Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.09.2016, Az. 2 StR 352/15

2. Strafsenat | REWIS RS 2016, 5845

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:070916B2STR352.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 [X.]
vom
7. September 2016
in der Strafsache
gegen

wegen veruntreuender Unterschlagung

-
2
-
Der 2.
Strafsenat des [X.] hat auf Antrag des Generalbundes-anwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am
7.
September 2016 gemäß §
349 Abs. 2 und 4 [X.] beschlossen:
1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Land-gerichts [X.] vom 3.
März 2015 im Ausspruch über den Wertersatzverfall sowie
im Ausspruch nach §
111i Abs.
2 [X.] mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

2.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.]s zurückverwiesen.

3.
Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen veruntreuender Unter-schlagung in 15 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt und ihn im Übrigen freigesprochen. Es hat ausgespro-chen, dass die in [X.] erlittene Freiheitsentziehung im Verhältnis 1:1 ange-rechnet wird. Ferner hat
das [X.]
über einen Geldbetrag in Höhe von 184.500 Euro den Wertersatzverfall angeordnet
und festgestellt, dass lediglich deshalb nicht auf Verfall in Höhe von (weiteren) 373.400,16
Euro erkannt [X.], weil Ansprüche Verletzter entgegenstehen.
1
-
3
-

Gegen diese Verurteilung wendet sich der Angeklagte mit seiner auf Ver-fahrensbeanstandungen
und sachlich-rechtliche Einwendungen gestützten Re-vision.
Das Rechtsmittel ist unbegründet im Sinne des §
349 Abs. 2 [X.], so-weit es sich gegen den Schuld-
und Strafausspruch richtet. Hinsichtlich der [X.] sowie der Feststellung nach §
111i Abs. 2 [X.] hat die Revision hingegen Erfolg. Diese Entscheidungen begegnen
durchgrei-fenden rechtlichen Bedenken, weil das [X.] nicht tragfähig begründet hat, dass und in welcher Höhe der Angeklagte aus den von ihm als [X.] und alleinigem
[X.]er der von ihm in der Rechtsform einer GmbH betriebenen Firma

73 Abs. 1 StGB erlangt hat.
1. Das [X.] hat

soweit für die Vermögensabschöpfungsent-scheidungen von Bedeutung

im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
a) Der Angeklagte
war alleiniger [X.]er und Geschäftsführer der
I.

GmbH, die insbesondere Gebrauchtfahrzeuge
vertrieb. Im Zeitraum von Anfang des Jahres 2009 bis Mitte März 2011 veräußerte
er über seine Firma
mindestens 15 Kraftfahrzeuge im [X.] von rund 557.900 [X.], die ihm zuvor von der J.

-Gruppe, einem in A.

ansässigen gewerblichen Kraftfahrzeughändler unter Eigentumsvorbehalt zur Weiterveräußerung über-lassen worden waren; er übergab die Fahrzeuge an seine überwiegend im [X.] ansässigen Kunden jeweils vor Zahlung des vollständigen Kaufpreises an die J.

-Gruppe, obwohl er hierzu

wie er wusste

vor vollständiger Kauf-preiszahlung nicht befugt war. Das [X.] hat die Taten rechtsfehlerfrei 2
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4
-
jeweils als veruntreuende Unterschlagungen im Sinne des §
246 Abs.
1 und Abs. 2 StGB
gewürdigt.
b) Der Angeklagte hat die aus der Verwertung der Kraftfahrzeuge erhal-tenen Zahlungen seiner Kunden überwiegend zum Ausgleich anderer Verbind-lichkeiten des Unternehmens verwendet und dadurch den Geschäftsbetrieb aufrechterhalten. Nach Auffassung des [X.]s profitierte der Angeklagte mittelbar durch regelmäßige, üblichem Umfang entsprechende Entnahmen aus den Einnahmen der [X.]sowie durch den Umstand, dass er nicht aus einer zur Sicherung
eines Kontokorrentkredits der I.

GmbH bei einer
Spar-kasse übernommenen persönlichen Bürgschaft in Anspruch genommen wurde. Nähere Feststellungen zur Höhe der Entnahmen des Angeklagten im Tatzeit-raum sowie zu den Einzelheiten der vom Angeklagten übernommenen Bürg-schaft sowie der
Kontokorrentabrede
hat das [X.] nicht getroffen.
c) Nach dem Gesamtzusammenhang
der Urteilsgründe ist das [X.] davon ausgegangen, dass der Angeklagte den in den [X.] erlangt habe; es hat diesen Sachwert auf der Grundlage der Nettokaufpreiszahlungen der I.

GmbH an die J.

-Gruppe auf [X.] 557.900 [X.] geschätzt. Hinsichtlich eines Betrages in Höhe von 184.500 [X.] hat es den Verfall von Wertersatz angeordnet, weil die
durch die Taten des Angeklagten Verletzten, die Unternehmen der J.

