Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.06.2011, Az. XII ZB 468/10

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 5720

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 468/10

vom

15. Juni 2011

in der Familiensache

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
FamFG §§ 39, 117 Abs. 1; ZPO § 233 Fa, Gc
a)
Die nach §
39 FamFG vorgeschriebene Rechtsbehelfsbelehrung muss sich auf das statthafte Rechtsmittel oder den statthaften Rechtsbehelf, das für die Entge-gennahme zuständige Gericht und dessen vollständige Anschrift, die bei der [X.] einzuhaltende Form und Frist und einen ggf. bestehenden Anwaltszwang erstrecken (im [X.] an den Senatsbeschluss vom 23.
Juni 2010 -
XII
ZB 82/10 -
FamRZ 2010, 1425). Zur Form und Frist der Beschwerdebegründung [X.] die Vorschrift hingegen keine Belehrung (im [X.] an [X.] ZIP 2003, 1850 zu §
9 Abs.
5 Satz
3 und 4 ArbGG).
b)
Die Prüfung der notwendigen Formalien für die Zulässigkeit einer Beschwerde ist Aufgabe des Beschwerdeführers. Bei dieser Prüfung kann er sich nicht mit einer unrichtigen Geschäftsstellenauskunft entlasten, wenn seine Verfahrensbevoll-mächtigte die Auskunft pflichtwidrig nicht auf ihre Richtigkeit überprüft hat (im [X.] an [X.] Urteil vom 9.
Januar 1998
V
ZR
209/97
-
VersR 1998, 1046).
c)
Geht eine fristgebundene Rechtsmittelbegründung oder ein entsprechender [X.] statt beim Rechtsmittelgericht bei dem erstinstanzlichen Gericht ein, ist dieses lediglich verpflichtet, den Schriftsatz im ordentlichen Geschäftsgang an das Rechtsmittelgericht weiterzuleiten.
[X.], Beschluss vom 15. Juni 2011 -
XII ZB 468/10 -
OLG [X.]

[X.]

-
2
-
Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat am 15.
Juni 2011 durch die [X.] [X.]in [X.], die [X.]in Weber-Monecke
und die [X.] Dose, Dr.
Klinkhammer
und
Schilling
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 10.
Zivilsenats -
Senat für Familiensachen
-
des [X.]s [X.] vom 24.
August 2010 wird auf Kosten des Antragsgegners verworfen.
[X.]: 3.986

Gründe:
I.
Mit Beschluss des Amtgerichts wurde dem Antragsgegner aufgegeben, neben rückständigem und laufendem
Kindesunterhalt rückständigen Ehegat-tenunterhalt an die Antragstellerin zu
1 zu zahlen. Der Beschluss wurde dem Antragsgegner am 21.
April 2010 zugestellt. Am 19.
Mai 2010 ging seine
Be-schwerde beim [X.] ein. Wegen eines zuvor eingegangenen [X.] verblieben die Akten zunächst dort.
Mit einem an das [X.] gerichteten Schriftsatz vom 18.
Juni 2010, der am gleichen Tag dort einging, beantragte der Antragsgegner
Verlängerung der [X.] um einen Monat. Nach Vorlage der Akten [X.] der Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners am 23.
Juni 2010 mit, dass eine Fristverlängerung durch das [X.] nicht in Betracht komme und übersandte die Akten an das [X.], wo sie am 25.
Juni 2010 eingingen. Mit einem ebenfalls am 25.
Juni 2010
beim Ober-1
2
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3
-
landesgericht eingegangenen Schriftsatz begründete der Antragsgegner seine Beschwerde und begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen [X.] der [X.].
Das [X.] hat dem Antragsgegner die begehrte Wiederein-setzung in den vorigen Stand versagt und seine Beschwerde als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners.

