Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.07.2003, Az. IX ZR 215/02

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2003, 2259

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[X.] DES VOLKESURTEILIX ZR 215/02Verkündet am:17. Juli 2003Bürk,[X.] Geschäftsstellein dem [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.] 27. Mai 2003 durch [X.] erkannt:Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] Brandenburgischen Oberlandesgerichtes vom 5. [X.] aufgehoben.Die Berufung der [X.] gegen das Urteil der [X.] (Oder) vom 13. Februar 2002 wird [X.]. Die Beklagte wird zur Zahlung weiterer 770,38 nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 23. [X.] verurteilt.Die Beklagte hat die Kosten der Rechtsmittelzüge zu tragen.Von Rechts [X.]:Der Kläger verlangt als Verwalter in dem Insolvenzverfahren über dasVermögen des [X.](nachfolgend: Schuldner) im Wege der In-solvenzanfechtung Rückzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen, die der- 3 -Schuldner in der [X.] vom 10. Juli 1998 bis zum 15. Juni 2000 an die [X.] hat.Der Schuldner betrieb eine Kunstschlosserei und Schmiede. Einige [X.] Arbeitnehmer waren bei der [X.] sozialversichert. Seit [X.] blieben [X.] zahlreicher Gläubiger erfolglos. [X.] 1997 und fortan wiederholt hat das Vollstreckungsgericht gegen [X.] Haftbefehl zur Erzwingung der Offenbarungsversicherung erlassen.Nachdem es seit März 1998 auch gegenüber der [X.] zu Zahlungsrück-ständen gekommen war, erließ diese am 3. Juli 1998 eine Vollstreckungsverfü-gung, mit der sie wegen Beitragsrückständen in das Geschäftskonto [X.] bei der [X.], [X.]. , pfändete. Im Märzund November 1999 verfügte die Beklagte erneut Pfändungen dieses Kontos.Zahlungen durch die Drittschuldnerin erlangte die Beklagte nicht.In der [X.] von Juli 1998 bis einschließlich Juni 2000 leistete [X.] an die Beklagte auf Rückstände und laufende Beiträge [X.] insgesamt 31.524,26 DM. Mit Schriftsatz vom 19. April 2000, bei [X.] am 25. April 2000, stellte die Beklagte einen Insolvenzantrag ge-gen den Schuldner. Daraufhin unterzeichnete der Insolvenzrichter des [X.] [X.]am 8. Januar 2001 ein Beschlußformular,das den Schuldner nicht namentlich bezeichnet und in seinem Eingangssatzlautet:"Über das Vermögen des [Vorblatt] wird ... das [X.] 4 -Die Ausfertigungen des Beschlusses enthalten den vollständigen Namendes Schuldners sowie die Anschriften seiner gewerblichen Niederlassung undseiner Wohnung. In dieser Form wurde der Beschluß, durch den zugleich [X.] zum Insolvenzverwalter bestellt wurde, öffentlich bekannt gemacht. [X.] vom 18. Juli 2002 hat der Insolvenzrichter den [X.] inder Weise "klargestellt", daß er die genaue Bezeichnung des Schuldners an-gegeben hat.Der Kläger hat behauptet, der Schuldner sei seit Anfang 1998 zahlungs-unfähig gewesen und habe Zahlungen mit [X.] vorge-nommen; dies sei der [X.] bekannt gewesen.Mit seiner Klage hat der Kläger zunächst 29.485,52 DM (15.075,71 verlangt. Nachdem die Beklagte den vom Schuldner am 15. Juni 2000 gelei-steten Betrag von 2.501,15 DM (1.278,89 insoweit den Rechtsstreit für erledigt erklärt. Danach hat der Kläger den Klag-antrag auf 26.984,37 DM (13.796,89 Das [X.] hat der Klage stattgegeben, das Berufungsgericht hatsie im Umfang der eingelegten Berufung abgewiesen. Mit der zugelassenenRevision begehrt der Kläger, nach den Berufungsanträgen zu erkennen, undverlangt im Wege der [X.] einen weiteren Betrag in Höhe von770,38 Entscheidungsgründe:- 5 -Die Revision hat [X.] 6 -I.Das Berufungsgericht hat sein Urteil wie folgt begründet:Zwar seien die streitigen Beitragszahlungen des Schuldners an sichgemäß §§ 129, 133 [X.] anfechtbar. Sämtliche ab dem 10. Juli 1998 vorge-nommenen Zahlungen seien auf den Einsatz des Vollstreckungszwangs zu-rückzuführen und deswegen als inkongruente Deckungshandlungen zu [X.]