Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23.09.2010, Az. 8 AZR 567/09

8. Senat | REWIS RS 2010, 3078

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Gegenstand

Betriebsübergang - Übernahme des Personals


Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 1. Juli 2009 - 8 [X.]/08 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob infolge eines [X.]etriebsübergangs zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis besteht, und über Vergütungsansprüche.

2

Der [X.]läger war seit 1980 für die [X.] als Industriemeister tätig. Seine Vergütung betrug zuletzt 3.773,00 Euro.

3

Die [X.] stellte Maschinen und Maschinenteile her und vertrieb diese. Insbesondere fertigte sie [X.] für den Hauptkunden M und betrieb hierfür rechnerunterstützte Fertigung (CAM) und rechnerunterstützte [X.]onstruktion (CAD), wobei sie computerisierte numerische Steuerungen (CNC) einsetzte. Weitere Tätigkeitsbereiche der [X.] waren die Montage von [X.] und Verarbeitungsmaschinen sowie die Erstellung eigener Programme. In diesen beiden letztgenannten [X.]ereichen waren etwa vier Arbeitnehmer beschäftigt. Die [X.]eschäftsführer der [X.] waren [X.] und dessen [X.] Einschließlich Frau [X.], der Ehefrau des [X.], die als kaufmännische Angestellte tätig war, beschäftigte die [X.] zuletzt etwa 50 Arbeitnehmer.

4

Über das Vermögen der [X.] wurde zum 1. Mai 2007 das Insolvenzverfahren eröffnet.

5

Am 14. November 2007 schloss der Insolvenzverwalter mit dem [X.]etriebsrat der [X.] (im Folgenden: Insolvenzschuldnerin) einen Interessenausgleich mit Namensliste, auf welcher der [X.]läger namentlich bezeichnet ist. Der Interessenausgleich lautet auszugsweise:

        

„§ 2        

        

[X.]egenstand           

        

(1)     

[X.]egenstand des Interessenausgleichs ist die endgültige und dauerhafte Stilllegung des schuldnerischen [X.]etriebs spätestens mit Ablauf des Monats Februar 2007 (richtig wohl: Februar 2008). Damit entfallen sämtliche dort vorhandenen Arbeitsplätze. [X.]egenwärtig werden noch ca. fünfzig Arbeitnehmer beschäftigt. Allen Arbeitnehmern muss infolge der [X.]etriebsstilllegung gekündigt werden. Es gibt zudem fünf noch nicht rechtskräftig abgeschlossene [X.]ündigungsschutzklagen von Arbeitnehmern, denen bereits aufgrund des Interessenausgleichs vom 24.05.2007 gekündigt wurde. Auch diesen bereits gekündigten Arbeitnehmern soll vorsorglich [X.] diesmal aufgrund der Stilllegung gekündigt werden.

        

…“    

        

6

Der Insolvenzverwalter kündigte mit Schreiben vom 20. November 2007 das Arbeitsverhältnis des [X.] zum 28. Februar 2008. Das vom [X.]läger gegen die Wirksamkeit der [X.]ündigung eingeleitete [X.]ündigungsschutzverfahren ist derzeit ausgesetzt. Weiterhin kündigte der Insolvenzverwalter in den Monaten November und Dezember 2007 die Arbeitsverhältnisse weiterer 16 Arbeitnehmer. Die übrigen Arbeitnehmer der Insolvenzschuldnerin beendeten ihre Arbeitsverhältnisse entweder durch fristlose Eigenkündigungen oder durch Aufhebungsverträge mit dem Insolvenzverwalter.

7

Der Insolvenzverwalter gab am 16. November 2007 das von der Insolvenzschuldnerin genutzte [X.]etriebsgelände einschließlich der in den [X.]ebäuden befindlichen [X.]etriebs- und [X.]eschäftsausstattung an die Eigentümerin, die W [X.]bR, heraus.

8

Am 16. November 2007 nahmen auf dem [X.]etriebsgelände in den vormaligen Räumlichkeiten der Insolvenzschuldnerin und unter Nutzung der vormals von der Insolvenzschuldnerin genutzten Maschinen die [X.] [X.]td. & Co. [X.][X.] i.[X.]r. (im Folgenden: [X.]), endvertreten durch den Direktor [X.], sowie die [X.] [X.]td. & Co. [X.][X.] i. [X.]r. (im Folgenden: [X.]), endvertreten durch den Direktor [X.], die Produktion auf. Jede der beiden [X.]esellschaften produziert in jeweils einer der beiden, zuvor von der Insolvenzschuldnerin genutzten Hallen mit den dort von der Insolvenzschuldnerin verwendeten Maschinen.

