Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.01.2020, Az. 2 StR 352/18

2. Strafsenat | REWIS RS 2020, 1672

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Gegenstand

Strafurteil wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung: Anforderungen an die Darlegung der Ergebnisse von molekulargenetischen Vergleichsuntersuchungen und der Würdigung von belastenden Aussagen eines Mitangeklagten; Zulässigkeit der Verwertung von nach dem G10-Gesetz übermittelten Daten


Tenor

Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 24. Mai 2017 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat die Angeklagten [X.], [X.], [X.]  , [X.], [X.].   , [X.], [X.], [X.], [X.], [X.].    und [X.]    der gefährlichen Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB) in zehn tateinheitlichen Fällen schuldig gesprochen. Gegen die Angeklagten [X.]   , [X.] , [X.], [X.]  , [X.], [X.].   , [X.], [X.], [X.].    und [X.] hat das [X.] jeweils Freiheitsstrafen verhängt, wobei es dem Angeklagten [X.] Strafaussetzung zur Bewährung gewährt hat. Den Angeklagten [X.]    hat das [X.] unter Einbeziehung einer weiteren Strafe aus einer früheren Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. Weitere Angeklagte hat das [X.] aus tatsächlichen Gründen freigesprochen.

2

Mit ihren Revisionen beanstanden die elf verurteilten Angeklagten die Verletzung materiellen Rechts, die Angeklagten [X.], [X.] , [X.]   , [X.].   , [X.], [X.], [X.]  und [X.].     überdies das Verfahren. Die Rechtsmittel haben jeweils mit der Sachrüge Erfolg.

I.

3

Nach den Feststellungen des [X.]s hatte der Angeklagte [X.]im Jahre 2013 ein Hausgrundstück in [X.].    ([X.]) erworben, das er in der Folgezeit u.a. mit den Angeklagten [X.]  und [X.]   bewohnte. In der örtlichen Bevölkerung war das Gebäude als das „[X.]“ bekannt, seine Bewohner wurden der „[X.]“ zugeordnet. Einige Gemeindebewohner, die diese Situation nicht hinnehmen wollten, organisierten mehrfach Demonstrationen vor Ort und Aufrufe im [X.], um die Bewohner des „[X.]es“ zum Auszug zu bewegen. Im Zuge dieser Auseinandersetzung kam es Ende des Jahres 2013 dazu, dass eine Fensterscheibe des „[X.]es“ eingeworfen und die Hausfassade „beschmiert“ wurde. Dafür Verantwortliche konnten nicht ermittelt werden.

4

Am Abend des 8. Februar 2014 befanden sich die zehn Angeklagten [X.] , [X.]   , [X.], [X.].   , [X.], [X.], [X.], [X.], [X.].    und [X.]    gemeinsam mit weiteren Gästen auf einer Geburtstagsfeier in [X.]. Der Angeklagte [X.]  war unterdessen in [X.]und [X.]unterwegs und kehrte zwischen 1.00 Uhr und 1.30 Uhr gemeinsam mit seiner Freundin zum „[X.]“ nach [X.].    zurück. Dort bemerkten beide, dass eine Fensterscheibe mit einem „Feldstein“ eingeschlagen worden war, der in den Räumlichkeiten einen weiteren Schaden an einer Tischtennisplatte verursacht hatte. Sie sahen sich in der näheren Umgebung des „[X.]es“ um und bemerkten eine Veranstaltung in dem nur 150 m entfernten Gemeindehaus, zu der sie in Erfahrung brachten, dass es sich um eine nicht öffentliche Feier für die Unterstützer der alljährlichen Kirmes handelte. Hierauf rief der Angeklagte [X.]  den Angeklagten [X.]in [X.].  an und schilderte ihm die vorgefundene Situation. Dieser informierte sodann die übrigen Angeklagten auf der Geburtstagsfeier in [X.]über die Vorkommnisse.

