Bundesgerichtshof, Beschluss vom 07.11.2012, Az. 5 StR 517/12

5. Strafsenat | REWIS RS 2012, 1679

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Gegenstand

Strafurteil wegen besonders schweren Raubes: Anforderungen an die Urteilsgründe bei Feststellung der Täterschaft des Angeklagten aufgrund eines DNA-Gutachtens


Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 9. Mai 2012 nach § 349 Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen besonders schweren Raubes unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus einem weiteren Urteil zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat umfassenden Erfolg.

2

1. Nach den Feststellungen überfiel der drogenabhängige Angeklagte gemeinsam mit einem unbekannten Mittäter am 18. Oktober 2010 einen Tabakladen in [X.]. Beide Täter waren maskiert; der Mittäter war mit einer – ungeladenen – Schreckschusspistole, der Angeklagte mit einem Messer bewaffnet. Von der [X.] erzwangen sie die Öffnung der Ladenkasse. Der Mittäter entnahm daraus Bargeld in Höhe von 400 €, während der Angeklagte aus dem Lagerraum des [X.] im Gesamtwert von ca. 350 € zur Wegnahme in einem Plastiksack verstaute. Als eine Passantin auf den Überfall aufmerksam wurde, flüchteten beide Täter mit bereitstehenden Fahrrädern vom [X.]. Der Angeklagte ließ dabei das Messer in dem Lagerraum zurück.

3

Das [X.] hat die Täterschaft des Angeklagten, der die Tat bestreitet, auf der Grundlage der am Messer festgestellten DNA-Spuren für erwiesen erachtet. Die belastende Aussage einer Zeugin, deren Glaubhaftigkeit das [X.] als zweifelhaft ansieht, hat es nicht berücksichtigt, „weil die Überzeugung der Kammer, dass der Angeklagte der Mittäter ist, welcher das am [X.] aufgefundene Küchenmesser verwendet hat, bereits allein auf das Beweisergebnis seiner am Messer festgestellten DNA gestützt werden kann“ ([X.]). Nach den Ausführungen des rechtsmedizinischen Sachverständigen hätten die Abriebe am Messergriff eine männliche Spur ergeben, die „in acht [X.] mit der zu Verifizierung eingeholten DNA des Angeklagten“ verglichen worden sei. „Dabei sei eine vollständige Übereinstimmung in sämtlichen Allelen festgestellt worden. Weitere DNA-Spuren, insbesondere Mischspuren, seien am Griff des Messers nicht feststellbar gewesen. Auch an der Klinge des Messers seien alle acht [X.] sowie, schwächer ausgebildet, zusätzliche Allele einer weiteren männlichen Person festgestellt worden. Die Feststellung zur DNA-Spur des Angeklagten auf dem Griff des Messers sei hochspezifisch. Bei einer Population von 7,68 x 10

4

2. Bereits der Schuldspruch des angefochtenen Urteils hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die der Feststellung der Täterschaft des Angeklagten zugrunde liegende Beweiswürdigung ist aufgrund wesentlicher Darstellungsmängel rechtsfehlerhaft.

5

Das Urteil verhält sich nicht zu den Berechnungsgrundlagen, aus denen abzuleiten ist, dass das an dem verwendeten Messer gesicherte Spurenmaterial mit der im Urteil genannten Wahrscheinlichkeit vom Angeklagten herrührt. Zumindest dann, wenn – wie im vorliegenden Fall – dem [X.] eine ganz maßgebende Bedeutung für die Feststellung der Täterschaft des Angeklagten zukommt, ist eine nachvollziehbare Darlegung erforderlich, auf welchen Grundlagen der Sachverständige die genannte Wahrscheinlichkeit bestimmt hat (vgl. [X.], Urteil vom 3. Mai 2012 – 3 StR 46/12, [X.], 321; ferner [X.], Beschluss vom 6. März 2012 – 3 StR 41/12, [X.]R StPO § 261 Identifizierung 21).

6

Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Urteil auf der fehlenden Darstellung zu den Grundlagen der biostatistischen Häufigkeit der [X.] beruht. Mit Ausnahme des im Rahmen der Beweiswürdigung mit herangezogenen Umstandes, dass die Tat dem Angeklagten nicht wesensfremd sei, hat das [X.] sich auf keine weiteren, von dem Ergebnis des [X.]s unabhängigen Indizien für die Täterschaft des Angeklagten gestützt. Es ist auch aus dem Urteil nicht ersichtlich, inwieweit das äußere Erscheinungsbild des Angeklagten den von der Zeugin genannten – freilich ohnehin überaus allgemeinen – Merkmalen der Täter ([X.] Dialekt; nach Statur und Stimme jüngere Männer) entspricht. Der Senat weist ferner darauf hin, dass die Erwägungen zu einer zwingenden Mischspur bei Berührung des Messergriffs durch eine andere Person nicht im Einklang mit Erfahrungen des Senats bei der Beurteilung vergleichbarer Spurenlagen durch Sachverständige und Tatgerichte stehen.

7

Angesichts dieser Darstellungsmängel können die Feststellungen des [X.]s zur Täterschaft des Angeklagten und mithin der Schuldspruch keinen Bestand haben.

8

3. Für den Fall, dass auch das neue Tatgericht eine Täterschaft des Angeklagten für erwiesen erachtet, weist der Senat auf folgendes hin:

9

Die Einzelstrafe ist bei Zubilligung einer Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB mit fünf Jahren und zehn Monaten Freiheitsstrafe sehr hoch bemessen.

Die [X.] ist bei der Beurteilung der Erfolgsaussicht der Maßregel (§ 64 Satz 2 StGB) von einem unzutreffenden Maßstab ausgegangen, indem sie angenommen hat, dass „der Erfolg einer Entziehungskur beim Angeklagten nicht von vornherein aussichtslos erscheint“ ([X.]; vgl. [X.], Beschluss vom 19. August 2009 – 2 [X.]), wobei allerdings die erforderliche konkrete Erfolgsaussicht der Maßregel hier durchaus naheliegt. Für den Fall deren erneuter Anordnung wird überdies zu prüfen sein, ob eine Entscheidung über die Reihenfolge der Vollstreckung nach § 67 Abs. 2 und 5 StGB zu treffen ist.

[X.]

                  König                             [X.]

Meta

5 StR 517/12

07.11.2012

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Leipzig, 9. Mai 2012, Az: 8 KLs 811 Js 3267/11

§ 261 StPO, § 267 StPO, § 250 Abs 2 Nr 1 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 07.11.2012, Az. 5 StR 517/12 (REWIS RS 2012, 1679)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 1679

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