9

[X.]eschäftszweck der [X.] ist die Fertigung von Maschinen und Maschinenteilen unter besonderem Einsatz von computerisierten numerischen Steuerungen (CNC), rechnerunterstützter Fertigung (CAM) und rechnerunterstützter [X.]onstruktion (CAD) einschließlich der Erbringung damit verbundener [X.]eistungen. Die für die Ausführung der Tätigkeit erforderlichen Arbeitnehmer [X.] die [X.] fast ausschließlich von der [X.]n.

Der [X.]eschäftszweck der [X.] liegt in der Herstellung und dem Vertrieb von Maschinenbauteilen, insbesondere von [X.] einschließlich der damit verbundenen [X.]eistungen. Die [X.] verfügt über keine eigenen Arbeitnehmer, sondern [X.] diese ausschließlich von der [X.]n.

Die [X.] wird endvertreten durch die vormalige kaufmännische Angestellte der Insolvenzschuldnerin, [X.] Am 16. November 2007 nahm die [X.] ihre [X.]eschäftstätigkeit auf und schloss mit einer Reihe früherer Arbeitnehmer der Insolvenzschuldnerin - nicht aber mit dem [X.]läger - Arbeitsverträge zum Zwecke der nicht gewerbsmäßigen Überlassung an die [X.]unden [X.] und [X.]. Diese Mitarbeiter erledigen dort die gleichen Tätigkeiten wie vormals bei der Insolvenzschuldnerin. Arbeitnehmer, die zuvor nicht bei der Insolvenzschuldnerin beschäftigt waren, sind für die [X.] nicht tätig. Neben der [X.] und der [X.] verfügt die [X.] über keine weiteren [X.]unden.

Der [X.]läger meint, sein Arbeitsverhältnis mit der Insolvenzschuldnerin sei auf die [X.] im Wege des [X.]etriebsübergangs übergegangen. Die jetzige Tätigkeit der [X.]n sowie der [X.] und der [X.] entspreche der Tätigkeit der Insolvenzschuldnerin, ohne dass es zu Änderungen in den Produktionsabläufen oder der [X.] gekommen sei. Es bestehe auch hinsichtlich Produktion und Verwaltung räumliche [X.]ontinuität. Die [X.] und die [X.] erledigten Aufträge und Tätigkeiten für die bisherigen [X.]unden der Insolvenzschuldnerin mit deren ehemaligen Mitarbeitern, die sie sich von der [X.]n leihe. Infolgedessen sei der [X.]etrieb der Insolvenzschuldnerin nicht stillgelegt, sondern von den drei [X.]esellschaften ohne zeitliche Unterbrechung fortgeführt worden. Durch das Auseinanderreißen von [X.]elegschaft und [X.]etriebsmitteln werde lediglich versucht § 613a [X.][X.][X.] zu umgehen.

Der [X.]läger trägt vor, [X.] habe etwa 40 Arbeitnehmern der Insolvenzschuldnerin, bevor diese mit dem Insolvenzverwalter Aufhebungsverträge geschlossen bzw. außerordentliche Eigenkündigungen erklärt hätten, die Fortsetzung ihrer Arbeitsverhältnisse bei gleicher Tätigkeit in einer neuen [X.]esellschaft angeboten. Am 16. November 2007 habe die [X.] dann mit 37 der ca. 42 ehemaligen Arbeitnehmer der Insolvenzschuldnerin Arbeitsverträge geschlossen.

Weiter behauptet der [X.]läger, die kaufmännische Verwaltung der [X.] und der [X.] werde einheitlich durchgeführt. Auch sei der ehemalige [X.]etriebsleiter der Insolvenzschuldnerin, N, weiterhin als [X.]etriebsleiter sowohl für die  [X.] als auch für die [X.] tätig.

Da sein Arbeitsverhältnis auf die [X.] übergegangen sei, stehe ihm für die [X.] vom 15. November 2007 bis zum 31. Dezember 2007 ein Anspruch auf Arbeitsvergütung abzüglich gezahlten Arbeitslosengeldes gegen die [X.] zu.

