Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 19.01.2010, Az. 1 ABR 55/08

1. Senat | REWIS RS 2010, 10266

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Versetzung - Unterlassungsantrag - Streitgegenstand


Leitsatz

Der Streitgegenstand eines Beschlussverfahrens, in dem der Betriebsrat den Arbeitgeber auf die künftige Unterlassung von mitbestimmungswidrig durchgeführten Versetzungen in Anspruch nimmt, bestimmt sich nach dem zur Entscheidung gestellten Antrag und dem zu seiner Begründung angeführten Anlassfall. Die diesem zugrunde liegende Verletzungshandlung muss der Betriebsrat in seinem Antrag abstrahierend beschreiben.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats wird der Beschluss des [X.] vom 13. Mai 2008 - 4 [X.] aufgehoben. Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des [X.] vom 11. Oktober 2007 - 11 [X.] - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor des Arbeitsgerichts zu Ziffer 1, wie folgt neu gefasst wird:

Der Arbeitgeberin wird es für jeden Fall der Zuwiderhandlung unter Androhung eines Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 10.000,00 Euro untersagt, Arbeitnehmer in einer anderen Filiale ohne vorherige Beteiligung des Betriebsrats zu beschäftigen, wenn der Einsatz voraussichtlich die Zeitdauer von einem Monat überschreiten soll, es sei denn, die Arbeitgeberin macht sachliche Gründe, die eine solche Maßnahme dringend erforderlich machen, geltend und leitet, falls der Betriebsrat dies bestreitet, hiernach innerhalb von drei Tagen das arbeitsgerichtliche Verfahren nach § 100 BetrVG ein.

Gründe

1

A. Die [X.]eteiligten streiten über einen Anspruch auf Unterlassung bestimmter personeller Einzelmaßnahmen.

2

Die Arbeitgeberin erbringt Finanzdienstleistungen. Antragsteller ist der aufgrund eines [X.] für den [X.] gebildete [X.]etriebsrat. Dieser leitete seit Ende 2004 beim [X.] eine Vielzahl von [X.]eschlussverfahren ein, in denen er jeweils von der Arbeitgeberin die Unterlassung von [X.] durchgeführten Versetzungen verlangte. Die [X.]eteiligten schlossen zwischen dem 3. Mai 2005 und dem 24. Oktober 2005 in elf [X.]eschlussverfahren gerichtliche Vergleiche. In diesen räumte die Arbeitgeberin eine Verletzung des Mitbestimmungsrechts des [X.]etriebsrats bei Versetzungen nach §§ 99 f. [X.]etrV[X.] ein und/oder erklärte, das Mitbestimmungsrecht in Zukunft wahren zu wollen. Der [X.]etriebsrat leitete bis Anfang 2006 aufgrund weiterer [X.] aus dem [X.] insgesamt zehn Verfahren ein, in denen er die künftige Unterlassung von [X.] vorgenommenen Versetzungen beantragte. Diese Verfahren wurden - wie zwei andere Verfahren aus dem [X.] - nach der Verkündung der erstinstanzlichen Entscheidung im vorliegenden Verfahren ausgesetzt.

3

Die Arbeitgeberin beantragte am 21. März 2005 die Zustimmung des [X.]etriebsrats zu einer vom 21. März 2005 bis zum 30. Juni 2005 befristeten Versetzung der Arbeitnehmerin [X.] von der Filiale [X.] in die Filiale [X.] Diesem Antrag stimmte der [X.]etriebsrat nur für die [X.] bis zum 19. Juni 2005 zu. Die Arbeitgeberin beschäftigte Frau [X.] über den 30. Juni 2005 hinaus zunächst in der Filiale [X.] weiter. In der [X.] vom 22. bis zum 28. August 2005 war Frau [X.] in der Filiale [X.] tätig. Mit Schreiben vom 30. August 2005 beantragte die Arbeitgeberin die Zustimmung des [X.]etriebsrats für den Einsatz von Frau [X.] in der Filiale [X.] für die [X.] vom 20. Juni 2005 bis zum 31. Oktober 2005. Diesem Antrag stimmte der [X.]etriebsrat zu und leitete anschließend erneut ein [X.]eschlussverfahren mit dem Ziel ein, die Arbeitgeberin zukünftig zur Unterlassung von [X.] vorgenommenen Versetzungen anzuhalten. In der Antragsschrift stützte er sein [X.]egehren auf seine unterbliebene [X.]eteiligung bei dem Einsatz von Frau [X.] in der Filiale [X.]. Das [X.] wies den Unterlassungsantrag durch [X.]eschluss vom 4. April 2007 (- 22 [X.] -) als unbegründet zurück. Die hiergegen eingelegte [X.]eschwerde des [X.]etriebsrats nahm dieser mit Schriftsatz vom 4. Februar 2008 zurück.

