Bundespatentgericht, Beschluss vom 17.03.2016, Az. 30 W (pat) 541/13

30. Senat | REWIS RS 2016, 14353

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "AID24" – Freihaltungsbedürfnis


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2012 011 232.3

hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des [X.] in der Sitzung vom 17. März 2016 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.]s Prof. Dr. Hacker sowie der [X.] [X.] und Dr. Meiser

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

[X.].

1

[X.]ie am 26. Januar 2012 angemeldete Wortmarke

2

[X.]24

3

soll für die [X.]ienstleistungen der [X.]

4

„Rechtsberatung und Rechtsvertretung“

5

eingetragen werden.

6

Mit Beschluss vom 21. März 2013 hat die mit einem Beamten des gehobenen [X.]ienstes besetzte Markenstelle für [X.] des [X.] die Anmeldung zurückgewiesen, da es sich bei dem angemeldeten Zeichen um eine merkmalsbeschreibende Angabe i. S. des § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] handele.

7

[X.]ie angemeldete Marke bestehe aus einer Kombination des [X.] Begriffs „[X.]“ (= Hilfe, Unterstützung, Beistand) sowie der Zahl „24“, bei der es sich um ein gängiges Werbesynonym für „24 Stunden rund um die Uhr“ handele. [X.]er Verkehr werde „[X.]“ in Zusammenhang mit den beanspruchten [X.]ienstleistungen ohne weiteres i. S. von „Hilfe“ verstehen, da dieser Begriff auch in Zusammenhang mit juristischen [X.]ienstleistungen in Wortkombinationen wie „Anwaltshilfe“ oder „Beratungshilfe“ verwendet werde. [X.]as angemeldete Zeichen erschöpfe sich daher in einem beschreibenden Hinweis auf eine 24 Stunden verfügbare Rechtsberatung.

8

[X.]24 für die angesprochenen Verkehrskreise lediglich einen beschreibenden Hinweis auf juristischen Beistand durch einen beliebigen Anbieter enthalte.

9

Soweit der Anmelder auf seiner Auffassung nach vergleichbare Voreintragungen verweise, handele es sich zum einen um durchweg ältere Entscheidungen, die in Anbetracht der sich verändernden Sprach- und Bezeichnungsgewohnheiten nicht mehr herangezogen werden könnten; zudem seien Voreintragungen weder für sich genommen noch in Verbindung mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Grundgesetzes geeignet, einen Eintragungsanspruch zu begründen.

[X.]24 die Schutzfähigkeit nicht abgesprochen werden könne.

[X.]nsbesondere könne „[X.]“ im Hinblick auf die beantragte [X.] nicht als beschreibend angesehen werden. [X.]enn dieser Begriff sei dem inländischen Verkehr allenfalls im medizinischen Bereich in Zusammenhang mit der Begriffskombination „first aid“ (= erste Hilfe) bekannt, stelle jedoch im vorliegend relevanten, von Anglizismen kaum durchdrungenen Rechtsdienstleistungsbereich ein Novum dar und sei vollkommen unüblich. Abseits des medizinischen Bereichs handele es sich bei „[X.]“ vielmehr um ein im [X.]nland völlig unbesetztes Wort. Auch in Kombination mit der Zahl „24“ handele es sich daher nicht um eine naheliegende branchenübliche Begriffsbildung zur Bezeichnung von Rechtsdienstleistungen, sondern allenfalls um ein „sprechendes Zeichen“, dem eine Schutzfähigkeit nicht abgesprochen werden könne.

[X.]ementsprechend seien [X.]m [X.]nland eine Reihe inländischer Marken mit dem Bestandteil „[X.]“ ins Markenregister eingetragen worden.

[X.]ie Anmelderin beantragt sinngemäß,

den Beschluss der Markenstelle für [X.] des [X.] vom 21. März 2013 aufzuheben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

[X.][X.].

