Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 10.11.2011, Az. 8 AZR 538/10

8. Senat | REWIS RS 2011, 1546

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Gegenstand

Betriebsübergang - Begriff des übergangsfähigen Betriebsteils - Gemeinschaftsbetrieb mehrerer Betriebsübernehmer


Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 26. April 2010 - 5 Sa 332/08 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Frage, ob infolge eines Betriebsteilübergangs zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis besteht sowie darüber, ob dieses durch vorsorglich ausgesprochene Kündigungen des Beklagten zu 1) (im Folgenden: Beklagter) beendet worden ist.

2

Der Beklagte ist ein aufgrund der §§ 6 ff. des Gesetzes über kommunale Gemeinschaftsarbeit des [X.] gebildeter Zweckverband für die Abwasserbeseitigung, zu dem sich 42 Städte und Gemeinden im [X.] zusammengeschlossen haben. 37 Städte und Gemeinden dieser Region hatten ferner für die [X.]rinkwasserversorgung den „[X.]“ gebildet (im Folgenden: Streithelfer). Der Beklagte und der Streithelfer gründeten 1996 die [X.] (im Folgenden: GmbH), deren einzige Gesellschafter sie zu gleichen [X.]eilen wurden. Aufgrund von Geschäftsführungsverträgen übernahm die GmbH gegen Entgelt umfassend alle kaufmännischen und technischen Aufgaben des Beklagten in der Abwasserentsorgung sowie alle kaufmännischen und technischen Aufgaben des Streithelfers bei der [X.]rinkwasserversorgung. [X.]echnisch waren insbesondere die Planung und Realisierung technischer Vorhaben, die Instandsetzung und Instandhaltung von Anlagen, die Realisierung von Hausanschlüssen sowie die Durchführung eines Havariedienstes zu bewältigen. Der kaufmännische Bereich umfasste im Wesentlichen die Fakturierung der Forderungen, die Rechnungslegung und das Inkasso der Forderungen im Namen der Gesellschafter. Daneben erbrachte die GmbH einzelne kaufmännische und/oder technische Aufgaben der [X.]rinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung für einzelne Gemeinden und andere Zweckverbände im Raum [X.]. Diese nicht mit dem Beklagten oder dem Streithelfer im Zusammenhang stehenden Dienstleistungen machten etwa 10 % der Geschäftstätigkeit der GmbH aus. Die GmbH beschäftigte etwa 90 Arbeitnehmer, davon zwei Drittel im technischen Bereich, den Rest im kaufmännischen Sektor. Die Organisation war entsprechend in diese beiden übergeordneten Bereiche aufgeteilt, wobei der technische Bereich in die Abteilung [X.]rinkwasser, Abwasser und Planung untergliedert war. Der kaufmännische Bereich umfasste eine Finanzabteilung, eine Abteilung Abgaben/Recht sowie weitere Unterbereiche.

3

Nach einer 1982 begonnenen Lehre war der Kläger seit dem 16. Juli 1984 bei der „[X.]“ (im Folgenden: GmbH) bzw. bei deren Rechtsvorgängern beschäftigt. Bei der [X.] war er als „Rohrleger“ tätig. Diese [X.]ätigkeitsbezeichnung wurde von seinem neuen Arbeitgeber nach der [X.] übernommen. Nach einem mit der GmbH zum 1. Juli 2002 abgeschlossenen Änderungsvertrag wurde er nunmehr als „Mitarbeiter [X.]“ bezeichnet. Im Bereich [X.] hat es eine [X.]rennung der Arbeitsaufgaben nach [X.]rinkwasser und Abwasser nicht gegeben. Der Kläger hat Aufgaben für die Abwasserentsorgung, die [X.]rinkwasserversorgung und schließlich für die Erfüllung von Verträgen mit anderen nordthüringer Gemeinden und Verbänden erledigt.

