Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10.03.2011, Az. IX ZB 212/09

9. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 8708

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Insolvenzverfahren: Beschwerdebefugnis nach insolvenzgerichtliche Ablehnung der Einberufung einer Gläubigerversammlung


Leitsatz

Lehnt das Insolvenzgericht die Einberufung einer Gläubigerversammlung ab, so sind gegen diese Entscheidung nur diejenigen Antragsteller beschwerdebefugt, die auch das Einberufungsquorum erfüllen .

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des [X.] vom 4. September 2009 wird auf Kosten des weiteren Beteiligten zu 2 zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert des [X.] beträgt 5.000 €.

Gründe

I.

1

Der weitere Beteiligte zu 2 ist Insolvenzverwalter über das Vermögen einer am vorliegenden Insolvenzverfahren beteiligten Gläubigerin (fortan: Gläubiger). Zusammen mit anderen Gläubigern, die gemeinsam das Quorum nach § 75 Abs. 1 Nr. 3 [X.] erreichten, hat er die Einberufung einer Gläubigerversammlung mit den Tagesordnungspunkten "Anhörung des Insolvenzverwalters zu den bisherigen Ergebnissen des Insolvenzverfahrens" und "gegebenenfalls Antrag auf Bestellung eines Gläubigerausschusses" beantragt. Das Insolvenzgericht hat die Gläubigerversammlung mit dem Tagesordnungspunkt „Anhörung des Insolvenzverwalters“ einberufen und die weitergehenden Anträge zurückgewiesen. Die anderen Gläubiger haben diese Entscheidung hingenommen, der weitere Beteiligte zu 2 hat gegen sie sofortige Beschwerde eingelegt. Das [X.] hat die Beschwerde als unzulässig verworfen. Hiergegen wendet sich der weitere Beteiligte zu 2 mit seiner Rechtsbeschwerde.

II.

2

Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO, § 75 Abs. 3, §§ 6, 7 [X.], § 574 Abs. 2 ZPO zulässig. Sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Das Beschwerdegericht hat die sofortige Beschwerde des Gläubigers mit Recht als unzulässig verworfen.

3

1. Das Beschwerdegericht hat hierzu ausgeführt: Die sofortige Beschwerde könne zulässigerweise nicht von einem einzelnen Gläubiger eingelegt werden, der für sich nicht berechtigt gewesen wäre, einen Antrag auf Einberufung der Gläubigerversammlung nach § 75 Abs. 1 Nr. 3 oder 4 [X.] zu stellen. Entsprechend dem Antrag müsse die sofortige Beschwerde nach § 75 Abs. 3 [X.] von einer nach § 75 Abs. 1 Nr. 3 oder 4 [X.] ausreichenden Anzahl von Gläubigern eingelegt werden. Demgegenüber meint der Rechtsbeschwerdeführer, das Beschwerderecht aus § 75 Abs. 3 [X.] dürfe nicht von dem Quorum abhängig gemacht werden.

4

2. Die Entscheidung des [X.] hält rechtlicher Prüfung stand.

5

a) Zutreffend hat das Beschwerdegericht die Beschwerdeberechtigung des Beschwerdeführers an § 75 Abs. 3 [X.] in unmittelbarer Anwendung der Vorschrift gemessen, auch wenn das Insolvenzgericht die Gläubigerversammlung - mit einer verkürzten Tagesordnung - einberufen hat. Denn mit dieser Entscheidung hat es die Einberufung der Gläubigerversammlung mit dem weiteren von den Antragstellern begehrten Tagesordnungspunkt abgelehnt.

