Bundesfinanzhof, Beschluss vom 15.10.2010, Az. III B 149/09

3. Senat | REWIS RS 2010, 2334

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Gegenstand

Beiladung Dritter zur Ermöglichung einer Folgeänderung - Keine Entscheidung über Festsetzungsverjährung im Beiladungsverfahren


Leitsatz

1. NV: Werden Steuerbescheide, in denen das FA davon ausging, dass der Kläger gewerbliche Einkünfte als Einzelunternehmer erzielt hatte, mit der Begründung aufgehoben, dass der Kläger allenfalls als Mitunternehmer tätig geworden sei, so können die als Mitunternehmer in Betracht kommenden Personen während des finanzgerichtlichen Verfahrens --auch im zweiten Rechtsgang-- beigeladen werden. Die Beiladung kann nur unterbleiben, wenn die Möglichkeit einer Folgeänderung ausgeschlossen ist .

2. NV: Es ist nicht zweifelsfrei ausgeschlossen, dass eine Beiladung eine anschließende Gewinnfeststellung für eine aus dem Kläger und den Beigeladenen bestehende Personengesellschaft erlaubt .

3. NV: Ob der vom FA beabsichtigten Gewinnfeststellung die Festsetzungsverjährung zweifelsfrei entgegensteht, ist regelmäßig erst in einem Verfahren gegen den zu erlassenden Bescheid zu beurteilen und nicht im Verfahren über die Beiladung .

Tatbestand

I.

1

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) war in den Jahren 1994 bis 1996 mit drei anderen Gesellschaftern, den weiteren Beschwerdeführern [X.], [X.] und [X.] (Beigeladene), an einer [X.] beteiligt, die für geschlossene Immobilienfonds ([X.]) in Form von [X.] entwickelte, bebaute und vermarktete. Gründungsgesellschafter und Geschäftsführer dieser [X.] sowie ihrer Komplementär-GmbH waren in der Regel der Kläger und die Beigeladenen.

2

Die Vermarktung von Grundstücken für die [X.] umfasste auch die Vermittlung der Bauzwischenfinanzierung, für die sich der Kläger und die Beigeladenen selbstschuldnerisch gegenüber den Kreditinstituten verbürgten. Grundlage war ein von ihnen mit der jeweiligen Objektgesellschaft geschlossener [X.]. Für die Übernahme der Bürgschaftsverpflichtungen wurde jeweils eine einheitliche Avalprovision für alle vier Bürgen --den Kläger und die drei [X.] vereinbart, die intern im Verhältnis 40 %, 40 %, 10 % und 10 % aufgeteilt wurde. Diese Aufteilung entsprach den [X.] an der [X.] vor 1994.

3

Die vom Kläger vereinnahmten [X.] wurden steuerlich zunächst bei der Feststellung der Einkünfte der jeweiligen Objektgesellschaft erfasst. Anlässlich verschiedener Betriebsprüfungen bei den [X.] gelangte der Prüfer zu der Auffassung, der Kläger und die Beigeladenen hätten die Bürgschaften nicht auf gesellschaftsrechtlicher, sondern auf gesonderter schuldrechtlicher Grundlage übernommen. Daher seien diese Vergütungen nicht bei der Feststellung der Einkünfte der [X.], sondern bei der Einkommensteuerveranlagung des [X.] und der Beigeladenen als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu erfassen. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --[X.]--) erließ daraufhin erstmals Bescheide über den einheitlichen Gewerbesteuermessbetrag und die Gewerbesteuer des [X.].

4

Die dagegen erhobene Klage führte zu einem [X.]wischenurteil des Finanzgerichts ([X.]), durch das u.a. festgestellt wurde, dass der Kläger als Einzelunternehmer Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt habe. Dieses [X.]wischenurteil hob der Senat auf und entschied mit Urteil vom 17. Dezember 2008 [X.] ([X.], 1087), der Kläger sei mit der Übernahme der Bürgschaftsverpflichtungen zugunsten der [X.] nicht als Einzelunternehmer, sondern allenfalls --mit den [X.] als Mitunternehmer (§ 2 Abs. 1 Satz 2 des [X.]. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes) tätig geworden.

