Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.11.2004, Az. III ZR 63/04

III. Zivilsenat | REWIS RS 2004, 719

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]/04
Verkündet am: 11. November 2004 [X.] als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja

[X.] § 14 Abs. 1 Satz 2; [X.] § 40

Zur Pflicht des Notars, bei der Beglaubigung einer Unterschrift, durch die ein vollmachtlos geschlossener Vertrag über die Gründung einer GmbH genehmigt wird, über drohende Haftungsrisiken zu belehren.
[X.], Urteil vom 11. November 2004 - [X.]/04 - OLG Celle

LG Stade

- 2 -

[X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 11. November 2004 durch [X.] und die Rich-ter Dr. [X.], Dr. [X.], [X.] und [X.]

für Recht erkannt:
Auf die Revision des [X.]n wird das Urteil des 3. Zivilsenats des [X.] vom 23. Dezember 2003 aufgeho-ben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsge-richt zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand

Der [X.] beurkundete am 10. Oktober 1997 die Gründung der [X.] (im folgenden: HA-GmbH). Den Gesellschaftsvertrag schloß der Vater der Klägerin, der für sich selbst und als vollmachtloser Vertreter der Klägerin handelte. Die HA-GmbH wurde gegründet, um die Arbeitnehmer und die Aufträge der insolvent gewordenen [X.] zu übernehmen. Mit von dem [X.]n beglaubigter Erklärung vom 22. Oktober 1997 genehmigte die Klägerin die Erklärungen ihres [X.] zur Gründung der HA-GmbH und erteilte - 3 -

ihm nachträglich Vollmacht. Die HA-GmbH wurde bereits vor der Eintragung tätig. Sie machte Verlust und wurde ebenfalls insolvent. Der Konkursverwalter der HA-GmbH nahm die Klägerin als Gesellschafterin auf Zahlung der Stamm-einlage und Ausgleich der [X.] in Anspruch.

Die Klägerin begehrt von dem [X.]n Schadensersatz in Höhe von 123.346,53 • nebst Zinsen wegen Verletzung notarieller Amtspflichten. Der [X.] habe sie nicht hinreichend über die mit dem Abschluß des [X.] verbundenen Haftungsrisiken belehrt.

Landgericht und Berufungsgericht haben der Klage stattgegeben. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision verfolgt der [X.] seinen Antrag, die Klage abzuweisen, weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

[X.]

Das Berufungsgericht hat ausgeführt:

Die notarielle Beurkundung des [X.] der HA-GmbH, bei der die Klägerin durch ihren Vater vertreten gewesen sei, und die [X.] 4 -

gung der Unterschrift, mit der die Klägerin die [X.] genehmigt habe, seien als ein einheitliches Amtsgeschäft zu betrachten. Diesbezüglich habe der [X.] jedenfalls eine sogenannte erweiterte [X.] [X.]. Ein besonderer Umstand, der eine solche [X.] begründet habe, habe in der hier erfolgten "Vertragsaufspaltung" gelegen. Die Klägerin sei dadurch in die Gefahr geraten, als Gesellschafterin zu haften, ohne jemals belehrt worden zu sein. Wäre die Klägerin - was der [X.] bei der Unter-schriftsbeglaubigung pflichtwidrig versäumt habe - über das mit dem Abschluß des Gesellschaftsvertrages verbundene Haftungsrisiko belehrt worden, hätte sie die Genehmigung nicht erteilt. Es wäre nicht zur Gründung der HA-GmbH gekommen und die Klägerin hätte weder eine Einlage zu leisten gehabt noch auf [X.]haftung in Anspruch genommen werden können.

I[X.]

Das Berufungsurteil hält der rechtlichen Prüfung nicht stand.

Nach den bisher getroffenen Feststellungen kann die Klägerin von dem [X.]n nicht Schadensersatz wegen Verletzung notarieller Amtspflichten (§ 19 Abs. 1 Satz 1 [X.]) verlangen.

1. Zunächst ist klarzustellen, daß im Streitfall nicht ein "einheitliches Amts-geschäft", sondern zwei Amtsgeschäfte vorliegen, nämlich die Beurkundung des [X.] der HA-GmbH am 10. Oktober 1997 und die Beglau-bigung der Unterschrift der diesen Vertrag genehmigenden Klägerin am 22. Oktober 1997. Für die gegenteilige Auffassung nimmt das Berufungsgericht - 5 -

zu Unrecht die in [X.] 1938, 889 veröffentlichte Entscheidung des [X.] in Anspruch. Dort ging es um die Beglaubigung von Unterschriften auf einem von dem Notar entworfenen Vertrag (vgl. [X.] aaO S. 890), nicht um die Genehmigung eines früher beurkundeten Vertrages.

2. Auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts kann nicht angenommen werden, der [X.] habe bei der Beglaubigung der Unter-schrift, mit der die Klägerin den durch ihren Vater geschlossenen [X.] genehmigt hat, [X.] verletzt.

a) Bei der bloßen Beglaubigung einer Unterschrift (§ 40 [X.]) trifft den Notar nur eine eingeschränkte Prüfungs- und [X.]. Zu einer Rechtsbelehrung ist er grundsätzlich nicht verpflichtet. Er muß lediglich prüfen, ob Gründe bestehen, seine Amtstätigkeit zu versagen (§ 40 Abs. 2 i.V.m. §§ 2 bis 5 [X.]), und die Beteiligten gegebenenfalls entsprechend unterrichten ([X.] in [X.]/[X.]/[X.], Handbuch der [X.] 2004 Rn. 1411 m.w.N.). Etwas anderes, d.h. eine Rechtsbelehrungspflicht hinsichtlich der Be-zugsurkunde, ist selbst dann nicht anzunehmen, wenn die Bezugsurkunde von dem beglaubigenden Notar errichtet wurde. Andernfalls müßte er in jedem Fall einer Unterschriftsbeglaubigung nachforschen, ob die Bezugsurkunde von ihm stammt. Der Notar müßte sich deren Inhalt und rechtliche Tragweite wieder vergegenwärtigen. Praktisch müßte er sich in vielen Fällen wieder völlig neu einarbeiten. Im übrigen wäre das Haftungsrisiko, das sich daraus für den Notar ergäbe, mit der Gebühr für eine Beglaubigung ohne Entwurf nicht angemessen abgegolten (vgl. [X.] aaO).
- 6 -

b) Bei der Beglaubigung der Unterschrift, die die Klägerin unter die Ge-nehmigungserklärung setzte, könnte den [X.]n allerdings eine an den Entwurf der Genehmigungserklärung knüpfende [X.] wie bei einer zur Niederschrift aufgenommenen Urkunde getroffen haben; denn der [X.] dürfte es übernommen haben, den Text der Genehmigungserklärung zu formu-lieren (vgl. [X.] 125, 218, 226; [X.], [X.] 15. Aufl. 2003 § 40 Rn. 49). Die [X.] (§ 17 Abs. 1 [X.]) beträfe aber nur die rechtlichen Folgen der Genehmigungserklärung, d.h. das Wirksamwerden des Geschäfts, nicht den Inhalt und die Ausgestaltung des Vertretergeschäfts (vgl. [X.] aaO 225 f). Die Verletzung einer solchen eingeschränkten [X.] wird dem [X.]n jedoch nicht angelastet.

c) Schließlich kann bei Unterschriftsbeglaubigungen (mit und ohne Ent-wurf) die betreuende [X.] (§ 14 Abs. 1 Satz 2 [X.]) zum Schutz der Beteiligten vor unerkannten, aber für den Notar erkennbaren Gefahren ein-greifen (vgl. [X.] aaO Rn. 1411 a.E.). Die besonderen Umstände, die hier bei der Unterschriftsbeglaubigung durch den [X.]n einen Hinweis auf die [X.]haftung geboten hätten, hat das Berufungsgericht darin gesehen, daß eine "Vertragsaufspaltung", d.h. ein nachträglich genehmigter Vertrags-schluß durch einen vollmachtlosen Vertreter, stattgefunden habe. Dem kann indes nicht beigetreten werden. Nach der bestehenden Gesetzeslage (§ 6 Abs. 2, § 17 Abs. 1 Satz 1 [X.], § 14 Abs. 1 Satz 2 [X.]) ist der Schutz des Vertretenen bewußt nicht so ausgestaltet, als habe er selbst an der [X.] teilgenommen (vgl. [X.] 125, 218, 225); denn Adressat der [X.] Belehrung sind nur die Beteiligten. Wenn der Vertretene aber das Rechts-geschäft genehmigt (§ 184 Abs. 1 BGB), erklärt er damit zugleich, er lasse die dem Vertreter erteilte Belehrung gegen sich gelten. Es ist Sache des [X.] 7 -

nen, sich die erfolgte Belehrung von dem Vertreter erläutern zu lassen oder sich anderweitig zu informieren, bevor er das Geschäft genehmigt (vgl. [X.] aaO Rn. 1133).

Besondere Umstände, die Anlaß zu einer eingehenden Belehrung über drohende Haftungsfolgen gegeben hätten, wären allerdings gegeben, wenn der [X.] gewußt hätte, daß der Vater der Klägerin vor der Gründung der HA-GmbH bereits mehrere, jeweils insolvent gewordene GmbHs "hatte" und die HA-GmbH als Auffanggesellschaft für eine solche insolvente GmbH dienen sollte. Dann nämlich hätte sich dem [X.]n aufdrängen müssen, daß auf Seiten der Klägerin eine - gegebenenfalls auf Informationen ihres [X.] beru-hende - hinreichende Kenntnis der bestehenden beträchtlichen Haftungsrisiken nicht erwartet werden konnte. Diesbezügliche konkrete Feststellungen hat das Berufungsgericht nicht getroffen. Sie können insbesondere nicht - entgegen der von der [X.] in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vertretenen Ansicht - der allgemein gehaltenen Wendung des Berufungsge-richts entnommen werden, "der [X.] habe bereits in der Klageerwiderung eingeräumt, daß ihm die Verhältnisse nicht ganz unbekannt waren".

II[X.]

Das Berufungsgericht wird in der neuen mündlichen Verhandlung zu klären haben, ob der [X.] die vorgenannten Umstände, die zur Gründung der HA-GmbH führten, kannte und deshalb über die Haftungsfolgen bei einer sofortigen Aufnahme der Geschäfte zu belehren hatte (§ 14 Abs. 1 Satz 2 BNo-- 8 -

[X.]).
- 9 -

Gegebenenfalls wird dann auf die Frage der Rechtsbelehrungspflicht (§ 17 Abs. 1 Satz 1 [X.]) bei der Beurkundung des [X.] und die weiteren [X.] der Revision einzugehen sein.

[X.] [X.] [X.]

[X.] [X.]

Meta

III ZR 63/04

11.11.2004

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.11.2004, Az. III ZR 63/04 (REWIS RS 2004, 719)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 719

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