Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.09.2017, Az. VIII ZR 243/16

VIII. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 4721

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:270917U[X.]243.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
VIII ZR 243/16
Verkündet am:

27. September 2017

Ermel,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO § 573 Abs. 2 Nr. 3
a)
Die
Kündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB setzt einen erheblichen Nachteil beim Vermieter selbst voraus; ein Nachteil bei einer mit der vermietenden Gesell-schaft persönlich und wirtschaftlichen verbundenen "Schwestergesellschaft" reicht insoweit nicht aus.
b)
Zum Erfordernis einer konkreten Darlegung eines "erheblichen Nachteils" des Vermieters bei der [X.].

[X.], Urteil vom 27. September 2017 -
VIII ZR 243/16 -
LG [X.]

AG [X.]

-
2
-
Der VIII.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 27.
September 2017
durch die Vorsitzende Richterin Dr.
Milger, die Richte-rinnen Dr. Hessel
und
Dr. [X.] sowie [X.] Bünger und Hoffmann
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des
Landgerichts [X.] -
2. Zivilkammer -
vom 13. Oktober 2016 in der Fassung des [X.] vom 29. November 2016 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere Kammer des Berufungsgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Beklagten schlossen am 1. Dezember 2012 mit der Rechtsvorgänge-rin der Klägerin einen Mietvertrag über eine rund 190 qm große 7-Zimmer-Wohnung in einem Wohn-
und Geschäftshaus in [X.] für eine monatliche Weitere Räumlichkeiten waren an eine Ärztin und an ei-nen Apotheker verpachtet. Die Klägerin erwarb das Anwesen im Jahr 2015 und trat dadurch in den Mietvertrag mit den Beklagten ein. Die Klägerin ist überdies Eigentümerin des mit Gewerberäumen bebauten Nachbargrundstücks, das sie an die S.

GmbH & Co. KG verpachtet hat, die dort ein [X.]
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-
schäft betreibt. Bei
beiden Gesellschaften werden die jeweiligen Komplementä-rinnen von derselben Geschäftsführerin, Frau

K.

,
vertreten, die auch jeweils Alleingesellschafterin der Komplementärinnen
ist.
Mit Schreiben vom 29. Juni 2015 kündigte
die Klägerin das [X.] nach § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB ordentlich zum 30. September 2015. Darin heißt es zur Begründung der Kündigung:
"Das gesamte Gebäude soll abgerissen werden. Eine Abrissgenehmi-gung des [X.] liegt bereits vor. Nach dem Abriss wird auf dem Grundstück ein Objekt mit Gewerberäumen erstellt zur Erweiterung des [X.]

, dessen Ge-schäftsführerin ich bin. Die Unterlagen für den Bauantrag werden derzeit vorbereitet.
Nur durch den Abriss und den Neubau von Gewerberäumen ist eine wirtschaftliche Verwertung des Grundstücks möglich. Selbst unter Be-rücksichtigung der Investitionskosten ist durch die langfristige Verpach-tung an die S.

GmbH & Co. KG ein deutlich höherer [X.] zu erwirtschaften als bei Fortführung der bisherigen Mietverhältnis-se.
Solange das Mietverhältnis mit Ihnen besteht, sind wir an einem Abriss des gesamten Objekts gehindert. Durch die Fortsetzung ihres Mietver-hältnisses entsteht uns daher ein erheblicher Nachteil."
Darüber hinaus hat die Klägerin weitere, auf behauptete [X.] gestützte Kündigungen ausgesprochen.
Die auf Räumung und Herausgabe der Wohnung gerichtete Klage hat in den Vorinstanzen Erfolg gehabt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

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Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im [X.] ausgeführt:
Der Klägerin stehe ein Anspruch auf Räumung und Herausgabe gemäß § 546 Abs. 1, § 985 BGB zu. Mit der ausgesprochenen Kündigung sei das Miet-verhältnis wirksam gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB beendet worden.
Die von der Klägerin gewünschte wirtschaftliche Verwertung beruhe auf vernünftigen, nachvollziehbaren Erwägungen. Denn der Abriss und der geplan-te
Neubau dienten der Vergrößerung der Geschäftsräume des von ihrer Schwestergesellschaft betriebenen [X.]

.
Die im Rahmen des § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB vorzunehmende Abwägung führe dazu, dass die der Klägerin bei Fortbestand des Mietverhältnisses mit den Beklagten entstehenden Nachteile weit höher zu gewichten seien als das Be-standsinteresse der Beklagten. Hierbei seien nicht nur die Belange der Kläge-rin, sondern -
aufgrund der rechtlichen und persönlichen Verflechtung mit der S.