. Gleichwohl sei die Klage derzeit unbegründet, weil das Insolvenzver-fahren über das Vermögen des Schuldners noch nicht wirksam eröffnet [X.]. Einem [X.], der wie hier die Bezeichnung des Schuldnersallein durch einen "Klammerzusatz" auf andere Aktenbestandteile ersetze,fehle der nach § 27 Abs. 2 [X.] zur Identifikation des Schuldners erforderlicheInhalt.[X.] wendet sich die Revision zu Recht. Entgegen der Meinung [X.] ist das Insolvenzverfahren seit dem 8. Januar 2001 eröffnet.Der erkennende Senat hat entschieden, daß ein [X.],der den Schuldner nicht namentlich, sondern durch Bezugnahme auf ein Blattder Akten bezeichnet, zwar rechtlich fehlerhaft ergangen, jedoch wirksam ist,sofern die Person des Schuldners aus der Verweisung eindeutig zu entnehmenist ([X.], Urt. v. 9. Januar 2003 - [X.], [X.], 356 ff; v. 9. [X.] - IX ZR 175/02, [X.], 400, 401 f).- 7 -Danach ist der [X.] im Streitfall wirksam. Das Insolvenz-gericht hat im Beschluß vom 8. Januar 2001 ([X.] 86/87) zur Be-stimmung des Schuldners auf das "Vorblatt" Bezug genommen. Die [X.] "Vorblatt" ist mit schwarzer Tinte in halb offene Klammern gesetzt undermöglichte - entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung - eindeutig [X.], auf welche Person sich die gerichtliche Entscheidung bezog. [X.] Würdigung war damit das zwei Blätter vor dem mit 1 ff. paginier-ten Schriftsatz der [X.] vom 19. April 2000 eingeheftete "Vorblatt" ge-meint, auf dem sich in [X.] in schwarzer Tinte Name sowieWohn- und Geschäftsanschrift des Schuldners befinden. Demgemäß ist [X.] sowohl in der öffentlichen Bekanntmachung als auch in den Zustel-lungen an die Beteiligten eindeutig und zutreffend benannt worden.Die gebotene Berichtigung analog § 319 ZPO hat das Insolvenzgerichtmit Beschluß vom 18. Juli 2002 vollzogen.[X.] angefochtene Urteil erweist sich nicht aus anderen Gründen als [X.] zutreffend. Denn die Auffassung des Berufungsgerichts, der [X.] sei im Falle wirksamer Eröffnung des Insolvenzverfahrens gemäߧ§ 129, 123 Abs. 1 [X.] gerechtfertigt, hält der rechtlichen Nachprüfung stand.1. Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung fehlt es nicht deshalban einer Rechtshandlung des Schuldners, weil er unter dem Druck der- 8 -Zwangsvollstreckung gezahlt hat. Zwar unterliegen Zwangsvollstreckungsmaß-nahmen von Gläubigern als solche regelmäßig nicht der Anfechtung gemäߧ 133 [X.], weil diese Norm eine Rechtshandlung des Schuldners voraussetzt.Nach § 133 [X.] anfechtbar ist eine im Rahmen oder aus Anlaß einer Zwangs-vollstreckung erfolgte Vermögensverlagerung jedoch dann, wenn dazu zumin-dest auch Rechtshandlungen des Schuldners beigetragen haben (vgl. Münch-Komm-[X.]/Kirchhof, § 133 Rn. 8; [X.], in: [X.], [X.] § 133Rn. 3; vgl. auch [X.]Z 143, 332, 333 f).Die Beklagte hat die Beiträge hier nicht durch Zwangsvollstreckungs-maßnahmen, sondern aufgrund von Zahlungen erhalten, die der [X.] hat. Daß der Schuldner nur unter dem Druck der drohenden Zwangs-vollstreckung gezahlt hat, rechtfertigt keine Gleichsetzung dieser Leistungendes Schuldners mit Vermögenszugriffen, die durch Vornahme von Zwangsvoll-streckungsmaßnahmen erfolgen (vgl. hierzu das Senatsurteil vom 27. Mai 2003- [X.], z.