Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.03.2016, Az. 1 StR 662/15

1. Strafsenat | REWIS RS 2016, 14550

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:150316B1STR662.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 662/15

vom
15. März
2016
in der Strafsache
gegen

wegen
schweren Bandendiebstahls u.a.

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Der 1. Strafsenat des [X.] hat am 15. März
2016
gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO
beschlossen:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 17. September 2015 im Ausspruch über die Anordnung des Verfalls des Motorrollers [X.] aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere Strafkammer des [X.]s zurück-verwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen schweren Bandendieb-stahls in vier Fällen, jeweils in Tateinheit mit
Sachbeschädigung, sowie wegen Diebstahls in Tateinheit mit Sachbeschädigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt und in der Sache den erweiterten Wertersatzverfall des in seinem Eigentum stehenden Motorrollers angeordnet.
Sein auf mehrere Verfahrensbeanstandungen und die ausgeführte Sachrüge gestütztes Rechtsmittel hat lediglich in dem aus der [X.] ersichtlichen Umfang Erfolg (§
349 Abs.
4 StPO). Im Übrigen erweist es sich als unbegründet im Sinne von §
349 Abs.
2 StPO.
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1.
Nach den Feststellungen des [X.]s hat eine [X.] Täter-gruppierung, zu der auch der Angeklagte gehörte, in wechselnder personeller Zusammensetzung zahlreiche Einbrüche in Tankstellen begangen und Tabak-waren und Bargeld entwendet. Die Angehörigen der Gruppierung bestritten mit dem Erlös aus dem Verkauf der Tabakwaren, dem erbeuteten Bargeld und den ihnen als Asylbewerbern gewährten staatlichen Leistungen
ihren Lebensunter-halt. Dem Angeklagten konnte lediglich eine Beteiligung an fünf Einbrüchen
der Tabakwaren und dessen konkrete Verteilung einschließlich des erbeuteten Bargelds unter den Tatbeteiligten sind nicht bekannt.
Nach Überzeugung des [X.]s hat der Angeklagte das Eigentum [X.]. Er bezog als Asylbewerber nur geringfügige staatliche Leistungen
und hatte auch keine sonstigen
legalen Einkünfte, so dass der Kaufpreis nur aus erbeutetem Geld und aus dem Verkaufserlös der Tabakwaren bestritten wer-den konnte. Da nicht festzustellen war, aus welchen der von der Gruppierung begangenen Taten das für die Anschaffung benötigte Geld stammte, hat das [X.],
abweichend vom Tenor in der Sache,
den erweiterten [X.] gemäß § 73d StGB angeordnet und ausgeführt, für die Annahme einer unbilligen Härte sei kein Raum.
2.
Die Anordnung des (erweiterten) Verfalls des Motorrollers hält rechtli-cher Überprüfung nicht in jeder Hinsicht stand.
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a) Bei der Anordnung des Verfalls nach § 73 StGB muss die Tat, für die oder aus der etwas erlangt worden ist, Gegenstand der Verurteilung sein (vgl. [X.], Beschluss vom 20. April 2010 -
4 [X.], [X.], 255). Dem Verfall unterliegt dabei das, was unmittelbar für die oder aus der abgeurteilten Tat erlangt worden ist. Soweit ein Zugriff auf das unmittelbar Erlangte nicht (mehr) möglich ist und von einem Verfall eines Ersatzgegenstandes gemäß §
73 Abs. 2 Satz 2 StGB abgesehen wird, ist nach § 73a Satz 1 StGB der Ver-fall eines Geldbetrages anzuordnen, der dem Wert des [X.] entspricht (Wertersatzverfall).
Findet der erweiterte Verfall Anwendung, erstreckt sich der Verfall auf Vermögensgegenstände des Angeklagten, die unmittelbar für oder aus [X.] Taten erlangt worden sind, ohne dass diese Taten im Einzelnen fest-gestellt werden müssen (vgl. [X.], Beschluss vom 22. November 1994 -
4 [X.], [X.]St 40, 371, 373). Als Verfallsgegenstände erfasst werden alle im Sinne des § 73d Abs. 1 Satz 1 StGB aus rechtswidrigen Taten herrührenden Gegenstände oder deren Surrogate gemäß § 73d Abs. 1 Satz 3, § 73 Abs. 2 Satz 2 StGB, die bei Begehung der den erweiterten Verfall eröffnenden An-knüpfungstat im Vermögen des Angeklagten vorhanden waren (vgl. Gesetz-entwurf der Bundesregierung für ein Strafrechtsänderungsgesetz -
Erweiterter Verfall -, BT-Drucks. 11/6623 S. 8; [X.], Beschlüsse vom 1. Juli 2004 -
4 [X.], [X.], 394; vom 7. Januar 2003 -
3 [X.], [X.], 422, 423; Urteil vom 9. Mai 2001 -
3 [X.], [X.]R StGB § 73d Gegen-stände 4).
Ist der Verfall eines bestimmten Gegenstandes nach der Anknüpfungstat ganz oder teilweise unmöglich geworden, ist nach § 73d Abs. 2 StGB in ent-sprechender Anwendung des § 73a StGB auf Wertersatzverfall in Höhe des 6
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Wertes des ursprünglich dem erweiterten Verfall unterliegenden Gegenstandes zu erkennen (vgl. [X.], Urteil vom 9. Mai 2001 -
3 [X.], aaO).
Im Verhältnis zur Verfallsanordnung nach § 73 StGB ist der erweiterte Verfall gemäß § 73d Abs. 1 StGB subsidiär. Die Anordnung des § 73d StGB setzt daher voraus, dass nach Ausschöpfung aller Beweismittel nicht [X.] werden kann, dass die
aus oder für rechtswidrige Taten erlangten Gegen-stände aus solchen Taten herrühren, die Gegenstand der Verurteilung sind (vgl. [X.], Urteil vom 7. Juli 2011 -
3 [X.], [X.]R StGB § 73d Anwen-dungsbereich 3 [Gründe];
Beschluss vom 23. Mai 2012
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4 [X.], NStZ-RR
2012, 312 f.).
b) Bei dem Motorroller handelte es sich um einen Gegenstand, den der Angeklagte als Surrogat im Sinne von § 73 Abs. 2 Satz 2 StGB erworben hat. Hierzu zählen auch solche Gegenstände, die der Täter unter Verwendung (de-liktisch) erlangter Geldbeträge angeschafft hat ([X.], Beschluss vom 18. No-vember 2015
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2 StR 399/15, NStZ-RR
2016, 83 f. mwN).
Sollte das erbeutete Bargeld bzw. der Verkaufserlös mit den staatlichen Unterstützungsleistungen vermischt worden sein, wären die Voraussetzungen des § 73a Satz 2 StGB (Verfall von Wertersatz) gegeben.
Das [X.] ist daher in den Urteilsgründen zutreffend davon aus-gegangen, dass die Voraussetzungen des Verfalls nach § 73 Abs. 2 Satz 2 StGB vorliegen, weil der Angeklagte den Motorroller mit dem durch den Verkauf der erbeuteten Tabakwaren erzielten Erlös oder möglicherweise mit erbeutetem Bargeld bezahlt hat.
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c) Nach den Feststellungen blieb indes die Möglichkeit offen, dass das Bargeld bzw. der Verkaufserlös nicht, nicht vollständig oder überhaupt nicht aus den abgeurteilten Taten stammten, da die konkrete Verteilung der Beute unter den Tatbeteiligten nicht bekannt ist und die Gruppierung noch weitere Einbrü-che begangen hatte. Daher waren
die Voraussetzungen des erweiterten Ver-falls nach §§ 73 Abs. 2 Satz 2, 73d Abs. 1 Satz 1 StGB gegeben
(vgl. [X.], Urteil vom 7. Juli 2011 -
3 [X.] Rn. 6 und 7 mwN).
d) §
73c Abs.
1 Satz
2 StGB musste das [X.] nicht erörtern, da der erlangte Motorroller noch im Vermögen des Angeklagten vorhanden ist.
e) Für eine nähere Erörterung des § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB, der eine Anordnung des Verfalls ausschließt, soweit er für den Betroffenen