4

Als Aufsichtsbehörde nach dem Gesetz über kommunale Gemeinschaftsarbeit des [X.] verfügte der Landrat des [X.] am 3. November 2006, dass der Beklagte und der Streithelfer ab 1. Januar 2007 ihre Aufgaben der [X.]rinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung durch eigene betriebliche Mittel wahrzunehmen haben. Dafür waren Wirtschaftspläne aufzustellen, die entsprechenden Planstellen waren bis zum 31. Dezember 2006 zu besetzen. Die sofortige Vollziehung der Verfügung wurde angeordnet. Der Beklagte und der Streithelfer kündigten daraufhin ohne Einhaltung der vertraglichen Kündigungsfrist ihre Geschäftsbesorgungsverträge mit der GmbH zum 31. Dezember 2006. Als Gesellschafter wiesen sie den Geschäftsführer der GmbH an, die Einhaltung der vertraglichen Kündigungsfrist nicht durchzusetzen. Ebenso wies die Gesellschafterversammlung den Geschäftsführer der GmbH an, verschiedene Verträge zur Übertragung beweglicher und unbeweglicher Betriebsmittel der GmbH auf den Beklagten und auf den Streithelfer abzuschließen. Der Beklagte übernahm durch notariellen Vertrag vom 27. Dezember 2006 verschiedene Grundstücke und aufgrund eines weiteren Vertrags vom 7. Dezember 2006 eine Fäkalienannahmestelle, einen Garagenkomplex und eine Dekanteranlage. Noch nicht besetzte Planstellen schrieben der Beklagte und der Streithelfer aus und luden zahlreiche, aber nicht alle Arbeitnehmer der GmbH, die sich beworben hatten, zu [X.] ein. Im Falle einer Einstellung wurde der Arbeitsvertrag mit der GmbH durch Aufhebungsvertrag beendet und ein neuer Arbeitsvertrag mit dem Beklagten oder dem Streithelfer abgeschlossen. Für die GmbH wurde am 22. Januar 2007 die Liquidation beschlossen, am 2. April 2007 wurde die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen beantragt.

5

Nach dem 1. Januar 2007 blieb der Kläger bei der GmbH, die unter dem 29. März 2007 sein Arbeitsverhältnis zum 31. Dezember 2007 kündigte. Unter dem 5. April 2007 erhob der Kläger gegen den Beklagten Klage auf Feststellung eines Arbeitsverhältnisses infolge Betriebsübergangs seit dem 1. Januar 2007 und erweiterte diese zum Zweck der Kündigungsabwehr gegen die GmbH am 19. April 2007. Am 4. April 2007 hat der Kläger gegenüber dem Streithelfer ebenfalls den Übergang seines Arbeitsverhältnisses geltend gemacht. Der Beklagte sprach dann am 8. Mai 2007 eine vorsorgliche Kündigung zum 30. Juni 2007 und am 15. Juni 2007 eine weitere vorsorgliche Kündigung zum 31. Juli 2007 aus, die der Kläger ebenfalls mit [X.] angriff. Auf die Streitverkündung des [X.] ist der [X.] dem Rechtsstreit auf Seiten des Beklagten beigetreten. Mit der GmbH hat sich der Kläger am 21. April 2008 vergleichsweise über ein betriebsbedingtes Ende seines Arbeitsverhältnisses zum 30. September 2007 gegen Zahlung einer Abfindung verständigt, wobei dieser Vergleich unter der auflösenden Bedingung geschlossen wurde, dass rechtskräftig ein Übergang des Arbeitsverhältnisses auf den Beklagten festgestellt würde.

6

Der Kläger hat behauptet, beim „Bereich Abwasser“ habe es sich um eine [X.]eileinheit der GmbH gehandelt, die klar getrennt vom „Bereich [X.]rinkwasser“ gewesen sei. Er, der Kläger, habe im zeitlich weit überwiegenden [X.]eil für den Bereich „Abwasser“ gearbeitet, der auf den Beklagten übergegangen sei. Er sei daher diesem übergegangenen Betriebsteil zuzuordnen, jedenfalls stünde ihm ein Wahlrecht zu, ob er den Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf den Beklagten oder den Streithelfer geltend mache. Der Beklagte unterhalte seit dem 1. Januar 2007 selbst einen „Bereich [X.]“. Zudem hätten Beklagter und Streithelfer über den Jahresbeginn hinaus zunächst einen Gemeinschaftsbetrieb unterhalten, auf den der Betrieb der GmbH insgesamt übergegangen sei.

