Bundesgerichtshof, Urteil vom 16.08.2018, Az. III ZR 267/16

3. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 4742

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Gegenstand

Schlichtung als Prozessvoraussetzung: Auslegung einer Schlichtungsklausel; Ausschlussfrist zur Anrufung der Schlichtung


Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 1. Zivilsenats des [X.] vom 11. April 2016 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt mit einer Teilklage Vergütung für anästhesiologische Leistungen bei Operationen in der Klinik der [X.] sowie Ersatz vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten.

2

Sie stützt ihre Vergütungsforderung auf einen zwischen den Parteien am 30. März 2012 geschlossenen "[X.] in der Praxisklinik S.        ", dessen § 15 unter der Überschrift "Schlichtung" folgende Regelungen enthält:

"(1) Sollte es aus diesem [X.] kommen, so sind sich die Vertragspartner einig, dass eine Anrufung staatlicher Gerichte nur nach Durchführung einer Schlichtung stattfinden soll.

(2) ...

(3) [X.] hat innerhalb von drei Monaten nach Geltendmachung der Ansprüche unter gleichzeitiger Benennung des Schlichters zu erfolgen.

(4) Der [X.] gilt als gescheitert, wenn die [X.] nicht innerhalb von drei Monaten nach Anrufung entscheidet."

3

Ein Schlichtungsverfahren fand zwischen den Parteien nicht statt.

4

Die Klägerin trat ihre Forderungen an die M.      Praxisklinik S.       GmbH ab, die auch die Klage erhoben hat. Die [X.] hat die Forderungen im Verlauf des Rechtsstreits an die Klägerin zurückabgetreten, die sodann anstelle der M.      Praxisklinik S.        GmbH in den Prozess eingetreten ist.

5

Das [X.], bei dem eine Güteverhandlung vor dem Güterichter ohne Erfolg geblieben war, hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Nachdem das [X.] die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen hat, verfolgt die Klägerin mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision ihre Forderung weiter.

Entscheidungsgründe

6

Die Revision führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

7

Das Berufungsgericht hat - dem [X.] folgend - die [X.] in § 15 Abs. 1 des Vertrags dahingehend ausgelegt, dass eine Anrufung der ordentlichen Gerichte erst nach gescheiterter Schlichtung möglich sei. Die Klage sei daher auf die von der [X.]n erhobene Einrede des (noch) ausstehenden [X.] als derzeit unzulässig abzuweisen. Bedenken gegen die Wirksamkeit der vertraglichen Schlichtungsregelungen bestünden auch dann nicht, wenn sie - was offen bleiben könne - Allgemeine Geschäftsbedingungen der [X.]n seien. § 15 des Vertrags sei seinem konkreten Inhalt nach weder intransparent noch undurchführbar. Die in § 15 Abs. 3 des Vertrags genannte Frist von drei Monaten sei nicht als Ausschlussfrist anzusehen, deren Verstreichen zur Folge habe, dass das Schlichtungsverfahren nicht mehr stattfinden müsse. Ein [X.] sei auch nicht wegen der erfolglos durchgeführten Verhandlung vor dem [X.] entbehrlich. Im Übrigen erscheine die Teilklage schon mangels hinreichender Bestimmtheit des Klagegegenstands im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO als derzeit unzulässig.

II.

8

Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

9

1. Der Zulässigkeit der Klage steht nicht entgegen, dass die Parteien keinen außergerichtlichen [X.] unternommen haben.

Vereinbaren die Parteien, dass vor Anrufung der staatlichen Gerichte der Versuch einer gütlichen Einigung durch Vermittlung einer Schlichtungskommission unternommen werden muss, wird damit regelmäßig die sofortige [X.] ausgeschlossen ([X.], Urteile vom 15. Dezember 2016 - [X.], NJW-RR 2017, 229, 231 Rn. 36 und vom 29. Oktober 2009 - [X.], NJW-RR 2009, 637 Rn. 18). Die Nichteinhaltung der Schlichtungsvereinbarung ist nur auf die Einrede des [X.]n zu beachten ([X.], Urteile vom 15. Dezember 2016 aaO und vom 29. Oktober 2009 aaO Rn. 19). Auf diese Einrede kann sich die [X.] im vorliegenden Fall nicht (mehr) mit Erfolg berufen. Denn die in § 15 Abs. 3 des Vertrags vorgesehene Frist von drei Monaten zur Anrufung der Schlichtung ist eine Ausschlussfrist, nach deren fruchtlosem Ablauf der in § 15 Abs. 1 des Vertrags vereinbarte dilatorische Klageverzicht entfällt.