i-

f) [X.] ist die Verfallsanordnung allein deshalb, weil ihr Ansprü-che von Verletzten entgegenstehen, das [X.] aber keine Feststellungen nach § 111i Abs. 2 StPO getroffen hat.
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Da das [X.] das ihm für Ausnahmefälle eingeräumte Ermessen (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Stärkung der [X.] und der Vermögensabschöpfung bei Straftaten, BT-Drucks. 16/700, S. 16; [X.],
StPO,
26. Aufl.
2014,
§
111i Rn. 17; [X.]/[X.],
StPO,
58. Aufl.,
§ 111i Rn. 8 mwN) rechtsfehlerhaft nicht aus-geübt hat, war die Entscheidung insoweit aufzuheben ([X.], Urteil vom 17. Juni 2009

2 [X.]); die zugehörigen Feststellungen können bestehen blei-ben. Die vom [X.] angeregte eigene Entscheidung des [X.] gemäß § 354 Abs.
1 StPO war deshalb nicht angezeigt.
[X.] Radtke

Fischer

Bär
16

Meta

1 StR 662/15

15.03.2016

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.03.2016, Az. 1 StR 662/15 (REWIS RS 2016, 14550)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 14550

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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4 StR 119/10

3 StR 144/11

4 StR 76/12

2 StR 399/15

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