[X.]24 im Zusammenhang mit den beanspruchten [X.]ienstleistungen [X.] „Rechtsberatung und Rechtsvertretung“ eine beschreibende Angabe nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] darstellt.

a. Gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] sind Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge und der Bestimmung oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder [X.]ienstleistungen dienen können. [X.]er Zweck dieser Vorschrift besteht vor allem darin, beschreibende Angaben oder Zeichen vom markenrechtlichen Schutz auszuschließen, weil ihre Monopolisierung einem berechtigten Bedürfnis der Allgemeinheit an ihrer ungehinderten Verwendbarkeit widerspricht, wobei bereits die potentielle Beeinträchtigung der wettbewerbsrechtlichen Grundfreiheiten ausreichen kann (vgl. Ströbele/[X.], [X.], 11. Aufl., § 8 Rdn. 337). Es genügt also, wenn das angemeldete Zeichen in Bezug auf die konkret beanspruchten Waren oder [X.]ienstleistungen als beschreibende Angabe geeignet ist (vgl. [X.] GRUR 1999, 723 Nr. 30, 31 - [X.]; [X.], 674 Nr. 56 - Postkantoor).

Für die Eignung als beschreibende Angabe ist auf das Verständnis des Handels und/oder des normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen [X.]urchschnittsverbrauchers als maßgebliche Verkehrskreise abzustellen (vgl. [X.] GRUR 1999, 723 Nr. 29 - [X.]; [X.], 411 Nr. 24 - Matratzen Concord/Hukla).

[X.]abei kommt es in erster Linie auf die aktuellen Verhältnisse in dem Bereich der einschlägigen Waren und [X.]ienstleistungen an, jedoch ist auch das Allgemeininteresse an der Freihaltung der jeweiligen Angabe im Hinblick auf deren künftig beschreibende Verwendung zu berücksichtigen (vgl. [X.] GRUR 1999, 723, Nr. 35 - [X.]; [X.], 674 Nr. 56 - Postkantoor). [X.]st die Eignung der angemeldeten Marke für die Beschreibung von Merkmalen der beanspruchten Waren und [X.]ienstleistungen festgestellt, setzt das Eintragungsverbot des § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] keinen weiteren lexikalischen oder sonstigen Nachweis voraus, dass und in welchem Umfang sie als beschreibende Angabe bereits im Verkehr bekannt ist oder verwendet wird (vgl. [X.] GRUR 1999, 723 Nr. 30 - [X.]; [X.], 146 Nr. 32 - [X.]; [X.], 674 Nr. 98 - Postkantoor).

b. [X.]as angemeldete Zeichen [X.]24 besteht nach diesen Maßstäben in Bezug auf die obengenannten [X.]ienstleistungen ausschließlich aus einer merkmalsbeschreibenden Angabe i. S. von § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.]. [X.]ie Mitbewerber der Anmelderin haben deshalb ein berechtigtes [X.]nteresse an der freien ungehinderten Verwendung dieser Angabe.

[X.]24 wird der Verkehr eine Kombination des [X.] Begriffs „aid“ mit der Zahl „24“ erkennen. Ein Verständnis der Buchstabenfolge [X.] als einheitlicher Begriff (und nicht als Aneinanderreihung der Großbuchstaben A,[X.] und [X.]) liegt nahe, da „aid“ als [X.] Begriff für „Hilfe, Unterstützung, Beistand“ vor allem in der allgemein bekannten und gebräuchlichen Begriffskombination „First Aid“ (=Erste Hilfe) Eingang in den [X.] Sprachgebrauch gefunden hat, was auch der Anmelder nicht in Abrede stellt. Zudem ist dem inländischen Verkehr dieser Grundbegriff der [X.] Sprache auch seit den weltweit bekannten „Live Aid“-Konzerten der 1980er Jahre weithin geläufig. Ein entsprechendes Verständnis liegt entgegen der Auffassung des Anmelders insbesondere auch in Zusammenhang mit den konkret beanspruchten Rechtsberatungsdienstleistungen nahe. [X.]ie Verwendung des Begriffs „Hilfe“ ist im inländischen juristischen (Fach-)Sprachgebrauch allgemein gebräuchlich und üblich. So spricht man im Umfeld anwaltlicher Beratungsdienstleistungen gemeinhin von „anwaltlicher/rechtlicher Hilfe“, oder auch „Beratungshilfe“, wie die Markenstelle in dem angefochtenen Beschluss durch entsprechende Nachweise belegt hat. Vor diesem Hintergrund wird der inländische Verkehr den ihm jedenfalls durch „First aid“ in seiner Bedeutung allgemein geläufigen [X.] „[X.]“ auch in Zusammenhang mit den beanspruchten (juristischen) [X.]ienstleistungen der [X.] sofort und ohne weiteres i.S. von „Hilfe“ (in juristischer/rechtlicher Hinsicht) verstehen.