[X.]., dort [X.] der Entscheidungsgründe).2. Die Feststellung des Berufungsgerichts, daß der Schuldner die an-gefochtenen Beitragszahlungen mit dem Vorsatz vorgenommen habe, seineGläubiger zu benachteiligen, ist im Ergebnis aus Rechtsgründen nicht zu [X.]) Das Berufungsgericht hat gemeint, die Feststellung des [X.] sei schon deshalb gerechtfertigt, weil der Schuldner die [X.] Beitragszahlungen unter dem Druck der Vollstreckung und damit ininkongruenter Weise vorgenommen habe. Hinsichtlich des [X.] 21. März 2000 über [X.] (511,29 - 9 -von drei Monaten vor dem Eröffnungsantrag lag, läßt dies einen Rechtsfehlernicht erkennen (vgl. [X.], Urt. v. 11. April 2002 - [X.], [X.], 1194). Auf die aus dem Einsatz des [X.] als Beweisanzeichen für den [X.] [X.] hat das Berufungsgericht jedoch bezüglich aller ab dem [X.] zugunsten der [X.] vorgenommenen Zahlungen abgestellt, alsoauch bezüglich solcher, die früher als drei Monate vor dem [X.]. Wie der Senat in seinem Urteil vom 27. Mai 2003 in der Sache [X.] im einzelnen ausgeführt hat (dort unter [X.] der [X.] sich eine Leistung, die der Schuldner dem Gläubiger auf eine fällige For-derung früher als drei Monate vor dem Eröffnungsantrag gewährt, aber nichtbereits deshalb als inkongruente Deckung dar, weil sie zur Vermeidung einerunmittelbar bevorstehenden Zwangsvollstreckung erfolgt.b) Auf das Beweisanzeichen einer inkongruenten Deckung durfte [X.] den Nachweis eines Gläubigerbenachteiligungsvorsatzeshinsichtlich der früher als drei Monate vor dem Eröffnungsantrag erfolgten [X.] des Schuldners somit zwar nicht stützen. Seine Feststellungentragen die Annahme eines [X.]es aber auch, wenn mandiese Leistungen als kongruent ansieht. Denn nach den von der Revisionser-widerung nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts war [X.] bereits vor der ersten angefochtenen Zahlung vom 10. Juli 1998zahlungsunfähig. Für die Annahme, daß er geglaubt haben könnte, er werde inder Lage sein, alle seine Gläubiger zu befriedigen, fehle, so das Berufungsge-richt weiter, buchstäblich jeder Anhalt. Unter diesen Umständen habe [X.] bei natürlicher Betrachtungsweise im [X.]punkt seiner Zahlungen an- 10 -die Beklagte daher gewußt, daß die anderen Gläubiger zurückstehen müßtenund deshalb benachteiligt würden.Diese Würdigung des Berufungsgerichts läßt einen Rechtsfehler nichterkennen. Wenn ein Schuldner zur Vermeidung einer unmittelbar bevorstehen-den Zwangsvollstreckung an einen einzelnen Gläubiger leistet, obwohl er weiß,daß er nicht mehr alle seine Gläubiger befriedigen kann und daß infolge derZahlung an den einzelnen Gläubiger andere Gläubiger benachteiligt werden,so ist in aller Regel die Annahme gerechtfertigt, daß es dem Schuldner nicht inerster Linie auf die Erfüllung seiner vertraglichen oder - wie hier - gesetzlichenPflichten, sondern auf die Bevorzugung dieses einzelnen Gläubigers ankommt(vgl. Senatsurt. v. 27. Mai 2003 - [X.] unter [X.] c der Entscheidungs-gründe).3. Die Kenntnis der [X.] von dem [X.] [X.] hat das Berufungsgericht nicht nur auf die vermeintliche Inkongru-enz als Beweisanzeichen gestützt, sondern weiter daraus hergeleitet, daß [X.] aufgrund der Pfändung des [X.] und des Verlaufs desvon ihr geführten [X.] des Schuldners Kenntnis von solchen Um-ständen gehabt habe, welche den Schluß