Der [X.]läger hat zuletzt beantragt,

        

1.    

festzustellen, dass zwischen ihm und der [X.]n ein ungekündigtes und unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht und

        

2.    

die [X.] zu verurteilen, an ihn 5.659,50 Euro brutto abzüglich 2.381,40 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem [X.]asiszinssatz seit dem 1. Januar 2008 zu zahlen.

Die [X.] hat [X.]lageabweisung beantragt.

Sie bestreitet das Vorliegen eines [X.]etriebsübergangs. Als [X.] habe sie weder Vermögensgegenstände noch [X.]unden der Insolvenzschuldnerin übernommen. Auch verfolge sie einen komplett anderen [X.]eschäftszweck als die Insolvenzschuldnerin.

Die [X.] bestreitet, dass ihre Direktorin [X.] die Personalleitung bei der Insolvenzschuldnerin innegehabt habe. Vielmehr seien die Personalangelegenheiten bei der Insolvenzschuldnerin von deren [X.]eschäftsführern [X.] und [X.] erledigt worden. Auch behauptet die [X.], dass ihr [X.]etrieb, die [X.] und die [X.] nicht einheitlich geleitet werden. Herr N sei nur für die [X.]etriebsleitung der [X.] verantwortlich. [X.]etriebsleiter der [X.] sei Herr S. Schließlich habe die Insolvenzschuldnerin bis zum 15. November 2007 auch die Montage von [X.]etonstahlmaschinen unter anderem für das Unternehmen [X.] zum [X.]egenstand gehabt. Diese Tätigkeit werde weder von der [X.] noch von der [X.] ausgeführt.

Das Arbeitsgericht hat die [X.]lage abgewiesen, das [X.]andesarbeitsgericht hat die [X.]erufung des [X.] zurückgewiesen. Mit der vom [X.]andesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der [X.]läger sein [X.]lagebegehren weiter, während die [X.] die Zurückweisung der Revision beantragt.

Entscheidungsgründe

Die Revision des [X.] ist unbegründet. Zwischen ihm und der [X.] besteht kein Arbeitsverhältnis, weshalb ihm gegen diese auch keine Vergütungsansprüche zustehen.

A. Das [X.] hat angenommen, der vom Kläger behauptete Betriebsübergang liege nicht vor. Zwar habe die Beklagte den nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil des Personals der Insolvenzschuldnerin übernommen und diese übernommenen Arbeitnehmer führten auch im Wesentlichen die gleichen Tätigkeiten wie zuvor bei der Insolvenzschuldnerin aus. Bei der Insolvenzschuldnerin habe es sich jedoch nicht um ein [X.] Unternehmen gehandelt, bei dem es im Wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft ankomme und sächliche Betriebsmittel eine geringe, untergeordnete Bedeutung hätten. Vielmehr seien bei der Insolvenzschuldnerin Maschinen und Programme für die Produktion wesentlich gewesen. Diese seien nicht von der [X.] übernommen worden. Der Geschäftszweck der [X.] erschöpfe sich in der Arbeitnehmerüberlassung an die [X.] und an die [X.] Die wirtschaftliche Tätigkeit der Insolvenzschuldnerin werde nicht durch die Beklagte, sondern durch die [X.] und die [X.] weiterbetrieben. Letztgenannte Unternehmen vertrieben auch die von den Arbeitnehmern produzierten Maschinen und Maschinenbauteile. Damit habe die Beklagte auch nicht unter Änderung der Organisation die funktionelle Verknüpfung der Wechselbeziehung zwischen den verschiedenen übertragenen Produktionsfaktoren beibehalten. Sie habe nämlich allein das Personal übernommen und es sei nicht ersichtlich, dass sie den Umfang des Personaleinsatzes bestimmen könne. Die Beklagte sei nicht in der Lage, die Fertigung und den Vertrieb von Maschinen und Maschinenbauteilen wie bisher durchzuführen. So fehle es an der Übernahme der für den bisherigen Geschäftszweck der Insolvenzschuldnerin erforderlichen Betriebs- und Produktionsmittel sowie am Übergang der Kundenbeziehungen.