-Gruppe, in [X.] acht Fällen (den Fällen 47, 49, 51-54, 56 und 60)
von den Kunden des Angeklagten Zahlungen in Höhe von insgesamt 184.500 [X.] erhalten haben und in dieser Höhe Schadenswiedergutmachung eingetreten
sei; damit seien die der Entscheidung über den Wertersatzverfall entgegen stehenden
Ansprü-che der Verletzten in dieser Höhe erloschen. Hinsichtlich des Differenzbetrages in Höhe von 373.400 [X.] hat es wegen möglicher Ansprüche der Unterneh-men der J.

-Gruppe eine Feststellungsentscheidung nach §
111i Abs.
2 [X.] getroffen.
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-
5
-

2. Die
Feststellungen erlauben es nicht, revisionsgerichtlich zu überprü-fen, ob

wie für die Anordnung des [X.] und für den Ausspruch nach §
111i Abs. 2 [X.] gleichermaßen erforderlich (vgl. [X.], Urteil vom 28.
Oktober 2010

4
StR 215/10, [X.]St 56, 39, 43)

der Angeklagte
als von der Verfallsanordnung Betroffener selbst

73 Abs.
1 Satz
1 StGB unmittelbar aus den
verfahrensgegenständlichen Taten
erlangt hat.
a) §
73 Abs. 1 Satz 1 StGB sind alle Vermögenswerte, die dem Täter unmittelbar aus der Verwirklichung des [X.] selbst in irgendeiner Phase des [X.] zufließen ([X.], Beschluss
vom 11. Juni 2015

1 [X.], juris Rn.
30; [X.], Urteil vom 19.
Januar 2012

3
StR 343/11, [X.]St 57, 79, 82
mwN; [X.], StGB 63. Aufl. §
73 Rn.
11 mwN). Erfasst ist dabei die Gesamtheit des materiell [X.]
([X.], Urteil vom 21.
August 2002

1
StR 115/02, [X.]St 47, 369, 370; [X.], Urteil vom 19.
Januar 2012

3
StR 343/11, [X.]St 57, 79, 82). Der Verfall ist dabei gemäß § 73 Abs. 2 Satz 2 StGB gegebenenfalls auch auf die Surrogate des [X.] zu erstrecken (vgl. [X.], Beschluss vom 28.
November 2000

5
StR 371/00, [X.], 155, 156 f.).

b) Handelt der Täter als Organ, Vertreter oder Beauftragter (§
14 StGB) eines Unternehmens mit dem Ziel, dass infolge der Tat bei dem Unternehmen eine Vermögensmehrung eintritt, ist das Unternehmen im Erfolgsfall Drittbe-günstigter im Sinne des §
73 Abs. 3 StGB (vgl. [X.], Beschluss vom 11.
Juni 2015

1 [X.], aaO; Urteil vom 30.
Mai 2008

1
[X.], [X.]St 52, 227, 242; Urteil vom 19. Oktober 1999

5 [X.], [X.]St 45, 235, 245; [X.], Beschluss vom 3.
Mai 2005

2
BvR 1378/04, NJW 2005, 3630, 3631). 8
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-
6
-
In Fällen der genannten Art ist das Unternehmen gegebenenfalls gemäß §
442 Abs.
2, §
431 Abs. 1 Satz 1 [X.] am Verfahren zu beteiligen oder ein selbst-ständiges Verfallsverfahren nach den §§
440, 441, §
442 Abs.
1 [X.] gegen es
zu führen (vgl. [X.], Beschluss vom 29.
Mai 2006
-
2 BvR 820/06, [X.], 639, 640).
c) Regelmäßig ist davon auszugehen, dass die juristische Person über eine eigene Vermögensmasse verfügt, die vom Privatvermögen des [X.] zu trennen ist. Die dem Vermögen einer juristischen Person zugeflossenen [X.] sind daher auch dann nicht ohne Weiteres durch den Täter im Sinne des §
73 Abs. 1 Satz 1 StGB erlangt, wenn dieser eine

legale

Zu-griffsmöglichkeit auf das Vermögen hat ([X.], Urteil vom 30. Mai 2008

1 [X.], [X.]St 52, 227, 256). Für eine Verfallsanordnung gegen den Täter [X.] es in derartigen Fällen einer über die faktische Verfügungsgewalt hinaus-gehenden
Feststellung, dass dieser selbst etwas erlangt hat, was zu einer Än-derung seiner Vermögensbilanz geführt hat. Umstände, die eine solche Fest-stellung rechtfertigen, können etwa darin zu sehen sein, dass der Täter die ju-ristische Person lediglich als einen formalen Mantel nutzt und eine Trennung zwischen seiner eigenen Vermögenssphäre und derjenigen der [X.] tatsächlich nicht vornimmt, oder jeder aus der Tat folgende Vermögenszufluss an die [X.] sogleich an den Täter weitergeleitet wird ([X.], Urteile vom 30. Mai 2008

1 [X.], [X.]St 52, 227, 256 und vom 29.
Juni 2010

1
StR 245/09, [X.], 83, 86; [X.], Beschluss
vom 14.
Juni 2004

2
BvR
1136/03, [X.], 378, 382).
d) Gemessen hieran ist nicht belegt, dass der als Geschäftsführer für die
I.

GmbH
handelnde Angeklagte

neben der I.