GmbH & Co. KG -
auch deren Belange zu berücksichtigen. Frau

K.

sei sowohl Gesellschafterin und Geschäftsführerin der Komplementärin der klagenden Gesellschaft als auch der
Komplementärin der S.

GmbH & Co. KG. Zudem seien beide Gesellschaften jeweils an der anderen beteiligt. Für die S.

GmbH & Co. KG stelle die Erweiterung ihrer Verkaufsfläche eine Existenzfrage dar, da sie mit der Auswei-tung ihr Bestehen für die Zukunft sichere. Bei Fortbestand des Mietverhältnis-5
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ses könne das Geschäft demgegenüber nicht ausgedehnt werden, was ein er-heblicher Nachteil sei.
Die Klägerin müsse sich auch nicht darauf verweisen lassen, dass eine Erweiterung auf andere Weise möglich wäre.
Denn die Erweiterung des Ge-schäfts durch die Verwendung des streitgegenständlichen Grundstücks stelle eine gut zu realisierende Möglichkeit dar, während die anderen Varianten mit wesentlich größeren Schwierigkeiten und Kosten verbunden seien. Da bei der Beurteilung des wirtschaftlichen Nachteils der Klägerin auch die Belange der S.

GmbH & Co. KG zu berücksichtigen seien, könne insoweit auch dahinstehen, ob die Klägerin mit der Verpachtung
des zu errichtenden Gebäudes tatsächlich höhere Pachteinnahmen als die derzeit vereinnahmten
Beträge
erzielen werde. Allerdings sichere sich die Klägerin mit der von ihr be-absichtigten Verwertung nicht nur langfristig die Pachteinnahmen bezüglich des streitgegenständlichen Grundstücks, sondern auch bezüglich jener [X.], die bereits an die S.

GmbH & Co. KG verpachtet
seien.
Die Klägerin müsse sich auch nicht entgegenhalten lassen, dass sie das Anwesen aufgrund längerfristig bestehender Pachtverhältnisse derzeit ohnehin nicht abreißen könne. Es sei bereits fraglich, ob die Kausalität zwischen der Fortsetzung des Mietverhältnisses und der Verhinderung der Verwertung über-haupt dadurch ausgeschlossen werden könne, dass auch andere [X.], die ebenfalls gekündigt seien
oder gekündigt werden sollten, weitere Hindernisse darstellten. Dagegen spreche, dass ansonsten die Kündigung we-gen wirtschaftlicher Verwertung bei größeren Einheiten erheblich erschwert, wenn nicht sogar unmöglich werde. Jedenfalls sei gegen die Pächterin
einer Arztpraxis zwischenzeitlich ein Räumungsurteil ergangen, so dass in dem [X.] kein längerfristiges Pachtverhältnis bestehe, welches einem Abriss ent-gegenstehen könne.
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-
II.
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Entgegen
der Auffassung des Berufungsgerichts ist das Mietverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Klägerin vom 29. Juni 2015 nicht beendet worden. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, die von der Klägerin geltend gemachten Gründe rechtfertigten eine [X.] nach § 573 Abs.
2 Nr. 3 BGB, ist in mehrfacher Hinsicht von [X.] beeinflusst.
1. Noch zu Recht geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, dass der geplante Abriss des Gebäudes, um ein Objekt mit Gewerberäumen zur Er-weiterung des benachbarten [X.] zu errichten und auf diese Weise höhere Pachteinnahmen zu erzielen, eine angemessene wirtschaftliche Verwer-tung darstellt und von vernünftigen und nachvollziehbaren Erwägungen getra-gen ist. Insbesondere handelt es sich -
entgegen der Auffassung der Revision

nicht um eine mangels hinreichend konkretisierten [X.] un-zulässige Vorratskündigung.
a) Der Kündigungstatbestand des § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB setzt zunächst voraus, dass der Vermieter durch das bestehende Wohnraummietverhältnis an einer wirtschaftlichen Verwertung "des Grundstücks", also an einer Realisierung des diesem innewohnenden materiellen Werts,
gehindert ist, die in erster Linie durch Veräußerung oder Vermietung geschieht (Senatsurteile vom 24. März 2004 -
VIII
ZR 188/03, [X.], 1736 unter II 1 a aa; vom 10. Mai 2017