7

Der Kläger hat beantragt,

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der [X.] auf den Beklagten zum 1. Januar 2007 übergegangen ist und mit diesem fortbesteht,

        

2.    

den Beklagten zu verurteilen, den Kläger zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Mitarbeiter [X.]/Abwasser weiterzubeschäftigen,

        

3.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und dem Beklagten durch die schriftliche Kündigung des Beklagten vom 8. Mai 2007, zugegangen am 9. Mai 2007, zum 30. Juni 2007 nicht aufgelöst worden ist,

        

4.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und dem Beklagten auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 30. Juni 2007 hinaus fortbesteht,

        

5.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und dem Beklagten durch die schriftliche Kündigung des Beklagten vom 15. Juni 2007, zugegangen am 18. Juni 2007, zum 31. Juli 2007 nicht aufgelöst worden ist.

8

Der Beklagte hat zur Begründung seines Klageabweisungsantrags darauf verwiesen, die Bereiche Abwasser und [X.]rinkwasser seien bei der GmbH nicht streng getrennt gewesen. Er habe auch nur einen [X.]eil der Aufgaben der Abwasserentsorgung weitergeführt, da die GmbH auch noch 2007 die Verträge mit den einzelnen Gemeinden und Verbänden [X.]s zu erfüllen hatte.

9

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des [X.] blieb vor dem [X.] ohne Erfolg. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis des [X.] mit der GmbH ist nicht infolge eines Betriebs- oder Betriebsteilübergangs nach § 613a Abs. 1 BGB auf den [X.]n übergegangen. Die vorsorglich vom [X.]n ausgesprochenen Kündigungen eines etwa bestehenden Arbeitsverhältnisses von Mai und Juni 2007 gingen ins Leere.

A. Das [X.] hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

Von einem Betriebsübergang auf den [X.]n könne schon deswegen nicht ausgegangen werden, weil dieser den Betrieb der GmbH nicht im Ganzen fortführe. Es komme allenfalls ein Betriebsteilübergang in Betracht. Aber auch ein solcher liege nicht vor, da der [X.] nur einzelne Betriebsmittel der GmbH ab dem 1. Januar 2007 genutzt habe. Selbst wenn der [X.] alle Betriebsmittel, die zur Erfüllung der Aufgaben „Abwasserentsorgung“ bei der GmbH vorhanden und erforderlich gewesen seien, übernommen habe, seien diese bei der GmbH nicht in einem von den übrigen betrieblichen Aktivitäten organisatorisch getrennten Betriebsteil eingebunden gewesen. Dem Vortrag des [X.] könne nicht entnommen werden, dass und wie er als Mitarbeiter der GmbH im „Bereich [X.]“ in eine derartige Einheit eingegliedert gewesen sein könnte. Auch nach seinem Vortrag habe es im „Bereich [X.]“ eine Trennung der Arbeitsaufgaben nach Trinkwasser und Abwasser nicht gegeben. Er habe einräumen müssen, dass der „Bereich [X.]“ bei der GmbH auch Aufgaben erfüllt habe, die die Trinkwasserversorgung betroffen hätten oder die Erfüllung der Verträge mit den übrigen [X.] Vertragspartnern. Seinen Vortrag, der [X.] und der Streithelfer hätten ab dem 1. Januar 2007 einen Gemeinschaftsbetrieb geführt, auf den der Gesamtbetrieb der GmbH übergegangen sei, habe der Kläger nicht hinreichend substanziiert. Diese Behauptung sei einem Beweis nicht zugänglich.