5

Im zweiten Rechtsgang lud das [X.] die drei weiteren Gesellschafter der [X.] auf Antrag des [X.] durch Beschluss vom 4. August 2009 gemäß § 174 Abs. 4 und Abs. 5 der Abgabenordnung ([[X.].]) bei. Durch Urteil vom 10. September 2009 gab es sodann der Klage statt und hob die gegen den Kläger gerichteten Gewerbesteuerbescheide für 1994 bis 1996 auf. Der Beschwerde des [X.] und der Beigeladenen gegen den [X.] half das [X.] nicht ab.

6

Der Kläger und die Beigeladenen tragen vor, der [X.] sei mangels steuerlicher Auswirkung aufzuheben. Die Festsetzungsfrist für die Gewerbesteuer der Jahre 1994 bis 1996 habe mit Ablauf der Jahre 1997 bis 1999 begonnen (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 [[X.].] i.V.m. § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 [[X.].]) und zum Ende der Jahre 2001, 2002 und 2003 geendet. An dieser Rechtslage ändere die besondere Verjährungsregel des § 174 Abs. 5 Satz 1 [[X.].] i.V.m. § 174 Abs. 4 Satz 3 [[X.].] nichts. Denn Dritte seien bis zur Beiladung nicht beteiligt gewesen. Das [X.] habe eingeräumt, dass die Beigeladenen im Verfahren keine eigenen Anträge gestellt hätten und dazu mangels Hinzuziehung oder Beiladung auch außerstande gewesen seien. Das rechtliche Interesse der Beigeladenen [X.] und [X.] an den streitgegenständlichen Rechtsfragen rühre nur daher, dass gegen sie ebenfalls --anderweitig angefochtene-- Gewerbesteuerbescheide ergangen seien; die Interessen des Beschwerdeführers [X.] würden durch den Ausgang des Verfahrens nicht berührt.

7

Als Schuldner der Gewerbesteuer 1994 bis 1996 komme nach dem Senatsurteil in [X.], 1087 allenfalls eine aus dem Kläger und den Beigeladenen bestehende Personengesellschaft in Betracht, deren Beiladung jedoch nicht beantragt worden sei. Im Übrigen sei zum [X.]eitpunkt des [X.]es auch die Verjährungsfrist für eine Steuerfestsetzung gegenüber einer vom Kläger und den Beigeladenen gebildeten Personengesellschaft bereits abgelaufen gewesen.

8

Die Beiladung sei auch unzulässig, weil sie erstmals nach Abschluss des Revisionsverfahrens erfolgt sei. Wenn ein Dritter erst nach dem Abschluss des Revisionsverfahrens beigeladen werde, könne er das Verfahren nicht mehr in seinem Sinne beeinflussen. Im Streitfall seien bereits durch das Senatsurteil in [X.], 1087 "die Würfel gefallen"; der Fall sei materiell-rechtlich entschieden gewesen und dem [X.] lediglich die Aufgabe verblieben, der Klage unter Bezugnahme auf das Urteil des [X.] ([X.]) stattzugeben.

9

Der Kläger und die Beigeladenen beantragen, den Beschluss vom 4. August 2009 betreffend die Beiladung der Herren Klaus [X.], [X.] und [X.] aufzuheben.

Das [X.] entgegnet, eine aus den Beschwerdeführern bestehende Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) sei zwar bisher nicht formell beteiligt worden. Eine Gesellschaft könne aber nach dem Urteil des [X.] des Saarlandes vom 31. Mai 1989  1 K 74/88 (Entscheidungen der Finanzgerichte 1989, 439) auch über ihre Gesellschafter als Dritter am Verfahren beteiligt werden.

Entscheidungsgründe

II. Die Beschwerden sind als unbegründet zurückzuweisen (§ 132 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--), denn das [X.] hat die Voraussetzungen einer Beiladung nach § 174 Abs. 5 Satz 2 [X.] zu Recht angenommen.