4

Die zuständige [X.] beabsichtigte Anfang März 2007 einen „Ringtausch“ der in ihren Filialen in [X.], [X.] und [X.] eingesetzten [X.]eamten [X.] und [X.]a sowie der Arbeitnehmerin [X.] vorzunehmen. Anlass hierfür war, dass sich [X.]err [X.] mit der Führung der [X.] in der Filiale [X.] überfordert fühlte und auf seine Umsetzung drängte. [X.]err [X.] sollte zunächst vom 1. April 2007 bis zum 30. Juni 2007 in der Filiale [X.] eingesetzt werden und Frau [X.]o von [X.] nach [X.] sowie Frau [X.]a von [X.] nach [X.] umgesetzt werden.

5

Die [X.] unterrichtete die Personalabteilung der Arbeitgeberin am 12. März 2007 über den beabsichtigten Wechsel der [X.]. Da der Antrag nach Ansicht der Personalabteilung in der nächsten turnusmäßigen [X.]etriebsratssitzung nicht mehr behandelt werden konnte, sollten die Maßnahmen nach der [X.]etriebsratsvorlage vom 14. März 2007 erst ab dem 16. April 2007 vorgenommen werden. Tatsächlich führte sie der zuständige Regionalgebietsleiter [X.]i bereits am 19. März 2007 durch.

6

Der [X.]etriebsrat hat - soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren noch von [X.]edeutung - zuletzt beantragt,

        

der Arbeitgeberin unter Androhung eines Ordnungsgeldes in [X.]öhe von bis zu 10.000,00 Euro für jeden Fall der Zuwiderhandlung aufzugeben, es zu unterlassen ohne vorherige erteilte, als erteilt geltende oder gerichtlich ersetzte Zustimmung des [X.]etriebsrats Versetzungen von Mitarbeitern der Arbeitgeberin von einer Filiale zu einer anderen Filiale vorzunehmen, es sei denn, die Arbeitgeberin macht sachliche [X.]ründe, die eine Versetzung dringend erforderlich machen, geltend und leitet, falls der [X.]etriebsrat dies bestreitet, hiernach innerhalb von drei Tagen das arbeitsgerichtliche Verfahren nach § 100 [X.]etrV[X.] ein.

7

Die Arbeitgeberin hat beantragt, den Antrag abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, aufgrund der von [X.]errn [X.] geäußerten dringenden [X.]itte nach einer Umsetzung habe aus Sicht des Regionalgebietsleiters ein [X.]otfall vorgelegen, der zum Wegfall der [X.]eteiligungspflicht nach § 99 [X.]etrV[X.] geführt habe.

8

Das Arbeitsgericht hat dem Unterlassungsantrag des [X.]etriebsrats entsprochen. Das [X.]andesarbeitsgericht hat ihn abgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der [X.]etriebsrat seinen Unterlassungsantrag weiter.

9

[X.]. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Das [X.]andesarbeitsgericht hat den allein noch anhängigen Unterlassungsantrag des [X.]etriebsrats zu Unrecht abgewiesen. Der [X.]etriebsrat kann verlangen, dass es die Arbeitgeberin unterlässt, ohne seine vorherige [X.]eteiligung Arbeitnehmer in einer anderen Filiale zu beschäftigen, wenn deren Einsatz voraussichtlich die [X.]dauer von einem Monat überschreiten soll und die Voraussetzungen für die vorläufige Durchführung nach § 100 [X.]etrV[X.] nicht vorliegen.