6

b) Der [X.] hat sich bislang noch nicht dazu geäußert, ob die Beschwerdebefugnis aus § 75 Abs. 3 [X.] an das Antragsrecht aus § 75 Abs. 1 [X.] anschließt oder jedem Gläubiger, der den Antrag unterstützt hat, eingeräumt ist. Entschieden hat er bislang allein, dass jedenfalls ein Antragsteller, der ein Antragsrecht nach § 75 Abs. 1 [X.] behauptet, die sein Antragsrecht verneinende Entscheidung mit der Beschwerde nach § 75 Abs. 3 [X.] überprüfen lassen kann ([X.], Beschluss vom 21. Dezember 2006 - [X.] 138/06, [X.], 723 Rn. 7 f; vgl. auch [X.], Beschluss vom 16. Juli 2009 - [X.] 213/07, [X.], 604 Rn. 3). Damit ist jedoch nur gesagt, dass eine Partei, die ihr Antrags- oder Beschwerderecht behauptet, in dem Verfahren über diese Fragen als beschwerdebefugt behandelt wird (vgl. zur Partei- und Prozessunfähigkeit [X.]/[X.], ZPO, 28. Aufl., § 511 Rn. 6; vgl. KG, NJW-RR 1999, 1488, 1489 zu § 45 [X.]; BVerwGE 65, 33, 35 zu § 25 LPVG).

7

Im Schrifttum wird mehrheitlich die Ansicht vertreten, das Beschwerderecht folge spiegelbildlich aus der Antragsbefugnis; es könne nur von der gesamten [X.] gemeinsam, nicht aber von dem einzelnen Gläubiger ausgeübt werden (vgl. [X.]/[X.]/[X.], [X.], Stand April 2008, § 75 Rn. 6; [X.], [X.], 4. Aufl., § 75 Rn. 13; [X.], [X.], 13. Aufl., § 75, Rn. 10; MünchKomm-[X.]/Ehricke, 2. Aufl., § 75 Rn. 13; HmbKomm-[X.]/[X.], 3. Aufl., § 75 Rn. 13; FK-[X.]/Kind, 6. Aufl., § 75 Rn. 13). Zur Begründung wird ausgeführt: Da die Ablehnung des Antrags eine Beschwer nur für den Antragsteller darstelle, könne auch nur dieser die sofortige Beschwerde erheben. Daraus folge, dass es, soweit nur mehrere Antragsteller zusammen das Quorum in Abs. 1 Nr. 3 oder 4 erreichten, auch eines gemeinsamen Antragwillens im Rechtsmittelverfahren bedürfe, so dass sie nur gemeinsam die sofortige Beschwerde einlegen dürften (MünchKomm-[X.]/Ehricke, aaO; so auch FK-[X.]/Kind, aaO). Es finden sich - allerdings ohne Begründung - auch zwei Gegenstimmen ([X.], [X.], § 75, Rn. 8; FK-[X.]/[X.], 2. Aufl., § 75 Rn. 15).

8

c) Nach Auffassung des Senats strahlt die Antragsbefugnis auf die Beschwerdebefugnis aus. Nach § 75 Abs. 3 [X.] beschwerdebefugt ist deshalb nur der nach § 75 Abs. 1 [X.] berechtigte Antragsteller, bei Gläubigern mithin nur die Antragsteller, die allein oder gemeinsam mit anderen das Quorum nach § 75 Abs. 1 Nr. 3 oder 4 [X.] erfüllen.

