Bundespatentgericht, Beschluss vom 24.11.2016, Az. 30 W (pat) 543/14

30. Senat | REWIS RS 2016, 1865

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "factum" – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2013 060 478.4

hat der 30. Senat (Marken- und [X.]) des [X.] in der Sitzung vom 24. November 2016 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] Prof. Dr. Hacker, des [X.] [X.] sowie des [X.] Dr. Meiser

beschlossen:

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 45 des [X.] vom 12. August 2014 aufgehoben.

Gründe

I.

1

Die am 22. November 2013 angemeldete Bezeichnung

2

[X.]

3

soll als Marke für die Dienstleistungen

4

„Klasse 45:

5

Dienstleistungen eines Rechtsanwalts; Nachforschungen in Rechtsangelegenheiten; Rechtsberatung und –vertretung“

6

eingetragen werden.

7

Mit Beschluss vom 12. August 2014 hat die mit einer Beamtin des gehobenen Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 45 des [X.] die Anmeldung zurückgewiesen, da sich bei dem angemeldeten Zeichen um eine freihaltungsbedürftige Angabe i. S. des § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] handele.

8

Das angemeldete Zeichen bestehe aus dem [X.] Begriff „[X.]“, welcher weitgehend gleichbedeutend mit dem in die [X.] eingegangenen Begriff „Faktum“ (= Tatsache, Fakt, Tatbestand, Sachverhalt, gegebener Umstand) sei. Beide Begriffe würden im juristischen Bereich als Fachbegriffe verwendet.

9

Die hier angesprochenen Verkehrskreise würden die angemeldete Bezeichnung daher für die beanspruchten Dienstleistungen lediglich als beschreibende Angabe dahingehend auffassen, dass bei der Erbringung der beanspruchten Dienstleistungen Tatsachen, Fakten, Tatbestände oder Sachverhalte im Mittelpunkt stünden bzw. die erbrachten Dienstleistungen auf diesen basierten, z. B. indem besonders umfassend nachgeforscht werde oder die Mandanten intensiv befragt würden.

Aus den vorgenannten Gründen stehe einer Eintragung der angemeldeten Bezeichnung auch das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] entgegen.

Die Anmelderin hat Beschwerde eingelegt, die sie jedoch nicht näher begründet hat. Sie hat auch keinen Antrag gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

1. Die Beschwerde ist zulässig. Ein konkreter Antrag ist ebenso wenig erforderlich wie eine Beschwerdebegründung. Fehlt - wie vorliegend - ein Antrag, ist von einer Anfechtung des Beschlusses in vollem Umfang auszugehen (vgl. [X.]/[X.], [X.], 11. Aufl., § 66 Rdnr. 41).

2. Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Der angegriffene Beschluss war aufzuheben, da der Eintragung des [X.] kein Schutzhindernis gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 [X.] entgegensteht. Es lässt sich weder ein Freihaltebedürfnis im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] feststellen, noch kann der angemeldeten Marke jede Unterscheidungskraft abgesprochen werden (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.]).

a. Gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] sind Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge und der Bestimmung oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können. Der Zweck dieser Vorschrift besteht vor allem darin, beschreibende Angaben oder Zeichen vom markenrechtlichen Schutz auszuschließen, weil ihre Monopolisierung einem berechtigten Bedürfnis der Allgemeinheit an ihrer ungehinderten Verwendbarkeit widerspricht, wobei bereits die potentielle Beeinträchtigung der wettbewerbsrechtlichen Grundfreiheiten ausreichen kann (vgl. [X.]/[X.], a. a. O, § 8 Rdn. 337). Es genügt also, wenn das angemeldete Zeichen in Bezug auf die konkret beanspruchten Waren oder Dienstleistungen als beschreibende Angabe geeignet ist (vgl. [X.] GRUR 1999, 723 Nr. 30, 31 - [X.]; GRUR 2004, 674 Rdn. 56 - Postkantoor).

Für die Eignung als beschreibende Angabe ist auf das Verständnis des Handels und/oder des normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers als maßgebliche Verkehrskreise abzustellen (vgl. [X.] GRUR 1999, 723 Nr. 29 - [X.]; GRUR 2006, 411 Nr. 24 - Matratzen [X.]/[X.]). Durch die Wortwahl „und/oder“ ist klargestellt, dass auch das Verständnis der beteiligten Fachkreise für sich gesehen von ausschlaggebender Bedeutung sein kann, und z. B. für die Beurteilung des beschreibenden Charakters fremdsprachiger Zeichen nicht notwendig die teilweise sehr beschränkten Fremdsprachen- und Branchenkenntnisse der inländischen Durchschnittsverbraucher entscheidungserheblich sind (vgl. [X.]/[X.], [X.], 11. Auflage, § 8 Rdn. 372).