5

Die zehn Angeklagten kamen nun überein, gemeinsam zurück in das 56 km entfernte [X.].    zu fahren. Dort angekommen begutachteten sie den entstandenen Schaden. Nachdem bei ihnen der Verdacht aufgekommen war, unter den Besuchern des [X.] seien die Verantwortlichen für die Beschädigung des „[X.]es“ zu finden, schlug der Angeklagte [X.]vor, die Polizei zu verständigen, wohingegen der Angeklagte [X.]   „die übrigen Anwesenden“ aufforderte, mit zum Gemeindesaal zu kommen, „damit das endlich ´mal ein Ende habe“. Infolge dieser Aufforderung bewegten sich mindestens zwölf Personen, darunter die elf Angeklagten [X.], [X.] , [X.]   , [X.], [X.].  , [X.], [X.], [X.], [X.], [X.].   und [X.]    auf das Gemeindehaus zu. Der Angeklagte [X.]   zog eine schwarze Maske mit [X.] über sein Gesicht und „die meisten der übrigen Angeklagten“ vermummten sich ebenfalls. Spätestens zu diesem Zeitpunkt existierte ein gemeinsamer Tatplan der genannten Angeklagten, der darauf gerichtet war, „die im Gemeindesaal zu diesem Zeitpunkt feiernden Personen anzugreifen und körperlich zu verletzen“.

6

Gegen 2.30 Uhr betraten die elf Angeklagten gemeinsam das Gemeindehaus, eine unbekannt gebliebene Person blieb draußen. Der Angeklagte [X.]   ging zunächst allein in den Gemeindesaal, wo noch 20 Personen feierten, während die übrigen Angeklagten in einem Vorraum außer Sichtweite der [X.] warteten. Lautstark verlangte der Angeklagte [X.]   von den anwesenden Gästen Auskunft darüber, wer die Fensterscheibe des „[X.]es“ eingeworfen habe, und versetzte sogleich einem der Feiernden einen Faustschlag gegen den Kopf. Sodann bewegte er sich mit provozierender Geste in Richtung Ausgang des [X.], wobei die [X.] nicht festzustellen vermochte, ob der Angeklagte [X.]   aus eigenem Antrieb den Saal verlassen wollte oder von anwesenden Gästen „[X.] wurde“. Unmittelbar nachdem der Angeklagte [X.]   den Gemeindesaal verlassen hatte, betraten „einige der übrigen Angeklagten“ den Saal, „wobei alle maskiert oder auf sonstige Weise vermummt waren“. Hierauf begann „eine größere Anzahl der Angeklagten“ auf die Gäste „einzuschlagen“. Die [X.] vermochte keine Feststellungen dazu zu treffen, wer von den Angeklagten den Gemeindesaal tatsächlich betreten und wer auf welche Gäste eingewirkt oder am [X.] von Schlägen und Tritten abgesehen hatte.

7

„Wenige Minuten nach Beginn des Überfalls“ verließen sämtliche Angeklagten gemeinsam das Gemeindehaus und fuhren anschließend mit mehreren Fahrzeugen davon. Infolge der Auseinandersetzung im Gemeindesaal erlitten zehn Gäste der Festveranstaltung multiple Verletzungen, die teilweise stationär versorgt werden mussten. Am Mobiliar des [X.] entstand Sachschaden in Höhe von über 8.000 €.

II.

8

Die Revisionen der Angeklagten haben Erfolg.

9

Während die erhobenen Verfahrensrügen aus den zutreffenden Gründen der Antragsschriften des [X.] vom 26. November 2018 versagen, führen die Rechtsmittel jeweils auf die Sachrüge zur Aufhebung des Urteils mit den ihm zu Grunde liegenden Feststellungen und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.].

Die Beweiswürdigung des angefochtenen Urteils hält - auch eingedenk des nur eingeschränkten revisionsrechtlichen [X.] (st. Rspr.; vgl. etwa [X.], Beschluss vom 10. April 2019 - 2 StR 338/18, [X.], 691; [X.], Urteil vom 11. November 2015 - 1 StR 235/15, [X.], 47, 48) - sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

1. Im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des [X.] ist das [X.] davon ausgegangen, dass für den den Schuldspruch tragenden Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung in der Variante der gemeinschaftlichen Begehungsweise (§ 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB) eine eigenhändige Mitwirkung jedes einzelnen Täters an den [X.] nicht erforderlich ist (vgl. [X.], Urteil vom 22. Dezember 2005 - 4 StR 347/05, [X.], 572, 573; BeckOK-StGB/[X.], [X.]., § 224 Rn. 38). Davon ausgehend hat sich die [X.] auf rechtsfehlerfreier Grundlage davon überzeugt, dass eine Gruppe schwarz gekleideter, maskierter bzw. vermummter Personen, einem zuvor konkludent gefassten Tatentschluss entsprechend, dem Angeklagten [X.]   folgte, um den gegen das „[X.]“ gerichteten Aktionen statt durch Einschaltung der Polizei nun selbst „‘mal ein Ende“ zu bereiten und hierzu gemeinschaftlich handelnd die im Gemeindesaal feiernden Geschädigten anzugreifen und zu verletzen.