B. Diese Begründung hält im Ergebnis einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

I. Das Arbeitsverhältnis des [X.] bei der GmbH hat keiner abgrenzbaren organisatorischen Einheit angehört, die auf den [X.]n übergegangen wäre. Der [X.] hält an dieser in ständiger Rechtsprechung entwickelten Tatbestandsvoraussetzung des § 613a BGB fest (vgl. [X.] 7. April 2011 - 8 [X.] BGB § 613a Nr. 406), weil entgegen der mit der Revision vertretenen Auffassung auch für das [X.] Recht durch die Rechtsprechung des [X.] geklärt ist, dass schon beim Betriebs(teil)veräußerer eine abgrenzbare organisatorische wirtschaftliche Einheit vorgelegen haben muss, um einen Betriebsteilübergang annehmen zu können.

1. Geht ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über, so tritt dieser in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein, § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB. Diese gesetzliche Regelung stellt die Umsetzung der Richtlinie 2001/23/[X.] vom 12. März 2001 dar. Diese Richtlinie kodifiziert ihrerseits die [X.]/EWG des Rates vom 14. Februar 1977 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen in der durch die [X.]/[X.] vom 29. Juni 1998 geänderten Fassung (vgl. [X.] 29. Juli 2010 - [X.]/09 - [[X.]] [X.] Richtlinie 2001/23/[X.] Nr. 5 = EzA [X.]-Vertrag 1999 Richtlinie 2001/23 Nr. 4).

Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] soll die Richtlinie 2001/23/[X.] die Kontinuität der im Rahmen einer wirtschaftlichen Einheit bestehenden Arbeitsverhältnisse unabhängig von einem Inhaberwechsel gewährleisten. Entscheidend für einen Übergang iSd. Richtlinie ist daher, ob die fragliche Einheit ihre Identität bewahrt, was namentlich dann gegeben sein kann, wenn der Betrieb tatsächlich weitergeführt oder wieder aufgenommen wird (vgl. [X.] 29. Juli 2010 - [X.]/09 - [[X.]] [X.] Richtlinie 2001/23/[X.] Nr. 5 = EzA [X.]-Vertrag 1999 Richtlinie 2001/23 Nr. 4; 12. Februar 2009 - [X.]/07 - [Klarenberg] Slg. 2009, [X.] = [X.] Richtlinie 2001/23/[X.] Nr. 4 = EzA [X.]-Vertrag 1999 Richtlinie 2001/23 Nr. 2).

Daraus folgt, dass eine Übernahme nur dann unter die Richtlinie 2001/23/[X.] und damit unter § 613a BGB fällt, wenn eine auf Dauer angelegte wirtschaftliche Einheit übernommen wird, deren Tätigkeit nicht auf die Ausführung eines bestimmten Vorhabens beschränkt ist. Der Begriff der wirtschaftlichen Einheit bezieht sich auf eine organisierte Gesamtheit von Personen und/oder Sachen zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigenem Zweck, die hinreichend strukturiert und selbständig ist. Eine solche Einheit muss nicht unbedingt bedeutsame materielle oder immaterielle Betriebsmittel umfassen. In bestimmten Wirtschaftszweigen liegen diese Betriebsmittel nämlich oft nur in ihrer einfachsten Form vor und es kommt dort im Wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft an. Daher kann eine organisierte Gesamtheit von Arbeitnehmern, denen eigens und auf Dauer eine gemeinsame Aufgabe zugewiesen ist, eine wirtschaftliche Einheit darstellen, ohne dass weitere Betriebsmittel vorhanden sind ([X.] 13. September 2007 - [X.]/05 - [[X.] ua.] Slg. 2007, [X.] = [X.] Richtlinie 2001/23/[X.] Nr. 2 = EzA [X.]-Vertrag 1999 Richtlinie 2001/23 Nr. 1). In diesem Zusammenhang ist für die Beurteilung des Vorliegens einer wirtschaftlichen Einheit iSv. Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2001/23/[X.] auch zu prüfen, ob die vom Veräußerer übertragenen Betriebsmittel bei ihm eine einsatzbereite Gesamtheit dargestellt haben, die als solche dazu ausgereicht hat, die für die wirtschaftliche Tätigkeit des Unternehmens charakteristischen (Dienst-)Leistungen ohne Inanspruchnahme anderer wichtiger Betriebsmittel oder anderer Unternehmensteile erbringen zu können (vgl. [X.] 13. September 2007 - [X.]/05 - [[X.] ua.] aaO). Auch in Branchen, in denen es im Wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft ankommt, besteht nach [X.]m Recht das Erfordernis, dass der Übergang immer „eine wirtschaftliche Einheit betreffen muss, die nach dem Inhaberwechsel ihre Identität bewahrt“, wobei die Einheit nicht als bloße Tätigkeit verstanden werden darf, also eine reine Aufgabennachfolge selbst bei betriebsmittelarmen wirtschaftlichen Einheiten keinen Betriebsübergang darstellt (vgl. [X.] 20. Januar 2011 - [X.]/09 - [[X.]] EzA [X.]-Vertrag 1999 Richtlinie 2001/23 Nr. 6).

