Bundespatentgericht, Beschluss vom 21.03.2019, Az. 30 W (pat) 22/17

30. Senat | REWIS RS 2019, 9090

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "Naturell" – Freihaltungsbedürfnis


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2016 012 640.6

hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des [X.] in der Sitzung vom 21. März 2019 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.]s Prof. Dr. Hacker sowie der [X.] [X.] und Dr. Meiser

beschlossen:

Die Beschwerde der Anmelderin wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die am 28. April 2016 angemeldete Wortmarke

2

[X.]

3

soll für die Waren

4

„Klasse 02: Anstrichmittel; Farben; Firnisse; Lacke; Rostschutzmittel; Holzkonservierungsmittel; Grundierungsmittel als Anstrichfarbe; Holzschutzmittel; Färbemittel; Beizen, insbesondere Beizen für Holz; Verdünnungsmittel für sämtliche vorgenannte Waren; Naturharze im Rohzustand; Blattmetalle und Metalle in Pulverform für Maler, Dekorateure, Drucker und Künstler; Spachtelmassen zum Glätten und Ausbessern eines rauen Untergrundes [Anstrichmittel]; [X.] aus Kunststoff als Paste und flüssig für Oberflächen aus Holz und Metall zum Schutz gegen Feuchtigkeit; streichfähige Makulatur;

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Klasse 03: Wasch- und Bleich-, Putz-, Polier-, Fettentfernungs- und Schleifmittel für das Maler- und Stuckateurhandwerk; Abbeizmittel;

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Klasse 19: Baumaterialien [nicht aus Metall, soweit in Klasse 19 enthalten]; Fassadenmörtel; Verputzmittel; Edelputz; Streichputz; Fertigmörtel; [X.]; Baukalk; Estrich; Spachtelmassen als Grundierungsmittel [soweit in Klasse 19 enthalten] für [X.]; Asphalt; Pech; Bitumen“

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eingetragen werden.

8

Die Markenstelle für Klasse 2 des [X.] hat die Anmeldung wegen absoluter Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 [X.] beanstandet und sodann mit Beschlüssen vom 1. Juli 2016 und vom 12. Mai 2017, wobei letzterer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, wegen fehlender Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.]) zurückgewiesen.

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[X.] werde der angesprochene Verkehr dahingehend verstehen, dass es sich bei den beanspruchten Waren um solche handele, die natürlich, naturbelassen, ungefärbt oder unbearbeitet seien. [X.] stamme zwar nicht aus der [X.], sei jedoch dem entsprechenden [X.] Begriff „natürlich“ sehr ähnlich und sowohl allgemeinen wie auch Fachkreisen aus dem Bau- und Malerwesen ohne weiteres verständlich. Ausgehend hiervon werde der Verkehr das Anmeldezeichen ausschließlich als Hinweis darauf verstehen, dass die beanspruchten Waren natürlich, naturbelassen, ungefärbt oder unbearbeitet seien. Dies könne auf alle hier in Frage stehenden Waren zutreffen.

Eine Recherche habe zudem ergeben, dass der Begriff auch bereits in diesem Sinne nicht nur von der Anmelderin verwendet werde, so dass dieser Begriff nicht mit einem bestimmten Unternehmen, etwa dem der Anmelderin, in Verbindung gebracht werde.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie im Wesentlichen geltend macht, dass Gegenstand der Anmeldung nicht das Adjektiv „naturell“, sondern das aus dem [X.] stammende Substantiv (das) „[X.]“ sei, welchem gemäß [X.] die Bedeutung „Art, Charakter, Eigenart, Eigentümlichkeit, Gemütsart, Natur, Persönlichkeit, Temperament, Typ, Veranlagung, Wesen, Wesensart; (bildungssprachlich) Disposition, Individualität" oder „Typus" zukomme.

Hingegen bestehe selbst für den über Kenntnisse der [X.] verfügenden Teil des Verkehrs kein Anlass, das angemeldete Zeichen mit dem [X.] Adjektiv „naturelle“ in Verbindung zu bringen und im Sinne von „natürlich/naturbelassen“ zu verstehen, da das angemeldete Zeichen sowohl am Wortanfang durch den Großbuchstaben „N“ als auch am Wortende durch den fehlenden Vokal „e“ von dem [X.] Begriff abweiche.

[X.] in diesem Sinne zu verstehen, bedürfe es jedenfalls mehrerer gedanklicher Zwischenschritte, zumal das Adjektiv „naturell“ ausweislich einer Recherche typischerweise mit Mineralwasser- oder Haarpflegeprodukten in Verbindung gebracht werde.

[X.] jedoch weder zur Beschreibung der beanspruchten Waren geeignet noch entnehme der Verkehr diesem Begriff einen sachbezogenen Aussagehalt in Bezug auf die Waren, da diese Waren über kein persönliches [X.] verfügten bzw. ein solches nicht aufwiesen; vielmehr würden diese Waren über andere Angaben, die nichts mit (einem persönlichen) [X.] zu tun hätten, definiert. In diesem Sinne werde [X.] auch nicht als beschreibende und/oder sachbezogene Aussage für diese Waren verwendet.