a) Ob es sich bei den streitigen vertraglichen Schlichtungsregelungen um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt, die der uneingeschränkten revisionsrechtlichen Nachprüfung unterliegen und vom Revisionsgericht selbst ausgelegt werden können (vgl. z.B. [X.], Urteile vom 5. Oktober 2017 - [X.]/17, NJW 2018, 534, 535 Rn. 16; vom 18. Februar 2016 - [X.]/15, [X.]Z 209, 52, 67 Rn. 44 und vom 29. Mai 2008 - [X.], [X.], 2495 Rn. 10 f), kann offen bleiben. Auch wenn man von individuell ausgehandelten Vertragsbestimmungen ausgeht, deren tatrichterliche Auslegung nur eingeschränkt revisionsgerichtlich überprüfbar ist, ist die Auffassung des Berufungsgerichts, § 15 Abs. 3 bestimme keine Ausschlussfrist für die Durchführung des Schlichtungsverfahrens, rechtsfehlerhaft. Denn sie lässt die allgemein anerkannten Auslegungsgrundsätze außer [X.], dass vom Wortlaut der auslegungsbedürftigen Vereinbarung auszugehen und derjenigen Auslegungsmöglichkeit der Vorzug zu geben ist, die der getroffenen Regelung eine tatsächliche Bedeutung verleiht, wenn sie sich anderenfalls als sinnlos darstellen würde (vgl. [X.] Urteile vom 7. März 2005 - [X.], [X.], 1018, 1019 und vom 18. Mai 1998 - [X.], [X.], 1274).

b) Der Wortlaut des § 15 Abs. 3, nach dem die Anrufung der Schlichtung innerhalb von drei Monaten nach Geltendmachung der Ansprüche zu erfolgen hat, lässt sich mit der Annahme, es handele sich um keine Ausschlussfrist, nicht vereinbaren. Dass die Anrufung der Schlichtung "innerhalb" der vorgenannten Frist zu erfolgen "hat" (und nicht "soll") schließt schon nach allgemeinem Sprachverständnis aus, dass auch noch nach dem Ablauf der Frist ein Schlichtungsverfahren eingeleitet werden kann.

c) [X.] man dies anders, wäre die Fristenregelung in § 15 Abs. 3 sinnlos und überflüssig. Dagegen ergibt sie als Festlegung einer Ausschlussfrist auch im Zusammenhang mit den übrigen, die Schlichtung betreffenden vertraglichen Regelungen Sinn. Dies gilt zunächst mit Blick auf den Wortlaut des § 15 Abs. 1 des Vertrags, nach dem eine Anrufung staatlicher Gerichte nur nach Durchführung einer Schlichtung stattfinden "soll" (aber nicht "stattfindet"). Denn diese Wortwahl lässt es zu, dass eine Schlichtung zwischen den Parteien nicht in jedem Fall zwingend der Anrufung staatlicher Gerichte vorausgehen muss, wobei auch das Wort "nur" der Anordnung eines außergerichtlichen Streitbeilegungsversuchs keinen eindeutig obligatorischen Charakter verleiht. Mangels eines solchen fehlt aber eine belastbare Grundlage für die entscheidungstragende Erwägung des Berufungsgerichts, dass es dem Anspruchsteller verwehrt sein müsse, durch Untätigkeit während der dreimonatigen Frist die Schlichtung zu "unterlaufen". Dieses Argument greift im Übrigen auch deshalb nicht, weil die [X.] innerhalb von drei Monaten nach Geltendmachung der Ansprüche selbst eine Schlichtung hätte anrufen und so ein "Unterlaufen" der Frist hätte verhindern können. Mit der Annahme einer Ausschlussfrist ebenfalls gut vereinbar ist schließlich der Zweck der [X.] nach § 15 Abs. 3 und 4 des Vertrags, die erkennbar bewirken sollen, dass ein [X.] möglichst zügig unternommen wird und spätestens sechs Monate nach Geltendmachung der streitigen Forderung Klarheit über seinen Erfolg besteht.

2. Danach kommt es auf die von der Revision erhobenen Bedenken gegen die Wirksamkeit der Schlichtungsvereinbarung wegen Fehlens rechtsstaatlicher Mindeststandards für das Schlichtungsverfahren und eines berechtigten Interesses der Parteien an einer außergerichtlichen Streitbeilegung nicht an.

