Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 20.05.2014, Az. 5 C 33/13

5. Senat | REWIS RS 2014, 5443

© Bundesverwaltungsgericht, Foto: Michael Moser

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Erstattung von Kosten für die Gewährung von Leistungen der Kriegsopferfürsorge; Wechsel der örtlichen Zuständigkeit


Leitsatz

1. Die Fiktion eines für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 KFürsV maßgeblichen gewöhnlichen Aufenthalts in § 53 Abs. 1 Satz 2 KFürsV erfasst nur den Fall der stationären Aufnahme des leistungsberechtigten Beschädigten selbst, nicht auch denjenigen der Aufnahme eines Familienmitglieds in eine stationäre Einrichtung.

2. Der Erstattungsanspruch des nach § 2 Abs. 3 Satz 1 SGB X (juris: SGB 10) vorleistenden Leistungsträgers richtet sich allein nach § 2 Abs. 3 Satz 2 SGB X und nicht (auch) nach § 102 Abs. 1 SGB X i.V.m. § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB I (juris: SGB 1).

Tatbestand

1

Die beteiligten Landkreise streiten in ihrer Funktion als örtliche Träger der [X.] um die Erstattung von Kosten, die der Kläger im Zeitraum vom 1. Januar 2009 bis zum 16. August 2012 für die Gewährung von Leistungen der [X.] nach dem [X.] aufgewendet hat.

2

Empfänger der Leistungen war ein [X.], der sich seit dem Jahr 1959 im Leistungsbezug befand. Nach dem Tod seiner Tochter, die ihn zuletzt häuslich gepflegt hatte, verzog der Beschädigte am 23. Dezember 2008 in den Haushalt seines [X.], der im Zuständigkeitsbereich des [X.]n wohnhaft war. Seine Ehefrau, die im April 2006 vollstationär in ein Alten- und Pflegeheim in [X.] aufgenommen worden war, trat im März 2009 in ein ebenfalls im Zuständigkeitsbereich des [X.] über, wo sie bis zu ihrem Tod am 16. August 2012 lebte. Am 1. März 2010 fand auch der Beschädigte dort Aufnahme.

3

Da der Beschädigte im April 2006 seinen ständigen Wohnsitz im Zuständigkeitsbereich des [X.] hatte, hatte sich dieser im September 2006 verpflichtet, die Kosten zu übernehmen, die durch die Gewährung der Hilfe zur Pflege der Ehefrau des Beschädigten in dem Alten- und Pflegeheim anfielen, soweit sie nicht durch einzusetzende Mittel gedeckt seien und solange die für die Kostenübernahmeerklärung maßgebenden Voraussetzungen vorlägen. Diese Zusicherung hob der Kläger anlässlich der Aufenthaltsnahme der Ehefrau des Beschädigten im Zuständigkeitsbereich des [X.]n mit Bescheid vom 3. März 2009 mit Wirkung vom 1. Januar 2009 auf. Dabei ging er davon aus, mit der Begründung des gewöhnlichen Aufenthalts des Beschädigten im Zuständigkeitsbereich des [X.]n sei die Zuständigkeit für die Durchführung der [X.] auf diesen übergegangen. Hiergegen erhob der Beschädigte Anfechtungsklage. Deren aufschiebende Wirkung gab dem Kläger Veranlassung, für die Heimkosten "nur unter Vorbehalt bis zur Klärung der Zuständigkeit durch das Gericht" weiterhin aufzukommen und unter dem 18. Mai 2009 gegenüber dem [X.]n unter Hinweis auf diese Vorbehaltsleistung einen auf die §§ 102 ff. [X.] gestützten Anspruch auf Erstattung der ab dem 1. Januar 2009 angefallenen Kosten anzumelden. Im September 2010 wurde das Klageverfahren, in dem der [X.] beigeladen worden war, übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt. Der Kläger nahm die Aufhebung seiner Kostenzusicherung mit Bescheid vom 16. September 2010 zurück. Mit Schreiben vom gleichen Tage machte er den Erstattungsanspruch gegenüber dem [X.]n auch der Höhe nach geltend.

