Bundessozialgericht, Beschluss vom 01.03.2018, Az. B 8 SO 63/17 B

8. Senat | REWIS RS 2018, 13022

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache - Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage - höchstrichterliche Klärung - Sozialhilfe - Nothilfe - zeitliche Begrenzung des Nothelferanspruchs


Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 22. Juni 2017 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. Im Streit ist ein Anspruch der Klägerin auf Erstattung von Aufwendungen als [X.]in.

2

Am 22.10.2011, einem Samstag, wurde der [X.] Staatsbürger [X.] ([X.]) mit schweren Brandverletzungen, einem [X.] und einer Alkoholintoxikation zur stationären Behandlung in der Klinik für Intensivmedizin der Klägerin (einer Anstalt des öffentlichen Rechts) aufgenommen und - nach Verlegung in eine andere Klinik der Klägerin am 7.11.2011 - am 10.11.2011 entlassen. [X.] gab gegenüber dem Sozialdienst der Klägerin an, er verfüge über keinen Wohnsitz, sei nicht krankenversichert und mittellos. Am 25.10.2011, einem Dienstag, teilte die Klägerin der Beklagten die stationäre Aufnahme des [X.] mit und beantragte die Übernahme der Kosten für die Krankenhausbehandlung, die sie nach [X.] auf der Grundlage einer Fallpauschale auf 97 107,20 Euro bezifferte (Rechnung vom 16.11.2011).

3

Die Beklagte lehnte die Kostenübernahme ab (Bescheid vom 19.12.2011; Widerspruchsbescheid vom [X.]). Das Sozialgericht ([X.]) [X.] hat die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 97 107,20 Euro zu zahlen (Urteil vom 6.2.2015). Im Berufungsverfahren hat die Klägerin ihr Begehren auf Behandlungskosten von 20 443,60 Euro für die [X.] vom 22. bis 25.10.2011 beschränkt und ein Teilanerkenntnis der Beklagten in Höhe von 10 221,81 Euro für die Kosten am 22. und 23.10.2011 angenommen. Das [X.] ([X.]) hat das Urteil des [X.] abgeändert und die Klage auf Erstattung (weiterer) 10 221,79 Euro abgewiesen (Urteil vom 22.6.2017). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das [X.] ausgeführt, ein Eilfall iS des § 25 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - ([X.]B XII) sei am 24.10.2011 (Montag) entfallen, weil die Klägerin der an diesem Tag dienstbereiten Beklagten keine Kenntnis vom [X.] verschafft und damit ihre Obliegenheiten verletzt habe. Dieser Tag sei nicht dem [X.]raum des § 25 [X.]B XII zuzurechnen, sondern dem [X.]raum des Entstehens eines möglichen Anspruchs des Hilfebedürftigen gegen den Sozialhilfeträger.

4

Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Nichtzulassungsbeschwerde und macht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage geltend, "ob der Tag der Kenntniserlangung durch den Träger der Sozialhilfe bzw. der Obliegenheitsverletzung durch den [X.] noch dem [X.]raum der Nothilfe gem. § 25 [X.]B XII oder dem Anspruch des Patienten bzw. Hilfebedürftigen gem. § 48 [X.]B XII zuzuordnen ist". Die Beantwortung dieser Frage lasse sich weder dem Gesetz entnehmen noch sei sie bereits durch das B[X.] entschieden worden. Die Auffassung des [X.] hätte zur Konsequenz, dass bei Kenntniserlangung des Trägers der Sozialhilfe am Aufnahmetag oder einer Obliegenheitsverletzung des Krankenhausträgers im Verlauf dieses Tages ein Anspruch als [X.] vollständig ausgeschlossen sei und die bis dahin erbrachten Leistungen, die mit einer Fallpauschale abzugelten seien, entwertet würden.

5

II. Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet, die allein geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache liegt nicht vor.

6

Grundsätzliche Bedeutung iS des § 160 Abs 2 [X.] ([X.]G) hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Die von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig. Die Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage iS des § 160 Abs 2 [X.] [X.]G ist nicht gegeben, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, sich zB unmittelbar aus dem Gesetz ergibt oder bereits höchstrichterlich geklärt ist (zur Verneinung der Klärungsbedürftigkeit im Falle klarer Antwort zB B[X.] [X.] 3-1500 § 146 [X.]; B[X.] [X.] 3-2500 § 75 [X.]; B[X.] [X.] 3-1500 § 160a [X.]). Als höchstrichterlich geklärt ist eine Rechtsfrage auch dann anzusehen, wenn das Revisionsgericht bzw das [X.] ([X.]) diese zwar noch nicht ausdrücklich entschieden hat, jedoch schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von dem Beschwerdeführer als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (vgl B[X.] [X.] 3-1500 § 160 [X.]; B[X.] Beschluss vom 24.1.2018 - B 13 [X.]/14 B - [X.]). So liegt der Fall hier. Die Antwort auf die von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage ergibt sich aus der bisherigen Rechtsprechung des Senats zur Nothilfe, ohne dass es der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedürfte.