Aber selbst wenn der Verkehr das angemeldete Zeichen mit der Bedeutung „natürlich, naturbelassen“ assoziiere, handele es sich allenfalls um ein schutzfähiges „sprechendes Zeichen“.

Die Anmelderin beantragt sinngemäß,

die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 2 des [X.] vom 1. Juli 2016 und vom 12. Mai 2017 aufzuheben.

Die Anmelderin hat mit [X.] vom 7. März 2019 beantragt, den Termin zur mündlichen Verhandlung vom 21. März 2019, welcher auf den von ihr hilfsweise gestellten Antrag anberaumt worden war, aufzuheben und im schriftlichen Verfahren zu entscheiden.

II.

[X.] als beschreibende Angabe im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] von der Eintragung ausgeschlossen ist, so dass die Markenstelle die Anmeldung im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen hat. (§ 37 Abs. 1 und 5 [X.]).

1. Gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] sind Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr u. a. zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge und der Bestimmung oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können. Der Zweck dieser Vorschrift besteht vor allem darin, beschreibende Angaben oder Zeichen vom markenrechtlichen Schutz auszuschließen, weil ihre Monopolisierung einem berechtigten Bedürfnis der Allgemeinheit an ihrer ungehinderten Verwendbarkeit widerspricht, wobei bereits die potentielle Beeinträchtigung der wettbewerbsrechtlichen Grundfreiheiten ausreichen kann (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, [X.], 12. Aufl., § 8, Rn. 362). Es genügt also, wenn das angemeldete Zeichen in Bezug auf die konkret beanspruchten Waren oder Dienstleistungen als beschreibende Angabe geeignet ist (vgl. [X.] GRUR 1999, 723 Nr. 30, 31 – [X.]; [X.], 674 Nr. 56 – Postkantoor; Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. [X.], § 8 Rn. 377 [X.]). Für die Eignung als beschreibende Angabe ist auf das Verständnis des Handels und/oder des normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der Waren als maßgebliche Verkehrskreise abzustellen (vgl. [X.] GRUR 1999, 723 Nr. 29 – [X.]; [X.], 411 Nr. 24 – Matratzen Concord/[X.]; Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. [X.], § 8 Rn. 392, 393).

Dabei kommt es in erster Linie auf die aktuellen Verhältnisse in dem Bereich der einschlägigen Waren oder Dienstleistungen an, jedoch ist auch das Allgemeininteresse an der Freihaltung der jeweiligen Angabe im Hinblick auf deren künftige beschreibende Verwendung zu berücksichtigen (vgl. [X.] GRUR 1999, 723, Nr. 35 – [X.]; [X.], 674 Nr. 56 – Postkantoor). Ist die Eignung der angemeldeten Marke für die Beschreibung von Merkmalen der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen festgestellt, setzt das Eintragungsverbot des § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] keinen weiteren lexikalischen oder sonstigen Nachweis voraus, dass und in welchem Umfang sie als beschreibende Angabe bereits im Verkehr bekannt ist oder verwendet wird; vielmehr reicht aus, dass sie zu diesem Zweck verwendet werden kann (st. Rspr., vgl z. B. [X.] GRUR 1999, 723, Nr. 30 –

2. Das angemeldete Zeichen [X.] besteht nach diesen Maßstäben in Bezug auf die angemeldeten Waren ausschließlich aus einer Angabe, die die Beschaffenheit der beanspruchten Waren beschreibt. Die Mitbewerber der Anmelderin haben deshalb ein berechtigtes Interesse an der freien ungehinderten Verwendung dieser Angabe.

a. In Zusammenhang mit den vorliegend beanspruchten Waren liegt es fern, das angemeldete Zeichen [X.] allein wegen der Großschreibung am Wortanfang in seiner von der Anmelderin im Einzelnen dargelegten substantivischen Bedeutung zu verstehen. Denn die beanspruchten Waren können augenscheinlich über keine (persönliche) Wesensart o.ä. verfügen. Daher wird der Verkehr das angemeldete Zeichen trotz Großschreibung am Wortanfang sofort und ohne weiteres i. S. des auf dem französischen Wort „naturelle“ basierenden [X.] Adjektivs „naturell“ verstehen, welchem die Bedeutung „unbearbeitet, ungefärbt“ zukommt (vgl. [X.]-online zu „naturell“ unter „Bedeutungsübersicht“), zumal nach [X.] Sprachregeln auch Adjektive am Satzanfang groß geschrieben werden und in Alleinstellung – wie hier – mit großem Anfangsbuchstaben geschrieben werden können. Darüber hinaus wird dieses Adjektiv im inländischen Sprachgebrauch als Synonym für das zum Grundwortschatz der [X.] zählende Adjektiv „natural“ verwendet (vgl. [X.], Das große Fremdwörterbuch, 4. Aufl., [X.]; [X.], Das Synonymwörterbuch, 3. Aufl., [X.]), welches wiederum „natürlich, auf der Natur beruhend“ bedeutet (vgl. [X.] zu „natural“; ferner [X.] (pat) 105/06 v. 17. Dezember 2008 – [X.] sowie 30 W (pat) 34/17 v. 2. August 2018 – Pure Natural, beide veröffentlicht auf [X.] PROMA).

