Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.02.2007, Az. IV ZR 249/06

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2007, 5385

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[X.] BESCHLUSS IV ZR 249/06 vom 7. Februar 2007 in dem Rechtsstreit

- 2 - [X.] hat durch den [X.], [X.], [X.], die Richterin Dr. Kessal-Wulf und [X.] am 7. Februar 2007 beschlossen: 1. Der Klägerin wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Fristen zur Einlegung und Begründung ihrer Nichtzulassungsbeschwerde ge-gen das Urteil des 8. Zivilsenats des [X.] vom 24. November 2005 gewährt. 2. Die Revision der Klägerin gegen das vorgenannte Ur-teil wird zugelassen, dieses gemäß § 544 Abs. 7 ZPO aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an den 9. Zivilsenat des [X.] zurückverwiesen.
Streitwert: 773.121,90 •. [X.] 2.) 1 Die Klägerin macht gegen die Beklagte nach dem Brand einer La-gerhalle in der [X.] in [X.]

(Gelände [X.]) Ansprüche aus einer Feuerversicherung geltend. Das Landgericht

- 3 -hat die Klage abgewiesen; die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Die Entscheidung des Berufungsgerichts beruht jedoch auf einer Verletzung des Anspruchs der Klägerin auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Deshalb war das angefochtene Urteil nach § 544 Abs. 7 ZPO aufzuheben und die Sache an einen anderen [X.] des Be-rufungsgerichts (§ 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO) zurückzuverweisen.
1. Die Beweiswürdigung, aufgrund derer der Tatrichter zu der Feststellung gelangt ist, der Ehemann der Klägerin habe - ihr zurechen-bar - versucht, die Beklagte arglistig über Tatsachen zu täuschen, die für die Höhe der Entschädigung von Bedeutung waren, zieht wesentlichen Vortrag der Klägerin, die Zeugenaussage ihres Ehemannes, schriftliche Angaben des sachverständigen Zeugen [X.] , ferner weitere aus der Akte ersichtliche Erkenntnismöglichkeiten nicht in Erwägung und verletzt damit das Recht der Klägerin auf rechtliches Gehör. 2 a) Das Berufungsgericht hält die Angaben des Ehemannes der Klägerin zur Schadenshöhe, die sich im Wesentlichen auf die Scha-densaufstellung des sachverständigen Zeugen [X.]stützen, schon deshalb für nachweislich falsch, weil eine bei Durchsuchung des Wohn-hauses der Eheleute sichergestellte Liste ausweislich eines ihr vorange-stellten handschriftlichen Vermerks, der unstreitig vom Ehemann der Klägerin unterschrieben ist, belege, dass der wahre Gesamtschaden der in der abgebrannten Lagerhalle zerstörten Möbel nur etwa ein Sechstel des bei der Beklagten geltend gemachten Schadens ausmache. 3 4 Die Klägerin hat demgegenüber geltend gemacht, der inhaltlich un-zutreffende handschriftliche Vermerk "Liste über Brandschaden, 19.02.95 [X.] (komplett)" sei nicht von ihrem Ehemann ge-

- 4 -schrieben worden und müsse nachträglich auf die Liste gesetzt worden sein. Das Berufungsgericht hat es für den Nachweis der arglistigen [X.] schon ausreichen lassen, dass die Vermutung der Klägerin, der für die Beklagte tätige Sachverständige habe den handschriftlichen [X.] auf der Liste erst nach deren Beschlagnahme vorgenommen, eine widerlegte Unterstellung sei. Aus einem polizeilichen [X.] vom 7. August 1995 ergebe sich, dass die Liste schon im Zeitpunkt ihrer Sicherstellung den umstrittenen handschriftlichen Vermerk getragen ha-be. Das Berufungsurteil zieht dabei aber folgendes nicht in Erwägung: 5 aa) Die fragliche Liste bezieht sich, worauf die Klägerin und ihr Ehemann im Verlaufe des [X.] wiederholt hingewiesen haben, nach ihrem gedruckten Wortlaut auf die Hallen 17 und 18 des [X.] (ehem. [X.] M. ). Dort hat es nicht ge-brannt. Nach Darstellung der Klägerin erfasst die Liste also gerade nicht die verbrannten, sondern anderweitig eingelagerte, unbeschädigt geblie-bene Möbel. Zu den Umständen, unter denen die Liste erstellt worden ist, verhält sich das Berufungsurteil nicht. Dem Beweisantritt, den sach-verständigen Zeugen [X.]zur Entstehung der Liste zu hören, ist es nicht nachgegangen. 6 bb) Dieser vom Ehemann der Klägerin kurz nach dem Brand mit der Schadensaufstellung beauftragte sachverständige Zeuge hat sich schriftlich gegenüber dem von der Beklagten beauftragten [X.] am 27. März 1995 anlässlich der Übersendung der Schadensbele-ge dahingehend geäußert, er habe am 24. März 1995 zusammen mit dem Ehemann der Klägerin das nicht brandgeschädigte Lager in der [X.]