9

aa) Der Gesetzgeber hat aus Gründen des Verfahrensfortgangs und der Verfahrensökonomie nicht jedem Gläubiger ein Antragsrecht eingeräumt. Vielmehr müssen sich gemäß § 75 Abs. 1 Nr. 3 [X.] zumindest fünf nicht nachrangige Gläubiger zusammen tun, deren Forderungen nach Schätzung des [X.] zusammen ein Fünftel derjenigen Summe erreicht, die sich aus dem Wert aller Absonderungsrechte und den Forderungen aller nicht nachrangigen Insolvenzgläubiger ergibt. Zumindest müssen vier andere Gläubiger das Anliegen des ersten Antragstellers unterstützen, sofern sie zusammen Forderungen gegen den Schuldner in einem Umfang des beschriebenen Fünftels haben. Dabei sollen die Quoren dem wirtschaftlichen Interesse der Gläubiger am Ausgang des Verfahrens Rechnung tragen (vgl. [X.], aaO § 75 Rn. 1). Dadurch wird sichergestellt, dass nicht einzelne Gläubiger das Verfahren blockieren können, sich vielmehr Gläubiger, deren Forderungen zusammen einiges Gewicht haben, untereinander abstimmen oder sich unterstützen müssen. Das Quorum bietet die Gewähr, dass das Anliegen der antragstellenden Gläubiger schwerwiegend genug ist, um das aufwendige Verfahren der Einberufung einer Gläubigerversammlung zu rechtfertigen. Nur Großgläubiger, deren Forderungen zwei Fünftel des genannten Betrages ausmachen, sind nach § 75 Abs. 1 Nr. 4 [X.] alleine antragsbefugt.

Die Gefahr der Verfahrensverzögerung durch einzelne Kleingläubiger besteht im Beschwerdeverfahren fort. Im Streitfall haben alle anderen antragstellenden Gläubiger die Entscheidung des [X.] hingenommen. Sind jedoch nicht mehr alle das Quorum nach § 75 Abs. 1 Nr. 3 und 4 [X.] bildenden Gläubiger bereit, nach einer ablehnenden Entscheidung des [X.] ihr Anliegen mittels sofortiger Beschwerde weiterzuverfolgen, besteht nicht mehr die Sicherheit, dass das Anliegen der beschwerdeführenden Gläubiger gewichtig genug ist, um die Einberufung einer Gläubigerversammlung zu rechtfertigen.

bb) Gegen diese Auslegung spricht nicht das Gebot des effektiven Rechtsschutzes. Die zweiwöchige Beschwerdefrist ist regelmäßig nicht zu knapp bemessen, um die Gruppe der Gläubiger, die das Quorum erfüllt, zu koordinieren. Diese Tätigkeit kann überdies teilweise vorgezogen werden, was den [X.] auch zuzumuten ist. Denn wenn die Gläubiger - wie es der Gesetzgeber mit der Schaffung des [X.] voraussetzt - sich vor der Antragstellung absprechen müssen, können sie auch klären, ob sie im Falle einer ablehnenden Entscheidung Beschwerde einlegen wollen. Unterbleiben solche Absprachen ist die fehlende Beschwerdebefugnis Folge des Umstandes, alleine nicht antragsbefugt zu sein.

cc) Ebenso wenig spricht gegen die vom Senat angenommene Auslegung, dass der Gesetzgeber den Kreis der Antragsberechtigten im Vergleich zur Konkursordnung auf die absonderungsberechtigten Gläubiger und auf Großgläubiger erweitert hat. Dies geschah nicht zuletzt mit dem Ziel, die Gläubigerautonomie zu stärken (Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 12/7302 [X.]). Daraus ist jedoch nicht abzuleiten, einem Einzelgläubiger müsse die Möglichkeit einer sofortigen Beschwerde unabhängig vom Vorliegen der Quoren aus § 75 Abs. 1 Nr. 3 und 4 [X.] eingeräumt werden. Die Quoren selbst hat der Gesetzgeber aus den genannten nahe liegenden Gründen nicht abgeschafft.

[X.]                                Gehrlein

                   Grupp                                [X.]

Meta

IX ZB 212/09

10.03.2011

Bundesgerichtshof 9. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Verden, 4. September 2009, Az: 3a T 156/09, Beschluss

§ 75 Abs 1 Nr 3 InsO, § 75 Abs 1 Nr 4 InsO, § 75 Abs 3 InsO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10.03.2011, Az. IX ZB 212/09 (REWIS RS 2011, 8708)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 8708

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen
Referenzen
Wird zitiert von

IX ZB 198/11

IX ZB 198/11

IX ZB 212/09

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.