II.
Die Rechtsbeschwerde ist nach §
117 Abs.
1 Satz
4 FamFG iVm
§§
238 Abs.
2 Satz
1, 522 Abs.
1 Satz
4, 574 Abs.
1 Nr.
1 ZPO statthaft. Sie ist jedoch nicht zulässig, weil es an den Voraussetzungen des §
574 Abs.
2 ZPO fehlt. Eine Entscheidung des [X.] ist entgegen der Rechtsauffassung des Antragsgegners nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.
Das [X.] hat zu Recht dem Antragsgegner die begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagt und seine Beschwerde als [X.] verworfen. Die Beschwerdebegründung ist verspätet bei dem zustän-digen [X.] eingegangen,
und die Säumnis ist auf ein dem [X.] zurechenbares Verschulden seiner
Verfahrensbevollmächtigten zurückzuführen.
1. Zutreffend
hat das [X.] darauf hingewiesen, dass sich der Antragsgegner nicht auf eine fehlende Rechtsmittelbelehrung
in dem erstin-stanzlichen Beschluss berufen kann. Die nach §
39 FamFG vorgeschriebene Rechtsbehelfsbelehrung muss sich auf das statthafte Rechtsmittel oder den statthaften Rechtsbehelf, das für die Entgegennahme zuständige Gericht und 3
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-
4
-
dessen vollständige Anschrift sowie auf die bei der Einlegung einzuhaltende Form und Frist erstrecken. Dazu gehört auch die Information über einen beste-henden Anwaltszwang (Senatsbeschluss vom 23.
Juni 2010 -
XII
ZB
82/10
-
FamRZ 2010, 1425 Rn.
14; vgl. auch BT-Drucks.
16/6308 S.
196).
Zur Form und Frist der Beschwerdebegründung verlangt die Vorschrift hingegen keine Belehrung (vgl. [X.] ZIP
2003, 1850
zu §
9 Abs.
5 Satz
3 und 4 ArbGG; [X.]/[X.] FamFG 16.
Aufl. §
39 Rn.
12; [X.]/[X.] FamFG §
39 Rn.
11; Bahrenfuss/[X.] FamFG §
39 Rn.
6).
Aus der Rechtsmittelbeleh-rung
kann der Antragsgegner somit keinen Wiedereinsetzungsgrund herleiten.
2. Der Antragsgegner kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Geschäftsstelle des [X.]s seiner
Verfahrensbevollmächtigten
die
Auskunft erteilt
habe, der Antrag auf Verlängerung der
Beschwerdebegrün-dung solle noch beim [X.] eingereicht
werden.
Die Prüfung der notwendigen
Formalien für die Zulässigkeit einer
Be-schwerde ist Aufgabe des Beschwerdeführers. Bei dieser Prüfung kann er sich nicht mit einer unrichtigen Geschäftsstellenauskunft entlasten, wenn seine
Ver-fahrensbevollmächtigte die Auskunft, wie hier,
pflichtwidrig nicht auf ihre Rich-tigkeit überprüft hat ([X.] Urteil vom 9.
Januar 1998 -
V
ZR
209/97
-
VersR 1998, 1046). Für die Verfahrensbevollmächtigte
wäre
aus §
117 Abs.
1 FamFG zweifelsfrei ersichtlich
gewesen, dass die Beschwerdebegründung in der hier vorliegenden Familienstreitsache beim Beschwerdegericht einzureichen war und die Frist dafür zwei Monate ab Zustellung des angefochtenen Beschlusses betrug. Die schuldhafte Verkennung dieser eindeutigen Gesetzeslage ist dem Antragsgegner nach §
113 Abs.
1 FamFG iVm
§
85 Abs.
2 ZPO zuzurechnen.
7
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-
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-
3. Im Gegensatz zur Auffassung der Rechtsbeschwerde ist die zunächst unterbliebene Übersendung der Gerichtsakten an das Beschwerdegericht für die Fristversäumung nicht kausal geworden.
Selbst wenn sich die Akten mit der eingelegten Beschwerde noch beim Ausgangsgericht befinden, ist die Beschwerdebegründung oder ein entspre-chender Verlängerungsantrag in Ehe-
und Familienstreitsachen nach §
117 Abs.
1 FamFG beim Beschwerdegericht einzureichen. Wie die Rechtsbe-schwerde selbst ausführt, kommt es für die Wahrung der Begründungsfrist und einen entsprechenden Verlängerungsantrag
auf den Eingang des Schriftsatzes beim zuständigen Gericht an. Auch wenn die Akten zunächst noch vom [X.] angefordert werden müssen, kann die [X.] bei rechtzeitigem Eingang des [X.] noch
später [X.] ([X.]Z-GSZ 83, 217 =
NJW 1982, 1651). Entscheidend ist mithin allein
der rechtzeitige Eingang eines [X.] beim Beschwer-degericht. Ob das Beschwerdegericht den Schriftsatz sofort zuordnen kann oder
die Akten zunächst vom Ausgangsgericht anfordern muss, ist unerheblich.
4. Die Entscheidung des [X.] verstößt auch nicht gegen den Grundsatz des