-
VIII ZR 292/15, NJW-RR 2017, 976
Rn. 24). Eine wirtschaftliche Verwertung liegt auch dann vor, wenn das Gebäude mit der Mietwohnung zunächst abge-rissen und durch einen Neubau ersetzt werden soll, der dann veräußert -
oder wie hier -
vermietet beziehungsweise verpachtet werden soll (vgl. Senatsurteile 12
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vom 28.
Januar 2009 -
VIII ZR 8/08, [X.]Z 179, 289 Rn. 11; vom 9. Februar 2011 -
VIII ZR 155/10, NJW 2011, 1135 Rn. 17).
b) Die von der Klägerin geplante wirtschaftliche Verwertung ist auch [X.]. Sie ist, wie das Berufungsgericht insoweit rechtsfehlerfrei und von der Revision unangegriffen festgestellt hat, von vernünftigen, nachvollziehbaren Erwägungen getragen (vgl.
Senatsurteile vom 9. Februar 2011 -
VIII ZR 155/10, aaO Rn. 17; vom 28.
Januar 2009 -
VIII ZR 8/08, aaO Rn. 12).
c) Entgegen der Auffassung der Revision verfolgt die Klägerin ihre [X.] auch mit der notwendigen Ernsthaftigkeit und plant deren als-baldige Umsetzung, so dass es sich nicht um eine -
unzulässige -
bloße [X.] handelt.
Für die Eigenbedarfskündigung gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB hat der Senat bereits entschieden, dass ein noch unbestimmtes Interesse einer mögli-chen späteren
Nutzung (sogenannte Vorratskündigung) nicht ausreicht. [X.] muss sich der [X.] soweit "verdichtet"
haben, dass ein kon-kretes Interesse an einer alsbaldigen Eigennutzung besteht (Senatsurteile
vom 23.
September 2015 -
VIII ZR 297/14, NJW 2015, 3368 Rn. 22; vom 29.
März 2017
-
VIII
ZR 44/16, [X.], 342
Rn. 22; Senatsbeschluss vom 11.
Oktober 2016 -
VIII ZR 300/15, NJW-RR
2017, 75
Rn. 19).
Für die [X.] nach § 573 Abs. 2 Nr.
3 BGB gilt nichts anderes. Auch insoweit ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfal-les zu prüfen, ob lediglich das -
nicht ausreichende -
noch unbestimmte [X.] einer möglichen späteren Verwertung besteht oder ob sich der [X.] bereits soweit verdichtet hat, dass ein konkretes Interesse an der alsbaldigen Umsetzung der im Kündigungsschreiben dargelegten Pläne ange-nommen werden kann. Dass bei der Klägerin bezüglich des von ihr geplanten 16
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Abrisses und anschließenden Neubaus eine derartige konkrete Umsetzungsab-sicht besteht, ist angesichts der von der Klägerin zur Umsetzung des geplanten Abrisses und anschließenden Neubaus ergriffenen Maßnahmen nicht ernstlich zu bezweifeln. Die Klägerin hat sich nach dem Erwerb des Grundstücks im Jahr 2015 im darauffolgenden Jahr um die Beendigung
der bestehenden Pachtver-hältnisse durch Kündigung oder einvernehmliche Aufhebung bemüht und das Mietverhältnis mit den Beklagten mit Schreiben vom 29. Juni 2015
unter Hin-weis auf eine schon vorliegende Abrissgenehmigung und die bereits laufenden Vorbereitungen der [X.] gekündigt. Die Verfahrensrügen, die die Revision in diesem Zusammenhang im Hinblick auf die
Pachtverhältnisse bezüglich der Arztpraxis sowie der Apotheke erhoben hat, hat der Senat ge-prüft, aber nicht für durchgreifend erachtet; von einer näheren Begründung wird gemäß §
564
Abs.
1
ZPO
abgesehen.
2. Mit [X.] behaftet ist jedoch die Annahme des Berufungsge-richts, der Klägerin drohten bei Fortbestand des Mietverhältnisses erhebliche Nachteile.
a) Nach der Rechtsprechung des Senats ist die Beurteilung der Frage, ob dem Eigentümer durch den Fortbestand eines Mietvertrags ein erheblicher Nachteil entsteht, vor dem Hintergrund der Sozialpflichtigkeit des Eigentums (Art. 14 Abs. 2 GG) und damit des grundsätzlichen Bestandsinteresses des Mieters, in der bisherigen Wohnung als seinem Lebensmittelpunkt zu verblei-ben, vorzunehmen. Das Eigentum gewährt dem Vermieter vor diesem Hinter-grund -
anders als das Berufungsgericht offenbar meint -
keinen Anspruch auf Gewinnoptimierung
oder auf Einräumung gerade der Nutzungsmöglichkeit, die den größtmöglichen wirtschaftlichen Vorteil verspricht. Denn auch das [X.] an der gemieteten Wohnung
ist Eigentum im Sinne von Art.
14 Abs. 1 Satz 1 GG und deshalb grundgesetzlich geschützt. Folglich be-20
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-
9
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gründet nicht bereits jeder aus dem Fortbestand des Mietverhältnisses
dem Vermieter erwachsende wirtschaftliche Nachteil einen Anspruch des Vermieters auf Räumung der Mietwohnung (Senatsurteil vom 29.
März 2017
-
VIII ZR 45/16, [X.], 2018
Rn. 40).
Auf der anderen Seite dürfen die dem Vermieter entstehenden Nachteile jedoch auch keinen Umfang annehmen, welcher die Nachteile weit übersteigt, die dem Mieter im Falle des Verlustes der Wohnung erwachsen (Senatsurteile vom 28. Januar
2009 -
VIII ZR 8/08, aaO Rn. 14; vom 9. Februar 2011 -
VIII ZR 155/10, aaO Rn. 19; vom 8. Juni 2011 -
VIII [X.], [X.], 773 Rn. 11; vom 29. März 2017
-
VIII ZR 45/16, aaO; vom 10. Mai 2017
-
VIII
ZR 292/15, aaO
Rn. 45). Insbesondere darf das Kündigungsrecht des Eigentümers bei ei-ner [X.] nach §
573 Abs.
2 Nr. 3 BGB nicht auf die Fälle [X.] reduziert oder so restriktiv gehandhabt werden, dass die Verwertung als wirtschaftlich sinnlos erscheint (Senatsurteile vom 29.
März 2017
-
VIII
ZR 45/16, aaO; vom 10. Mai 2017
-
VIII ZR 292/15, aaO
Rn. 45 mwN).
Diese im Rahmen des § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB erforderliche Abwägung zwischen dem grundsätzlichen Bestandsinteresse des Mieters und dem [X.] des Eigentümers entzieht sich einer generalisierenden Be-trachtung; sie lässt sich nur unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzel-falls und der konkreten Situation des Vermieters treffen (Senatsurteile vom 28.
Januar 2009 -
VIII ZR 8/08, aaO Rn. 15; vom 9. Februar 2011 -
VIII ZR 155/10 aaO; vom 10. Mai 2017
-
VIII ZR 292/15, aaO Rn. 31). Dabei handelt es sich um eine tatrichterliche Frage, die vom [X.] nur eingeschränkt dahin überprüft werden kann, ob das Berufungsgericht die [X.] erkannt, die tatsächliche Wertungsgrundlage ausgeschöpft und die Denkgeset-ze
und Erfahrungssätze beachtet hat (Senatsurteile vom 28. Januar 2009
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-
-
VIII ZR 8/08, aaO; vom 9. Februar 2011 -
VIII ZR 155/10, aaO; vom 8.
Juni 2011 -
VIII [X.], aaO Rn. 12; vom 10. Mai 2017