auf die [X.] erscheinen ließen. Diese Beurteilung hält im Ergebnis gleichfalls derrechtlichen Nachprüfung stand.a) Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Berufungs-gerichts kannte die Beklagte sowohl die Zahlungsunfähigkeit des [X.] auch die Gläubigerbenachteiligung. Diese Kenntnis hat das Berufungsge-richt aus dem Wissen der [X.] hergeleitet, daß das von ihr gepfändete- 11 -Geschäftskonto des Schuldners eine Befriedigung ihrer Forderungen und folg-lich auch eine Deckung der Forderungen anderer Gläubiger nicht zuließ. Trotzihrer [X.] habe der Schuldner nur Teilleistungen er-bracht, so daß der Rückstand auf seinem Beitragskonto, der seit Mai 1998 ineiner Höhe von mehr als den monatlichen Beiträgen bestand, 1998/1999 nahe-zu konstant geblieben sei.b) Der [X.] waren mithin nach der [X.] die Tatsachen bekannt, aus denen der Gläubigerbe-nachteiligungsvorsatz des Schuldners folgt. Wer solche Tatsachen kennt, kanndaraus auf den entsprechenden Vorsatz des Schuldners schließen. Es [X.] folglich keinen rechtlichen Bedenken, wenn das Berufungsgericht unterdiesen Umständen von einer Kenntnis der [X.] von dem [X.] ausgegangen ist (vgl. MünchKomm-[X.]/Kirchhof, § 133 Rn. 38 m.w.[X.] Soweit Zahlungen vor dem 1. Januar 1999 vorgenommen wurden,sind die Anfechtungsvorschriften der Insolvenzordnung gemäß Art. 106EG[X.] anwendbar, weil diese Rechtshandlungen, wie das Berufungsgerichtrechtsfehlerfrei ausgeführt hat, nach dem bis dahin geltenden Recht der Ge-samtvollstreckungsordnung (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 [X.]) nicht der Anfechtung ent-zogen oder in geringerem Umfange unterworfen waren.[X.] 12 -Da es aus Rechtsgründen keiner weiteren Tatsachenfeststellungenmehr bedarf, hat der Senat in der Sache selbst zu entscheiden und das erstin-stanzliche Urteil wiederherzustellen. Darüber hinaus ist die Beklagte zur [X.] weiterer 770,38 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem23. Januar 2003 zu verurteilen. Die vom Kläger vorgenommene Klageerweite-rung in der Revisionsinstanz ist ausnahmsweise zulässig, weil sie sich auf ei-nen Sachverhalt stützt, den der Tatrichter festgestellt hat (vgl. [X.], Urt. [X.] Juni 2002 - [X.], [X.], 1655, 1658).Das Berufungsgericht hat - ohne daß hiergegen ein [X.] gemäß § 314 ZPO gestellt worden ist - festgestellt, daß sich [X.] Kläger angefochtenen und in der Klageschrift mitgeteilten Zahlungen ins-gesamt auf 30.992,96 DM (15.846,09 n-scheinlichen Rechenfehlers bei der Abfassung der Klageschrift habe der Klä-ger seine Forderung aber lediglich auf 29.485,51 DM (15.075,71 Zu Recht kann der Kläger nunmehr den restlichen Betrag verlangen. Soweit [X.] beanstandet, daß kein Rechenfehler vorliege, übersiehtsie, daß der außergerichtlich mit Schreiben vom 8. Oktober 2001 geltend ge-machte Betrag von 30.673,06 DM (Anlage [X.]) schon diesen Rechenfehlerenthielt. Eine Addition der in diesem Schreiben aufgeführten Beträge ergibtnicht den dort errechneten Saldo von 30.673,06 DM, sondern einen Betrag von32.179,80 DM. Die Differenz zwischen diesen beiden Beträgen in Höhe von1.506,74 DM (770,38 e-machten Betrag.- 13 -V.Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 97 [X.]

Meta

IX ZR 215/02

17.07.2003

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.07.2003, Az. IX ZR 215/02 (REWIS RS 2003, 2259)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2003, 2259

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