4

Seine in der Folge erhobene Leistungsklage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Auf die Berufung des [X.] hat der Verwaltungsgerichtshof den [X.]n verurteilt, jenem die im Zeitraum vom 1. Januar 2009 bis zum 16. August 2012 erbrachten Leistungen der [X.] für die Ehefrau des Beschädigten in Höhe von 68 017,11 € zu erstatten. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt: Der Kostenerstattungsanspruch gründe in § 2 Abs. 3 Satz 2 [X.]. Der [X.] sei in dem maßgeblichen Zeitraum vom 1. Januar 2009 bis zum 16. August 2012 örtlich zuständiger Träger der [X.] gewesen. Seine örtliche Zuständigkeit beruhe bis zum 28. Februar 2010 auf § 53 Abs. 1 Satz 1 [X.], da der Beschädigte spätestens zum 1. Januar 2009 einen gewöhnlichen Aufenthalt in seinem Zuständigkeitsbereich begründet habe, und ab der Aufnahme in das [X.] zum 1. März 2010 auf § 53 Abs. 1 Satz 1 [X.]. Der mit § 53 Abs. 1 Satz 2 [X.] bezweckte Schutz der Einrichtungsorte gebiete es nur für den Fall der Unterbringung des Beschädigten selbst in einer stationären Einrichtung - nicht hingegen auch für den Fall der alleinigen stationären Aufnahme seiner Ehefrau -, einen von dem nach § 53 Abs. 1 Satz 1 [X.] maßgeblichen Aufenthalt in der Einrichtung abweichenden gesetzlich fingierten Aufenthaltsort zu bestimmen. Der Erstattungsanspruch sei in Höhe von 68 017,11 € begründet, da der Kläger in diesem Umfang rechtmäßig Leistungen der [X.] erbracht habe. Dass das [X.] die Aufwendungen nach der [X.] Lastenverteilung bereits übernommen habe und der Kläger demgemäß gehalten sei, den gegenüber dem [X.]n geltend gemachten Erstattungsbetrag an den überörtlichen Träger der [X.] abzuführen, stehe dem geltend gemachten Erstattungsanspruch nicht entgegen.

5

Zur Begründung seiner Revision führt der [X.] im Wesentlichen aus, § 53 Abs. 1 [X.] sei im Einklang mit seinem Wortlaut zum Schutz der Einrichtungsorte dahingehend auszulegen, dass es für die Frage, ob sich die örtliche Zuständigkeit nach Satz 1 oder Satz 2 richte, allein darauf ankomme, ob es sich um eine Leistung handle, welche innerhalb (§ 53 Abs. 1 Satz 2 [X.]) oder außerhalb (§ 53 Abs. 1 Satz 1 [X.]) einer stationären Einrichtung erbracht werde. Diese Differenzierung sei auch der [X.] des § 98 Abs. 2 Satz 1 bzw. Abs. 1 [X.]II immanent. Der Schutz der Einrichtungsorte sei umfassend zu gewährleisten.

6

Der Kläger verteidigt das Berufungsurteil.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision des Beklagten, über die mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden wird (§ 141 Satz 1, § 125 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 101 Abs. 2 VwGO), ist unbegründet. Der Verwaltungsgerichtshof hat im Einklang mit Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) angenommen, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger die im Zeitraum vom 1. Januar 2009 bis zum 16. August 2012 von diesem aufgebrachten nicht anderweitig gedeckten Kosten der vollstationären Unterbringung der Ehefrau des Beschädigten in einer stationären Einrichtung in Höhe von 68 017,11 € zu erstatten. Ein entsprechender Anspruch folgt aus § 2 Abs. 3 Satz 2 des [X.] - (Art. I des Gesetzes vom 18. August 1980 [X.]F. der Bekanntmachung vom 18. Januar 2001 <[X.] 130>) - [X.] - (1.). Demgegenüber sind die Voraussetzungen des § 102 Abs. 1 [X.] nicht erfüllt (2.).