Dabei kommt es in erster Linie auf die aktuellen Verhältnisse in dem Bereich der einschlägigen Waren und Dienstleistungen an, jedoch ist auch das Allgemeininteresse an der Freihaltung der jeweiligen Angabe im Hinblick auf deren künftige beschreibende Verwendung zu berücksichtigen (vgl. [X.] GRUR 1999, 723, Nr. 35 - [X.]; GRUR 2004, 674 Nr. 56 - Postkantoor). Ist die Eignung der angemeldeten Marke für die Beschreibung von Merkmalen der beanspruchten Waren und Dienstleistungen festgestellt, setzt das Eintragungsverbot des § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] keinen weiteren lexikalischen oder sonstigen Nachweis voraus, dass und in welchem Umfang sie als beschreibende Angabe bereits im Verkehr bekannt ist oder verwendet wird (vgl. [X.] GRUR 1999, 723 Nr. 30 - [X.]; GRUR 2004, 146 Nr. 32 - [X.]; GRUR 2004, 674 Nr. 98 - Postkantoor).

[X.] um eine vom markenrechtlichen Schutz ausgeschlossene beschreibende Angabe handelt.

[X.] entspricht, welcher gleichbedeutend mit dem in die [X.] eingegangenen Begriff „Faktum“ ist und „Tatsache, Fakt, Tatbestand, Sachverhalt, gegebener Umstand“ bedeutet. In diesem Sinne findet dieser Begriff vor allem auch im juristischen Umfeld Verwendung, wie die der Anmelderin übersandte Recherche belegt.

[X.] allein gleichwohl kein Merkmal der beanspruchten Rechts(beratungs)dienstleistungen i. S. von § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] und trifft auch keine Aussage zu deren Inhalt und Gegenstand. Zwar spielen Tatsachen und damit Fakten insoweit eine erhebliche Rolle, als deren Ermittlung, Sichtung und vor allem (rechtliche) Bewertung [X.] und wesentlichen Inhalt der beanspruchen Dienstleistungen darstellen. Inhalt und Gegenstand der beanspruchten Rechtsberatungsdienstleistungen werden aber durch den Begriff [X.] nicht beschrieben. Die angemeldete Bezeichnung [X.] in Alleinstellung vermittelt ohne verständnisfördernden Kontext bzw. (assoziative) Ergänzung (z. B. „Fakten sichten“, „Fakten bewerten“) insoweit keinen eindeutig verständlichen beschreibenden Sinngehalt.

[X.] zugeschriebenes anpreisendes Verständnis dahingehend, dass Fakten „im Mittelpunkt“ der Dienstleistungen stehen bzw. die den Dienstleistungen zugrunde liegenden Fakten besonders umfassend recherchiert und/oder ermittelt werden würden. Auch ein solches Verständnis erschließt sich erst nach einer entsprechenden (assoziativen) Ergänzung der angemeldeten Bezeichnung, es ergibt sich aber nicht allein aus dem Begriff [X.]. Bei der Beurteilung, ob absolute Schutzhindernisse bestehen, ist jedoch allein die Marke in ihrer angemeldeten Form zugrunde zu legen und diese nicht um weitere Bestandteile (assoziativ) zu ergänzen (vgl. BGH GRUR 2013, 731 - [X.]; GRUR 2011, 65Rn. 17 - Buchstabe T mit Strich).

[X.] im tatsächlichen Sprachgebrauch über seinen Bedeutungs- und Sinngehalt hinaus als schlagwortartiger beschreibender Hinweis auf Gegenstand/Inhalt oder andere Merkmale von Rechtsberatungsdienstleistungen verwendet wird, bestehen keine Anhaltspunkte.

[X.] ist daher nicht geeignet, unmittelbar Merkmale und Eigenschaften der beanspruchten Dienstleistungen i. S. des § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] zu beschreiben.

c. Der angemeldeten Marke kann auch nicht Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] abgesprochen werden.

[X.] mangels eines hinreichend konkreten Aussagegehalts einen engen beschreibenden Bezug zu den beanspruchten Dienstleistungen auf. Bei [X.] handelt es sich auch nicht um einen Begriff, welcher in Zusammenhang mit den beanspruchten juristischen Dienstleistungen stets nur als solcher und nicht als betriebliches Unterscheidungsmittel verstanden wird, zumal für den inländischen Verkehr insoweit die Verwendung des „[X.]“ Begriffs „Fakt“ bzw. „Tatsache“ immer noch näher liegt.

3. Die Beschwerde hat daher Erfolg.

Meta

30 W (pat) 543/14

24.11.2016

Bundespatentgericht 30. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 24.11.2016, Az. 30 W (pat) 543/14 (REWIS RS 2016, 1865)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 1865

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