2. Nach der Rechtsprechung des [X.] ist es Sache der nationalen Gerichte, anhand dieser Auslegungsgesichtspunkte festzustellen, ob ein Betriebs(teil)übergang iSd. Richtlinie 2001/23/[X.] (und damit im Sinne des § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB) vorgelegen hat, dh. insbesondere auch festzustellen, ob die Identität der übertragenen wirtschaftlichen Einheit bewahrt worden ist (vgl. [X.] 12. Februar 2009 - [X.]/07 - [Klarenberg] Slg. 2009, [X.] = [X.] Richtlinie 2001/23/[X.] Nr. 4 = EzA [X.]-Vertrag 1999 Richtlinie 2001/23 Nr. 2).

3. Aufgrund dieser Rechtsprechung des [X.] geht der [X.] davon aus, dass die von einem Erwerber übernommene organisierte Gesamtheit von Personen und/oder Sachen bereits beim Veräußerer eine wirtschaftliche Einheit dargestellt und damit die Qualität eines Betriebsteils gehabt haben muss, um die Voraussetzung des § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB erfüllen zu können (vgl. [X.] 13. Oktober 2011 - 8 [X.] -; 7. April 2011 - 8 [X.] - mwN, [X.] BGB § 613a Nr. 406; 27. Januar 2011 - 8 AZR 326/09 - [X.] BGB § 613a Nr. 402 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 123; 16. Mai 2007 - 8 AZR 693/06 - [X.] [X.] 1972 § 111 Nr. 64 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 70).

Deshalb muss bereits beim bisherigen Betriebs(teil)inhaber eine selbständig abtrennbare organisatorische Einheit vorgelegen haben, mit welcher innerhalb des betrieblichen Gesamtzwecks ein Teilzweck verfolgt worden ist. Die Erfüllung eines betrieblichen Teilzwecks ist nur eine der Voraussetzungen für die Annahme des Vorliegens eines Betriebsteils und vermag das Fehlen einer abgrenzbaren organisatorischen Einheit nicht zu ersetzen. Hierbei darf die im Betriebsteil liegende Einheit nicht als bloße Tätigkeit verstanden werden. Die Identität der Einheit ergibt sich auch aus anderen Merkmalen, wie ihrem Personal, ihren Führungskräften, ihrer Arbeitsorganisation, ihren Betriebsmethoden und ggf. den ihr zur Verfügung stehenden Betriebsmitteln. Allerdings genügt eine beim Betriebs(teil)veräußerer bestehende funktionelle Verknüpfung nicht, um einen schon beim Veräußerer bestehenden Betriebsteil mit organisatorischer Selbständigkeit anzunehmen, der im Sinne des § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB übertragen werden könnte. Die Selbständigkeit der schon beim Betriebs(teil)veräußerer abgrenzbaren organisatorischen wirtschaftlichen Einheit muss nach der Rechtsprechung des [X.] allerdings beim [X.] nicht mehr vollständig erhalten bleiben (vgl. [X.] 12. Februar 2009 - [X.]/07 - [Klarenberg] Slg. 2009, [X.] = [X.] Richtlinie 2001/23/[X.] Nr. 4 = EzA [X.]-Vertrag 1999 Richtlinie 2001/23 Nr. 2; vgl. [X.] 7. April 2011 - 8 [X.] BGB § 613a Nr. 406). Aufgrund dieser klaren Rechtsprechung des [X.] war der [X.] nicht verpflichtet, ein Vorabentscheidungsverfahren gemäß Art. 267 AEUV einzuleiten.