8

1. Grundlage eines entsprechenden Erstattungsanspruchs ist § 2 Abs. 3 Satz 2 [X.]. Danach hat die nunmehr zuständige Behörde der bisher zuständigen Behörde die nach dem [X.] noch erbrachten Leistungen auf Anforderung zu erstatten. Die Norm ist die erstattungsrechtliche Folgebestimmung zu der sogenannten "Nahtlosregelung" des § 2 Abs. 3 Satz 1 [X.]. Diese Bestimmung verpflichtet die bisher zuständige Behörde für den Fall, dass die örtliche Zuständigkeit gewechselt hat, die Leistungen noch solange zu erbringen, bis sie von der nunmehr zuständigen Behörde fortgesetzt werden. Mit Blick darauf, dass mit dem Wechsel der örtlichen Zuständigkeit regelmäßig die Gefahr der Unterbrechung des Leistungsbezugs einhergeht, soll die Norm sicherstellen, dass während eines [X.]s eine Unterbrechung der Leistungen nicht eintritt (BTDrucks 8/2034 S. 30). Zu diesem Zweck vermittelt sie dem Berechtigten einen materiell-rechtlichen Anspruch gegen die bisher zuständige Behörde auf Fortgewährung der Leistung. Während § 2 Abs. 3 Satz 1 [X.] somit der Sicherung der Leistungserbringung im Außenverhältnis zu dienen bestimmt ist, zielt § 2 Abs. 3 Satz 2 [X.] darauf, auf der [X.] sicherzustellen, dass im Falle der Fortgewährung der Leistung nach einem Wechsel der örtlichen Zuständigkeit im Ergebnis nicht der vorleistende bislang zuständige Träger der [X.], sondern der nunmehr zuständige Leistungsträger die Kosten zu tragen hat (Beschluss vom 19. März 2009 - BVerwG 5 [X.] - [X.] 435.12 § 2 [X.] Nr. 2 Rn. 5).

9

a) Erstattungsberechtigt bzw. erstattungsverpflichtet sind ungeachtet des Wortlauts des § 2 Abs. 3 Satz 2 [X.] grundsätzlich nicht die für die Leistung bisher bzw. nunmehr zuständigen Behörden, sondern deren Rechtsträger, für die die [X.] erstattungsrechtlich Wirkung entfaltet (vgl. Beschluss vom 19. März 2009 a.a.[X.]), hier mithin der Kläger bzw. der Beklagte.

b) § 2 Abs. 3 Satz 2 [X.] knüpft an einen Wechsel der örtlichen Zuständigkeit während eines laufenden Verwaltungsverfahrens oder während der Leistungsgewährung an. Hier ging die örtliche Zuständigkeit gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung zur [X.] ([X.]) vom 16. Januar 1979 ([X.]), für den hier maßgeblichen Zeitraum geändert durch die Gesetze vom 13. Dezember 2007 ([X.]) und vom 20. Juni 2011 ([X.] 1114), mit der Verlagerung des gewöhnlichen Aufenthalts des Beschädigten in den Zuständigkeitsbereich des Beklagten spätestens zum 1. Januar 2009 von dem Kläger auf den Beklagten über (aa). Dieser blieb gemäß § 53 Abs. 1 Satz 2 [X.] auch nach der vollstationären Aufnahme des Beschädigten in die in seinem Zuständigkeitsbereich belegene stationäre Alten- und Pflegeeinrichtung zum 1. März 2010 örtlich zuständig (bb).

aa) Die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, die örtliche Zuständigkeit für die Erbringung von Leistungen der [X.] sei am 1. Januar 2009 auf den Beklagten übergangen, steht im Einklang mit § 53 Abs. 1 Satz 1 [X.] ((1)). Aus § 53 Abs. 1 Satz 2 [X.] folgt nichts Anderes ((2)).

(1) Gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 [X.] ist örtlich zuständig für Leistungen der [X.] die für die Durchführung der [X.] sachlich zuständige Stelle, in deren Bereich Leistungsberechtigte ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Hier verlagerte der Beschädigte ausweislich der tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs seinen gewöhnlichen Aufenthalt spätestens zum 1. Januar 2009 aus dem Zuständigkeitsbereich des [X.] in denjenigen des Beklagten. Zum gleichen Zeitpunkt ging auch die örtliche Zuständigkeit von dem Kläger auf den Beklagten über.

(2) Diesem Übergang steht § 53 Abs. 1 Satz 2 [X.] nicht entgegen. Danach gilt bei Aufnahme in eine stationäre Einrichtung als gewöhnlicher Aufenthalt derjenige, den Leistungsberechtigte im Zeitpunkt der Aufnahme in die Einrichtung haben oder in den zwei Monaten vor der Aufnahme zuletzt gehabt hatten. Die Fiktion eines für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 [X.] maßgeblichen gewöhnlichen Aufenthalts in § 53 Abs. 1 Satz 2 [X.] erfasst nur den Fall der Aufnahme des leistungsberechtigten Beschädigten selbst oder der - hier nicht interessierenden - Hinterbliebenen in eine stationäre Einrichtung, nicht auch denjenigen der vollstationären Aufnahme allein eines Familienmitglieds des Beschädigten. Dies ergibt die Auslegung des § 53 Abs. 1 Satz 2 [X.].