2. Als durchgreifend rechtsfehlerhaft erweist sich die Beweiswürdigung jedoch, soweit sich das [X.] davon überzeugt hat, gerade die Angeklagten seien an diesem Tatgeschehen beteiligt gewesen.

a) Da die Geschädigten zur Identität der Angreifer keine Angaben machen konnten, beruhen die Feststellungen zur Täterschaft der Angeklagten [X.], [X.] , [X.]   , [X.], [X.], [X.], [X.]und [X.]ausweislich der Urteilsgründe „maßgeblich auf den Angaben des Angeklagten [X.] bei seinen polizeilichen Vernehmungen“, durch die er sich selbst nicht unerheblich belastet habe. Hinsichtlich der Täterschaft der Angeklagten [X.].   , [X.].    und [X.]   hat das [X.] seine Überzeugung „maßgeblich“ auf die „festgestellten DNA-Spuren“ gestützt, die, so die [X.], keinen Zweifel daran ließen, dass sich diese Angeklagten zur Tatzeit im Gemeindehaus aufgehalten hätten.

aa) Die Beweiswürdigung der - insoweit sachverständig beratenen - [X.] zu den Ergebnissen molekulargenetischer Untersuchungen genügt nicht den Anforderungen, die nach ständiger Rechtsprechung des [X.] an die Darlegung von Ergebnissen zu [X.] zu stellen sind.

(1) Das Tatgericht hat in den Fällen, in denen es dem Gutachten eines Sachverständigen folgt, die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Ausführungen des Gutachters so darzulegen, dass das Rechtsmittelgericht prüfen kann, ob die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht und die Schlussfolgerungen nach den Gesetzen der Logik, den [X.] des täglichen Lebens und den Erkenntnissen der Wissenschaft möglich sind. Für die Darstellung des Ergebnisses einer auf einer molekulargenetischen Vergleichsuntersuchung beruhenden Wahrscheinlichkeitsberechnung ist in der Regel zumindest erforderlich, dass das Tatgericht mitteilt, wie viele Systeme untersucht wurden, ob und inwieweit sich Übereinstimmungen in den untersuchten Systemen ergeben haben und mit welcher Wahrscheinlichkeit die festgestellte Merkmalskombination zu erwarten ist ([X.], Beschluss vom 22. Februar 2017 - 5 [X.], juris Rn. 11; Beschluss vom 31. Mai 2017 - 5 StR 149/17, juris Rn. 10, [X.], 723, 724; Urteil vom 6. Februar 2019 - 1 StR 499/18, juris Rn. 15 ff., [X.], 427 f.; Beschluss vom 28. August 2019 - 5 StR 419/19; Beschluss vom 20. November 2019 - 4 StR 318/19, juris Rn. 4 f.). In Fällen eindeutiger Einzelspuren, die keine Besonderheiten in der forensischen Fragestellung aufweisen, genügt das Tatgericht diesen Darlegungsanforderungen regelmäßig bereits mit der Mitteilung des [X.] in Form der biostatistischen Wahrscheinlichkeitsaussage in numerischer Form, da es sich bei Untersuchungen derartiger Einzelspuren mittlerweile um standardisierte Verfahren handelt ([X.], Beschluss vom 28. August 2018 - 5 StR 50/17, juris Rn. 10, NJW 2018, 3192, 3193; [X.], Beschluss vom 8. Oktober 2019 - 2 StR 341/19).