I. Der Antrag ist zulässig.

1. Der Antrag bedarf der Auslegung.

[X.]ach seinem Wortlaut ist er darauf gerichtet, dass es die Arbeitgeberin unter den im Antrag genannten [X.]edingungen unterlassen soll, Arbeitnehmer von einer Filiale zu einer anderen Filiale zu versetzen. Damit würden auch solche personelle Maßnahmen erfasst werden, bei denen die Arbeitgeberin ein Zustimmungsverfahren nach § 99 Abs. 1 Satz 1 [X.]etrV[X.] eingeleitet hat und bei denen der Wechsel der [X.] die Dauer von einem Monat voraussichtlich nicht überschreiten soll. Ein solches Antragsverständnis würde dem [X.]egehren des [X.]etriebsrats jedoch nicht gerecht. Dieser hat sich zur [X.]egründung seines Antrags auf seine unterbliebene [X.]eteiligung bei den gegenüber den Mitarbeitern [X.], [X.]o und [X.]a ab dem 19. März 2007 durchgeführten personellen Maßnahmen berufen. Diese waren dadurch gekennzeichnet, dass die genannten [X.]eschäftigten ohne vorherige Zustimmung des [X.]etriebsrats für einen [X.]raum von mehr als einen Monat in einer anderen Filiale beschäftigt werden sollten. [X.]ach der vom [X.]etriebsrat angeführten Anlasshandlung war sein Antragsziel daher von vornherein auf eine Verurteilung der Arbeitgeberin beschränkt, die es ihr untersagt, eine solche personelle Maßnahme ohne seine vorherige [X.]eteiligung durchzuführen, sofern die Voraussetzungen nach § 100 [X.]etrV[X.] nicht vorliegen. Dies hat der [X.]etriebsrat in der Anhörung vor dem Senat ausdrücklich klargestellt.

2. Mit diesem Inhalt ist der Antrag hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 [X.]r. 2 ZPO und ggf. vollstreckungsfähig gem. § 85 Abs. 1 Satz 1, Satz 3 Arb[X.][X.] iVm. § 888 Abs. 1 Satz 1 ZPO. [X.]ei einer dem Antrag stattgebenden Entscheidung kann die Arbeitgeberin eindeutig erkennen, welcher [X.]andlungen sie sich enthalten soll und wann sie wegen eines Verstoßes mit der Verhängung eines Ordnungsgeldes rechnen muss.

3. Entgegen der Ansicht des [X.]andesarbeitsgerichts steht dem Antrag der Einwand der Rechtskraft nicht entgegen.

a) [X.]ach dem auch im arbeitsgerichtlichen [X.]eschlussverfahren anwendbaren § 322 Abs. 1 ZPO sind [X.]eschlüsse der Rechtskraft fähig, soweit über den durch den Antrag erhobenen Anspruch entschieden ist ([X.]A[X.] 6. Juni 2000 - 1 A[X.]R 21/99 - zu [X.] II 1 der [X.]ründe mw[X.], [X.]A[X.]E 95, 47). Die materielle [X.] solcher [X.]eschlüsse hindert grundsätzlich, dass bei Identität der [X.]eteiligten und des Sachverhalts die bereits rechtskräftig entschiedene Frage den [X.]erichten zur erneuten Entscheidung unterbreitet werden kann. Der [X.]egriff des Anspruchs in § 322 Abs. 1 ZPO bezeichnet den prozessualen Anspruch im Sinne der Streitgegenstandslehre. Die objektiven [X.]renzen der Rechtskraft des Entscheidungsgegenstandes werden durch den Streitgegenstand des vorangehenden Verfahrens bestimmt ([X.]A[X.] 20. März 1996 - 7 A[X.]R 41/95 - zu [X.] II 2 der [X.]ründe, [X.]A[X.]E 82, 291). Dieser richtet sich nach dem zur Entscheidung gestellten Antrag ([X.]lageziel) und dem zugehörigen [X.]ebenssachverhalt ([X.]lagegrund), aus dem die begehrte Rechtsfolge hergeleitet wird ([X.]A[X.] 1. Februar 1983 - 1 A[X.]R 33/78 - zu [X.] II 1 der [X.]ründe, [X.]A[X.]E 41, 316). Zur [X.] gehört auch die Präklusion der im vorangegangenen Verfahren vorgetragenen Tatsachen. Diese erstreckt sich auch auf die dort nicht vorgetragenen Tatsachen, sofern diese nicht erst nach Schluss der Anhörung im Erstverfahren entstanden sind, sondern bei natürlicher Anschauung zu dem in diesem vorgetragenen [X.]ebenssachverhalt gehören ([X.][X.][X.] 19. [X.]ovember 2003 - [X.]/03 - [X.][X.][X.]Z 157, 47, 51 mw[X.]). Dabei sind Tatbestand und Entscheidungsgründe, erforderlichenfalls auch das [X.]vorbringen, ergänzend heranzuziehen, wenn die Urteilsformel, wie insbesondere bei einer klageabweisenden Entscheidung, den Streitgegenstand und damit den Umfang der Rechtskraft nicht erkennen lässt ([X.][X.][X.] 23. September 1992 - I [X.] - [X.]JW 1993, 333, 334).