Bereits der Wortlaut der Norm legt ein entsprechendes Verständnis nahe. Wenngleich sich die Vorschrift nicht dazu verhält, auf wessen "Aufnahme" - nur diejenige des Leistungsberechtigten oder auch eine solche allein eines seiner Familienmitglieder - die von § 53 Abs. 1 Satz 1 [X.] abweichende Anknüpfung der örtlichen Zuständigkeit bezogen ist, hätte es in Anbetracht des Umstandes, dass die Vorschrift für die örtliche Zuständigkeit allein auf den gewöhnlichen Aufenthalt der Leistungsberechtigten abhebt, für den Fall einer Erstreckung auf Familienmitglieder zumindest nahegelegen, dies auch sprachlich hervorzuheben. [X.] im Sinne des § 53 Abs. 1 [X.] ist nämlich allein der Beschädigte. Die eindeutige Differenzierung in der Verordnung zur [X.] zwischen den Leistungsberechtigten einerseits und deren Ehegatten oder Lebenspartnern, Familienangehörigen und weiteren von jenen, den Leistungsberechtigten, unterhaltenen Personen andererseits (vgl. § 49 Abs. 1 Satz 1 und 2 und § 50 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 [X.]) zeichnet die Unterscheidung zwischen Leistungsberechtigten im Sinne des § 25 Abs. 3 des Gesetzes über die Versorgung der Opfer des [X.] ([X.] - [X.]) [X.]F. der Bekanntmachung vom 22. Januar 1982 ([X.] 21) und Familienmitgliedern im Sinne des § 25 Abs. 4 Satz 2 [X.] nach. Diese Unterscheidung ist weder auslegungsfähig noch auslegungsbedürftig (vgl. Urteil vom 8. November 1973 - BVerwG 5 [X.] 12.73 - [X.] 436.7 § 27 [X.] Nr. 13 S. 6). Daher bedürfte es zur Stützung der Annahme, der Begriff der Aufnahme erstrecke sich auch auf Familienmitglieder der Beschädigten, zumindest einer Andeutung im Wortlaut des § 53 Abs. 1 Satz 2 [X.]. An einer solchen fehlt es hingegen.

Die Binnensystematik des § 53 Abs. 1 [X.] weist ganz deutlich in die Richtung, dass es im Rahmen des § 53 Abs. 1 Satz 2 [X.] nur auf die Aufnahme des Leistungsberechtigten in eine stationäre Einrichtung ankommt. § 53 Abs. 1 [X.] misst allein dem Aufenthalt des Leistungsberechtigten eine zuständigkeitsbegründende Wirkung bei. Nach § 53 Abs. 1 Satz 1 [X.] richtet sich die örtliche Zuständigkeit nach dem (realen) gewöhnlichen Aufenthalt des Leistungsberechtigten. An diese Regelung knüpft § 53 Abs. 1 Satz 2 [X.] an, der eine fiktive Zuständigkeit für den Fall der Aufnahme in eine stationäre Einrichtung begründet. Maßgeblich ist auch insoweit der gewöhnliche Aufenthalt des Leistungsberechtigten. § 53 Abs. 1 Satz 3 [X.] regelt den fiktiven gewöhnlichen Aufenthalt bei Übertritt des Leistungsberechtigten aus einer stationären Einrichtung in eine andere Einrichtung und stellt insoweit auf den für die erste Einrichtung maßgebenden gewöhnlichen Aufenthalt ab. Ist ein gewöhnlicher Aufenthalt nicht vorhanden, richtet sich die örtliche Zuständigkeit gemäß § 53 Abs. 1 Satz 4 [X.] nach dem Ort des tatsächlichen Aufenthalts des Leistungsberechtigten. Nach dieser Konzeption des § 53 Abs. 1 [X.] kommt es für die örtliche Zuständigkeit stets auf den Aufenthalt des Leistungsberechtigten an. Dafür, dass im Zusammenhang mit § 53 Abs. 1 Satz 2 [X.] (auch) auf eine andere Person abzustellen ist, ist nichts ersichtlich. Insbesondere entbehrt der Wortlaut der Bestimmung eines entsprechenden Hinweises. Hinzu kommt, dass die [X.] nach § 53 Abs. 1 Satz 3 [X.] ausdrücklich allein auf den Übertritt des Leistungsberechtigten aus einer stationären Einrichtung in eine andere Einrichtung abstellt. Anhaltspunkte dafür, dass für die von § 53 Abs. 1 Satz 2 [X.] erfasste Sachverhaltskonstellation, die der Fallgestaltung des Satzes 3 zeitlich vorgelagert ist, etwas anderes gelten soll, bestehen nicht.