Das [X.] hat weiter angenommen, die Richtlinie 2001/23/[X.] vom 12. März 2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen gebiete es nicht, in einem Fall, in dem das Personal von den Betriebsmitteln getrennt übernommen werde, gemäß § 613a BGB einen Betriebsübergang auf den das Personal übernehmenden [X.] anzunehmen, da es ansonsten der Übernehmer der Produktion in der Hand hätte ohne unmittelbare Kontrolle der [X.] nur einen Teil der Arbeitnehmer weiter zu beschäftigen.

Ein Betriebsübergang könne auch nicht wegen Vorliegens eines gemeinsamen Betriebs der [X.], der [X.] und der [X.] angenommen werden. Es fehle an einem gemeinsamen einheitlichen arbeitstechnischen Zweck. Die Beklagte stelle lediglich Personal, während die [X.] und die [X.] Produkte fertigten und vertrieben.

Das Arbeitsverhältnis des [X.] sei auch nicht von der Insolvenzschuldnerin auf eine von der [X.] mit der [X.] und der [X.] gemäß § 705 BGB gebildete Gesellschaft übergegangen. Eine solche Gesellschaft - ihre Gründung unterstellt - nähme nicht am Rechtsverkehr teil.

Letztlich verneint das [X.] auch das Zustandekommen eines einheitlichen Arbeitsverhältnisses des [X.] mit der [X.] sowie der [X.] und der [X.] § 613a BGB zwinge nicht zur Annahme eines solchen einheitlichen Arbeitsverhältnisses.

B. Das Berufungsurteil hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

I. Die Feststellungsklage ist unbegründet. Zwischen den Parteien besteht kein Arbeitsverhältnis. Das Arbeitsverhältnis des [X.] mit der Insolvenzschuldnerin ist nicht im Wege eines Betriebsübergangs nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auf die Beklagte übergegangen.

1. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB setzt den rechtsgeschäftlichen Übergang eines Betriebs oder Betriebsteiles auf einen anderen Inhaber voraus. Erforderlich ist die Wahrung der Identität der betreffenden wirtschaftlichen Einheit. Der Begriff wirtschaftliche Einheit bezieht sich auf eine organisatorische Gesamtheit von Personen und/oder Sachen zur auf Dauer angelegten Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung. Bei der Prüfung, ob eine solche Einheit übergegangen ist, müssen sämtliche, den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen berücksichtigt werden. Dazu gehören als Teilaspekte der Gesamtwürdigung namentlich die Art des betreffenden Unternehmens oder Betriebs, der etwaige Übergang der materiellen Betriebsmittel wie Gebäude oder bewegliche Güter, der Wert der immateriellen Aktiva im Zeitpunkt des Übergangs, die etwaige Übernahme der Hauptbelegschaft, der etwaige Übergang der Kundschaft sowie der Grad der Ähnlichkeit zwischen den vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten und die Dauer einer eventuellen Unterbrechung dieser Tätigkeit. Die Identität der Einheit kann sich auch aus anderen Merkmalen, wie zB ihrem Personal, ihren Führungskräften, ihrer Arbeitsorganisation, ihren Betriebsmethoden oder den ihr zur Verfügung stehenden Betriebsmitteln ergeben. Den für das Vorliegen eines Übergangs maßgeblichen Kriterien kommt je nach der ausgeübten Tätigkeit und je nach den Produktions- und Betriebsmethoden unterschiedliches Gewicht zu.

Bei betriebsmittelarmen und dienstleistungsorientierten Branchen und Arbeitszwecken, bei denen es wesentlich auf die menschliche Arbeitskraft ankommt, kann eine Gesamtheit von Arbeitnehmern, die durch ihre gemeinsame Tätigkeit dauerhaft verbunden ist, eine wirtschaftliche Einheit in diesem Sinne darstellen. Die Wahrung der Identität der wirtschaftlichen Einheit ist anzunehmen, wenn der neue Betriebsinhaber nicht nur die betreffende Tätigkeit weiterführt, sondern auch einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil des Personals übernimmt, das sein Vorgänger gezielt bei dieser Tätigkeit eingesetzt hat. Die bloße Fortführung der Tätigkeit durch einen anderen Auftragnehmer (Funktionsnachfolge) stellt hingegen keinen Betriebsübergang dar (st. Rspr., vgl. [X.] 21. Mai 2008 - 8 [X.] BGB § 613a Nr. 354 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 96). In betriebsmittelgeprägten Betrieben kann ein Betriebsübergang auch ohne Übernahme von Personal vorliegen ([X.] 6. April 2006 - 8 [X.] - [X.]E 117, 361 = [X.] BGB § 613a Nr. 303 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 52).

2. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist das [X.] zutreffend davon ausgegangen, dass mangels Übertragung einer wirtschaftlichen Einheit auf die Beklagte ein Betriebsübergang auf diese nicht stattgefunden hat.

Der Betrieb der Insolvenzschuldnerin ist als selbständige wirtschaftliche Einheit nicht identitätswahrend auf die Beklagte übertragen worden.

a) Der Unternehmensgegenstand der Insolvenzschuldnerin lag in der Herstellung und dem Vertrieb von Maschinen und Maschinenteilen. Ihr Betrieb war betriebsmittelgeprägt. Der Schwerpunkt der Betriebstätigkeit lag in der Produktion so genannter Kettenschienen. Bei Produktionsbetrieben kann der Betriebszweck ohne sächliche Betriebsmittel nicht erreicht werden. Die Arbeitsplätze sind regelmäßig an bestimmte Räume, Maschinen, Produktionsanlagen, Werkzeuge und sonstige Einrichtungsgegenstände gebunden. Um die Produktion in der bisherigen Weise fortzusetzen, benötigt der Erwerber diese materiellen Produktionsmittel.

b) Materielle Betriebsmittel, insbesondere Maschinen oder sonstige Produktionsanlagen sind von der Insolvenzschuldnerin nicht auf die Beklagte übertragen worden. Die Beklagte hat auch keine Räumlichkeiten bezogen, die zuvor von der Insolvenzschuldnerin genutzt worden sind. Während die Insolvenzschuldnerin in der [X.] 13 ansässig war, hat die Beklagte ihren Unternehmenssitz unter der Anschrift [X.] 9 begründet. Die vormaligen Räumlichkeiten der Insolvenzschuldnerin werden seit Mitte November 2007 von der [X.] sowie der [X.] genutzt. Diese haben auch die materiellen Betriebsmittel in Gestalt von Maschinen, Programmen und sonstigen Produktionsanlagen von der Insolvenzschuldnerin übernommen, um ihre Produktionstätigkeit mit diesen durchzuführen.

c) Außer einem Großteil des Personals hat die Beklagte von der Insolvenzschuldnerin nichts übernommen, insbesondere auch keine Kunden- und Lieferantenbeziehungen.

d) Der Betriebszweck der [X.] unterscheidet sich außerdem erheblich von demjenigen der Insolvenzschuldnerin. Während diese einen Produktionsbetrieb führte, also mit der Herstellung von Maschinen und Maschinenteilen befasst war, liegt der Unternehmensgegenstand der [X.] in der nicht gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung und ist mithin dem Bereich der Personaldienstleistung zuzuordnen. Der Umstand, dass die Mitarbeiter der [X.] im Wesentlichen die gleichen Tätigkeiten wie zuvor ausführen, ändert hieran nichts, da sie diese im Wesentlichen gleichen Tätigkeiten nicht für die Beklagte, sondern für die [X.] und die [X.] erbringen.

3. Auch soweit der Kläger seine Revision darauf stützt, dass, wenn kein Betriebsübergang auf die Beklagte vorliege, jedenfalls ein Gemeinschaftsbetrieb mit der [X.] als Anstellungsträger gebildet worden sei, bleibt sie erfolglos.

a) Unter einem Betrieb versteht die Rechtsprechung eine organisatorische Einheit, innerhalb derer ein Arbeitgeber allein oder mit seinen Arbeitnehmern mit Hilfe technischer und immaterieller Mittel bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt (vgl. zum Betrieb iSd. [X.]: [X.] 21. Juli 2004 - 7 [X.] [X.] 1972 § 4 Nr. 15 = EzA [X.] 2001 § 4 Nr. 1; 17. Januar 2007 - 7 [X.] - [X.]E 121, 7 = [X.] [X.] 1972 § 4 Nr. 18 = EzA [X.] 2001 § 4 Nr. 2; 7. Mai 2008 - 7 [X.] - [X.] 2009, 328; 13. August 2008 - 7 [X.] - [X.]-RR 2009, 255). Ein Betrieb kann auch von mehreren Arbeitgebern als gemeinsamer Betrieb geführt werden. Davon geht auch § 1 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 [X.] aus. Nur wenn ein solcher gemeinsamer Betrieb unter Beteiligung der [X.] gebildet worden wäre, könnte ein Betriebs- oder Betriebsteilübergang auf die Beklagte überhaupt in Frage kommen. Ob für den Begriff „Betrieb“ iSd. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB, der auf einen Erwerber übergehen kann, eine besondere, vom allgemeinen Betriebsbegriff abweichende Definition gilt, ist vorliegend nicht entscheidungserheblich, weil es nur darauf ankommt, ob die Beklagte mit der [X.] und der [X.] einen neuen gemeinsamen Betrieb gebildet hat.