b) [X.]ei einem Unterlassungsantrag besteht die begehrte Rechtsfolge in dem Verbot einer bestimmten - als rechtswidrig angegriffenen - Verhaltensweise (Verletzungsform), die der Antragsteller in seinem Antrag abstrahierend beschreiben muss. Die Rechtskraft der vorangegangenen Entscheidung wird durch den [X.]lageantrag und die vom Antragsteller vorgetragene und vom [X.]ericht dieser Entscheidung zugrunde gelegte Verletzungshandlung begrenzt. Diese stellt den [X.]lagegrund dar, durch den der Streitgegenstand der Unterlassungsklage neben dem [X.]lageziel bestimmt wird. Mehrere in das Verfahren eingeführte gleichartige Verletzungshandlungen, auf die ein Unterlassungsantrag mit einem bestimmten Antragsziel gestützt wird, bilden dabei einen einheitlichen [X.]lagegrund. In Rechtskraft erwächst der in die Zukunft gerichtete Verbotsausspruch nicht als solcher, sondern nur in seinem [X.]ezug auf die vom [X.]ericht festgestellte(n) Verletzungshandlung(en) ([X.][X.][X.] 23. Februar 2006 - I ZR 272/02 - [X.][X.][X.]Z 166, 253, 258 ff.).

c) Der Streitgegenstand des Verfahrens - 22 [X.] -, über den das Arbeitsgericht in seinem [X.]eschluss vom 4. April 2007 entschieden hat, ist nicht mit dem des vorliegenden Verfahrens identisch. Der [X.]etriebsrat kann sich daher zur [X.]egründung seines Antrags auf seine unterbliebene [X.]eteiligung bei den gegenüber den [X.]eschäftigten [X.], [X.]o und [X.]a ab dem 19. März 2007 durchgeführten personellen Maßnahmen berufen, obwohl die maßgeblichen Tatsachen bereits vor der Anhörung im Verfahren - 22 [X.] - entstanden sind.

aa) Der [X.]etriebsrat hat seinen Unterlassungsantrag im Erstverfahren auf seine unterbliebene [X.]eteiligung bei dem Einsatz der Arbeitnehmerin [X.] in der Filiale [X.] in der [X.] vom 22. bis zum 28. August 2005 gestützt. Diese Anlasshandlung war dadurch gekennzeichnet, dass die Arbeitnehmerin für einen [X.]raum von weniger als einem Monat in einer anderen Filiale beschäftigt war, ohne dass die Arbeitgeberin dafür die Zustimmung des [X.]etriebsrats beantragt hat oder die Voraussetzungen für die vorläufige Durchführung nach § 100 [X.]etrV[X.] vorlagen. Der [X.]etriebsrat hat hierin einen Verstoß gegen sein [X.]eteiligungsrecht aus § 99 Abs. 1 Satz 1 [X.]etrV[X.] gesehen, wobei er offensichtlich davon ausgegangen ist, dass der kurzfristige Einsatz in der Filiale [X.] die Voraussetzungen des § 95 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. [X.]etrV[X.] erfüllt. Sein Antragsziel in dem Verfahren - 22 [X.] - war nach dem angeführten [X.]lagegrund darauf gerichtet, der Arbeitgeberin den kurzzeitigen Einsatz von Arbeitnehmern unter den im Antrag genannten [X.]edingungen zu untersagen. Über diesen Streitgegenstand ist das Arbeitsgericht in seinem [X.]eschluss vom 4. April 2007 entgegen der Auffassung des [X.]andesarbeitsgerichts nicht hinausgegangen. In diesem hat es nicht auf ein [X.]esamtverhalten der Arbeitgeberin und die [X.]esamtzahl der gerichtsbekannten Verstöße abgestellt. Es hat vielmehr das Verhalten des [X.]etriebsrats als widersprüchlich angesehen, der einerseits einen mehr als zweimonatigen [X.]en Einsatz von Frau [X.] in der Filiale [X.] rückwirkend genehmigte und andererseits seinen Unterlassungsantrag auf ihre nur wenige Tage andauernde [X.]eschäftigung in der Filiale [X.] gestützt hat.