3. Das Berufungsurteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig. Insbesondere hätte die Berufung gegen das erstinstanzliche klageabweisende Prozessurteil nicht wegen § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zurückgewiesen werden können.

a) Zwar trifft die Einschätzung des Berufungsgerichts, der Gegenstand der Teilklage sei nicht hinreichend bestimmt, im Ergebnis zu. Diese Unbestimmtheit ergibt sich bereits daraus, dass unklar ist, ob die Klägerin einen Teil des in der von ihr vorlegten Anlage [X.] errechneten [X.]s aus eigenen Forderungen und Gegenforderungen der [X.]n zum Stichtag 31. Mai 2014 in Höhe von 53.928,63 € oder - als einen anderen Streitgegenstand - einen Teil der in diesen Saldo eingestellten Einzelpositionen "offene Forderungen an [X.] aus [X.]" für 2012 und die folgenden Kalenderjahre gemäß Schriftsatz vom 2. Juli 2014 geltend macht. Auf die im Berufungsurteil verlangte weitere Aufschlüsselung, in welcher Reihenfolge die einzelnen Vergütungsforderungen zur "Auffüllung" der Klageforderung herangezogen werden, kommt es daher allenfalls in zweiter Linie an. Zum Gegenstand ihrer Teilklage hat die Klägerin im bisherigen Verlauf des Verfahrens und unter anderem noch in ihrer Berufungsbegründung vom 8. Januar 2016 widersprüchlich vorgetragen, indem sie sich wechselweise auf den [X.] und/oder die vorgenannten Einzelpositionen berufen hat.

b) Gleichwohl hätte jedoch im vorliegenden Fall mangels hinreichender Bestimmtheit des Klagegegenstands ohne Verletzung des rechtlichen Gehörs der Klägerin weder die Teilklage als unzulässig abgewiesen noch die Berufung hiergegen zurückgewiesen werden dürfen. Denn die Vorinstanzen haben die Klägerin - was sie mit der Revision ausdrücklich beanstandet - nicht (rechtzeitig) auf diesen Zulässigkeitsmangel hingewiesen. Ein solcher Hinweis hätte noch vor Schluss der mündlichen Berufungsverhandlung erfolgen müssen, um der Klägerin Gelegenheit zur Konkretisierung ihres Klagebegehrens zu geben. Tatsächlich ist sie erst im Berufungsurteil - mit nachrangigen Erwägungen - auf die ungenügende Bestimmtheit der Klage aufmerksam gemacht worden.

Zwar sind Mängel beim notwendigen Inhalt der Klageschrift im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachten. Diese führen aber dann nicht zur Zurückweisung der Revision, wenn hierzu in den Vorinstanzen kein rechtliches Gehör gewährt worden ist. Werden Mängel des Klageantrags erstmals in der dritten Instanz festgestellt, hebt das Revisionsgericht das angefochtene Berufungsurteil auf und verweist die Sache an das Berufungsgericht zurück, um der [X.] aus Gründen des Vertrauensschutzes und der prozessualen Fairness Gelegenheit zu geben, in der wiedereröffneten zweiten Instanz den Gegenstand ihrer Klage zu konkretisieren (vgl. [X.], Urteile vom 22. Januar 2014 - I ZR 164/12, NJW 2014, 1534, 1537 f Rn. 49; vom 20. Juni 2013 - [X.], NJW 2014, 775, 776 Rn. 12 und 14 und vom 16. November 2006 - [X.], [X.], 607, 608 Rn. 15 und 609 Rn. 18).

4. Nach alldem ist das angefochtene Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 ZPO), das zunächst auf eine Klarstellung des Gegenstands der Teilklage hinzuwirken haben wird.

In diesem Zusammenhang weist der [X.] vorsorglich darauf hin, dass die Klage auch dann, wenn sie sich nach dem Willen der Klägerin nicht auf den [X.], sondern auf die in der Anlage [X.] saldierten Einzelpositionen beziehen sollte, nicht schon wegen fehlender Aktivlegitimation unbegründet sein dürfte. Zwar ist der Klägerin nach im Februar 2014 erfolgter Forderungsabtretung an die M.     Praxisklinik S.      GmbH im Januar 2015 nur eine Forderung in Höhe des zum Stichtag 31. Dezember 2013 bestehenden [X.]s rückabgetreten worden. Allerdings dürfte bereits der Abtretungsvertrag vom Februar 2014 mangels Bestimmbarkeit des Abtretungsgegenstandes unwirksam gewesen und die Klägerin damit Inhaberin aller ihrer Forderungen gegen die [X.] geblieben sein.

Herrmann     

        

Tombrink     

        

Liebert

        

Arend     

        

Böttcher     

        

Meta

III ZR 267/16

16.08.2018

Bundesgerichtshof 3. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, 11. April 2016, Az: 1 U 167/15

§ 133 BGB, § 157 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 16.08.2018, Az. III ZR 267/16 (REWIS RS 2018, 4742)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 4742

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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