VIII
ZR 292/15, aaO).
b) Gemessen an den vorstehend angeführten Maßstäben hält die vom Berufungsgericht vorgenommene Abwägung einer revisionsrechtlichen Über-prüfung aus mehreren Gründen nicht stand.
Soweit das Berufungsgericht
hinsichtlich des erheblichen Nachteils maß-geblich auf die Sicherstellung der Pachteinnahmen der Klägerin sowie auf die Erweiterung des von der Schwestergesellschaft betriebenen [X.] und
die
langfristige Sicherung der Existenzgrundlage dieses Unternehmens abstellt, fehlt es bereits an jeglichen tatsächlichen
Feststellungen, die geeignet wären, eine solche Beurteilung zu tragen (dazu nachfolgend unter aa).
Zudem hat das Berufungsgericht grundlegend verkannt, dass eine Ver-wertungskündigung gemäß §
573 Abs. 2 Nr. 3 BGB erhebliche,
beim Vermieter selbst eintretende Nachteile erfordert und die Berücksichtigung der Interessen eines davon personenverschiedenen Dritten (hier der "Schwestergesellschaft"
der Klägerin) deshalb ausgeschlossen ist (dazu nachfolgend unter [X.]).
Schließlich hat das Berufungsgericht übersehen, dass gemäß §
573 Abs.
3 Satz 2 BGB (soweit sie nicht nachträglich entstanden sind) nur die in der Kündigungserklärung angegebenen Kündigungsgründe -
zu denen hier die nun geltend gemachte Existenzsicherung der "Schwestergesellschaft" gerade nicht gehört
-
berücksichtigt werden können (dazu nachfolgend unter cc).
aa) Das Berufungsgericht hat darauf abgestellt, dass sich die Klägerin mit der beabsichtigten Verwertung langfristig die Pachteinnahmen aus allen in ihrem Eigentum stehenden Grundstücken "sichere"
und es sich bei der [X.] um eine "existentielle Frage"
handele. Tatsächliche 24
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27
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11
-
Umstände, die diese Beurteilung tragen, sind jedoch nicht einmal ansatzweise festgestellt und von der Klägerin offenbar auch nicht vorgetragen. Insbesondere fehlen jegliche Feststellungen dazu, inwiefern bei der gegenwärtigen Lage
(konkrete) Nachteile für die wirtschaftliche Situation der Klägerin zu besorgen sind. Die pauschale Betrachtungsweise des Berufungsgerichts läuft letztlich darauf hinaus, einen zur Kündigung berechtigenden Nachteil schon dann zu bejahen, wenn der Eigentümer einer vermieteten Wohnung mit dieser -
im Inte-resse gewünschter Investitionen oder einer möglichen bloßen Gewinnoptimie-rung -
nicht nach Belieben verfahren kann. Dies ist indes mit der gesetzlichen Regelung des § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB, der dem Eigentümer einer zu Wohn-zwecken vermieteten Immobilie mit Rücksicht auf die Interessen des Wohn-raummieters im Rahmen
der Sozialbindung des Eigentums Grenzen setzt und deshalb (konkrete) wirtschaftliche Nachteile voraussetzt, nicht vereinbar.
[X.]) Das Berufungsgericht ist zudem rechtsfehlerhaft davon ausgegan-gen, dass bei der Abwägung im Rahmen der [X.] auf Seiten der Klägerin auch die Belange der S.

