Bundessozialgericht, Beschluss vom 25.10.2019, Az. B 9 SB 40/19 B

9. Senat | REWIS RS 2019, 2197

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Gegenstand

Nichtzulassungsbeschwerde - Anforderungen an die Darlegung einer Divergenz - Darstellung des tatsächlichen und rechtlichen Kontextes der einander gegenübergestellten Entscheidungen - vertieftes Eingehen auf bewusstes Entgegensetzen eines eigenen Rechtssatzes


Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des [X.] vom 8. Mai 2019 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

1

I. Der Kläger begehrt in der Hauptsache die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von 50 statt 40. Diesen Anspruch hat das [X.] verneint. Die Feststellung eines [X.] von 40 sei zutreffend. Die Bewertung des Einzel-GdB für das Augenleiden des [X.] von 30 sei nicht zu beanstanden. Entgegen der Auffassung des [X.] komme hierfür ein Einzel-GdB von 40 nicht in Betracht. Denn dies erfordere bei Verlust eines Auges eine dauernde, einer Behandlung nicht zugängliche Eiterung der Augenhöhle (Hinweis auf Teil [X.] 4.1 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze <[X.], Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung>). Ein solcher Sachverhalt sei nicht durch belastbare ärztliche Feststellungen belegt. Auch eine höhere Bewertung der psychischen Störung des [X.] als mit einem Einzel-GdB von 20 sei nicht angemessen (Urteil vom 8.5.2019).

2

Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat der Kläger Beschwerde beim [X.] eingelegt. Er macht das Vorliegen einer Rechtsprechungsabweichung (§ 160 Abs 2 [X.] SGG) und eines [X.] (§ 160 Abs 2 [X.] SGG) geltend.

3

II. Die Beschwerde des [X.] ist unzulässig. Seine Beschwerdebegründung vom [X.] genügt nicht der vorgeschriebenen Form, denn er hat die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Weise bezeichnet.

4

1. Divergenz iS des § 160 Abs 2 [X.] SGG liegt vor, wenn die tragenden abstrakten Rechtssätze, die in zwei Entscheidungen zugrunde gelegt worden sind, nicht übereinstimmen. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das [X.] einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des [X.], des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des [X.] oder des [X.] aufgestellt hat. Darüber hinaus verlangt der Zulassungsgrund der Divergenz, dass das angefochtene Urteil auf der Abweichung beruht.

5

Bezogen auf die Darlegungspflicht bedeutet dies: Die Beschwerdebegründung muss erkennen lassen, welcher abstrakte Rechtssatz in der in Bezug genommenen Entscheidung enthalten ist und welcher im Urteil des [X.] enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht. Ferner muss aufgezeigt werden, dass auch das Revisionsgericht die höchstrichterliche Rechtsprechung in einem künftigen Revisionsverfahren seiner Entscheidung zugrunde zu legen haben wird (stRspr, zB Senatsbeschluss vom 25.10.2018 - [X.] V 27/18 B - juris RdNr 8 mwN).

6

Diese Anforderungen erfüllt die Beschwerdebegründung nicht.

7

Der Kläger benennt weder einen abstrakten Rechtssatz aus einer der von ihm zitierten Entscheidungen des [X.], noch stellt er einem solchen höchstrichterlichen Rechtssatz einen divergierenden abstrakten Rechtssatz des [X.] aus dem angefochtenen Urteil gegenüber. Er referiert in seiner Beschwerdebegründung lediglich Aussagen des [X.] zu den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im [X.] Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" und den [X.]. Der Kläger zeigt allein mit diesen Angaben aber nicht auf, dass das [X.] in den genannten Entscheidungen eine Fallkonstellation, die mit derjenigen des [X.] vergleichbar ist, tragend anders entschieden hat. Dafür genügt es nicht, isoliert einzelne aus Entscheidungen des [X.] abgeleitete Passagen zu referieren und - völlig losgelöst von ihrem Bezugsrahmen - zu behaupten, es handele sich um tragende höchstrichterliche Rechtssätze, von denen das [X.] in der angefochtenen Entscheidung tragend abgewichen sei. Stattdessen ist der tatsächliche und rechtliche Kontext darzustellen, in dem zum einen der herangezogene bundesgerichtliche Rechtssatz und zum anderen der vom [X.] in der angefochtenen Entscheidung aufgestellte divergierende Rechtssatz steht. Denn eine die Rechtseinheit gefährdende Abweichung kann nur bei gleichem oder vergleichbarem Sachverhalt vorliegen, auf den dieselben Rechtsnormen anzuwenden sind (vgl [X.] Beschluss vom 9.8.2018 - B 5 RE 3/18 B - juris RdNr 14 mwN). Hierzu enthält die Beschwerdebegründung aber nichts.

