Bundesgerichtshof, Urteil vom 12.01.2017, Az. 3 StR 364/16

3. Strafsenat | REWIS RS 2017, 17530

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Gegenstand

Öffentliche Verwendung von Kennzeichen eines verbotenen Vereins: Verwendung der Kennzeichen der "Hells Angels" mit hinzugefügtem Hinweis auf eine nicht verbotene Unterabteilung


Tenor

Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des [X.] vom 8. März 2016 wird verworfen.

Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.

Von Rechts wegen

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten vom Vorwurf der öffentlichen Verwendung von Kennzeichen eines verbotenen Vereins freigesprochen. Dagegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten, vom [X.] nicht vertretenen Revision. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

2

I. Nach den Feststellungen des [X.]s ist der Angeklagte Mitglied des "[X.]", einer Untergliederung der weltweit agierenden Rockergruppierung "[X.]". Als erstes und seinerzeit einziges "[X.] Charter" in [X.] wurde im Jahr 1973 der "[X.] in [X.] gegründet. Seine Mitglieder bezeichneten sich als "[X.] [X.]". Sie trugen sog. Kutten, die mittels diverser Aufnäher im Wesentlichen einheitlich gestaltet waren:

3

Auf der Rückseite befand sich oben der in einer Bogenform nach unten verlaufende Schriftzug "[X.]" in roter Schrift auf weißem Grund. Das Clubemblem war mittig angebracht. Es bestand aus einem stilisierten behelmten Totenkopf in den Farben Weiß, [X.] und Rot mit rechtsseitigen gold-roten Engelsflügeln. Unterhalb des Logos war der Schriftzug "[X.]" in roter Schrift auf weißem Grund angebracht. Darunter befand sich in einer nach oben verlaufenden Bogenform der Schriftzug "[X.]" in roter Schrift auf weißem Grund. Bei der für die Begriffe "[X.]" und "[X.]" verwendeten Schriftart handelte es sich um "[X.] Regular". Auf der Vorderseite der Kutte waren in roter Schrift auf weißem Grund die Schriftzüge "[X.]" und "[X.]" nebeneinander sowie "[X.] angebracht.

4

Seit Anfang der 1980er Jahre gründeten sich weitere "Charter" der "[X.]" in [X.], unter anderem das "[X.] [X.] [X.] Charter Düsseldorf" sowie in [X.] das "[X.] Motorcycle Club Charter [X.]" nebst seiner Teilorganisation "Commando 81 [X.]". Die Kennzeichen dieser Ortsgruppen ähnelten denjenigen des "[X.] Charters" in [X.]. Im norddeutschen Raum entstanden überdies die "[X.] Charter" "[X.]" und "[X.] Region".

5

Der "Hell's Angels Motorclub e. V. [X.]" ist durch bestandskräftige Verfügung des [X.] vom 21. Oktober 1983 verboten, das "[X.] [X.] [X.] Charter Düsseldorf" durch Verfügung des Innenministeriums des [X.] vom 11. Februar 2000, deren sofortige Vollziehbarkeit angeordnet wurde, und das "[X.] Motorcycle Club Charter [X.]" nebst seiner Teilorganisation "Commando 81 [X.]" durch bestandskräftige Verfügung des Innenministeriums des Landes [X.] vom 6. Juni 2011.

6

Der Angeklagte befuhr am 22. Juli 2014 mit einem Motorrad eine Straße in [X.]    . Dabei trug er ein T-Shirt, auf dessen Rückseite ein stilisierter, weißer und behelmter Totenkopf mit rechtsseitigen rot-goldenen Engelsflügeln, darüber der Schriftzug "[X.]" und darunter der Schriftzug "[X.] Region", jeweils in roter Schrift mit weißer Umrandung und in der Schriftart "[X.] Regular" abgedruckt waren. Zwischen dem Totenkopf und dem Schriftzug "[X.] Region" befanden sich die Buchstaben "[X.]" in roter Farbe mit weißer Umrandung. Bei sämtlichen Buchstaben handelte es sich um Großbuchstaben. Der Totenkopf wies hinsichtlich seiner Gestaltung, der Kopfbedeckung und der Farbgebung Abweichungen von demjenigen auf, den die verbotenen "Charter" der "[X.]" verwendeten.

