Bundesgerichtshof, Beschluss vom 07.12.2021, Az. 5 StR 329/21

5. Strafsenat | REWIS RS 2021, 573

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Gegenstand

Tatbeteiligung an einer gefährlichen Körperverletzung durch aktives Tun oder Unterlassen: Mittäterschaft bei bloßer Kenntnis von der Tat und deren Billigung; Rechtspflicht eines Wohnungsinhabers zum Eingreifen; widerlegte entlastende Behauptung des Angeklagten als Belastungsindiz


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 26. Mai 2021 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit er verurteilt worden ist.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten - unter Freisprechung im Übrigen - wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und zwei Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete, auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg.

I.

2

Nach den Feststellungen des [X.]s schlug der gesondert Verfolgte [X.] in der Wohnung des Angeklagten mit Metallstangen auf den Geschädigten ein, wodurch dieser insbesondere Kopf- und Gesichtsverletzungen erlitt. Der Angeklagte trug die Bestrafungsaktion mit, billigte, dass [X.]mehrere in seiner Wohnung herumliegende Metallstangen als Tatwerkzeuge verwendete, und nahm die Verletzungsfolgen für den Geschädigten in Kauf. Er griff indes „bewusst und gewollt“ nicht in das Geschehen ein, wobei er „im bewussten und gewollten Zusammenwirken“ vorübergehend eine Metallstange in der Hand hielt. Allen Anwesenden war klar, dass der Angeklagte als Wohnungsinhaber „die alleinige Autorität innehatte, die Gewaltorgie sofort zu unterbinden“.

II.

3

Das Urteil hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

4

1. [X.] wird nicht von den - schon für sich genommen nicht widerspruchsfreien - Feststellungen getragen.

5

a) Eine Tatbestandsverwirklichung durch [X.] ist auf Grundlage der festgestellten Tatsachen nicht gegeben. Die bloße Kenntnis von der Tat und deren Billigung allein kann schon nicht die Annahme einer Beihilfe gemäß § 27 StGB und damit erst recht nicht die Zurechnung nach § 25 Abs. 2 StGB begründen. Dass der Angeklagte mit dem Halten einer Metallstange die Tatbegehung objektiv förderte und dies dem gesondert Verfolgten [X.]- gegebenenfalls - bewusst war, belegen die Feststellungen nicht (vgl. zu den Anforderungen [X.], Beschlüsse vom 4. Februar 2016 - 1 [X.], [X.], 136, 137; vom 13. September 2017 - 2 StR 161/17, NStZ-RR 2018, 40; vom 13. Januar 1993 - 3 [X.], [X.], 233).

6

b) Eine Tatbestandsverwirklichung durch Unterlassen (§ 13 StGB) ist durch die Feststellungen ebenfalls nicht belegt. Der Inhaber einer Wohnung hat nur dann für darin begangene [X.] strafrechtlich einzustehen, wenn besondere Umstände hinzutreten, die eine Rechtspflicht zum Handeln begründen (vgl. [X.], Urteile vom 24. Februar 1982 - 3 StR 34/82, [X.]St 30, 391, 393 ff.; vom 25. April 2001 - 3 StR 7/01, [X.]R StGB § 13 Abs. 1 Garantenstellung 18). Solche Umstände hat das [X.] nicht festgestellt.

7

2. Die Feststellungen zur Tatbeteiligung des Angeklagten beruhen zudem auf einer rechtsfehlerhaften Beweiswürdigung.

8

Die Strafkammer hat ihre Überzeugung hiervon auf dessen Einlassung und Zeugenaussagen sowie auf Finger- und DNA-Spuren des Angeklagten an zwei der in seiner Wohnung sichergestellten Metallstangen gestützt. Dies zugrunde gelegt ist die Beweiswürdigung - auch eingedenk des eingeschränkten revisionsrechtlichen [X.] (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Beschluss vom 18. März 2021 - 4 StR 480/20 mwN) - nicht tragfähig.