fairen Verfahrens. Zwar war der Verlängerungsantrag am Freitag, dem 18.
Juni 2010, noch innerhalb der Begründungsfrist
beim Amtsge-richt eingegangen. Die Weiterleitung dieses Antrags an das zuständige Ober-landesgericht im ordentlichen Geschäftsgang mit der Folge des verspäteten Eingangs beim zuständigen [X.] verletzt die [X.] des Antragsgegners aber nicht.
Der [X.] ist einerseits aufgrund des Anspruchs auf ein faires Verfah-ren zur Rücksichtnahme auf die [X.]en verpflichtet. Andererseits muss auch die Justiz im Interesse ihrer Funktionsfähigkeit vor zusätzlicher Belastung ge-9
10
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12
-
6
-
schützt werden ([X.] NJW 2006, 1579). Eine generelle Fürsorgepflicht des für die Rechtsmittelbegründung
unzuständigen Gerichts,
durch Hinweise oder andere geeignete Maßnahmen eine Fristversäumung des Rechtsmittelführers zu verhindern, besteht deswegen nicht (vgl. [X.] Beschluss vom
24.
Juni 2010 -
V
ZB
170/09
-
WuM 2010, 592 Rn.
7). Geht eine
fristgebundene Rechtsmittel-begründung
oder ein entsprechender Verlängerungsantrag statt beim Rechts-mittelgericht bei dem erstinstanzlichen Gericht ein, ist dieses grundsätzlich le-diglich
verpflichtet, den Schriftsatz im ordentlichen Geschäftsgang an das Rechtsmittelgericht weiterzuleiten. Dies folgt aus dem verfassungsrechtlichen Anspruch des Rechtsuchenden auf ein faires Verfahren (Art.
2 Abs.
1 GG iVm
dem Rechtsstaatsprinzip). Geht der Schriftsatz so zeitig ein, dass die fristge-rechte Weiterleitung an das Rechtsmittelgericht im ordentlichen Geschäftsgang ohne weiteres erwartet werden kann, darf die [X.] darauf vertrauen, dass der Schriftsatz noch rechtzeitig beim Rechtsmittelgericht eingeht. Geschieht dies tatsächlich nicht, wirkt sich das Verschulden der [X.] oder ihrer
Verfahrens-bevollmächtigten nicht mehr aus, so dass ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist ([X.] Beschluss vom 6.
November 2008 -
IX
ZB
208/06
-
FamRZ 2009,
320 Rn.
7 mwN). Der die Wiedereinsetzung be-gehrende Beteiligte hat jedoch darzulegen und glaubhaft zu machen, dass sein Schriftsatz im normalen ordnungsgemäßen Geschäftsgang fristgemäß an das zuständige Rechtsmittelgericht hätte weitergeleitet werden können
([X.] Be-schlüsse vom 6.
Juli 2005 -
II
ZB
9/04
-
NJW-RR 2005, 1373 und vom 22.
Okto-ber 1986 -
VIII
ZB
40/86
-
NJW 1987, 440, 441).
An einem solchen Vortrag des Antragsgegners fehlt es
hier. Das Ober-landesgericht hat vielmehr zu Recht darauf hingewiesen, dass bei Eingang des [X.] beim [X.] am Freitag,
dem 18.
Juni 2010,
nicht mit einer Weiterleitung des Schriftsatzes auf dem ordentlichen [X.] bis Montag, dem 21.
Juni 2010,
gerechnet werden konnte. Das gilt auch des-13
-
7
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wegen,
weil
die verfassungsrechtliche Fürsorgepflicht der Gerichte keine gene-relle Verpflichtung zur sofortigen Prüfung der Zuständigkeit erfordert ([X.] NJW 2006, 1579). Die Weiterleitung des [X.] im normalen Geschäftsgang mit Verfügung vom 23.
Juni 2010 hat deswegen
keine Verfah-rensgrundrechte des Antragsgegners
verletzt.
Der verspätete Eingang beim Beschwerdegericht ist
allein auf das Verschulden seiner Verfahrensbevollmäch-tigten zurückzuführen.
5. Weil der Antragsgegner die Frist zur Begründung seiner Beschwerde nicht schuldlos versäumt hat, hat das [X.]
ihm die begehrte [X.] in den vorigen Stand nach §
113 Abs.
1 FamFG iVm
§
233 ZPO 14
-
8
-
zu Recht versagt.
Auch die Verwerfung der Beschwerde nach §
117 Abs.
1 Satz
4 FamFG iVm §
522 Abs.
1 Satz
2 ZPO ist deswegen nicht zu [X.].

Hahne

Weber-Monecke

Dose

Klinkhammer

Schilling

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 13.04.2010 -
604 F 4435/09 -

OLG [X.], Entscheidung vom 24.08.2010 -
10 UF 158/10 -

Meta

XII ZB 468/10

15.06.2011

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.06.2011, Az. XII ZB 468/10 (REWIS RS 2011, 5720)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 5720

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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