GmbH & Co. KG berück-sichtigungsfähig seien.
Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB
setzt ein be-rechtigtes Interesse des Vermieters voraus, dass der Vermieter durch die Fort-setzung des Mietverhältnisses an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwer-tung des Grundstücks gehindert wäre und dadurch erhebliche Nachteile erlei-den würde. Maßgeblich ist damit allein die Interessenlage des Vermieters und nicht, inwieweit bei
Fortsetzung des Mietverhältnisses Belange Dritter berührt werden. Anders als bei der Eigenbedarfskündigung nach § 573 Abs. 2 Nr.
2 BGB, bei der ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses (auch) besteht, wenn der Vermieter die Räume als Wohnung für seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt, sind 29
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-
12
-
bei der [X.] -
im Rahmen der
"erheblichen Nachteile"
-
mit-hin allein solche zu berücksichtigen, die dem Vermieter selbst entstehen.
Bei der S.

GmbH & Co. KG, die das Modegeschäft be-treibt,
handelt es sich aber um eine von der Klägerin, die die Immobilien hält,
verschiedene Personengesellschaft. Die wirtschaftlichen Interessen dieser [X.] sind daher im Rahmen der Abwägung im Rahmen einer [X.] auf Seiten der Klägerin nicht zu berücksichtigen. Die persönliche und wirtschaftliche Verflechtung der beiden Gesellschaften [X.] daran entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung
nichts. [X.] ergibt sich aus den von dieser angeführten "allgemeinen konzernrechtli-chen Wertungen der §§
17
ff. [X.]"
nichts Gegenteiliges. Diesen Vorschriften, die völlig andere Sachverhalte in den Blick nehmen, lässt sich eine für das [X.] relevante Wertung nicht entnehmen. Auch auf die persönli-chen Interessen von Frau K.