[X.]/natural/natürlich“ deuten nicht nur bei landwirtschaftlichen Produkten und Lebensmitteln ganz allgemein das Fehlen von Zusatzstoffen oder Rückständen bzw die Nichtnutzung (zugelassener und nicht zugelassener) Produktions- und Behandlungsverfahren an (vgl. BPatG 25 W (pat) 96/09 v. 23. August 2010 – all Natural, veröffentlicht auf [X.]). Auch bei den vorliegend relevanten Waren, nämlich Anstrichmitteln, Farben, Lacken und Baustoffen, kommt ökologischen, d. h. umweltverträglichen und gesundheitlich unbedenklichen Produkten bereits seit Jahrzehnten eine erhebliche Bedeutung zu. Deren „natürliche“ Beschaffenheit stellt daher ein wesentliches Produktmerkmal dar.

b. Ausgehend hiervon können dann aber die bedeutungsgleichen Adjektive „[X.]/natural/natürlich“ in Zusammenhang mit den beanspruchten Waren als glatt beschreibende Hinweise darauf dienen, dass die Produkte entweder ausschließlich aus unbearbeiteten, natürlichen Stoffen bestehen, also frei von synthetisch produzierten Substanzen sind, oder zumindest naturverträglich hergestellt worden sind. Dies kann bei sämtlichen beanspruchten Waren der Fall sein. So werden „natürliche“ Anstrichmittel, Farben, Lacke usw. ohne schädliche Emissionen und frei von Konservierungsmitteln und [X.] bzw. auf Silikatbasis produziert und kommerziell vertrieben. Damit grenzen sich derartige Produkte von Waren anderer Zusammensetzung bewusst ab. Gleiches gilt für die in den Klassen 3 und 19 beanspruchten Waren. Auch bei diesen Waren beschreibt das Anmeldezeichen die - natürlichen - Inhaltsstoffe, wie bei Waschmitteln oder Baumaterialien.

[X.] ist somit ohne weiteres geeignet, konkrete Merkmale, nämlich eine „natürliche“, d.h. umweltverträgliche Beschaffenheit der hier relevanten Waren unzweideutig und unmittelbar zu bezeichnen und wird von den angesprochenen Verkehrskreisen problemlos und ohne jegliche gedankliche Zwischenschritte in diesem beschreibenden Sinngehalt verstanden werden.

c. Soweit [X.] vor allem im Zusammenhang mit Farben auch zur Bezeichnung von (Natur)Farbtönen verwendet wird, ergibt sich daraus keine schutzbegründende Mehrdeutigkeit, sondern allenfalls ein weiteres Schutzhindernis. Zudem ist in rechtlicher Hinsicht ein Zeichen bereits dann von der Eintragung ausgeschlossen, wenn es auch nur in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal der konkret in Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen bezeichnet (vgl. [X.] [X.] 2003, 450 – [X.]; [X.] [X.] 2004, 111, 115 – [X.]/ Campina Melkunie).

3. Die Anmelderin kann sich zur Ausräumung des [X.] auch nicht auf eine ihrer Meinung nach abweichende Eintragungspraxis berufen. Nach übereinstimmender höchstrichterlicher Rechtsprechung lässt sich aus Voreintragungen ähnlicher oder übereinstimmender Marken unter dem Gesichtspunkt des Gleichbehandlungsgebots (Art. 3 GG) grundsätzlich kein Eintragungsanspruch für spätere Markenanmeldungen herleiten, da es sich bei der Entscheidung über die Eintragbarkeit einer Marke nicht um eine Ermessens-, sondern um eine gebundene Entscheidung handelt, die jeweils einer auf den Einzelfall bezogenen Prüfung unterliegt (vgl. [X.] GRUR 2009, 667 (Nr. 18) – Bild.t.-Online.de [X.]; [X.], 276, Nr. 18 – Institut der Nord[X.] Wirtschaft e.V. [X.]; [X.] 2011, 230 – [X.]; BGH [X.] 2011, 66 – Freizeit Rätsel Woche).

4. Die angemeldete Marke ist damit nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] hinsichtlich der beanspruchten Waren von der Eintragung ausgeschlossen, so dass die Beschwerde zurückzuweisen war.

Meta

30 W (pat) 22/17

21.03.2019

Bundespatentgericht 30. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 21.03.2019, Az. 30 W (pat) 22/17 (REWIS RS 2019, 9090)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 9090

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