- 5 - straße nach dem [X.] in der [X.] aufgesucht, um die dort verbliebenen (also nicht verbrannten) Möbel mit einer "Restinventur" zu erfassen. Damit korrespondiert das auf der Liste ausgedruckte Datum "24.03.95" und der Umstand, dass die Liste für einen "Mandant: 010" er-stellt ist, was für eine im Auftrage gefertigte Auflistung spricht und inso-weit auf den sachverständigen Zeugen als Ersteller hinweist. Warum der sachverständige Zeuge bei dieser Sachlage nicht gehört worden ist, er-schließt sich aus dem Berufungsurteil nicht.
[X.]) Das Berufungsurteil erwähnt zwar die Einlassung des Eheman-nes der Klägerin, er habe seine Unterschrift über die fragliche Liste ge-setzt, als der Polizeibeamte [X.]

sich die bei der Hausdurchsuchung beschlagnahmten Schriftstücke schriftlich habe bestätigen lassen, zu diesem Zeitpunkt habe sich aber die handschriftliche Überschrift noch nicht auf der Liste befunden. Dem darin liegenden Hinweis, die [X.] Eintragung könne im Zusammenhang mit der polizeilichen Sicherstellung der Liste vorgenommen worden sein, geht die Beweiswür-digung des Berufungsgerichts aber nicht nach, obwohl es ungewöhnlich ist, dass handschriftliche Notizen auf einer nur für den betriebsinternen Gebrauch bestimmten Inventarliste förmlich zu unterschreiben sind, [X.] damit keine Erklärung gegenüber [X.] verbunden werden soll. Hinzu kommt, dass die Schriftzüge des umstrittenen handschriftlichen Vermerks jedenfalls bei laienhafter Betrachtung zahlreiche Ähnlichkeiten mit dem aus der beigezogenen Ermittlungsakte ersichtlichen Schriftbild der Handschrift des Polizeibeamten [X.] aufzuweisen scheinen. Eine sachverständige Klärung der Frage, ob der Vermerk von dem [X.] herrührt, ist indes nicht erfolgt, obwohl der Beweiswert des vom Berufungsgericht herangezogenen [X.]s vom 7. August 1995 hiervon entscheidend abhängen kann. 8

- 6 - [X.]) Schließlich nimmt das Berufungsurteil nicht dazu Stellung, dass in der fraglichen Liste auch Gegenstände, unter anderem drei Sack-karren, aufgeführt sind, die vom Ehemann der Klägerin nicht als durch den Brand geschädigt gemeldet worden waren, was ebenfalls dafür sprechen kann, dass in der Liste nicht brandgeschädigte, sondern anderweitig gelagerte Gegenstände erfasst sind. 9 b) Soweit das Berufungsgericht seine Annahme einer arglistigen Täuschung durch den Ehemann der Klägerin ergänzend auch auf die vermeintliche Unvollständigkeit sichergestellter Listen über Mobiliar stützt, welches vor dem Brand aus dem Lager in der [X.] in das später abgebrannte Lager in der [X.] verbracht worden ist, nimmt es den Akteninhalt nur unvollständig zur Kenntnis. 10 aa) Es trifft nach Aktenlage nicht zu, dass die umgelagerten Möbel ausschließlich in drei bei der Hausdurchsuchung vom 6. Juli 1995 si-chergestellten handschriftlichen Blättern erfasst und deshalb nur Möbel-umlagerungen im Werte von etwa einem Sechstel des als Brandschaden angegebenen Wertes dokumentiert sind. Denn ausweislich des Gutach-tens des mit der Ermittlung der Schadenshöhe beauftragten sachver-ständigen Zeugen [X.] hat dieser bereits im März 1995, mithin meh-rere Monate vor der polizeilichen Hausdurchsuchung, handgeschriebene Originallisten über Möbeltransfers vom Lager in der [X.] zum Lager auf dem Gelände [X.]

hof entgegengenommen und diese Originale am 23. August 1996 an den von der Beklagten beauftragten Sachverständigen zusammen mit sämtlichen anderen von ihm sicherge-stellten Unterlagen übersandt. Diese im [X.] als Anlage 7 eingehefteten zwölf handgeschriebenen Listen weisen Möbeltransporte 11

- 7 -von der [X.] zum K.