7

Außerdem trug der Angeklagte einen Motorradhelm, auf dem mindestens fünf Aufkleber angebracht waren. Drei davon waren rechteckig und beinhalteten den Schriftzug "Support your local [X.] [X.]". Die Schriftzeichen waren in Großbuchstaben und in roter Farbe auf weißem Grund geschrieben, die Worte "[X.]" zudem in der Schriftart "[X.] Regular". Ein weiterer Aufkleber wies auf einem weißen Hintergrund in der Mitte einen stilisierten und behelmten Totenkopf in den Farben Weiß, [X.] und Rot mit rechtsseitigen rot-goldenen Engelsflügeln auf, der in seiner Form und Farbgebung dem von den verbotenen "Chartern" der "[X.]" verwendeten Symbol entsprach. Über dem Totenkopf war in nach unten verlaufender Bogenform der Schriftzug "[X.]" aufgedruckt, unter dem Totenkopf in nach oben verlaufender Bogenform der Schriftzug "[X.]". Zwischen dem Totenkopf und dem Schriftzug "[X.]" befand sich der Schriftzug "[X.]", unterhalb des Totenkopfes standen die Buchstaben "[X.]" und das Wort "[X.]". Bei sämtlichen Buchstaben handelte es sich um Großbuchstaben in roter Farbe und in der Schriftart "[X.] Regular". Der fünfte Aufkleber zeigte auf weißem Grund einen stilisierten behelmten Totenkopf in den Farben Gelb und [X.] mit rechtsseitigen rot-goldenen Engelsflügeln. Er unterschied sich in seiner Form und Farbgebung von der Gestaltung des Symbols, das die verbotenen "Charter" der "[X.]" verwendeten. Über dem Totenkopf befand sich in nach unten verlaufender Bogenform der Schriftzug "[X.]", unter dem Totenkopf stand in nach oben verlaufender Bogenform das Wort "[X.]". Bei sämtlichen Buchstaben handelte es sich um Großbuchstaben in roter Farbe, jedoch nicht in der Schriftart "[X.] Regular".

8

Am 7. August 2014 trug der Angeklagte auf dem Gelände eines [X.] in [X.]     ein T-Shirt, auf dessen Rückseite ein stilisierter, weißer und behelmter Totenkopf mit rechtsseitigen rot-goldenen Engelsflügeln zu sehen war. Oberhalb des Totenkopfes befand sich in nach unten weisender Bogenform der Schriftzug "[X.]", unterhalb des Totenkopfes stand in nach oben weisender Bogenform der Schriftzug "[X.] Region". Zwischen dem Totenkopf und dem unteren Schriftzug waren die Buchstaben "[X.]" abgebildet. Bei sämtlichen Buchstaben handelte es sich um Großbuchstaben in roter Farbe und mit weißer Umrandung. Die in Bogenform dargestellten Schriftzüge waren in der Schriftart "[X.] Regular" ausgeführt. Auf der Vorderseite des T-Shirts standen die Großbuchstaben "[X.]", in roter Farbe mit weißer Umrandung und in der Schriftart "[X.] Regular".

9

II. [X.] hält rechtlicher Überprüfung stand.

Es kann dahinstehen, ob und inwieweit es sich bei den Symbolen und Schriftzügen, die sich auf den vom Angeklagten getragenen T-Shirts sowie dem Motorradhelm befanden, im Einzelnen um Kennzeichen auch der verbotenen "Hells Angel Charter" handelte; zumindest im Hinblick auf den Schriftzug "[X.]" und das [X.] ist davon auszugehen. Darauf kommt es letztlich nicht an, weil der Angeklagte die Kennzeichen jedenfalls nicht im Sinne von § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VereinsG "verwendet" hat. Insoweit gilt:

Diese Strafnorm bedarf aufgrund ihrer weiten Fassung mit Rücksicht auf verfassungsrechtliche Anforderungen - nicht zuletzt mit Blick auf das Grundrecht der Vereinigungsfreiheit aus Art. 9 Abs. 1 GG - einer am Schutzzweck der Norm orientierten einschränkenden Auslegung. Danach sind [X.], die dem Schutzzweck des Vereinsverbots eindeutig nicht zuwiderlaufen, von dem Tatbestand auszunehmen. Bei der Prüfung, ob die Verwendung eines Kennzeichens auch einer verbotenen Organisation dem Schutzzweck der Norm eindeutig nicht zuwiderläuft, kann in der Regel nicht allein auf die Darstellung des Symbols selbst zurückgegriffen werden; denn dieses lässt bei isoliertem Gebrauch meist gerade nicht erkennen, ob es als Kennzeichen der verbotenen Organisation oder zu anderen, nicht zu beanstandenden Zwecken verwendet wird. Der mit dem Gebrauch des Kennzeichens verbundene Aussagegehalt ist vielmehr anhand aller maßgeblichen Umstände des Falles zu ermitteln (vgl. zu allem [X.], Urteil vom 9. Juli 2015 - 3 StR 33/15, [X.]St 61, 1, 8 ff. - "Bandidos").

Daran gemessen lief der Gebrauch der in Rede stehenden Kennzeichen durch den Angeklagten dem Schutzzweck des Vereinsverbots eindeutig nicht zuwider. Insoweit ist wie in dem der Entscheidung des Senats vom 9. Juli 2015 (aaO) zugrunde liegenden Fall zu berücksichtigen, dass die gegen die verschiedenen "Charter" der "[X.]" ausgesprochenen Vereinsverbote nicht die national oder gar weltweit agierende Dachorganisation der "[X.]" betreffen, sondern allein regionale Unterabteilungen, deren Zwecke den Strafgesetzen zuwiderliefen. Dementsprechend sind die übrigen "Charter" der "[X.]" nicht verboten; sie tragen freilich gleichermaßen mit dem Schriftzug "[X.]" und dem [X.] Kennzeichen ihrer Vereine, die auch Kennzeichen der verbotenen "Charter" waren. Durch die Hinzufügung einer unmissverständlich auf eine nicht verbotene Untergliederung hinweisenden Bezeichnung - wie hier "[X.]" und "[X.] Region" - ergibt sich aus dem maßgeblichen Gesamtzusammenhang des Kennzeichengebrauchs entgegen der von der Staatsanwaltschaft vertretenen Auffassung indes eindeutig, dass der Angeklagte die betreffenden Kennzeichen gerade nicht als solche der verbotenen "Charter", sondern als Kennzeichen von Unterabteilungen verwendet hat, die nicht mit einer Verbotsverfügung belegt sind.

Der Einwand der Beschwerdeführerin, dass der Zusatz "[X.] Region" keine eindeutige Abgrenzung von dem verbotenen "[X.] Charter" in [X.] darstelle, weil nicht erkennbar sei, um welchen Ort es sich dabei handele, und auch [X.] im Norden [X.]s liege, geht fehl. Maßgeblich ist allein, dass nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen unter der Bezeichnung "[X.] Region" ein nicht verbotenes "Charter" der "[X.]" gegründet wurde. Daraus, dass es sich bei der Gründung des 1983 verbotenen "Hell's Angels Motorclub e. V. [X.]" zunächst um den einzigen Ortsverein der "[X.]" in [X.] handelte, dessen Mitglieder sich deshalb als "[X.] [X.]" bezeichneten und auch außerhalb von [X.] Straftaten begingen, folgt entgegen der Auffassung der Revision nichts anderes.

[X.]     

        

Ri[X.] Dr. Schäfer befindet sich
im Urlaub und ist daher gehindert
zu unterschreiben.

        

[X.]

                 

[X.]

                 
        

Tiemann     

        

Hoch     

        

Meta

3 StR 364/16

12.01.2017

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Verden, 8. März 2016, Az: 2 KLs 15/14

§ 20 Abs 1 S 1 Nr 5 VereinsG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 12.01.2017, Az. 3 StR 364/16 (REWIS RS 2017, 17530)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 17530

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Nichtannahmebeschluss: Umfassendes, strafbewehrtes Verbot der Verwendung von Kennzeichen eines verbotenen Vereins durch "Schwestervereine" (etwa nicht …


Referenzen
Wird zitiert von

3 StR 364/16

Zitiert

3 StR 33/15

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