Sinn und Zweck des § 53 Abs. 1 [X.] stehen diesem Verständnis ebenso wenig wie dessen Entstehungsgeschichte entgegen. Während § 53 Abs. 1 Satz 1 [X.] den Interessen des um Leistungen der [X.] Nachsuchenden dadurch dient, dass durch das Abheben auf den aktuellen gewöhnlichen Aufenthalt des Leistungsberechtigten (Aufenthaltsprinzip) Ortsnähe sichergestellt und eine schnelle und effektive Hilfe ermöglicht wird, zielt § 53 Abs. 1 Satz 2 [X.] durch das Anknüpfen an den gewöhnlichen Aufenthalt bei bzw. vor Aufnahme in die Einrichtung (Herkunftsprinzip) und die hierdurch bewirkte Zusammenführung von örtlicher Zuständigkeit und endgültiger Kostentragungslast auf den Schutz der [X.]e und damit auf eine gleichmäßige Lastenverteilung zwischen den Trägern der [X.] (vgl. [X.] 64/65 S. 7 und [X.] 351/65 S. 7). Träger, die stationäre Einrichtungen vorhalten, sollen gegenüber Trägern, in deren Zuständigkeitsbereich nicht in entsprechendem Umfang stationäre Einrichtungen belegen sind, nicht dadurch benachteiligt werden, dass sie für sämtliche Hilfeempfänger, die sich in diesen Einrichtungen aufhalten, örtlich zuständig und damit kostentragungspflichtig sind. Der durch die Aufnahme in die Einrichtung begründete gewöhnliche Aufenthalt soll im Rahmen der Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit grundsätzlich außer Betracht bleiben (Urteil vom 17. Mai 1973 - BVerwG 5 [X.] 107.72 - BVerwGE 42, 196 <197 f.> = [X.] 436.30 § 28 [X.] Nr. 2 S. 4 f.). Damit soll der Gefahr begegnet werden, dass die erforderlichen Einrichtungen nicht geschaffen oder für Hilfesuchende aus anderen Bezirken nicht zur Verfügung gestellt werden oder dass der Hilfesuchende außerhalb des Ortes seines gewöhnlichen Aufenthalts keine wirksame Hilfe erhält. Der Zweck des Schutzes der [X.]e und die Gesetzgebungsgeschichte gebieten es nicht, entgegen dem sich insbesondere aus der Systematik des § 53 Abs. 1 [X.] ergebenden deutlichen Hinweis, dass § 53 Abs. 1 Satz 2 [X.] auf die Aufnahme allein des Leistungsberechtigten in eine stationäre Einrichtung abstellt, auch die Aufnahme von anderen Personen in eine solche Einrichtung als zuständigkeitsbegründend anzusehen. Davon abgesehen beansprucht der Zweck des Schutzes der [X.]e nur in den Fällen Geltung, in denen der [X.] gerade durch die Aufnahme des Leistungsempfängers in die Einrichtung zuständig würde. Er ist nicht einschlägig, wenn der für die Einrichtung zuständige Träger zum Zeitpunkt der Aufnahme ohnehin zuständig war. Dies war bei dem Eintritt der Ehefrau des Beschädigten in die stationäre Einrichtung der Fall.

bb) Seit dem 1. März 2010, dem Tag der vollstationären Aufnahme auch des Beschädigten in das Alten- und Pflegeheim, in dem zu diesem Zeitpunkt bereits dessen Ehefrau lebte, ist der Beklagte nach § 53 Abs. 1 Satz 2 [X.] örtlich zuständig. Danach gilt als gewöhnlicher Aufenthalt derjenige, den der Beschädigte in den zwei Monaten vor der Aufnahme zuletzt gehabt hatte. Dieser hielt sich ausweislich der tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs vor seiner vollstationären Aufnahme in die stationäre Einrichtung mehr als 14 Monate lang im Zuständigkeitsbereich des Beklagten auf.