bb) Zwischen den im Verfahren - 22 [X.] - und im vorliegenden Verfahren geltend gemachten prozessualen Ansprüchen bestand wegen der voneinander abweichenden Antragsziele und der zu ihrer [X.]egründung angeführten Verletzungshandlungen keine Übereinstimmung. Dies hat das [X.]andesarbeitsgericht verkannt. In dem Verfahren - 22 [X.] - hat das Arbeitsgericht entsprechend dem angeführten Anlassfall nur über eine Verletzungsform entschieden, die durch einen kurzzeitigen Wechsel der [X.] gekennzeichnet war. Der im vorliegenden Verfahren zu beurteilende Anlassfall betrifft hingegen eine personelle Maßnahme, die für länger als einen Monat beabsichtigt war. Die in beiden Verfahren gestellten Anträge waren danach trotz ihres nahezu identischen Wortlauts auf unterschiedliche Antragsziele gerichtet. Der Antrag des [X.]etriebsrats in dem Verfahren - 22 [X.] - betraf nach der dem Anlassfall zugrunde liegenden Verletzungshandlung nur die Untersagung eines kurzzeitigen Wechsels der [X.]. Zudem fehlt es an einem einheitlichen [X.]lagegrund. Die in beiden Verfahren zu beurteilenden Verletzungshandlungen waren weder gleich noch gleichartig. Das diesen zugrunde liegende [X.]e Verhalten der Arbeitgeberin wird maßgeblich gekennzeichnet durch die Dauer der beabsichtigten Zuweisung des anderen Arbeitsbereichs. Dies folgt aus den unterschiedlichen Tatbestandsvoraussetzungen der für das [X.]eteiligungsrecht des [X.]etriebsrats maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften. Eine Versetzung iSd. § 99 Abs. 1 Satz 1 [X.]etrV[X.] liegt bei kurzzeitigen Maßnahmen nur vor, wenn sie mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden ist, unter denen die Arbeit zu leisten ist ( § 95 Abs. 3 Satz 1 2. Alt [X.]etrV[X.]) . Fehlt es hieran, ist die Zustimmung des [X.]etriebsrats nur erforderlich, wenn die Zuweisung des anderen Arbeitsbereichs voraussichtlich die Dauer von einem Monat überschreitet ( § 95 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. [X.]etrV[X.] ).

4. Dem Antrag steht das Verfahrenshindernis der Rechtshängigkeit nicht entgegen.

a) [X.]ach dem auch im [X.]eschlussverfahren anwendbaren § 261 Abs. 3 [X.]r. 1 ZPO bewirkt die Rechtshängigkeit einer Streitsache, dass sie von keiner [X.] anderweitig anhängig gemacht werden kann. Dieses Verfahrenshindernis ist in jeder [X.]age des Verfahrens, auch noch in der [X.], von Amts wegen zu beachten. Die zeitlich frühere Rechtshängigkeit eines Verfahrens ist aber nur beachtlich, wenn die Streitgegenstände in dem früheren und dem gegenwärtigen Verfahren identisch sind.