[X.]ie dem Begriff „aid“ angefügte Zahl „24“ wird in unterschiedlichen Wortzusammenstellungen im Bereich des täglichen Lebens als Kürzel und Synonym für "rund um die Uhr" bzw. "24 Stunden" verwendet (vgl. [X.]/[X.], [X.], 11. Aufl., § 8 Rdnr. 469 m.w.Nachw.), insbesondere in Zusammenhang mit online verfügbaren Angebots- und/oder Vergleichsportalen. Sie wird vom Verkehr als Hinweis auf eine ständige Verfügbarkeit des entsprechenden Service verstanden.

Vor diesem Hintergrund werden die angesprochenen Verkehrskreise der Kombination des Begriffs „[X.]“ mit der Zahl „24“ in Zusammenhang mit den beanspruchten [X.]ienstleistungen sofort und ohne weiteres eine verständliche beschreibende Aussage über Merkmale der begehrten [X.]ienstleistungen dahingehend entnehmen, dass [X.] 24 Stunden bzw. rund um die Uhr angeboten wird bzw. in Anspruch genommen werden kann. Um sich diese Bedeutung zu erschließen, bedarf es keiner vertieften Analyse. Vielmehr drängt sie sich dem Verkehr in Zusammenhang mit den beanspruchten [X.]ienstleistungen ohne weiteres Nachdenken auf.

[X.]24 geht auch in seiner Gesamtheit weder hinsichtlich der sprachlichen Form noch hinsichtlich ihres begrifflichen [X.]nhalts über die bloße Summe der beiden Sachangaben hinaus (vgl. [X.] [X.], 680, 681 Nr. 39-41 - B[X.]OM[X.]L[X.]; [X.], 229, 230 [X.] 34-37 - Bio[X.][X.]), sondern weist die angesprochenen Verkehrskreise in verkehrsüblicher Sprachform lediglich auf die Art und den Zweck der betreffenden [X.]ienstleistungen und ihre 24-stündige Verfügbarkeit hin, ohne einen darüber hinausreichenden herkunftshinweisenden Gesamteindruck zu vermitteln.

Soweit der Anmelder auf Voreintragungen Bezug nimmt, ist darauf hinzuweisen, dass diese keine Bindungswirkung haben (vgl. [X.] GRUR 2009, 667 Nr. 18 - Bild.t.-Online.de m. w. N.; [X.], 1093 Nr. 8 – Marlene-[X.]ietrich-Bildnis; [X.], 230 - [X.]; [X.] 2011, 66 - Freizeit Rätsel Woche). [X.]ie Frage der Schutzfähigkeit einer angemeldeten Marke ist keine Ermessensentscheidung, sondern eine gebundene Entscheidung, die allein anhand des Gesetzes und nicht auf der Grundlage einer vorherigen Entscheidungspraxis zu beurteilen ist. Ausgehend von Art. 20 Abs. 3 GG ist die rechtsprechende Gewalt allein an Recht und Gesetz gebunden, nicht aber an vorangehende Entscheidungen eines Amtes, dessen Tätigkeit gerade überprüft werden soll. Aus dem Gebot rechtmäßigen Handelns folgt zudem, dass sich niemand auf eine fehlerhafte Rechtsanwendung zugunsten eines anderen berufen kann, um eine identische Entscheidung zu erlangen.

c. [X.]ie Beschwerde ist daher zurückzuweisen.

Meta

30 W (pat) 541/13

17.03.2016

Bundespatentgericht 30. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 17.03.2016, Az. 30 W (pat) 541/13 (REWIS RS 2016, 14353)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 14353

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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29 W (pat) 17/17

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