1. Nach § 174 Abs. 5 Satz 2 [X.] ist eine Beiladung --unabhängig von den Voraussetzungen des § 60 [X.]O-- zulässig, wenn ein Steuerbescheid i.S. des § 174 Abs. 4 [X.] wegen irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts möglicherweise aufzuheben oder zu ändern ist und hieraus rechtliche Folgerungen bei einem [X.] zu ziehen sind. Um diese Korrekturmöglichkeit zu gewährleisten, kann das [X.] die Beiladung des [X.] in dem gegen den ursprünglich ergangenen Bescheid angestrengten Klageverfahren beantragen. Dafür genügt es, dass die Möglichkeit einer Folgeänderung besteht; die Beiladung kann nur unterbleiben, wenn die Interessen Dritter durch den Ausgang des anhängigen Rechtsstreits eindeutig nicht berührt sein können ([X.] vom 22. Oktober 2001 XI B 16/00, [X.], 308; vom 7. April 2003 [X.]/02, [X.] 2003, 887; vom 14. Dezember 2004 [X.]/04, [X.] 2005, 835; vom 21. Februar 2008 [X.]/07, [X.] 2008, 756; vom 10. Februar 2010 [X.]/09, [X.] 2010, 832).

2. Da der Senat im Sinne des [X.] entschieden hatte, dass er die [X.] "nicht als Einzelunternehmer, sondern allenfalls als Mitunternehmer" in Verbundenheit mit den Beigeladenen vereinnahmt hat, und daher die Aufhebung der angefochtenen Bescheide durch das [X.] zu erwarten war, zog das [X.] den Erlass von Gewerbesteuermessbescheiden und die Festsetzung von Gewerbesteuer gegen eine aus dem Kläger und den Beigeladenen bestehende Personengesellschaft in Betracht.

a) Diese Möglichkeit ist nicht zweifelsfrei ausgeschlossen, denn das [X.] könnte mit seiner Rechtsansicht durchdringen, dass die Beteiligung des [X.] und der Beigeladenen an dem Rechtsstreit nach § 174 Abs. 4 und Abs. 5 [X.] eine [X.] (§ 180 Abs. 1 Nr. 2 [X.]) für eine von ihnen gebildete Mitunternehmerschaft erlaubt und diese wiederum nach § 35b GewStG den Erlass von [X.] und Gewerbesteuerbescheiden.

b) Eine Beiladung ist allerdings ausgeschlossen, wenn der Steueranspruch dem zu [X.]. hier der von den Beigeladenen gebildeten Personengesellschaft-- gegenüber zweifelsfrei bereits verjährt ist ([X.] in [X.] 2010, 832). Dies vermag der Senat aber nicht mit der erforderlichen Sicherheit festzustellen. Denn es ist denkbar, dass die [X.] aufgrund besonderer, bislang im Beschwerdeverfahren nicht erörterter Umstände anstelle der vierjährigen einer längeren Feststellungsfrist unterliegt (§ 169 Abs. 2 [X.]) oder dass der Fristablauf gehemmt wurde (§ 171 [X.]); schließlich könnte auch zu berücksichtigen sein, dass jedenfalls gegen zwei der Beigeladenen wegen der von ihnen vereinnahmten Vergütungen für die Bürgschaftsübernahmen ebenfalls entsprechende Gewerbesteuermessbescheide ergangen und die dagegen gerichteten Verfahren noch anhängig sind. Diese Fragen wären erst in einem Rechtsstreit gegen die möglicherweise nachfolgenden [X.]s- oder Gewerbesteuermessbescheide zu klären, denn die Entscheidung über die Beiladung darf die der Hauptsache nicht vorwegnehmen (Senatsbeschluss in [X.] 2003, 887).

c) Eine Beiladung nach § 174 Abs. 5 Satz 2 [X.] ist auch dann zulässig, wenn sie --wie im [X.] nach Zurückverweisung des Rechtsstreits durch den [X.] erfolgt. Eine Beschränkung der Beiladung auf den ersten Rechtsgang lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen.

Meta

III B 149/09

15.10.2010

Bundesfinanzhof 3. Senat

Beschluss

vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 4. August 2009, Az: 5 K 6091/09, Beschluss

§ 174 Abs 5 AO, § 174 Abs 4 AO, § 169 AO, § 171 AO, § 180 Abs 1 Nr 2 AO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 15.10.2010, Az. III B 149/09 (REWIS RS 2010, 2334)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 2334

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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