(2) Diesen Anforderungen genügen die Urteilsgründe nicht. Die [X.], die sich unter Verweis auf die [X.] mit der Wiedergabe allgemein gehaltener Ausführungen des Sachverständigen begnügt, teilt für die untersuchten Spuren (an einer Transportbox und einem Stuhl im Gemeindehaus sowie an einem Hosenbein eines Geschädigten) schon nicht das Gutachtenergebnis in Form einer biostatistischen Wahrscheinlichkeitsaussage in numerischer Form mit. Auch sind weder die wesentlichen Anknüpfungstatsachen der Gutachten noch die Seltenheitswerte der Spuren unter Nennung der Anzahl der untersuchten Merkmalssysteme, aus denen sich ableiten ließe, mit welcher Wahrscheinlichkeit die Angeklagten [X.].   , [X.].    und [X.]   jeweils als [X.] anzusehen sind, in den Urteilsgründen dargestellt. Hinsichtlich des [X.] an der Transportbox und dem Stuhl im Gemeindehaus ist den Urteilsgründen bereits nicht zu entnehmen, ob den Untersuchungen Einzel- oder Mischspuren zugrunde lagen. Damit ist dem [X.] eine revisionsrechtliche Prüfung von vornherein verwehrt.

(3) Da die [X.] den aufgefundenen Spuren maßgeblichen Beweiswert zuspricht, kann der [X.] letztlich nicht ausschließen, dass ihre Überzeugungsbildung zur Täterschaft der Angeklagten [X.].   , [X.].   und [X.]      auf dem aufgezeigten Rechtsfehler beruht. Insbesondere kann allein die in den Urteilsgründen mitgeteilte Einlassung des Angeklagten [X.].   , er halte es lediglich für möglich, am [X.] gewesen zu sein, die Feststellungen zu seiner Tatbeteiligung nicht tragen.

[X.]) Die Beweiswürdigung zu den Angaben des Angeklagten [X.]im Ermittlungsverfahren leidet ebenfalls an durchgreifenden Rechtsfehlern.

(1) Allerdings unterliegen dessen Angaben in seinen polizeilichen Vernehmungen auf der Grundlage der Feststellungen nicht dem von der Revision geltend gemachten Beweisverwertungsverbot.

(a) Zu Recht hat die [X.] im Zusammenhang mit der Übermittlung von personenbezogenen Daten nach § 7 Abs. 4 des Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses ([X.]) das Vorliegen eines [X.] abgelehnt. Denn § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2b, Satz 2 [X.] in der für den Tatzeitraum maßgeblichen Fassung vom 1. September 2013 sieht ausdrücklich die Zulässigkeit der Datenübermittlung auch zur Verfolgung von Straftaten vor, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht einer der genannten Katalogstraftaten begründen. [X.] übermittelte Daten können uneingeschränkt sowohl als Beweismittel als auch als Ermittlungsansatz genutzt werden, auch wenn sich - wie hier - im Laufe der Ermittlungen der zu ermittelnde Sachverhalt letztlich nicht als Katalogstraftat, sondern als anderer Straftatbestand darstellt ([X.]/[X.], [X.], § 3 Rn. 19 mit Hinweis auf [X.] NJW 1988, 1075). Für § 7 Abs. 4 Nr. 2 [X.], der die Zulässigkeit der Übermittlung ausdrücklich (auch) an den Katalog des § 100a StPO knüpft (vgl. BT-Drucks. 18/4654, [X.]), kann nichts anders gelten als für Beweiserhebungen nach § 100a StPO (dazu vgl. [X.]/[X.], 8. Aufl., § 100a Rn. 58 mwN; [X.]/[X.], § 100a Rn. 179; BeckOK-StPO/[X.], [X.]., § 100a Rn. 186).

(b) Auch die sich anschließenden weiteren Erkenntnisse der Ermittlungsbehörde unterliegen keinem Beweisverwertungsverbot. Eine Verkennung der Sach- und Rechtslage unter willkürlicher Annahme des Verdachts eines Raubes (§ 249 StGB) liegt ersichtlich nicht vor. Vielmehr waren zum Zeitpunkt der Übermittlung und Verwertung der Hinweise zu einer Tatbeteiligung des Mitangeklagten [X.]aufgrund der bereits am 9. Februar 2014 erfolgten Vernehmung des Geschädigten [X.]konkrete Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass dessen Smartphone im Zuge des festgestellten Tatgeschehens im Gemeindehaus von [X.].    gewaltsam entwendet worden war. Diese Verdachtslage hatte sich durch Nachermittlungen des vertretungsweise zuständigen Oberstaatsanwalts [X.]-[X.]vom 11. Februar 2014 noch erhärtet. In seiner sich hieran anschließenden Beschuldigtenvernehmung wurde dem Mitangeklagten [X.] dieser Tatverdacht zutreffend eröffnet. Hierauf hat sich der in seiner Willensentschließung und -betätigung nicht beeinträchtigte Mitangeklagte [X.]aus freien Stücken zur Sache eingelassen, womit diese Angaben gleichfalls keinem Beweisverwertungsverbot unterliegen.