aa) Die Rechtsfigur des gemeinsamen Betriebs mehrerer Unternehmen liegt vor, wenn die in einer Betriebsstätte vorhandenen materiellen und immateriellen Betriebsmittel mehrerer Unternehmen für einen einheitlichen arbeitstechnischen Zweck zusammengefasst, geordnet und gezielt eingesetzt werden und der Einsatz der menschlichen Arbeitskraft von einem einheitlichen [X.] gesteuert wird. Die beteiligten Unternehmen müssen sich zumindest stillschweigend zu einer gemeinsamen Führung rechtlich verbunden haben ([X.] 11. Dezember 2007 - 1 [X.] - mwN, EzA [X.] 2001 § 77 Nr. 21).

bb) Die Begriffe „Betrieb“ und „gemeinschaftlicher Betrieb“ sind unbestimmte Rechtsbegriffe. Bei der Beurteilung, ob eine Organisationseinheit ein Betrieb, ein selbständiger oder ein unselbständiger Betriebsteil ist, steht dem Gericht der Tatsacheninstanz ein Beurteilungsspielraum zu. Die Würdigung des [X.]s ist in der Revisionsinstanz nur daraufhin überprüfbar, ob es den Rechtsbegriff selbst verkannt, gegen Denkgesetze, anerkannte Auslegungsgrundsätze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen oder wesentliche Umstände außer [X.] gelassen hat (vgl. zu § 1 Abs. 1 Satz 2 [X.]: [X.] 9. Dezember 2009 - 7 [X.] - EzA [X.] 2001 § 1 Nr. 8; 17. Januar 2007 - 7 [X.] - [X.]E 121, 7 = [X.] [X.] 1972 § 4 Nr. 18 = EzA [X.] 2001 § 4 Nr. 2).

b) Diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält die Würdigung des [X.]s stand. Die [X.], die [X.] und die Beklagte betreiben keinen gemeinsamen Betrieb.

aa) In den Fällen einer unternehmerischen Zusammenarbeit, in denen sich die Beteiligung eines Arbeitgebers - wie hier der [X.] - auf das Zur-Verfügung-Stellen seiner Arbeitnehmer an einen oder mehrere andere Unternehmen beschränkt, fehlt es an dem maßgeblichen Merkmal einer einheitlichen Leitung in personellen und [X.] Angelegenheiten. Werden die Arbeitnehmer einem anderen Unternehmen zur Arbeitsleistung überlassen, liegt eine Personalgestellung vor, regelmäßig in Form der Arbeitnehmerüberlassung. Der Verleiher beschränkt sich auf die Zur-Verfügung-Stellung des benötigten Personals. Er trifft die Personalauswahlentscheidung und ihm verbleibt die Disziplinarbefugnis. Das entleihende Unternehmen entscheidet dagegen über den Personaleinsatz vor Ort (zB Zuweisung des konkreten Arbeitsplatzes, Art und Weise der Arbeitsausführung usw.) ([X.] 16. April 2008 - 7 ABR 4/07 - [X.] [X.] 1972 § 1 Gemeinsamer Betrieb Nr. 32 = EzA [X.] 2001 § 1 Nr. 7; 13. August 2008 - 7 [X.] - mwN, [X.]-RR 2009, 255; 17. Februar 2010 - 7 [X.] - EzA [X.] 2001 § 8 Nr. 2).