c) Auch die weiteren Voraussetzungen des § 2 Abs. 3 Satz 2 [X.] sind erfüllt. Der erstattungsberechtigte Kläger hatte dem Beschädigten seit dem [X.] und damit bereits vor dem Zeitpunkt des Wechsels der örtlichen Zuständigkeit (Urteil vom 15. Mai 1986 - BVerwG 5 [X.] 68.84 - BVerwGE 74, 206 <216> = [X.] 436.51 § 11 [X.] Nr. 2 S. 10) Leistungen der [X.] erbracht. Als mit dem Wechsel der Zuständigkeit unzuständig gewordener Träger setzte er die Erbringung dieser Leistungen bis zu einer - hier nicht mehr erfolgten - Übernahme der Leistungsgewährung durch den nunmehr zuständigen Träger, den Beklagten, fort. Ob § 2 Abs. 3 Satz 2 [X.] zudem voraussetzt, dass die nunmehr unzuständige Behörde in dem Bewusstsein weitergeleistet hat, hierfür nicht mehr zuständig zu sein, bedarf keiner Klärung (ablehnend [X.] (Oder), Urteil vom 5. Juni 2007 - 6 K 1273/05 - juris Rn. 19; offenlassend [X.], Urteil vom 25. Oktober 2000 - 12 A 11136/00 - [X.] 52, 237 <238>). Denn der Kläger hat seine Überzeugung, für die Leistungserbringung seit dem 1. Januar 2009 nicht mehr örtlich zuständig zu sein, bereits mit Bescheid vom 3. März 2009 und später in den Erstattungsersuchen vom 18. Mai 2009 und vom 16. September 2010 zum Ausdruck gebracht. [X.] kann zudem, ob der Erstattungsanspruch erst von dem Zeitpunkt an besteht, in dem dem eigentlich zuständigen Leistungsträger bekannt ist, dass die Voraussetzungen für seine Leistungspflicht vorliegen (ablehnend [X.] (Oder), Urteil vom 5. Juni 2007 a.a.[X.]; zurückhaltend [X.], Urteil vom 19. Dezember 2002 - 16 A 30/01 - [X.] 55, 58 <61>; offenlassend [X.], Urteil vom 25. Oktober 2000 a.a.[X.] S. 239). Denn der Beklagte hatte bereits im Dezember 2008 Kenntnis von den seiner Leistungspflicht zugrunde liegenden Tatsachen. Schon damals hatte er - wie zwischen den Beteiligten nicht streitig ist -, durch den Kläger mit dem Sachverhalt befasst, seine Leistungspflicht in Kenntnis der bevorstehenden Verlagerung des gewöhnlichen Aufenthalts des Beschädigten und seiner Ehefrau zurückgewiesen.

d) Der Umfang des Erstattungsanspruchs richtet sich gemäß § 2 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 102 Abs. 2 [X.] nach den für den vorleistenden Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften. Maßgeblich ist die Höhe der rechtmäßig erbrachten Vorleistungen. Hier steht der Umfang der geltend gemachten Erstattungsforderung von 68 017,11 € zwischen den Beteiligten nicht im Streit.

e) Die aus § 111 [X.] folgende Obliegenheit, Erstattungsansprüche zeitnah geltend zu machen, gilt auch im Rahmen des § 2 Abs. 3 Satz 2 [X.] ([X.], in: [X.]/[X.], [X.], Stand: Dezember 2013, § 111 Rn. 12 m.w.[X.]; Roller, in: von [X.]/Schütze, [X.], 8. Aufl. 2014, § 111 Rn. 4 m.w.[X.]). Gemäß § 111 Satz 1 [X.] ist der Anspruch auf Erstattung ausgeschlossen, wenn der [X.] ihn nicht spätestens 12 Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht. Der Lauf der Frist beginnt nach § 111 Satz 2 [X.] frühestens mit dem Zeitpunkt, zu dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über seine Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat. Die Geltendmachung im Sinne des § 111 Satz 1 [X.] erfordert eine hinreichend konkrete Bezeichnung des Anspruchs. Dies bedingt, dass rechtssichernd die Person des Leistungsempfängers, die gewährte Sozialleistung, für die Erstattung begehrt wird, der Zeitraum, für den Erstattung begehrt wird, und die Umstände, aus denen der Erstattungsanspruch abgeleitet wird, mitgeteilt werden ([X.], Urteil vom 20. Dezember 2012 - [X.] [X.]/11 R - juris Rn. 22 f.). Diesen Anforderungen genügt das an den Beklagten gerichtete Schreiben des [X.] vom 18. Mai 2009, mit dem dieser den Erstattungsanspruch anmeldete. Darin setzte er den Beklagten von der Person des Leistungsempfängers, von der Fortgewährung anderweitig nicht gedeckter Leistungen der [X.] in der Form der Hilfe zur Pflege in einer vollstationären Einrichtung wie auch von dem Erstattungszeitraum, beginnend mit dem 1. Januar 2009, in Kenntnis. Die Umstände, aus denen der Erstattungsanspruch abgeleitet wurde, waren dem Beklagten zu diesem Zeitpunkt nicht zuletzt infolge seiner Beiladung in dem vor dem [X.] zwischen dem Beschädigten und dem Kläger geführten Klageverfahren bekannt. Dass der Kläger seinen Erstattungsanspruch in diesem Schreiben noch auf die "§§ 102 bis 114 [X.]" stützte, ist unschädlich.