(2) Jedoch hält die Beweiswürdigung zu den Angaben des Mitangeklagten [X.]  rechtlicher Nachprüfung nicht stand; sie ist insbesondere lückenhaft.

(a) Die zur richterlichen Überzeugung erforderliche persönliche Gewissheit des Richters von der Täterschaft eines Angeklagten setzt objektive Grundlagen voraus (vgl. [X.], Beschluss vom 8. November 1996 - 2 StR 534/96, [X.]R StPO § 261 Überzeugungsbildung 26). Die Beweiswürdigung muss deshalb auf einer tragfähigen, verstandesmäßig einsehbaren Tatsachengrundlage unter vollständiger Ausschöpfung des verfügbaren [X.] beruhen. Dies ist in den Urteilsgründen in einer dem Erfordernis der rationalen Nachvollziehbarkeit der Beweiswürdigung entsprechenden Weise darzulegen (vgl. [X.], Urteil vom 10. Oktober 2013 - 4 [X.], [X.], 15; Urteil vom 17. Juli 2007 - 5 [X.], [X.], 148, 149 f.). Diese müssen ergeben, dass alle Umstände, die die Entscheidung beeinflussen können, in die Beweiswürdigung einbezogen worden sind (vgl. [X.], Urteil vom 29. Juli 1998 - 1 StR 94/98, [X.]St 44, 153, 159 f.; [X.]/[X.], § 261 Rn. 108 mwN). Die umfassende Darlegung einer bestimmten, einen Angeklagten belastenden Aussage und deren erschöpfende Würdigung sind danach geboten, wenn sich deren Erörterung mit Blick auf die Täterschaft eines Angeklagten als entscheidender Gesichtspunkt aufdrängt (vgl. [X.], Urteil vom 27. April 2017 - 4 [X.], juris Rn. 8; Beschluss vom 17. Dezember 1982 - 3 StR 453/82, [X.], 133). Hängt die Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten entscheidend von der Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Angaben eines Mittäters ab, so muss der Tatrichter die für die Richtigkeit der Angaben des einzigen Belastungszeugen sprechenden Gesichtspunkte umfassend prüfen, würdigen und dies im Urteil deutlich machen ([X.], Beschluss vom 22. September 2011 - 2 [X.], [X.], 52, 53).

(b) Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Zwar werden die Angaben der Mitangeklagten mitgeteilt. Das [X.] hat auch zutreffend erkannt und berücksichtigt, dass erhöhte Anforderungen an die Sorgfältigkeit und Vollständigkeit der vorzunehmenden Gesamtwürdigung zu stellen sind, wenn die belastenden Angaben nur mittelbar über eine Vernehmungsperson in die Hauptverhandlung eingeführt werden können (vgl. [X.], Beschlüsse vom 20. Oktober 2010 - 2 [X.], [X.], 270, 271 und vom 22. September 2011 - 2 [X.], [X.], 52, 53). Ausgehend von den mitgeteilten Angaben des Angeklagten [X.] bei seinen polizeilichen Vernehmungen erweist sich aber deren Bewertung - auch in einer Gesamtschau der Urteilsgründe - als nicht erschöpfend.

(aa) Ausweislich der Urteilsgründe hatte sich der Mitangeklagte [X.] gegenüber den dies bekundenden Polizeibeamten unter anderem dahingehend eingelassen, dass alle bei seinem Eintreffen vor dem „[X.]“ stehenden Leute auf Aufforderung des [X.]   mitgelaufen seien, es sei jedoch nicht als Schlägerei geplant gewesen, vielmehr sei er davon ausgegangen, dass „das verbal geklärt“ werde. Als er zusammen mit der Angeklagten [X.], die die ganze Zeit in seiner Nähe gewesen sei, am Gemeindehaus eintraf, sei die vor ihm laufende Truppe bereits „im Objekt“ gewesen und nach „maximal ein bis zwei Minuten“ wieder herausgerannt. Er selbst sei gar nicht bis in den Festsaal gekommen, er habe selbst nicht geschlagen und „da sowieso nicht mitmachen wollen“.

