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Versuchter Totschlag: Freiwilligkeit des Rücktritts vom Versuch bei Flucht nach Kenntniserlangung von der Verständigung der Polizei seitens eines Dritten
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 7. November 2017 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.
Das [X.] hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision, die vollumfänglich Erfolg hat (§ 349 Abs. 4 StPO).
I.
Die Ausführungen des [X.]s zum Rücktritt vom versuchten Totschlag halten einer revisionsgerichtlichen Überprüfung nicht stand.
1. Das [X.] hat insoweit festgestellt, dass der mit bedingtem Tötungsvorsatz handelnde und zum Tatzeitpunkt erheblich alkoholisierte Angeklagte dem Geschädigten [X.] mit einem Teppichmesser eine etwa 15 cm lange, stark blutende Schnittverletzung am linken Halsbereich zufügte. Der abstrakt lebensgefährliche Schnitt durchtrennte die oberen Hautschichten und reichte bis in das Unterhautfettgewebe hinein. Nach diesem Schnitt versuchte der Angeklagte weiter auf den körperlich überlegenen Geschädigten in lebensgefährdender Weise einzustechen. Dies gelang ihm jedoch nicht, weil sich der Geschädigte [X.] zu diesem [X.]punkt in einer Hecke befand und Hände sowie Äste schützend vor sich hielt. Der Angeklagte ließ sodann von weiteren Angriffen mit dem Messer ab, nachdem ein auf das Geschehen aufmerksam gewordener Anwohner rief, dass er die Polizei verständigt habe und die am [X.] anwesenden Zeugen E. und [X.] den Angeklagten verbal und auch durch Wegziehen von weiteren Stichen abhielten. Anschließend entschloss sich der Angeklagte zu fliehen und verließ den [X.].
2. Im Hinblick auf dieses Geschehen hat das [X.] ausgeführt, dass die Voraussetzungen eines strafbefreienden Rücktritts vom versuchten Totschlag nicht vorlägen (§ 24 Abs. 1 Satz 1 StGB). Denn der Angeklagte, der im weiteren Verlauf von dem Geschädigten abgelassen habe, obwohl er noch nicht von dessen sicherem Tod habe ausgehen können, habe die weitere Tatausführung nicht freiwillig aufgegeben. Zum einen sei er von den Zeugen E. und [X.] daran gehindert worden und zum anderen habe er mitbekommen, dass zwischenzeitlich die Polizei verständigt worden sei, mit deren Eintreffen vor Ort in Kürze zu rechnen gewesen sei. Dem Angeklagten sei deshalb klar gewesen, dass er ohne sofortige Flucht Gefahr laufe, noch am [X.] festgenommen zu werden.
3. Die knappen Ausführungen des [X.]s zum Rücktritt vom versuchten Totschlag leiden an einem durchgreifenden Erörterungsmangel. Denn das [X.], das offensichtlich von einem unbeendeten Versuch gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 StGB ausgeht, setzt sich nicht hinreichend mit dem Vorstellungsbild des Angeklagten nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung - dem sogenannten Rücktrittshorizont - auseinander. Soweit sich den Urteilsfeststellungen das entsprechende Vorstellungsbild des Angeklagten, das zur revisionsrechtlichen Prüfung des Vorliegens eines freiwilligen Rücktritts vom Versuch unerlässlich ist, nicht hinreichend entnehmen lässt, kann das Urteil einer sachlich-rechtlichen Überprüfung nicht standhalten (vgl. [X.], Beschlüsse vom 23. August 2017 - 5 StR 303/17, NStZ-RR 2018, 10; vom 23. November 2016 - 4 StR 471/16, [X.], 550; vom 11. März 2014 - 1 StR 735/13, [X.], 396; vom 29. September 2011 - 3 [X.], [X.], [X.] vom 11. Februar 2003 - 4 StR 8/03, [X.], 206; Urteil vom 19. März 2013 - 1 [X.], [X.], 273).