f) Der Erstattungsanspruch gegen den Beklagten ist auch nicht deshalb untergegangen, weil dem Kläger als örtlichem Träger der [X.] im Sinne des § 1 Abs. 2 des [X.] zur Durchführung der [X.] (Nds. [X.]) [X.]F. vom 16. September 1974 (GVBl 1974, 421) diejenigen Aufwendungen, die ihm in Erfüllung der ihm durch § 2 Abs. 1 Nds. [X.] zugewiesenen Aufgaben entstanden sind, gemäß § 3a Abs. 1 Satz 1 Nds. [X.] durch den überörtlichen Träger der [X.] erstattet wurden. Ungeachtet des Umstandes, dass die vorstehenden Normen dem irrevisiblen Landesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO) angehören und damit einer revisionsgerichtlichen Kontrolle entzogen sind, sind Aufwendungen im Sinne des § 3a Abs. 1 Satz 2 Nds. [X.] die Ausgaben für die nach § 3a Abs. 1 Satz 1 Nds. [X.] geleistete [X.] abzüglich der mit dieser Hilfe zusammenhängenden Einnahmen. Der bisher zuständige örtliche Träger der [X.] hat daher in den Fällen der [X.] einen Erstattungsanspruch gegen den überörtlichen Träger der [X.] nur in dem Umfang, in dem ihm nach Realisierung des Erstattungsanspruchs gegenüber dem zuständig gewordenen Träger der [X.] Ausgaben für die geleistete [X.] verbleiben. § 3a Abs. 3 Nds. [X.] schließt zudem einen Erstattungsanspruch aus, soweit es der örtliche Träger der [X.] grob fahrlässig unterlässt, Ansprüche gegen Dritte geltend zu machen. Der Kläger wird somit gehalten sein, den ihm zufließenden Erstattungsbetrag an das [X.] als überörtlichen Träger der [X.] abzuführen.