9

a) Der Angeklagte hat eine Tatbeteiligung bestritten und angegeben, während der Misshandlungen des Geschädigten nicht in seiner Wohnung gewesen zu sein. Der gesondert Verfolgte [X.] hat den Angeklagten zwar einerseits „nicht entlasten können“; diesen belastende Umstände hat der die Tat bestreitende Zeuge aber andererseits auch nicht bekundet.

b) Den häufig wechselnden Angaben des Geschädigten hat das [X.] nur insoweit zu folgen vermocht, als sie im Einklang mit der Einlassung des Angeklagten gestanden haben oder durch andere Beweisergebnisse bestätigt worden sind. Eine Übereinstimmung zwischen den Angaben des Geschädigten und der Einlassung des Angeklagten zu dessen Tatbeteiligung lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen. Soweit das [X.] in diesem Zusammenhang Finger- und DNA-Spuren des Angeklagten auf zwei der in der Wohnung sichergestellten Metallstangen herangezogen hat, ist die Beweiswürdigung lückenhaft. Ausweislich der Urteilsgründe hatte der Angeklagte bis zur Tat bereits zwei Monate in der Wohnung gelebt. Angesichts dessen hätte das [X.] erörtern müssen, weshalb es zu dem Schluss gelangt ist, dass die Spuren während des Tatgeschehens hinterlassen worden sind. Auf die vom [X.] beanstandete Darlegung des [X.] kommt es daher nicht mehr an (vgl. zu den Anforderungen [X.], Beschlüsse vom 28. August 2018 - 5 StR 50/17, [X.]St 63, 187 Rn. 10 ff.; vom 20. November 2019 - 4 StR 318/19, NJW 2020, 350 Rn. 5; vom 29. Juli 2020 - 6 StR 211/20 Rn. 4).

c) Soweit in den Urteilsgründen aufgeführt ist, eine Zeugin habe von einer Bekannten gehört, dass der Angeklagte „Mist gebaut“ habe, hat das [X.] die Aussage nicht gewürdigt. Es bleibt daher schon unklar, ob es sie für seine Überzeugung herangezogen hat. Ungeachtet dessen ist die Strafkammer den Anforderungen, die an die Würdigung von Angaben eines [X.] zu stellen sind, nicht gerecht geworden (vgl. hierzu [X.], Beschluss vom 9. April 2013 - 5 [X.]/13).

d) Sollte das [X.] deswegen auf eine Tatbeteiligung des Angeklagten geschlossen haben, weil es seine Einlassung, er sei zur Tatzeit nicht in der Wohnung gewesen, als widerlegt erachtet hat, hätte es erörtern müssen, warum dieser Umstand als ein belastendes Indiz herangezogen hätte werden können; denn ohne Weiteres ist dies nicht zulässig (vgl. [X.], Urteil vom 26. November 2014 - 2 StR 54/14 mwN).

3. Die Sache bedarf daher insoweit umfassender neuer Verhandlung und Entscheidung. Der Senat weist auf Folgendes hin:

Die Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten kann auch dann maßgeblich auf die Angaben eines Zeugen gestützt werden, wenn dieser nicht in allen Vernehmungen vollständig konstant ausgesagt hat oder das Tatgericht seinen Angaben nur zum Teil glaubt. Es bedarf dann aber einer besonders sorgfältigen Beweiswürdigung (vgl. [X.], Urteil vom 30. Juli 1999 - 1 [X.], [X.]St 45, 164, 172; Beschluss vom 27. November 2017 - 5 StR 520/17, [X.], 116 mwN).

Die Belehrungsvorschrift des § 57 [X.], die nach § 163 Abs. 3 Satz 2 [X.] für polizeiliche Zeugenvernehmungen entsprechend gilt, ist lediglich eine Ordnungsvorschrift, die ausschließlich dem Interesse des Zeugen dient; auf ihre Verletzung kann die Revision nicht gestützt werden (vgl. [X.], 66, 67; [X.], Urteile vom 11. Oktober 1968 - 4 [X.], [X.], 23 f.; vom 15. September 1982 - 2 StR 233/82, [X.], 354 bei [X.]/[X.]; Beschluss vom 19. Dezember 2001 - 3 [X.]; [X.]/[X.], [X.], 64. Aufl., § 57 Rn. 7; KK-[X.]/[X.], 8. Aufl., § 57 Rn. 8; SSW-[X.]/[X.], 4. Aufl., § 57 Rn. 6; [X.]/[X.]/[X.], [X.], 27. Aufl., § 57 Rn. 9). Die Angaben eines nicht ordnungsgemäß nach § 57 [X.] belehrten Zeugen unterliegen danach - entgegen der Auffassung des [X.]s - auch keinem Beweisverwertungsverbot.

Cirener     

        

Gericke     

        

[X.]

        

Köhler     

        

Werner     

        

Meta

5 StR 329/21

07.12.2021

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Dresden, 26. Mai 2021, Az: 14 KLs 733 Js 41572/20

§ 13 StGB, § 25 Abs 2 StGB, § 27 StGB, § 224 StGB, § 261 StPO, § 267 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 07.12.2021, Az. 5 StR 329/21 (REWIS RS 2021, 573)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 573

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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