als Gesellschafterin und Geschäftsführerin der jeweiligen Komplementärin beider Gesellschaften kann
im Rahmen des §
573 Abs. 2 Nr. 3 BGB
nicht abgestellt werden.
cc) Schließlich hat das Berufungsgericht übersehen, dass gemäß § 573 Abs. 3 Satz 1 BGB bei der Beurteilung der Wirksamkeit einer Kündigung nur die Gründe berücksichtigt werden können, die in der Kündigung angegeben worden sind; eine Ausnahme ist
lediglich für nachträglich entstandene Gründe vorgese-hen (§ 573 Abs. 3 Satz 2 BGB). Die Interessen der Schwestergesellschaft an einer Sicherung ihrer Existenzgrundlage sind aber in dem [X.], das ausschließlich mit der Aussicht auf eine Steigerung der Mieteinnah-men der Klägerin begründet ist, nicht ansatzweise aufgeführt. Vielmehr ist darin als Kündigungsgrund lediglich angegeben, die Klägerin wolle durch den [X.] höhere Pachteinnahmen erzielen; insoweit handelt es sich aber um einen anderen Kündigungsgrund als die später geltend gemachte Sicherung 31
32
-
13
-
der Existenzgrundlage des von der Schwestergesellschaft betriebenen Mode-geschäfts.
Auf den von der Revisionserwiderung herangezogenen Tatsachenvortrag der Klägerin im Schriftsatz
vom 23. Februar 2016, an dem Gebäude müssten (nicht näher bezeichnete) Sanierungsmaßnahmen durchgeführt werden, die neben dem Kapitaldienst der Erwerbskosten nicht aus den laufenden Mietein-nahmen finanziert werden könnten, kommt es schon deshalb nicht an, weil
ein entsprechender Kündigungsgrund in der Kündigungserklärung nicht einmal an-gedeutet ist. Davon abgesehen wäre mit diesen pauschalen Angaben ein er-heblicher Nachteil im Sinne des § 573 Abs. 2
Nr. 3
BGB auch nicht schlüssig dargelegt. Das Gleiche gilt für
den von der Revisionserwiderung geltend ge-machten Gesichtspunkt einer "einheitlichen Bewirtschaftung"
der beiden Nach-bargrundstücke der Klägerin, der im Übrigen in der Kündigungserklärung gleich-falls nicht angegeben ist.
3. Das Berufungsurteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO). Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung ist die von der Klägerin erklärte Kündigung auch nicht nach der Generalklausel des §
573 Abs. 1 BGB begründet. Eine Kündigung nach der Generalklausel kommt nach der Rechtsprechung des Senats nur dann in Betracht, wenn die für die Kündigung maßgeblichen Gründe ebenso schwer wiegen wie die in § 573 Abs.
2 BGB beispielhaft aufgeführten Kündigungsgründe (Senatsurteile vom 9.
Mai 2012 -
VIII ZR 238/11, NJW 2012, 2342 Rn. 13; vom 29. März 2017

VIII
ZR 45/16, aaO
Rn. 24; vom 10. Mai 2017 -
VIII ZR 292/15, aaO Rn. 35). Die Frage, ob insoweit die wirtschaftlichen Interessen einer von der [X.] verschiedenen, aber mit ihr verflochtenen "Schwestergesellschaft"
ein berechtigtes Interesse von einem solchen Gewicht überhaupt begründen können, bedarf hier schon deshalb keiner Entscheidung, weil die Kündigungs-33
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-
14
-
erklärung vom 29. Juni 2015 nicht auf gewichtige Interessen der Schwesterge-sellschaft gestützt wurde und im Übrigen mit der später erfolgten nur [X.] Berufung auf eine "Sicherung der Existenzgrundlage"
ein berechtigtes Inte-resse an der Beendigung des Mietverhältnisses ohnehin nicht ausreichend [X.] ist.
III.
Nach alledem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben; es ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Rechtsstreit ist nicht zur Endent-scheidung reif, weil das Berufungsgericht -
aus seiner Sicht folgerichtig -
keine Feststellungen zu den weiteren Kündigungen getroffen hat,
die die Klägerin auf behauptete Vertragsverletzungen
der Beklagten gestützt und mit der [X.] geltend gemacht hat. Die Sache ist daher an das Berufungs-gericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dabei macht der Senat von der Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch.
Dr. Milger
Dr. Hessel
Dr. [X.]

[X.]
Hoffmann

Vorinstanzen:
AG [X.], Entscheidung vom 06.04.2016 -
1 C 2/16 -

LG [X.], Entscheidung vom 13.10.2016 -
2 S 7/16 -

35

Meta

VIII ZR 243/16

27.09.2017

Bundesgerichtshof VIII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.09.2017, Az. VIII ZR 243/16 (REWIS RS 2017, 4721)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 4721

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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