Bundespatentgericht, Beschluss vom 26.09.2012, Az. 26 W (pat) 548/12

26. Senat | REWIS RS 2012, 2792

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren - "BE WHAT YOU ARE AND EVERYTHING YOU WANT TO BE (IR-Marke)" – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die [X.] 1 046 035

hat der 26. Senat ([X.]) des [X.] in der Sitzung vom 26. September 2012 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] [X.] sowie des [X.] [X.] und des [X.] am Landgericht Hermann

beschlossen:

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der [X.] für [X.] des [X.] vom 11. Juni 2012 aufgehoben.

Gründe

I

1

Mit [X.]uss vom 11. Juni 2012 hat die Markenstelle für [X.]asse IR 34 des [X.] der international für die Waren und Dienstleistungen

2

[X.]. 34: [X.], brut ou manufacturé; produits [X.], [X.], cigarettes, [X.], [X.] à rouler soi-même, [X.], [X.], [X.], kretek; snus; succédanés [X.] (à usage non médical); articles pour fumeurs, y compris papier à cigarettes et tubes, [X.], boîtes pour le tabac, [X.], pipes, [X.], [X.]; allumettes

3

[X.]. 41: [X.]; activités sportives et culturelles

4

"[X.] [X.] AND [X.] [X.] [X.] " nach vorangegangener Beanstandung vom 23. März 2011 den Schutz in der [X.] Deutschland verweigert.

5

"[X.] [X.] AND [X.] [X.] [X.] " laute übersetzt  "Sei was du bist und alles was du sein willst". Für die beanspruchten Waren, bei denen es sich um Genussmittel handele, stelle die Wortfolge eine Aufforderung dar, sich selbst treu zu sein und sich selbst zu verwirklichen. Bei den Raucherartikeln zeige man nach außen hin, dass man einer bestimmten Gruppe von Sucht-Genießern angehöre. Die hier entscheidungserheblichen Verkehrskreise würden auf Grund der werbemäßigen Aufforderung "[X.] [X.] AND [X.] [X.] [X.]" nicht in der Lage sein, das Zeichen in Verbindung mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen einem bestimmten Anbieter zuzuordnen. Was aber im Verkehr ausschließlich als Werbung verstanden werde, stelle keine eintragungsfähige Marke dar. Einem Zeichen, dem ein beschreibender Sinngehalt zugeordnet werden könne, fehle das zur Kennzeichnung für eine Eintragung erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft. Bei der [X.] "[X.] [X.] AND [X.] [X.] [X.] " handele es sich um eine sich in einer rein werblichen Anpreisung erschöpfenden Angabe, die in diesem Sinne wichtige und für die umworbenen Abnehmerkreise irgendwie bedeutsame Umstände in Bezug auf die vorgenannten beanspruchten Waren und Dienstleistungen beschreibe. Derartige [X.] seien grundsätzlich nicht geeignet, als Marke im Sinne einer individuellen betrieblichen Herkunftskennzeichnung zu dienen.

6

Dagegen wendet sich die Anmelderin mit der Beschwerde. Sie hält das Anmeldezeichen für die relevanten Waren und Dienstleistungen für unterscheidungskräftig. Die Wortfolge sei mehrdeutig und als Herkunftshinweis zu verstehen. Die Markenstelle stelle analytische Erwägungen an, wenn sie einen beschreibenden Inhalt bemühe. Die Anmelderin beantragt,

7

den angegriffenen [X.]uss der Markenstelle aufzuheben.

II

8

Die zulässige Beschwerde der Anmelderin erweist sich als begründet. Entgegen der von der Markenstelle geäußerten Rechtsauffassung kann dem Zeichen das notwendige Mindestmaß an Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden, § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.]. Es ist in seiner konkreten Ausgestaltung auch nicht freihaltebedürftig [X.] § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.]. Gemäß §§ 119, 124, 113, 37, 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] in Verbindung mit Art. 5 PMMA, Art. 6

