn es ist nicht Aufgabe des [X.], alle nur denkbaren Regelverstöße im Zusammenhang mit geschäftlichen Handlungen auch lauterkeitsrechtlich zu sanktionieren (vgl. [X.], [X.], 654 Rn. 25 - Zweckbetrieb). 14 Auch nach Umsetzung der Richtlinie 2005/29/[X.] über unlautere [X.] sind Verstöße gegen einen Verhaltenskodex, zu dem sich [X.] verpflichtet haben (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 5 UWG 2008), oder [X.] gegen die fachliche Sorgfalt (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 7 UWG 2008) nicht be-reits als solche unlauter (vgl. § 3 Abs. 2 Satz 1, § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6, Anhang zu § 3 Abs. 3 Nr. 1 und 3 UWG 2008; vgl. dazu ferner [X.] in Gloy/[X.]/[X.], Handbuch des Wettbewerbsrechts, 4. Aufl., § 37 Rn. 7 ff.; [X.] in [X.]/[X.], UWG, 28. Aufl., § 2 Rn. 115; Harte/[X.]/[X.], UWG, 2. Aufl., § 2 Rn. 152; [X.] [X.], 593, 596). Auch die Richtlinie zieht diesen Schluss nicht, sondern sieht nur bestimmte Fälle des [X.] von Verhaltenskodizes als unlauter an (vgl. Art. 2 Buchst. f und 5 Abs. 2, Art. 6 Abs. 2 Buchst. b, Anhang I Nr. 1 und 3; vgl. auch Art. 10 15 - 8 - sowie Erwägungsgrund 20 der Richtlinie; vgl. dazu ferner [X.] in [X.]/[X.] aaO § 5 Rn. 5.164). 16 b) Das Berufungsgericht durfte sich bei seiner Beurteilung daher nicht darauf beschränken, dem Verstoß gegen den Kodex der Klägerin sei eine indi-zielle Bedeutung für die Frage der Unlauterkeit des beanstandeten Verhaltens der Beklagten beizumessen. Mit der nach den vorstehenden Ausführungen ge-botenen Prüfung, ob der Verstoß von seinem Unlauterkeitsgehalt her den ge-setzlichen [X.] entspricht, hat es sich dagegen nicht be-fasst. Insbesondere hat es offengelassen, ob durch das Angebot der unentgelt-lichen Teilnahme an den gebührenrechtlichen Seminaren - unter Berücksichti-gung einer damit verbundenen geldwerten Zuwendung sowie des von der [X.] angeführten besonderen Anlasses einer mit der Gesundheitsreform verbundenen Umstellung der [X.] und vergleichbarer [X.] Angebote der [X.] - ein unangemessener unsachli-cher Einfluss im Sinne von § 4 Nr. 1 UWG (vgl. dazu [X.], Urteil vom 30. Januar 2003 - [X.], [X.], 624 = [X.], 886 - Kleider-sack; Urteil vom 21. April 2005 - [X.], [X.], 1059 = [X.], 1508 - Quersubventionierung von Laborgemeinschaften I) auf die angespro-chenen Teilnehmer ausgeübt worden ist. - 9 - II[X.] Das Berufungsurteil ist somit aufzuheben. Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Be-rufungsgericht zurückzuverweisen. 17 [X.] Ri[X.] Pokrant ist in Urlaub und Schaffert kann daher nicht unterschrei-ben. [X.] [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 10.01.2008 - 4 [X.] - [X.], Entscheidung vom 07.08.2008 - 29 U 2026/08 -

Meta

I ZR 157/08

09.09.2010

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.09.2010, Az. I ZR 157/08 (REWIS RS 2010, 3513)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 3513

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