8

Auch im Übrigen ist eine Divergenz vom Kläger nicht nachvollziehbar dargestellt. Denn die Bezeichnung einer Abweichung iS von § 160 Abs 2 [X.] SGG setzt die Darlegung voraus, dass das [X.] die Rechtsprechung des [X.] im angefochtenen Urteil infrage stellt, was nicht der Fall ist, wenn es einen höchstrichterlichen Rechtssatz missverstanden oder übersehen und deshalb das Recht fehlerhaft angewendet haben sollte (stRspr, zB [X.] Beschluss vom [X.] - B 5 R 31/19 B - juris RdNr 51; [X.] Beschluss vom [X.] - B 7 [X.] 142/02 B - [X.] 3-1500 § 160a [X.]4 S 73). Deshalb hätte der Kläger vertieft darauf eingehen müssen, dass das [X.] im angefochtenen Urteil nicht lediglich die Tragweite der höchstrichterlichen Rechtsprechung verkannt, sondern dieser Rechtsprechung bewusst einen eigenen Rechtssatz entgegengesetzt hat (vgl stRspr, zB Senatsbeschluss vom 16.2.2017 - [X.] V 48/16 B - juris Rd[X.]3; Senatsbeschluss vom 1.6.2015 - [X.] SB 10/15 B - juris RdNr 6; [X.] Beschluss vom [X.] - B 10 EG 18/18 B - juris RdNr 4; [X.] Beschluss vom [X.] - B 1 KR 40/18 B - juris RdNr 4; [X.] Beschluss vom [X.] - B 7 [X.] 142/02 B - [X.] 3-1500 § 160a [X.]4 S 73; [X.] Beschluss vom [X.] [X.] RA 131/98 B - [X.] 3-1500 § 160 [X.]6 S 44 f). Daran fehlt es. Im [X.] kritisiert der Kläger letztlich nur eine - vermeintlich - falsche Rechtsanwendung des [X.] in seinem Fall, in dem er meint, das Urteil widerspreche Teil [X.] 4.1 [X.]. Die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung des [X.] im Einzelfall ist aber nicht Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde (vgl stRspr, zB [X.] Beschluss vom 2[X.] - B 12 R 59/18 B - juris RdNr 14).

9

2. Soweit der Kläger einen Verfahrensmangel (§ 160 Abs 2 [X.] SGG) des [X.] in Gestalt einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht rügt, weil das Berufungsgericht kein Sachverständigengutachten insbesondere zu seinen "psychischen Erkrankungen und deren Folgen" eingeholt habe, erfüllt sein Vorbringen nicht die notwendigen Darlegungsanforderungen einer Sachaufklärungsrüge (s hierzu allgemein Senatsbeschluss vom 21.12.2017 - [X.] SB 70/17 B - juris Rd[X.]). Auf den Verfahrensmangel einer unterlassenen Sachaufklärung (§ 103 SGG) kann sich der Kläger schon deshalb nicht mit Erfolg berufen, weil er nicht dargetan hat, einen entsprechenden prozessordnungsgemäßen Beweisantrag bis zuletzt in der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] am 8.5.2019 zu Protokoll aufrechterhalten zu haben (vgl stRspr, zB Senatsbeschluss vom 15.4.2019 - [X.] V 5/19 B - juris RdNr 6; [X.] Beschluss vom [X.]/15 B - juris RdNr 10). Ebenso wenig behauptet er, dass das [X.] in dem angefochtenen Urteil einen solchen Beweisantrag wiedergegeben hat.

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).

3. Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

4. [X.] beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Meta

B 9 SB 40/19 B

25.10.2019

Bundessozialgericht 9. Senat

Beschluss

Sachgebiet: SB

vorgehend SG Stade, 26. Oktober 2017, Az: S 3 SB 97/15, Gerichtsbescheid

§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 25.10.2019, Az. B 9 SB 40/19 B (REWIS RS 2019, 2197)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 2197

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