Bundesgerichtshof, Beschluss vom 31.07.2018, Az. 4 StR 282/18

4. Strafsenat | REWIS RS 2018, 5277

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Gegenstand

Strafbefreiender Rücktritt vom versuchten Mord: Anforderungen an die Erörterung des Rücktrittshorizonts des Täters in den Urteilsfeststellungen


Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 16. Februar 2018 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und vorsätzlichem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr (zur Herbeiführung eines Unglücksfalls) zu der Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt; ferner hat es Maßnahmen nach den §§ 69, 69a StGB angeordnet. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg.

2

1. Die Verurteilung des Angeklagten wegen versuchten Mordes hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Das [X.] hat mit rechtsfehlerhafter Begründung einen Rücktritt vom Versuch gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 StGB abgelehnt. Es hat gemeint, die Voraussetzungen eines strafbefreienden Rücktritts vom versuchten Mord lägen nicht vor, weil es sich um einen beendeten Versuch handele.

3

Diese knappen Ausführungen des [X.]s zum Rücktritt vom versuchten [X.] an einem durchgreifenden Erörterungsmangel. Denn das Schwurgericht setzt sich nicht mit dem Vorstellungsbild des Angeklagten nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung – dem sogenannten Rücktrittshorizont – auseinander. Soweit sich den Urteilsfeststellungen das entsprechende Vorstellungsbild des Angeklagten, das zur revisionsrechtlichen Prüfung des Vorliegens eines freiwilligen Rücktritts vom Versuch unerlässlich ist, nicht hinreichend entnehmen lässt, kann das Urteil einer sachlich-rechtlichen Überprüfung nicht standhalten (vgl. [X.], Beschlüsse vom 7. März 2018 – 1 [X.], NStZ-RR 2018, 169; vom 23. August 2017 – 5 StR 303/17, NStZ-RR 2018, 10; vom 23. November 2016 – 4 StR 471/16, [X.], 550; vom 11. März 2014 – 1 [X.], [X.], 396; vom 29. September 2011 – 3 [X.], [X.], 263 und vom 11. Februar 2003 – 4 StR 8/03, [X.], 206; Urteil vom 19. März 2013 – 1 [X.], [X.], 273).

4

Im vorliegenden Fall hat das [X.] nicht erörtert, ob der den [X.] verlassende Angeklagte nach seinem Vorstellungsbild noch weitere Ausführungshandlungen ohne Unterbrechung des unmittelbaren Handlungsfortgangs hätte vornehmen können. Das Urteil teilt lediglich mit, dass der Angeklagte schnell davonfuhr, nachdem er den mit dem Fahrrad in die Kreuzung [X.] in [X.]    eingefahrenen neuen Freund seiner ehemaligen Partnerin absichtlich angefahren, auf die Motorhaube aufgeladen und nach einem Aufprall gegen die Windschutzscheibe auf den Boden geschleudert hatte. Damit bleibt nach den Urteilsfeststellungen unklar, ob der Angeklagte von [X.] ausging, mithin, ob es sich aus seiner Sicht um einen fehlgeschlagenen, beendeten oder unbeendeten Versuch handelte. Mangels dahingehender Ausführungen im Urteil ist es nicht ausgeschlossen, dass der Angeklagte nach seinem Vorstellungsbild im unmittelbaren [X.] an die Kollision noch weitere Ausführungshandlungen hätte vornehmen können, anstatt sogleich den [X.] zu verlassen (vgl. dazu auch [X.], Beschluss vom 7. März 2018, aaO). Das Fehlen entsprechender Feststellungen und Erörterungen steht einer abschließenden Prüfung durch das Revisionsgericht entgegen.

5

2. Der dargelegte Rechtsfehler nötigt zur Aufhebung des Urteils mit den Feststellungen. Die Aufhebung umfasst auch die Verurteilung wegen der hiermit in Tateinheit stehenden weiteren Gesetzesverletzungen (vgl. [X.] in [X.], 7. Aufl., § 353 Rn. 12).

Sost-Scheible     

      

Roggenbuck     

      

Cierniak

      

Bender     

      

Quentin     

      

Meta

4 StR 282/18

31.07.2018

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Münster, 16. Februar 2018, Az: 2 Ks 15/17

§ 23 StGB, § 24 StGB, § 211 StGB, § 267 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 31.07.2018, Az. 4 StR 282/18 (REWIS RS 2018, 5277)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 5277

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Zitiert

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1 StR 735/13

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