9

Unterscheidungskraft im Sinne der in Frage stehenden Vorschrift ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden (vgl. [X.], [X.]. v. 8.12.1999 - [X.], [X.], 502, 503 = [X.], 520 - [X.]; [X.]. v. 10.2.2000 - I ZB 37/97, [X.], 720, 721 = [X.], 739 - Unter Uns). Denn Hauptfunktion der Marke ist es, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. [X.], Urt. v. 29.9.1998 - Rs. [X.]/97, Slg. 1998, [X.] = GRUR 1998, 922, 924 [X.]. 28 - [X.]; [X.], [X.]. v. 8.10.1998 - I ZB 35/95, [X.], 245, 246 = [X.], 196 - [X.]; [X.], 882 - Bücher für eine bessere Welt). Dabei ist grundsätzlich von einem großzügigen Maßstab auszugehen, d. h. jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft reicht aus, um das Schutzhindernis zu überwinden. Kann einer Wortmarke kein für die fraglichen Waren oder Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden und handelt es sich auch sonst nicht um ein gebräuchliches Wort der [X.], das vom Verkehr - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird, so gibt es keinen tatsächlichen Anhalt dafür, dass ihr die vorerwähnte Unterscheidungseignung und damit jegliche Unterscheidungskraft fehlt (vgl. [X.], [X.]. v. 11.5.2000 - I ZB 22/98, [X.], 162, 163 = [X.], 35 - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION). Davon ist auch bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft von Wortfolgen auszugehen, ohne dass unterschiedliche Anforderungen an die Unterscheidungskraft von Wortfolgen gegenüber anderen Wortmarken gerechtfertigt sind. Vielmehr ist in jedem Fall zu prüfen, ob die Wortfolge einen ausschließlich produktbeschreibenden Inhalt hat oder ihr über diesen hinaus eine, wenn auch noch so geringe Unterscheidungskraft für die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen zukommt. Von mangelnder Unterscheidungskraft ist deshalb bei einer Wortfolge lediglich bei beschreibenden Angaben oder Anpreisungen und Werbeaussagen allgemeiner Art auszugehen. Grundsätzlich nicht unterscheidungskräftig werden des Weiteren in der Regel längere Wortfolgen sein. Indizien für die Eignung, die Waren und Dienstleistungen eines bestimmten Anbieters von denen anderer zu unterscheiden, können dagegen Kürze, eine gewisse Originalität und Prägnanz einer Wortfolge sein. Auch die Mehrdeutigkeit und Interpretationsbedürftigkeit einer Werbeaussage kann einen Anhalt für eine hinreichende Unterscheidungskraft bieten. Dabei dürfen die Anforderungen an die Eigenart im Rahmen der Bewertung der Unterscheidungskraft von Wortfolgen nicht überspannt werden. Auch einer für sich genommen eher einfachen Aussage kann nicht von vornherein die Eignung zur [X.] abgesprochen werden (vgl. [X.], [X.], 692, 693 - Test it; [X.] [X.], 1043 [X.]; [X.] GRUR 2010, 935 - Die Vision).

Unter Berücksichtigung dieser Anforderungen kann dem Zeichen für die Waren und Dienstleistungen, für welche die internationale Registrierung Schutz begehrt, das hiernach erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden. Denn wie die Beschwerde zutreffend ausführt handelt es sich bei der um Schutz nachsuchenden Marke gerade nicht allein um eine allgemeine Werbeaussage oder Kaufaufforderung, sondern um eine sloganartige Wortfolge mit verschiedenen Bedeutungen.

Für Werbeslogans gilt nach ständiger Rechtsprechung (z. B. [X.] [X.], 321 - Radio von hier), dass der Verkehr zwar auch eine Werbeaussage annehmen wird, die nicht in erster Linie der Identifizierung der Herkunft des Produktes, sondern ausschließlich seiner Beschreibung dient (vgl. [X.]/[X.] [X.] § 8 Rdn. 130, 144). Dies rechtfertigt es aber nicht, von unterschiedlichen Anforderungen an die Unterscheidungskraft von Werbeslogans gegenüber anderen Wortmarken auszugehen. Denn bei einer Marke schließen sich die Identifizierungsfunktion und die Werbewirkung nicht gegenseitig aus. Auch einer für sich genommen eher einfachen Aussage kann nicht von vornherein die Eignung zur [X.] abgesprochen werden.

"[X.] [X.] AND EVERYTHING YOU [X.] [X.] ". Sie enthält, worauf die Beschwerdebegründung vom 9. August 2012 zutreffend hinweist, schon keinen beschreibenden Sinngehalt für die begehrten Waren und Dienstleistungen. Es ist auch kein (im Vordergrund stehender) enger sachlicher Bezug zu erkennen.

Die angemeldete Wortfolge ist zwar nicht kurz, aber prägnant und steht auch wegen des Wortes "what" im Unterschied zu dem näher liegenden "who" für verschiedene Bedeutungen. Die aus der angefochtenen Entscheidung sich ergebende Auffassung bemüht eine mögliche Übersetzung und Deutung in einer gedanklich analysierenden Weise, die üblicherweise gerade für das Vorliegen der Unterscheidungskraft spricht. Die Wortfolge hat für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen keinen eindeutigen Begriffsinhalt, ist vielmehr vage und unklar. Ergänzend kann insoweit auf die zutreffenden Ausführungen der Anmelderin in ihrer Beschwerdebegründung Bezug genommen werden, die sich der Senat zu eigen macht. Die Wortfolge ist auch weder eine typische Werbeaussage (- wofür konkret sollte damit geworben werden?) noch handelt es sich um eine schlecht zu merkende Wortfolge (vgl. z. B. [X.] [X.] 2000, 48 "Radio von hier..."), so dass ihr ein noch ausreichender individualisierender Phantasiegehalt nicht abgesprochen werden kann. Soweit der angefochtene [X.]uss davon ausgeht, die Wortfolge beschreibe in ihrem Sinne wichtige und für die umworbenen Abnehmerkreise irgendwie bedeutsame Umstände in Bezug auf die Waren und Dienstleistungen, steht dem die Undeutlichkeit und Unklarheit der in der Wortfolge gesehenen – vermutlichen -  Sachaussage entgegen.

Der Beschwerde war daher stattzugeben.

Meta

26 W (pat) 548/12

26.09.2012

Bundespatentgericht 26. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 26.09.2012, Az. 26 W (pat) 548/12 (REWIS RS 2012, 2792)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 2792

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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30 W (pat) 510/13

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