4. Rechtsfehlerfrei hat das [X.] erkannt, dass ein vollständiger Betriebsübergang auf den [X.]n schon deswegen nicht angenommen werden kann, weil dieser unstreitig nicht den gesamten Betrieb der GmbH übernommen hat. Die Weiterführung eines erheblich eingeschränkten Betriebs schließt trotz der Nutzung sächlicher Betriebsmittel des früheren Betriebsinhabers einen vollständigen Betriebsübergang aus (vgl. [X.] 16. Februar 2006 - 8 [X.] - Rn. 20, [X.] BGB § 613a Nr. 300 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 46). Unstreitig hat der [X.] nicht alle Betriebsmittel der GmbH übernommen, ebenso ist nicht strittig, dass der [X.] weder mit den Aufgaben befasst ist, die früher die [X.] erfüllte, noch, dass der [X.] die der GmbH übertragenen Aufgaben für Gemeinden und Zweckverbände außerhalb des Bereichs des [X.]n oder des Streithelfers wahrnimmt. Der [X.] beschäftigt auch nur 37 Arbeitnehmer, die früher bei der GmbH tätig waren, etwa 30 weitere sind heute beim Streithelfer beschäftigt und 22 Arbeitnehmer, darunter auch der Kläger, verblieben bei der GmbH.

5. Die Überlegung des Berufungsgerichts, der Kläger sei bei der GmbH nicht in einem abgrenzbaren Betriebsteil beschäftigt gewesen, der auf den [X.]n übergegangen sei, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

Die Feststellungen des [X.]s, dass auch nach dem Vortrag des [X.] im „Bereich [X.]“ eine Trennung zwischen Abwasser und Trinkwasser nicht bestanden habe, hat der Kläger ebenso wenig mit einer Verfahrensrüge angegriffen wie die weiteren Feststellungen des Berufungsgerichts, der Kläger habe einräumen müssen, dass er als Mitarbeiter des Bereichs „[X.]“ auch für den Bereich Trinkwasser tätig geworden sei. Der [X.] ist daher an diese Feststellungen des [X.]s gebunden (§ 559 Abs. 2 ZPO).

Danach ist das Arbeitsverhältnis des [X.] selbst dann nicht auf den [X.]n oder den Streithelfer übergegangen, wenn es sich beim Bereich „Abwasser“ um eine abgrenzbare, organisatorisch selbständige wirtschaftliche Einheit gehandelt hätte, die auf den [X.]n übergegangen wären oder wenn Entsprechendes für den Bereich „Trinkwasser“ mit einem Übergang auf den Streithelfer gölte. Denn als „Mitarbeiter [X.]“ hat der Kläger keinem solchen Bereich angehört. Nach den Feststellungen des [X.]s wirkte der [X.] „[X.]“ bei der GmbH in der Art einer „technischen Stabsabteilung“, war also keinem der Bereiche „Abwasser“ oder „Trinkwasser“ zuzuordnen. Es kommt, wie das [X.] ohne Rechtsfehler angenommen hat, nicht darauf an, ob der Kläger überwiegend für den einen oder den anderen Bereich bei der GmbH tätig war. Auch wenn er nach seinem Vorbringen „ganz überwiegend“ Arbeiten für den Bereich „Abwasser“ verrichtet hat, kann dies für sich genommen einen Übergang des Arbeitsverhältnisses auf den [X.]n nach § 613a BGB nicht begründen, weil es insoweit an einem übergangsfähigen Betriebsteil fehlte.