GmbH

auch selbst etwas im Sinne des §
73 Abs. 1 Satz 1 StGB aus der Tat erlangt
hat.
11
12
13
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7
-
Dass es sich bei dem Vermögen der I.

GmbH und dem Privatvermö-gen des Angeklagten um nur vorgeblich getrennte Vermögensmassen handelt, hat das [X.] nicht festgestellt.

Allein der Umstand, dass der Angeklagte Geschäftsführer und [X.] dieser [X.] war
und in dieser Funktion unmittelbare Verfü-gungsgewalt über die Fahrzeuge und die dafür erhaltenen Erlöse seiner Kun-den
hatte, genügt für die Annahme einer (Mit-) Verfügungsgewalt nicht
(vgl. [X.], Urteil vom 30.
Mai 2008

1
[X.], [X.]St 52, 227, 256 mwN).
Zwar hat der Angeklagte nach den Feststellungen mittelbar durch regel-mäßige, üblichem Umfang entsprechende Entnahmen und durch eine
unter-bliebene Inanspruchnahme aus einer persönlichen Bürgschaft von dem Mittel-zufluss an die I.

GmbH profitiert. Die Annahme einer Mitverfügungsgewalt über die Mittelzuflüsse an das Unternehmen
rechtfertigt dies jedoch nicht:
Den Urteilsgründen lässt sich
weder entnehmen, in welchem genauen Umfang Ein-nahmen der [X.] aus den Taten an den Angeklagten weitergeleitet wurden
(vgl. hierzu [X.], Urteil vom 23.
Oktober 2013

5
StR 505/12, [X.], 89, 93 Rn.
47, 48), noch ergeben
die Feststellungen, dass
der Angeklag-te eine Trennung zwischen seiner eigenen Vermögenssphäre und derjenigen der [X.] faktisch nicht vornahm.

Soweit das [X.] davon ausgegangen sein sollte, dass der Ange-klagte durch die
Taten einen Vorteil erlangt habe, weil die aus den Taten her-rührenden Mittelzuflüsse an das Unternehmen dazu führten, dass er nicht aus einer persönlich übernommenen Bürgschaft
zur Sicherung eines Kontokorrent-kredits der I.

GmbH bei der Sparkasse A.

in Anspruch genommen [X.] ist, ist damit ein unmittelbar aus den Taten [X.] wirtschaftlicher Vermögenszuwachs des Angeklagten nicht belegt. Nach den Feststellungen 14
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verwandte
der Angeklagte die Kaufpreiszahlungen seiner Kunden nicht zum Ausgleich bestehender und durch eine persönliche Bürgschaft gesicherter Ver-bindlichkeiten der I.

überwiegend zum Ausgleich anderweitiger Verbindlichkeiten gegenüber den Unternehmen der J.

-.

3. Dies führt zur Aufhebung des Ausspruchs über den (Wertersatz-)
Ver-fall sowie der Feststellung nach §
111i Abs. 2 [X.]. Der Senat hebt auch die zugehörigen Feststellungen auf, um dem neuen Tatrichter widerspruchsfreie Feststellungen -
insbesondere auch zu den Vermögensverhältnissen
des Ange-klagten -
zu ermöglichen.

Sollte das neue Tatgericht abermals eine Verfallsentscheidung oder eine Feststellung nach §
111i Abs. 2 [X.] treffen, wird es im Rahmen seiner Er-messensentscheidung nach §
73c Abs. 1 Satz 2 StGB näher in den
Blick zu nehmen haben, dass
Geld, das zur allgemeinen Schuldentilgung verwendet wird, wertmäßig im Vermögen des [X.] oder verfallsbeteiligten Dritten eben-sowenig
enthalten ist, wie solches, das für verbrauchbare Sachen ausgegeben wurde ([X.], Urteil vom 5.
April 2000

2 [X.], [X.], 480, 481; [X.], Urteil vom 9.
Juli 1991

1 StR 316/91, [X.]St 38, 23, 25).
[X.]Zeng

Bartel

Wimmer

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18

Meta

2 StR 352/15

07.09.2016

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.09.2016, Az. 2 StR 352/15 (REWIS RS 2016, 5845)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 5845

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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2 StR 352/15

1 StR 368/14

1 StR 166/07

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