b) Der Senat musste nicht ermitteln, ob die im [X.]inblick auf den vorliegenden Rechtsstreit ausgesetzten Verfahren denselben Streitgegenstand betreffen. [X.] bedeutet keine Amtsermittlung. Die Prüfung von Amts wegen beschränkt sich auf den dem [X.]ericht vorliegenden oder offenkundigen Verfahrensstoff ([X.][X.][X.] 5. [X.]ovember 1975 - [X.]/75 - [X.]JW 1976, 149). [X.]esteht nach dem Vortrag der [X.]eteiligten Anlass zu dem [X.]edenken, es könnte ein Verfahrenshindernis bestehen, kann das [X.]ericht aber zu einem entsprechenden [X.]inweis nach § 139 Abs. 2 ZPO verpflichtet sein ([X.][X.][X.] 20. Januar 1989 - V ZR 173/87 - [X.]JW 1989, 2064, 2065). Die Vorinstanzen haben zwar keine Feststellungen zum Streitgegenstand der ausgesetzten Verfahren getroffen. Einer hierauf gestützten Zurückverweisung bedurfte es aber nicht. Die [X.]eteiligten haben trotz des in der angefochtenen Entscheidung enthaltenen [X.]inweises ihren Vortrag in [X.]ezug auf den Streitgegenstand der ausgesetzten Verfahren nicht ergänzt.

II. Der Antrag ist begründet. Die Arbeitgeberin hat die Arbeitnehmerin [X.]o ohne die erforderliche Zustimmung des [X.]etriebsrats von der Filiale [X.] in die Filiale [X.] versetzt und damit grob gegen ihre Pflicht aus dem [X.]etrV[X.] verstoßen.

1. [X.]ach § 23 Abs. 3 Satz 1 [X.]etrV[X.] kann ua. der [X.]etriebsrat dem Arbeitgeber bei einem groben Verstoß gegen seine Verpflichtungen aus dem [X.]etrV[X.] durch das Arbeitsgericht aufgeben lassen, eine [X.]andlung zu unterlassen.

2. Diese Voraussetzungen liegen vor.

a) Die Arbeitgeberin hat den [X.]etriebsrat bei dem ab dem 19. März 2007 durchgeführten „Ringtausch“ nicht beteiligt. Es kann dahinstehen, ob es sich dabei in [X.]ezug auf die im Rahmen eines [X.]eamtenverhältnisses beschäftigten Mitarbeiter [X.] und [X.]a um eine Maßnahme nach § 76 Abs. 1 [X.]r. 4 oder 5 [X.]PersV[X.] gehandelt hat, bei der sich die [X.]eteiligung des [X.]etriebsrats nicht nach § 99 [X.]etrV[X.], sondern nach § 28 Abs. 1, § 29 Abs. 1 bis 3 PostPersR[X.] richtet (dazu [X.]A[X.] 12. August 1997 - 1 A[X.]R 7/97 - zu [X.] I 2 der [X.]ründe, [X.]A[X.]E 86, 198). Der [X.]etriebsrat war jedenfalls hinsichtlich der Arbeitnehmerin [X.]o nach § 99 Abs. 1 Satz 1, § 95 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. [X.]etrV[X.] zu beteiligen. Die mit dem Wechsel der [X.] verbundene Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs war bis zum 30. Juni 2007 und damit für die Dauer von mehr als einem Monat vorgesehen. Dies wird von der Arbeitgeberin nicht in Frage gestellt; ein Mitbestimmungsrecht des [X.]etriebsrats war somit unzweifelhaft gegeben.

b) Der Pflichtverstoß der Arbeitgeberin war auch grob iSd. § 23 Abs. 3 Satz 1 [X.]etrV[X.].

aa) Ein grober Verstoß des Arbeitgebers gegen seine sich aus dem [X.]etrV[X.] ergebenden Pflichten liegt vor, wenn es sich um eine objektiv erhebliche und offensichtlich schwerwiegende Pflichtverletzung handelt, wobei es auf ein Verschulden nicht ankommt ([X.]A[X.] 29. April 2004 - 1 A[X.]R 30/02 - zu [X.] IV 2 b bb der [X.]ründe, [X.]A[X.]E 110, 252). Allerdings scheidet ein grober Verstoß des Arbeitgebers dann aus, wenn er seine Rechtsposition in einer schwierigen und ungeklärten Rechtsfrage verteidigt ([X.]A[X.] 8. August 1989 - 1 A[X.]R 63/88 - zu [X.] III der [X.]ründe, [X.]A[X.]E 62, 314).