Die Voraussetzungen eines gemeinsamen Betriebs sind nicht bereits erfüllt, wenn eine (enge) unternehmerische Zusammenarbeit zwischen Arbeitgebern aufgrund wechselseitiger Verpflichtungen zu einer Minderung von mitbestimmungsrechtlich relevanten Gestaltungs- und Entscheidungsspielräumen bei den Arbeitgebern führt ([X.] 13. August 2008 - 7 [X.] - Rn. 21 - 23, [X.]-RR 2009, 255). Auch die Überlassung von Arbeitnehmern durch eine extra zur Personalgestellung gegründete Tochtergesellschaft ([X.] 25. Januar 2005 - 1 [X.] - [X.]E 113, 218 = [X.] [X.] 1972 § 99 Einstellung Nr. 48 = EzA [X.] 2001 § 99 Nr. 7) sowie durch eine konzernangehörige Personalführungsgesellschaft wäre mit dem [X.] vereinbar ([X.] 20. April 2005 - 7 [X.] - zu [X.] 2 b cc der Gründe, EzA [X.] § 14 Nr. 5). Auch eine Alleininhaberschaft oder die Mehrheitsbeteiligung an dem verleihenden Unternehmen würde danach einen Gemeinschaftsbetrieb nicht zwangsläufig begründen.

bb) Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze liegt im vorliegenden Fall keine organisatorische Einheit vor, in der der Personaleinsatz von einem einheitlichen [X.] gesteuert wird. Vielmehr wird das Direktionsrecht bzgl. der Arbeitnehmer der [X.] ausschließlich von der [X.] und der [X.] als den [X.] ausgeübt, weil das bei der [X.] beschäftigte Personal im Wege der Arbeitnehmerüberlassung in diesen beiden Betrieben im Rahmen deren Organisationsstruktur eingesetzt wird.

4. Schließlich gebietet auch der Schutzzweck der Richtlinie 2001/23/[X.] nicht dann, wenn wie im Streitfall, das Personal getrennt von den Betriebsmitteln übernommen und sodann an den Übernehmer der Betriebsmittel verliehen wird, einen Betriebsübergang auf den das Personal übernehmenden [X.] anzunehmen. Würde ein solcher Betriebsübergang angenommen, könnte der Übernehmer der materiellen und immateriellen Betriebsmittel, dh. im Regelfall der eigentliche Betriebsübernehmer iSd. § 613a BGB, im Ergebnis alle oder einen Teil der Mitarbeiter des vormaligen Inhabers beschäftigen, ohne - wie es § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB vorsieht - deren Arbeitgeber zu werden.

II. Mangels eines Arbeitsverhältnisses zwischen dem Kläger und der [X.] steht dem Kläger der für den Zeitraum 15. November 2007 bis 31. Dezember 2007 geltend gemachte Vergütungsanspruch gegen diese nicht zu.

C. Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Hauck    

        

    Böck    

        

    Kiel    

        

        

        

    Warnke    

        

    [X.]    

                 

Meta

8 AZR 567/09

23.09.2010

Bundesarbeitsgericht 8. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Offenbach, 23. April 2008, Az: 5 Ca 435/07, Urteil

§ 613a Abs 1 BGB, § 1 Abs 1 S 2 BetrVG, § 1 Abs 2 BetrVG, EGRL 23/2001

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23.09.2010, Az. 8 AZR 567/09 (REWIS RS 2010, 3078)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 3078

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4 Sa 413/18

6 Sa 414/18

8 Sa 377/18

12 Sa 713/18

7 Sa 766/18

13 Sa 411/18

8 Sa 379/18

12 Sa 401/18

1 Sa 337/18

9 Sa 855/11

9 Sa 856/11

10 TaBV 29/11

13 Sa 2121/10

13 Sa 130/11

9 Sa 1312/11

9 Sa 176/12

13 Sa 315/11

13 Sa 131/11

9 Sa 1449/11

9 Sa 1422/11

10 TaBV 35/11

13 Sa 128/11

13 Sa 2284/10

10 TaBV 55/11

9 Sa 1314/11

9 Sa 799/11

9 Sa 1309/11

9 Sa 1310/11

13 Sa 2285/10

13 Sa 129/11

9 Sa 1450/11

10 TaBV 27/11

13 Sa 2218/10

13 Sa 45/11

9 Sa 1451/11

9 Sa 1313/11

9 Sa 1311/11

13 Sa 2294/10

10 Sa 2127/10

13 Sa 1482/10

3 Sa 678/10

13 Sa 1483/10

17 Sa 182/11

3 Sa 675/10

3 Sa 677/10

10 Sa 1805/10

3 Sa 680/10

3 Sa 1470/09

11 Sa 1229/10

3 Sa 670/10

3 Sa 676/10

3 Sa 673/10

11 Sa 1542/10

3 Sa 671/10

13 Sa 96/21

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