4. Im vorliegenden Fall hat das [X.] nicht erörtert, ob der den [X.] verlassende Angeklagte nach seinem Vorstellungsbild noch weitere Ausführungshandlungen ohne Unterbrechung des unmittelbaren Handlungsfortgangs hätte vornehmen können, nachdem ihn die in seinem Lager stehenden Zeugen E. und [X.] , bei denen es sich um einen Freund und seinen jüngeren Bruder handelte, zunächst verbal und durch Wegziehen von weiteren Stichen abhielten. Auch hat das [X.] für das Vorstellungsbild des Angeklagten bedeutsame konkrete Feststellungen zum objektiven Geschehen, insbesondere zum Eingreifen der Zeugen, zum Verbleib der Tatwaffe nach deren Eingreifen, zur Position der jeweiligen Beteiligten und zur genauen zeitlichen Abfolge nicht getroffen. Nach den bisherigen Feststellungen ist jedenfalls nicht sicher ausgeschlossen, dass der Angeklagte auch nach Eingreifen der genannten Zeugen nach seinem Vorstellungsbild noch weitere Ausführungshandlungen hätte vornehmen können, bevor er sich entschloss, den [X.] zu verlassen (vgl. dazu auch [X.], Beschluss vom 22. August 2017 - 3 [X.], [X.], 335). In Anbetracht der Gesamtumstände und unter Berücksichtigung der obigen Maßstäbe mussten sich dem [X.] derartige Erörterungen jedoch aufdrängen. Das Fehlen entsprechender Feststellungen und Erörterungen steht einer abschließenden Prüfung durch das Revisionsgericht entgegen.
5. Der dargelegte Rechtsfehler nötigt zur Aufhebung des Urteils mit den Feststellungen. Die Aufhebung erfasst auch die für sich genommen rechtsfehlerfreie Verurteilung wegen tateinheitlich begangener gefährlicher Körperverletzung ([X.], Beschluss vom 12. Januar 2017 - 1 [X.], [X.], 672; Urteile vom 17. Juli 2014 - 4 StR 158/14, [X.], 569 und vom 20. Februar 1997 - 4 [X.], [X.]R StPO § 353 Aufhebung 1).
II.
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
1. Der Annahme von Freiwilligkeit im Sinne des § 24 Abs. 1 StGB steht es nicht von vornherein entgegen, dass der Anstoß zum Umdenken von außen kommt oder die Abstandnahme von der Tat erst nach dem Einwirken eines [X.] erfolgt. Entscheidend ist vielmehr, dass der Täter die Tatvollendung aus selbstgesetzten Motiven nicht mehr erreichen will und dementsprechend „Herr seiner Entschlüsse“ geblieben ist ([X.], Beschlüsse vom 24. Oktober 2017 - 1 StR 393/17 und vom 3. April 2014 - 2 StR 643/13,NStZ-RR 2014, 241 mwN).
2. Die Verständigung der Polizei und die Kenntnis des Angeklagten davon rechtfertigen für sich genommen weder die Annahme eines fehlgeschlagenen Versuchs, noch stehen sie grundsätzlich einer Freiwilligkeit im Sinne des § 24 Abs. 1 Satz 1 StGB entgegen, da ein Täter in der [X.] bis zum Eintreffen derselben grundsätzlich noch ungehindert weitere Ausführungshandlungen vornehmen kann, ohne dass damit für ihn eine beträchtliche Risikoerhöhung verbunden sein muss (vgl. auch [X.], Beschluss vom 24. Oktober 2017 - 1 StR 393/17; zu einer beträchtlichen Risikoerhöhung [X.], Urteil vom 15. September 2005 - 4 [X.], [X.], 168, [169]; Beschluss vom 19. Dezember 2006 - 4 StR 537/06, [X.], 265, [266]).
3. In Anbetracht der Versagung der Strafrahmenmilderung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB durch das [X.] weist der Senat darauf hin, dass nach der geänderten Rechtsprechung des [X.] eine Gesamtwürdigung aller schuldrelevanten Umstände vorzunehmen ist. Dabei kann eine selbstverschuldete Trunkenheit die Versagung der Milderung im Einzelfall selbst dann tragen, wenn eine vorhersehbare signifikante Erhöhung des Risikos der Begehung von Straftaten aufgrund der persönlichen und situativen Verhältnisse des Einzelfalls nicht festgestellt ist ([X.], Beschluss vom 24. Juli 2017 - [X.], NJW 2018, 1180).
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07.03.2018
Bundesgerichtshof 1. Strafsenat
Beschluss
Sachgebiet: StR
vorgehend LG Hof, 7. November 2017, Az: 1 Ks 21 Js 4851/17
§ 22 StGB, § 23 StGB, § 24 Abs 1 StGB, § 212 StGB
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 07.03.2018, Az. 1 StR 83/18 (REWIS RS 2018, 12711)
Papierfundstellen: REWIS RS 2018, 12711
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
1 StR 83/18 (Bundesgerichtshof)
5 StR 75/20 (Bundesgerichtshof)
Rücktritt vom Tötungsversuch: Merkmal der Freiwilligkeit
1 StR 646/18 (Bundesgerichtshof)
Beweiswürdigung im Zusammenhang mit dem Rücktritt vom versuchten Totschlag
1 StR 330/22 (Bundesgerichtshof)
Versuchter Totschlag: Freiwilligkeit des Rücktritts
6 StR 332/22 (Bundesgerichtshof)
Versuchter Totschlag: Freiwilligkeit des Rücktritts vom Versuch