7

Der Senat hat für die Fälle einer vom [X.] durchgeführten Krankenhausbehandlung, die in einem nach dem [X.] - ([X.]B V) zugelassenen Krankenhaus auch für Leistungsberechtigte nach dem [X.]B XII mit einer Fallpauschale vergütet wird (vgl § 109 Abs 4 Satz 3 [X.]B V idF des Fallpauschalengesetzes vom [X.] - [X.] 1412 - iVm § 7 Krankenhausentgeltgesetz, § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz, jeweils in den Normfassungen des [X.] vom 15.12.2004 - [X.] 3429), entschieden, dass dem Krankenhausträger als [X.] als erstattungsfähige Aufwendungen "in gebotenem Umfang" nur ein tagesbezogener Anteil an der Fallpauschale zusteht, wenn ein Eilfall während dieser Behandlung endet (B[X.] Urteil vom 18.11.2014 - [X.] [X.] 9/13 R -, B[X.]E 117, 261 = [X.]-3500 § 25 [X.]). Dabei hat der Senat bezogen auf die Höhe der Erstattung "in gebotenem Umfang" unmittelbar keine Stellung zu der von der Klägerin nunmehr aufgeworfenen Frage genommen, wie es sich mit Aufwendungen verhält, die an dem Tag anfallen, an dem der [X.] seiner Obliegenheit, den (wieder) dienstbereiten Sozialhilfeträger zu unterrichten, nachkommt (bzw nachkommen könnte).

8

Diese Frage beantwortet sich aber aus der übrigen Rechtsprechung des Senats zu § 25 Satz 1 [X.]B XII zwingend, wonach der Anspruch des [X.] in Abgrenzung zum Anspruch des Leistungsberechtigten nur dann besteht, wenn der Sozialhilfeträger keine Kenntnis vom Leistungsfall hat und ein Anspruch des Hilfebedürftigen gegen den Sozialhilfeträger (nur) deshalb nicht entsteht. Die Kenntnis des Sozialhilfeträgers (vgl § 18 [X.]B XII) bildet insoweit die Zäsur für die sich gegenseitig ausschließenden Ansprüche des [X.] und des Leistungsberechtigten (vgl nur B[X.] Urteil vom 23.8.2013 - [X.] [X.] 19/12 R -, B[X.]E 114, 161 = [X.]-5910 § 121 [X.], Rd[X.]8). Der Senat hat in der Folge entschieden, dass es schon am [X.] eines Hilfebedürftigen in einem Krankenhaus am sozialhilferechtlichen Moment eines Eilfalls iS des § 25 Satz 1 [X.]B XII fehlt, wenn [X.] zur Unterrichtung des zuständigen Sozialhilfeträgers verbleibt, um zunächst dessen Entschließung über eine Gewährung der erforderlichen Hilfe abzuwarten bzw um die Voraussetzungen für die Gewährung von Sozialhilfe zu schaffen (bei Aufnahme an einem Dienstag um 10:34 Uhr vgl B[X.] Urteil vom 12.12.2013 - [X.] [X.] 13/12 R - juris, Rd[X.]7). Besteht aber ein Anspruch des Leistungsberechtigten, sieht der Gesetzgeber auch dann keinen Raum für eine Erstattung von Aufwendungen des [X.] auf Grundlage des § 25 [X.]B XII, wenn dieser die entstandenen Kosten letztlich deshalb nicht erhält, weil der Leistungsberechtigte die Leistung tatsächlich nicht in Anspruch nimmt (vgl B[X.] Urteil vom 30.10.2013 - [X.] [X.] R - B[X.]E 114, 292 = [X.]-3500 § 25 [X.], Rd[X.]9). Ein (weitergehender) Anspruch als [X.] (neben Ansprüchen des Leistungsberechtigten) entsteht auch in diesen Fällen nicht allein dadurch, dass der [X.] seinerseits ohne Verletzung von Obliegenheiten gehandelt hat. Aus der Begründung des Senats für die Aufteilung einer Fallpauschale "pro rata temporis" bei der Bestimmung der Höhe des Anspruchs ergibt sich nichts anderes. Es soll insoweit auch ein Anreiz für den [X.] verbleiben, seiner Obliegenheit entsprechend den Sozialhilfeträger möglichst schnell vom Eilfall zu unterrichten (vgl B[X.]E 117, 261 = [X.]-3500 § 25 [X.], Rd[X.]1).

9

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 [X.]G.

Meta

B 8 SO 63/17 B

01.03.2018

Bundessozialgericht 8. Senat

Beschluss

Sachgebiet: SO

vorgehend SG Aachen, 6. Februar 2015, Az: S 19 SO 62/13, Urteil

§ 160a Abs 1 S 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 25 S 1 SGB 12

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 01.03.2018, Az. B 8 SO 63/17 B (REWIS RS 2018, 13022)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 13022

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