([X.]) Hiervon ausgehend erhellt sich ohne nähere Darlegung nicht, inwiefern sich der Mitangeklagte [X.], was die [X.] ihrer Würdigung zugrunde gelegt hat, durch diese Angaben „nicht unerheblich selbst belastet“ hat und seine Verurteilung (und die der Angeklagten [X.]) hierauf gestützt werden kann. [X.] bleibt, was auch aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht zweifelsfrei ersichtlich ist, welche dieser Angaben des Mitangeklagten [X.]die [X.] für wahrheitsgemäß erachtet und welchen sie möglicherweise keine Bedeutung beimisst. Dies näher darzulegen musste sich der [X.] auch deswegen aufdrängen, weil der Mitangeklagte [X.]seine polizeilichen Angaben, soweit sie die Urteilsgründe mitteilen, im Laufe der Vernehmung korrigiert hatte (etwa dahingehend, die Angeklagte [X.]sei auch aus dem Saal herausgelaufen). So bleibt auch unklar, ob oder inwieweit die Einlassung des Angeklagten [X.]in der Hauptverhandlung, er habe in den Saal hineingeschaut, mit seinen Angaben bei der polizeilichen Vernehmung in Einklang zu bringen sind. [X.] bleibt auch, dass der Angeklagte [X.]   zwar seine Anwesenheit am [X.] eingeräumt hat, seine Tatschilderung aber von der des Angeklagten [X.]abweicht. Soweit die [X.] nur einem Teil der Angaben des Mitangeklagten [X.]bei seinen polizeilichen Vernehmungen Glauben geschenkt hat, hätte sie dies bei der gebotenen Gesamtwürdigung in den Blick nehmen und erörtern müssen, weshalb dessen ungeachtet die Angaben zu weiteren Tatbeteiligten tragfähige Grundlage der getroffenen Feststellungen sind.

(cc) Der [X.] kann nicht ausschließen, dass die Überzeugungsbildung der [X.] zur Täterschaft der Angeklagten [X.]  , [X.], [X.]  , [X.]  , [X.], [X.], [X.]und [X.]  auf dem Rechtsfehler beruht. Ohne die gebotene Erörterung kann auch nicht nachvollzogen werden, ob die Angaben des Angeklagten [X.]    zu seiner Anwesenheit am [X.] die Richtigkeit der Angaben des Angeklagten [X.] indiziell belegen und welche Bedeutung dem Umstand beizumessen ist, dass der Mitangeklagte [X.] in seinen polizeilichen Vernehmungen „bei mehreren der beteiligten Personen sogar die getragene Kleidung“ beschreiben konnte.

Auf eine durch andere Beweismittel belegte Anwesenheit des Angeklagten [X.].   , die ein wesentliches Indiz für die Richtigkeit der Angaben des Angeklagten [X.] wäre, kann die Verurteilung der Angeklagten wegen der bereits unter aa) aufgezeigten [X.] nicht gestützt werden.

3. Dies muss zur Aufhebung der Verurteilung der Angeklagten führen. Entgegen der Auffassung der Revision des Angeklagten [X.]    kann der [X.] in der Sache nicht selbst nach § 354 Abs. 1 StPO entscheiden. Es ist keinesfalls ausgeschlossen, dass belastende Feststellungen getroffen werden können, die hinreichend beweiswürdigend unterlegt sind und eine Verurteilung der Angeklagten tragen. Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung. Der [X.] hebt das Urteil insgesamt auf, um dem neuen Tatrichter umfassende eigene, in sich widerspruchsfreie Feststellungen zu ermöglichen.

Franke     

        

Krehl     

        

Meyberg

        

Grube     

        

Schmidt     

        

Meta

2 StR 352/18

15.01.2020

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Erfurt, 24. Mai 2017, Az: 590 Js 4436/14 jug - 3 KLs

§ 100a StPO, § 261 StPO, § 267 StPO, § 7 Abs 4 S 1 Nr 2 Buchst b G10 2001 vom 06.06.2013, § 7 Abs 4 S 2 G10 2001 vom 06.06.2013, § 25 Abs 2 StGB, § 224 Abs 1 Nr 4 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.01.2020, Az. 2 StR 352/18 (REWIS RS 2020, 1672)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 1672

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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