II. Ohne Erfolg macht die Revision weiter geltend, das [X.] habe die Erwägung ausgeblendet, der [X.] und der Streithelfer hätten ab 1. Januar 2007 zunächst einen Gemeinschaftsbetrieb unterhalten, welcher den (gesamten) Betrieb der GmbH auch über den Jahreswechsel hinaus zunächst als Gesamtbetrieb übernommen habe.

1. Unter einem Betrieb versteht die Rechtsprechung eine organisatorische Einheit, innerhalb derer ein Arbeitgeber allein oder mit seinen Arbeitnehmern mit Hilfe technischer und immaterieller Mittel bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt (vgl. zum Betrieb iSd. [X.]: [X.] 21. Juli 2004 - 7 ABR 57/03 - [X.] [X.] 1972 § 4 Nr. 15 = EzA [X.] 2001 § 4 Nr. 1; 17. Januar 2007 - 7 [X.] - [X.]E 121, 7 = [X.] [X.] 1972 § 4 Nr. 18 = EzA [X.] 2001 § 4 Nr. 2; 7. Mai 2008 - 7 [X.] - [X.] 2009, 328; 13. August 2008 - 7 [X.] - [X.]-RR 2009, 255). Ein Betrieb kann auch von mehreren Arbeitgebern als gemeinsamer Betrieb geführt werden. Davon geht auch § 1 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 [X.] aus. Nur wenn ein solcher gemeinsamer Betrieb unter Beteiligung des [X.]n gebildet worden wäre, könnte ein Betriebs- oder Betriebsteilübergang auf den [X.]n überhaupt in Frage kommen.

Die Rechtsfigur des gemeinsamen Betriebs mehrerer Unternehmen liegt vor, wenn die in einer Betriebsstätte vorhandenen materiellen und immateriellen Betriebsmittel mehrerer Unternehmen für einen einheitlichen arbeitstechnischen Zweck zusammengefasst, geordnet und gezielt eingesetzt werden und der Einsatz der menschlichen Arbeitskraft von einem einheitlichen [X.] gesteuert wird. Die beteiligten Unternehmen müssen sich zumindest stillschweigend zu einer gemeinsamen Führung rechtlich verbunden haben ([X.] 23. September 2010 - 8 AZR 567/09 - [X.] BGB § 613a Nr. 389 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 120; 11. Dezember 2007 - 1 [X.] - mwN, EzA [X.] 2001 § 77 Nr. 21).

Die Begriffe „Betrieb“ und „gemeinschaftlicher Betrieb“ sind unbestimmte Rechtsbegriffe. Bei der Beurteilung, ob eine Organisationseinheit ein Betrieb, ein selbständiger oder ein unselbständiger Betriebsteil ist, steht dem Gericht der Tatsacheninstanz ein Beurteilungsspielraum zu. Die Würdigung des [X.]s ist in der Revisionsinstanz nur daraufhin überprüfbar, ob es den Rechtsbegriff selbst verkannt, gegen Denkgesetze, anerkannte Auslegungsgrundsätze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen oder wesentliche Umstände außer [X.] gelassen hat (vgl. zu § 1 Abs. 1 [X.]: [X.] 9. Dezember 2009 - 7 ABR 38/08 - [X.] [X.] 1972 § 4 Nr. 19 = EzA [X.] 2001 § 1 Nr. 8; 17. Januar 2007 - 7 [X.] - [X.]E 121, 7 = [X.] [X.] 1972 § 4 Nr. 18 = EzA [X.] 2001 § 4 Nr. 2).

2. Diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält das Berufungsurteil stand. Der [X.] und der Streithelfer betrieben ab 1. Januar 2007 keinen gemeinsamen Betrieb.

a) Das [X.] hat als unstreitig festgestellt, dass 22 Beschäftigte, darunter der Kläger, und 3 Auszubildende nach dem 31. Dezember 2006 bei der GmbH verblieben und auch der Kläger seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zunächst dort weiter erbrachte.

