Bundesgerichtshof, Urteil vom 24.08.2022, Az. 6 StR 109/22

6. Strafsenat | REWIS RS 2022, 6203

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Gegenstand

Freispruch: Relativierung von gesicherten DNA-Spuren an der Tatwaffe


Tenor

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] vom 18. November 2021 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

- Von Rechts wegen -

Gründe

1

Das [X.] hatte den Angeklagten im ersten Rechtsgang von dem Vorwurf des besonders schweren Raubes aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft hob der Senat das Urteil mit den Feststellungen auf, weil die dem Freispruch zugrundeliegende Beweiswürdigung rechtsfehlerhaft war. Im zweiten Rechtsgang hat das [X.] den Angeklagten erneut aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Dagegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer auf die Sachrüge gestützten Revision. Das vom [X.] vertretene Rechtsmittel hat Erfolg.

2

1. Mit der zugelassenen Anklage legt die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten zur Last, sich gemeinsam mit einem rechtskräftig freigesprochenen Mitangeklagten Zutritt zu der Wohnung der Zeugin K.    verschafft, diese mit einem Messer bedroht und ihr Mobiltelefon entwendet zu haben.

3

a) Nach den Feststellungen des [X.]s drangen zwei Männer in die Wohnung der Zeugin K.    ein, drohten ihr unter Vorhalt eines Messers an, ihr Schmerzen zuzufügen, wenn sie nicht ruhig sei, und durchsuchten ihre Wohnung nach Wertgegenständen. Schließlich verließen beide Männer die Wohnung fluchtartig, wobei sie das Mobiltelefon der Geschädigten mitnahmen und das Messer im Eingangsbereich der Wohnung verloren.

4

An der Schneide des Messers wurde eine vom Angeklagten stammende [X.] sichergestellt, die wegen der Erkennbarkeit einer Hauptkomponente und ihrer Peakhöhen im Verhältnis zur [X.] wie eine Einzelspur bewertet worden ist. Sowohl am Griff des Messers als auch an dem Griff einer Schublade, die in einer Regalwand im Wohnzimmer der Geschädigten eingebaut war, wurde eine DNA-Mischspur gesichert, die der Angeklagte mitverursacht hatte.

5

b) Das [X.] hat sich nicht davon zu überzeugen vermocht, dass der Angeklagte an der Tat beteiligt war. Dem liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde:

6

Die Geschädigte habe den Angeklagten nicht als Täter wiedererkannt, und dessen Täterschaft werde auch durch die [X.]en nicht belegt. Nach den Ausführungen des Sachverständigen sei zwar bewiesen, dass der Angeklagte die drei [X.]en mitverursacht habe. Daraus allein könne aber nicht auf eine Tatbeteiligung des Angeklagten geschlossen werden. Es sei möglich, dass die Spuren an der Klinge und am Griff des Messers bereits vor der Tat von dem Angeklagten aufgebracht worden seien, aber eine völlig fremde Person das Messer als Tatmittel eingesetzt habe, und in Bezug auf die Spur am Griff der Schublade sei eine „Sekundärübertragung“ den Ausführungen des Sachverständigen zufolge zwar „nicht unbedingt wahrscheinlich“, könne aber auch „nie ausgeschlossen“ werden.

7

2. Die Revision der Staatsanwaltschaft ist begründet. Die dem Freispruch des Angeklagten zugrundeliegende Beweiswürdigung hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

8

a) Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts (§ 261 StPO). Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn es überspannte Anforderungen an die für eine Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt und eine nach den Feststellungen naheliegende Schlussfolgerung nicht gezogen hat, ohne konkrete Gründe anzuführen, die dieses Ergebnis stützen können. Das Tatgericht darf bei der Überzeugungsbildung Zweifeln keinen Raum geben, die lediglich auf einer abstrakt-theoretischen Möglichkeit gründen. Es ist weder im Hinblick auf den [X.] noch sonst geboten, zugunsten des Angeklagten von Annahmen bzw. alternativen, für den Angeklagten günstigen Geschehensabläufen auszugehen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten Anhaltspunkte erbracht hat (vgl. [X.], Urteil vom 9. Januar 2020 - 3 [X.] Rn. 19 mwN). Dies gilt auch für die Bewertung von [X.]en ([X.], Urteil vom 1. Juni 2017 - 3 StR 31/17).

9

b) Das [X.] hat „das [X.]enbild“ zwar zutreffend als „besonders gewichtiges Indiz“ für die Tatbeteiligung des Angeklagten angesehen ([X.]). Denn schon bei einem Seltenheitswert im Millionenbereich kann wegen der inzwischen erreichten Standardisierung der molekulargenetischen Untersuchung das Ergebnis der DNA-Analyse für die Überzeugungsbildung des Tatrichters dahin, dass die am [X.] gesicherte [X.] vom Angeklagten herrührt, ausreichen (vgl. [X.], Beschluss vom 21. Januar 2009 - 1 StR 722/08, [X.], 285, 286; zum weiterentwickelten Forschungsstand vgl. [X.]/[X.]/[X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], 72). Diesen Beweiswert hat das [X.] aber durch nicht tragfähige Erwägungen relativiert. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die [X.]en des Angeklagten an dem Messer nicht im Zusammenhang mit dem Tatgeschehen und diejenigen an dem Schubladengriff im Wege einer Sekundärübertragung entstanden, lassen sich den Urteilsgründen nicht entnehmen. Das [X.] hat insoweit vielmehr Zweifeln Raum gegeben, die lediglich auf einer abstrakt-theoretischen Möglichkeit gründen.

Sander     

        

Tiemann     

        

Wenske

        

Fritsche     

        

von [X.]     

        

Meta

6 StR 109/22

24.08.2022

Bundesgerichtshof 6. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Saarbrücken, 18. November 2021, Az: 4 KLs 24/21

§ 261 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 24.08.2022, Az. 6 StR 109/22 (REWIS RS 2022, 6203)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 6203

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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3 StR 288/19

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