bb) Der Pflichtverstoß der Arbeitgeberin ist objektiv erheblich. Die unterbliebene [X.]eteiligung des [X.]etriebsrats führt dazu, dass dieser über die Ausübung seines Zustimmungsverweigerungsrechts nicht befinden konnte. Die Arbeitgeberin konnte auch nicht ernsthaft in [X.]etracht ziehen, das [X.]eteiligungsrecht sei aufgrund eines [X.]otfalls entfallen. Zwar hat der Senat in seiner bisherigen Rechtsprechung erwogen, dass das Mitbestimmungsrecht des [X.]etriebsrats in Extremsituationen eingeschränkt oder ausgeschlossen sein kann. Ein solcher [X.]otfall könne etwa in einer unvorhersehbaren und schwerwiegenden Situation gegeben sein, in welcher der [X.]etriebsrat entweder nicht erreichbar oder nicht zur rechtzeitigen [X.]eschlussfassung in der [X.]age ist, der Arbeitgeber aber sofort handeln muss, um vom [X.]etrieb oder den Arbeitnehmern nicht wiedergutzumachende Schäden abzuwenden ([X.]A[X.] 17. [X.]ovember 1998 - 1 A[X.]R 12/98 - zu [X.] II 1 c der [X.]ründe mw[X.], [X.]A[X.]E 90, 194). Das [X.]estehen einer solchen Ausnahmesituation hat die Arbeitgeberin in [X.]ezug auf den in Aussicht genommenen „Ringtausch“ nicht behauptet. Darüber hinaus ist das [X.]eteiligungsrecht aus § 99 Abs. 1 Satz 1 [X.]etrV[X.] bei [X.]eschlussunfähigkeit des [X.]etriebsrats oder seiner fehlenden Erreichbarkeit nicht eingeschränkt oder ausgeschlossen. [X.]ach § 100 Abs. 1 und 2 [X.]etrV[X.] kann der Arbeitgeber eine personelle Einzelmaßnahme iSd. § 99 Abs. 1 Satz 1 [X.]etrV[X.] zunächst ohne die Zustimmung des [X.]etriebsrats vornehmen. Das [X.]esetz verlangt dafür neben der Aufklärung des Arbeitnehmers über die Sach- und Rechtslage (§ 100 Abs. 1 Satz 2 [X.]etrV[X.]) lediglich die unverzügliche Unterrichtung des [X.]etriebsrats über die vorläufige Durchführung (§ 100 Abs. 2 Satz 1 [X.]etrV[X.]). Mit dieser Regelung wird dem Interesse des Arbeitgebers an der Vornahme einer dringend notwendigen personellen Einzelmaßnahme ausreichend Rechnung getragen. Einer weitergehenden [X.]eschränkung der in §§ 99 ff. [X.]etrV[X.] normierten [X.]eteiligungsrechte bedarf es offenkundig nicht.

        

    Schmidt    

        

    [X.]inck    

        

    [X.]och    

        

        

        

    Olaf [X.]unz    

        

    [X.]ann    

                 

Meta

1 ABR 55/08

19.01.2010

Bundesarbeitsgericht 1. Senat

Beschluss

Sachgebiet: ABR

vorgehend ArbG Frankfurt, 11. Oktober 2007, Az: 11 BV 232/07, Beschluss

§ 23 Abs 3 S 1 BetrVG, § 99 Abs 1 S 1 BetrVG, § 95 Abs 3 S 1 Alt 2 BetrVG, § 100 Abs 1 BetrVG, § 100 Abs 2 BetrVG, § 322 Abs 1 ZPO, § 261 Abs 3 Nr 1 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 19.01.2010, Az. 1 ABR 55/08 (REWIS RS 2010, 10266)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 10266

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

1 ABR 75/12 (Bundesarbeitsgericht)

Betriebliche Lohngestaltung - Durchführungsanspruch


1 ABR 62/08 (Bundesarbeitsgericht)

Mitbestimmung bei Versetzungen - Vertragsstrafe zugunsten Dritter


1 ABR 17/18 (Bundesarbeitsgericht)

Unterlassungsanspruch - Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Arbeitszeit - Leiharbeitnehmer


6 TaBV 60/16 (Landesarbeitsgericht Düsseldorf)


1 ABR 9/22 (Bundesarbeitsgericht)

Betriebliche Vergütungsordnung - tarifgebundener Arbeitgeber


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.