hof am 14. Dezember 1994 (2 [X.]), 15. Dezember 1994 (2 Blätter), 11. Januar 1995, 24. Januar 1995, 25. Januar 1995 (2 Blätter), 26. Januar 1995 (2 Blätter), 9. Februar 1995, 10. Februar 1995 und 15. Februar 1995 aus. Der Gesamtwert der in die-sen Listen erfassten Möbel beträgt 958.924,68 DM.
Die bei der Hausdurchsuchung sichergestellten drei weiteren hand-geschriebenen Listen beziehen sich auf Möbeltransporte am 8., 9. und 10. Februar 1995 und betreffen weitere Möbel im Werte von 262.852,70 DM. 12 Das Berufungsgericht sieht es als Indiz für eine arglistige [X.] an, dass die Daten einiger Listen sich decken, ohne dieselben Möbel aufzuführen. Das lässt aber die sich aufdrängende Möglichkeit außer Betracht, dass an einzelnen Tagen mehrere Möbeltransporte stattgefunden haben können, die in gesonderten Listen erfasst wurden. Dafür kann sprechen, dass ausweislich der beigezogenen [X.] mehrere Zeugen von regem LKW-Verkehr auf dem Gelände K.

hof in der [X.] berichtet haben und insbesondere der Zeuge [X.]auch von mehreren Möbeltransporten gesprochen hat. Das Berufungsgericht, welches auch das nicht in seine Erwägungen ein-bezieht, hat nicht erkannt, dass es nach Aktenlage handgeschriebene [X.] über Möbel im Werte von insgesamt 1.221.777,38 DM gibt. Es hat ferner nicht bedacht, dass bei der Schadensaufstellung zu den umgelagerten Möbeln möglicherweise noch solche Möbel hinzuzu-rechnen sind, die nach der Behauptung der Klägerin von vorn herein im Lager [X.] lagerten. Die Annahme, nach einem Ausverkauf im November 1994 hätte sich - abgesehen von den danach aus der [X.] umgelagerten Möbeln - im Februar 1995 kein wesentlicher [X.]

- 8 -renbestand mehr im Lager K.

hof befinden können, stellt eine bloße Vermutung des Tatrichters dar. Über den Erfolg und Umfang des Ausverkaufs im November 1994 enthalten die Akten nichts.
Nur infolge seiner unvollständigen lückenhaften Erwägungen ist das Berufungsgericht daher zu der Annahme gelangt, die in den [X.] erfassten Möbel erreichten "nicht ansatzweise" den geltend gemachten Gesamtschaden von ca. 1,5 Millionen DM. 14 bb) Die polizeiliche Durchsuchung im Lager [X.] hatte er-geben, dass dieses noch im Juli 1995 mit Möbeln voll gestellt war. Für das Berufungsgericht ist dies ein zusätzliches Indiz dafür, dass es [X.] vom Lager [X.] in das Lager [X.] stra-ße/[X.] in dem von der Klägerin behaupteten Umfang nicht gegeben haben könne. Das setzt sich aber nicht damit auseinander, dass die Klägerin nach ihrer Behauptung um den Jahreswechsel 1994/95 zwei (Hallen Nr. 14 und 24) von insgesamt ursprünglich vier angemiete-ten Hallen auf dem Gelände Z.
straße infolge der Beendigung der betreffenden Mietverhältnisse geräumt hatte und zum Zeitpunkt der Durchsuchung nur noch die Hallen 17 und 18 nutzte. 15 2. Das angefochtene Urteil kann nicht deshalb Bestand haben, weil das Berufungsgericht die Leistungsfreiheit der Beklagten daneben auch auf die Verletzung der Meldeobliegenheit aus § 71 Abs. 1 [X.] gestützt hat. Es hat zwar im Ansatz zutreffend erkannt, dass wegen der Schärfe der Sanktion des § 71 Abs. 1 [X.] die Leistungsfreiheit des Versicherers auch zur Voraussetzung hat, dass sie bei Abwägung der Parteiinteres-sen nicht außer Verhältnis zur Schwere der Obliegenheitsverletzung steht (vgl. dazu [X.], 60, 64 ff.; [X.], Urteil vom 20. Mai 1987 16

- 9 -- [X.] - [X.], 705; [X.], 1466-1468). In diese Abwägung hat der Tatrichter jedoch ausdrücklich mit einbezogen, der Ehemann der Klägerin habe die Beklagte arglistig über die Schadenshöhe getäuscht.
Der [X.] kann angesichts der Schwere dieses Vorwurfs nicht si-cher ausschließen, dass die Abwägung anderenfalls zu einem der Kläge-rin günstigeren Ergebnis geführt hätte. Insoweit beruht auch die Annah-me der Leistungsfreiheit nach § 71 Abs. 1 Satz 2 [X.] auf der unter [X.] gegen Art. 103 Abs. 1 GG gewonnenen Überzeugung des [X.], der Ehemann der Klägerin habe arglistig gehandelt. 17 Terno

[X.] [X.] Dr. Kessal-Wulf [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 03.03.2004 - 12 O 60/03 - [X.], Entscheidung vom 24.11.2005 - 8 U 66/04 -

Meta

IV ZR 249/06

07.02.2007

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.02.2007, Az. IV ZR 249/06 (REWIS RS 2007, 5385)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2007, 5385

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