Soweit die Revisionsbegründung auf den vom Kläger erstinstanzlich gehaltenen Vortrag verweist und diesen wiederholt, wird keine Verfahrensrüge erhoben. Daher kann der [X.] diesem vom Berufungsgericht nicht weiter behandelten Vorbringen erster Instanz nicht nachgehen, er ist an die Feststellungen des [X.]s gebunden (§ 559 Abs. 2 ZPO).

b) Im Übrigen ist der erstinstanzliche Vortrag des [X.] nicht geeignet, einen gemeinschaftlichen Betrieb des [X.]n und des Streithelfers substanziiert darzustellen. Selbst wenn der [X.]r und Streithelfer auch nach dem 1. Januar 2007 zunächst die Betriebsstätte der GmbH wie die materiellen und immateriellen Betriebsmittel weiter nutzten, reicht dies nicht für die Annahme eines gemeinsamen Betriebs aus, auf den der Bereich „[X.]“ hätte übergegangen sein können. Es fehlt sowohl an dem maßgeblichen Merkmal einer einheitlichen Leitung in personellen und [X.] Angelegenheiten wie auch an einem von dem [X.]n und dem Streithelfer mit einem gemeinsamen Betrieb verfolgten einheitlichen arbeitstechnischen Zweck. Solches war beiden im November 2006 durch die [X.] verboten worden, die verfügt hatte, dass die Abwasserentsorgung vom [X.]n, die Trinkwasserversorgung vom Streithelfer ab 1. Januar 2007, und zwar getrennt voneinander, wahrzunehmen seien. Entsprechend wurde der Einsatz der menschlichen Arbeitskraft auch nicht von einem einheitlichen [X.] gesteuert, sondern der [X.] wies seine, der Streithelfer die ihm zugeordneten, anderen Arbeitskräfte an (vgl. [X.] 21. Februar 2001 - 7 [X.] Rn. 17 mwN, EzA [X.] 1972 § 1 Nr. 11). An dieser Rechtslage hat sich durch die Einfügung des § 1 Abs. 2 [X.] mit der Reform vom 25. September 2001 nichts geändert (vgl. Fitting [X.] 25. Aufl. § 1 Rn. 85 mwN).

Konnte der Kläger Tatsachen für das Vorliegen eines Gemeinschaftsbetriebs nicht substanziiert darlegen, so ist diese Frage nicht entscheidungserheblich. Daher erübrigte sich auch ein Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 AEUV zur Frage, ob bei einem Gemeinschaftsbetrieb zweier Betriebsübernehmer nach [X.]m Recht ein Betriebsübergang angenommen werden kann.

III. Mangels eines Arbeitsverhältnisses zwischen dem Kläger und dem [X.]n ab dem 1. Januar 2007 gingen die vorsorglich ausgesprochenen Kündigungen des [X.]n von Mai und Juni 2007 ins Leere, ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien konnte durch diese nicht beendet werden. Die Kündigungsschutzanträge des [X.] sind unbegründet.

C. Nach § 97 ZPO hat der Kläger die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

        

    Hauck    

        

    Böck    

        

    Breinlinger    

        

        

        

    Eimer    

        

    [X.]    

                 

Meta

8 AZR 538/10

10.11.2011

Bundesarbeitsgericht 8. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Halle (Saale), 21. April 2008, Az: 7 Ca 665/07, Urteil

§ 613a Abs 1 S 1 BGB, Art 1 Abs 1 EGRL 23/2001, § 1 Abs 1 S 2 BetrVG, § 1 Abs 2 BetrVG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 10.11.2011, Az. 8 AZR 538/10 (REWIS RS 2011, 1546)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 1546

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Wird zitiert von

7 Ca 6861/17

12 Ca 6881/17

14 Sa 274/16

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