2. Im Einklang mit Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) hat der Verwaltungsgerichtshof den Erstattungsanspruch des [X.] nicht auf § 102 Abs. 1 [X.] gestützt. Danach ist, sofern ein Leistungsträger auf Grund gesetzlicher Vorschriften vorläufig Sozialleistungen erbracht hat, der zur Leistung verpflichtete Leistungsträger erstattungspflichtig. Zu diesen gesetzlichen Vorschriften zählt der hier allein in Betracht kommende § 43 Abs. 1 des [X.] - (Art. 1 des Gesetzes vom 11. Dezember 1975, [X.] 3015), zuletzt geändert durch Gesetz vom 4. November 1982 ([X.] 1450), - [X.] -. Im Erstattungsverfahren ist selbstständig zu prüfen, ob der die Kostenerstattung begehrende Leistungsträger nach den für ihn geltenden Rechtsvorschriften materiellrechtlich eine vorläufige Leistung im Sinne des § 43 Abs. 1 [X.] erbracht hat (vgl. Urteil vom 9. Februar 2012 - BVerwG 5 [X.] 3.11 - BVerwGE 142, 18 = [X.] 436.511 § 10 SGB VIII Nr. 7, jeweils Rn. 15 m.w.[X.]). Nach der insoweit maßgeblichen materiellen Rechtslage lagen die Voraussetzungen einer vorläufigen Leistung des [X.] im Sinne des § 43 Abs. 1 Satz 1 [X.] nicht vor. Die Vorschrift setzt einen negativen [X.] zwischen zwei Leistungsträgern voraus, der nicht besteht, wenn beide Träger gegenüber dem Hilfeempfänger gleichermaßen nicht nur vorläufig zur Leistung verpflichtet sind (vgl. Urteil vom 9. Februar 2012 a.a.[X.] Rn. 16). Dies gilt gleichermaßen, wenn der die Erstattung begehrende Leistungsträger verpflichtet war, die Leistung endgültig zu erbringen (vgl. [X.], Urteil vom 24. März 1983 - 8 RK 2/82 - [X.] 2200 § 184a RVO Nr. 5 S. 20). Das war hier der Fall. Der Kläger war - wie aufgezeigt - nach § 2 Abs. 3 Satz 1 [X.] gehalten, trotz des Übergangs der örtlichen Zuständigkeit auf den Beklagten die Kosten für die Unterbringung der Ehefrau des Beschädigten zu übernehmen. Dabei handelte es sich nicht um eine bloß vorläufige, sondern um eine endgültige Leistungserbringung. In diese Richtung weist bereits der Umstand, dass § 2 Abs. 3 Satz 3 [X.] den § 102 Abs. 2 [X.] für entsprechend anwendbar erklärt. Dessen hätte es nicht bedurft, wenn Leistungen auf der Grundlage des § 2 Abs. 3 Satz 1 [X.] vorläufigen [X.]harakter hätten, da in diesem Fall der vorläufige Leistungen betreffende § 102 [X.] unmittelbar anzuwenden wäre. Entscheidend ist, dass die auf der Grundlage des § 2 Abs. 3 Satz 1 [X.] gewährten Leistungen gegenüber dem Leistungsempfänger endgültig erbracht werden. Der ehemals örtlich zuständige Träger erfüllt trotz seiner inzwischen eingetretenen Unzuständigkeit weiterhin endgültig einen materiellen Anspruch des Berechtigten. Die Leistung gegenüber dem Empfänger wird nicht dadurch zu einer vorläufigen, dass der bisher örtlich zuständige Träger im Verhältnis zu dem nunmehr zuständigen Träger eine Vorleistung erbringt (vgl. [X.], in: [X.]/[X.], [X.], Stand: Dezember 2013, § 2 Rn. 39).

Meta

5 C 33/13

20.05.2014

Bundesverwaltungsgericht 5. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend Hessischer Verwaltungsgerichtshof, 8. August 2013, Az: 10 A 1988/12, Urteil

§ 25 Abs 3 BVG, § 49 Abs 1 S 1 KFürsV, § 50 Abs 2 S 2 KFürsV, § 53 Abs 1 KFürsV, § 53 Abs 3 KFürsV, § 43 Abs 1 S 1 SGB 1, § 2 Abs 3 S 1 SGB 10, § 102 Abs 1 SGB 10, § 111 S 1 SGB 10, § 1 Abs 2 KOFDG ND, § 3a Abs 1 S 1 KOFDG ND, § 3a Abs 3 KOFDG ND, § 101 Abs 2 VwGO, § 25 Abs 4 S 2 BVG, § 49 Abs 1 S 1 KFürsV, § 50 Abs 3 KFürsV, § 53 Abs 2 KFürsV, § 53 Abs 4 KFürsV, § 2 Abs 3 S 2 SGB 10, § 102 Abs 2 SGB 10, § 111 S 2 SGB 10, § 2 Abs 1 KOFDG ND, § 3a Abs 1 S 2 KOFDG ND

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 20.05.2014, Az. 5 C 33/13 (REWIS RS 2014, 5443)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 5443

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

5 C 25/11 (Bundesverwaltungsgericht)

Kostenerstattung bei fortdauernder Vollzeitpflege; Schutz der Einrichtungsorte; Hilfe zur Erziehung; Hilfe für junge Volljährige


B 8 SO 32/16 R (Bundessozialgericht)

(Sozialhilfe - örtliche Zuständigkeit - Wechsel von ambulant betreuter Wohnmöglichkeit in stationäre Einrichtung - Anwendbarkeit …


B 7 AS 7/22 R (Bundessozialgericht)

Grundsicherung für Arbeitsuchende - Kostenerstattungsanspruch bei Aufenthalt im Frauenhaus - zuständiger kommunaler Träger - bisheriger …


B 8 SO 20/13 R (Bundessozialgericht)

Sozialhilfe - Kostenerstattung bei Aufenthalt in einer Einrichtung - Erstattungsanspruch des vorläufig leistenden gegen den …


M 18 K 18.6176 (VG München)

Kostenerstattung, Jugendhilfeleistungen nach Einreise, Örtliche Zuständigkeit für Hilfe für junge Volljährige, Geschützter Einrichtungsort


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.